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Editorial
PD Dr. med. Alexandre Datta Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) alexandre.datta@ukbb.ch
M üdigkeit und Schläfrigkeit sind Begriffe, die in der Bevölkerung oft synonym verwendet werden, wenngleich es sich um zwei klar voneinander zu trennende Entitäten handelt. Sie gehören zu den Beschwerden, die im Kindesund Jugendalter häufig geäussert werden. Dabei handelt es sich mehrheitlich aber um Schwierigkeiten rund um das Schlafverhalten, welches zu einem Teil nicht unbedingt als Erkrankung eingestuft werden kann, dessen Auswirkungen aber oft Konsequenzen auf den Alltag dieser Kinder und Jugendlichen, aber auch auf ihre Eltern haben. In dieser Ausgabe geht es darum, die Unterschiede zwischen Müdigkeit und Schläfrigkeit aufzuzeigen und sie in den richtigen Kontext zu stellen. Die Kinderärzte sollen damit einen Leitfaden erhalten, wie Symptome dieser Art eingeordnet, erste diagnostische Schritte in die Wege geleitet oder behaviorale Massnahmen empfohlen werden können, und wann die Beratung durch oder
che Zeichen auf obstruktive Schlafapnoen hinweisen, bei welchen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko dafür besteht und welche Untersuchungen bei erwiesenem Verdacht erfolgen sollten. Das Restless-Legs-Syndrom und das Syndrom der periodischen Beinbewegungen werden von dem Neuropädiater und Schlafmediziner Silvano Vella genauer beleuchtet. Beide Syndrome können sekundär zu Schläfrigkeit und im Fall eines Eisenmangels auch zu Müdigkeit führen. Christin Lang, Sportwissenschaftlerin mit Weiter bildung zum Thema Schlaf, geht dem Thema des verzögerten Schlafphasensyndroms im Jugendalter nach, denn Schlafmangel und sekundäre Schläfrigkeit tagsüber können zahlreiche Konsequenzen haben. Sie reichen von möglichem Schulabsentismus und eingeschränkter Leistungsfähigkeit bis zu somatischen Störungen, depressiver Verstimmung und einem erhöhten Suchtrisiko.
Müde oder schläfrig?
die Konsultation von Spezialisten für pädiatrische Schlafmedizin oder aus anderen Schwerpunktbereichen der Pädiatrie notwendig wird. Im ersten Artikel, einem Leitfaden für die Kinderarztpraxis, möchte ich aufzeigen, wie mit der Hilfe eines im Praxisalltag einfach anzuwendenden Fragebogens die Symptome vollumfänglich erfasst werden können. Anhand von Phänotypen sollen Symptome besser eingeordnet können, wobei zwischen den Phänotypen des (a) immer schläfrigen, (b) zu spezifischen Zeitpunkten schläfrigen oder (c) müden, aber nicht schläfrigen Kindes oder Jugendlichen unterschieden wird, was eine ätiologische Zuordnung möglich machen soll. Ein Algorithmus soll dann die weiteren Abklärungsschritte aufzeigen und klar machen, wann die Zuweisung an Spezialisten notwendig ist. Daniel Trachsel, pädiatrischer Pneumologe, Intensivmediziner und Schlafspezialist, und seine Mitarbeiter Philipp Engi und Anja Jochmann schildern in ihrem Beitrag, wann bei Schläfrigkeit eine respiratorische Pathologie zu vermuten ist und weitere Abklärungen notwendig sind. Gut verständlich erläutern sie, wel-
Psychische Erkrankungen sind im Kindes-und Jugendalter nicht selten und mit Symptomen der Müdigkeit und Schläfrigkeit assoziiert: Einerseits können diese durch die P syche indirekt verursacht werden, andererseits können sie die psychischen Symptome verstärken. Die Psychiaterin und Schlafmedizinerin Helen Slawik erklärt in ihrem Beitrag detailliert, worauf es bei diesen Patienten ankommt. Wichtige Fragen zum Long-COVID und PostCOVID-Syndrom, bei dem Müdigkeit, aber auch Schlafstörungen dazu beitragen, dass die Leistungsfähigkeit der Betroffenen stark und über längere Zeit eingeschränkt sein kann, beantwortet die pädiatrische Infektiologin Julia Bielicki in einem Interview. Diese Ausgabe der PÄDIATRIE soll einen Beitrag zur besseren Erkennung der Symptome der Schläfrigkeit und Müdigkeit sowie zu deren ätiologischer Zuordnung, dem Einsatz diagnostischer Mittel, der Auswahl therapeutischer Optionen und der Berücksichtigung möglicher Folgeerscheinungen leisten. Ich wünsche Ihnen ein informationsreiches Lese erlebnis!
Alexandre Datta
2 Pädiatrie 1/23