Transkript
Schwerpunkt
Von Ovarialzysten bis OHVIRA
Fallvorstellungen aus der urogynäkologischen Sprechstunde
Um eine Indikation für chirurgische Interventionen im Bereich des inneren und äusseren Genitales bei Mädchen ganzheitlicher beurteilen zu können, besteht seit Ende 2019 eine interdisziplinäre urogynäkologische Sprechstunde am Kinderspital Zürich. Die Konsultationen werden von einer erfahrenen Kinderurologin zusammen mit einer Kinder- und Jugendgynäkologin geführt. Im Folgenden stellen wir einige Fälle aus unserer Sprechstunde vor.
Von Uchenna Kennedy und Kerstin Ruoss
J ährlich sehen wir – mit steigender Tendenz – min destens 100 Patientinnen in unserer interdiszipli nären Sprechstunde. Die in Abbildung 1 aufgelis teten Diagnosen der letzten 9 Monate stehen stellvertretend für die Erfahrung in den letzten 3 Jahren. Am häufigsten sehen wir Patientinnen mit Ovarialzysten, in einem Drittel der Fälle handelt es sich um neugeborene Mädchen. Fragestellungen im Zusammenhang mit Varia tionen des Hymens werden ebenfalls sehr häufig an uns herangetragen, nicht selten muss eine Beurteilung bei komplexen Fehlbildungen erfolgen.
Fall 1: 12-jähriges Mädchen mit Ovarialzyste
Anamnese: Unterbauchschmerzen seit dem frühen Mor gen, im Verlauf akute Zunahme, Verlagerung in den rech ten Unterbauch, einmaliges Erbrechen. Gynäkologische Anamnese: Thelarche vor 2,5 Jahren, Menarche vor 3 Monaten, sexuell nicht aktiv. Status: TannerStadium B3, P4. Abdomen: normale Darmgeräusche, weich, keine Resis tenzen, Druckdolenz im Unterbauch, insbesondere deut liche Druckdolenz mit Défense im rechten Unterbauch,
Abbildung 1: Häufigste Diagnosen in der kinder- und jugendgynäkologischen Sprechstunde am Universitäts-Kinderspital Zürich von Januar bis September 2022
kein Rüttelschmerz, Klopfdolenz im rechten Unterbauch, leicht gebückter Gang. Abklärungen: Sonografie des Abdomens, bei Differen zialdiagnose Appendizitis, Blutbild und CRP. Diagnose: simple Ovarialzyste rechts (Durchmesser 6 cm) (Abbildungen 2 und 3). Beurteilung und Prozedere: Bei Jugendlichen sind sowohl simple als auch komplexe Zysten am Ovar ein häufiger Befund, wobei komplexe Zysten viel seltener vorkommen. Die zystischen Veränderungen können asymptomatisch sein, aber auch irreguläre Menstrua tionszyklen, Schmerzen oder, bei sehr grossem Befund, Darm und Harnwegsobstruktionen verursachen. Die Schmerzen sind einerseits von der Grösse abhängig, an dererseits treten sie aber vor allem auf, wenn die Zysten einbluten oder das Ovar respektive die Adnexe torquieren. Nicht selten sind die Symptome im rechten Unterbauch nicht von den Symptomen einer Appendizitis zu unter scheiden. Bei Patientinnen mit Unterbauchschmerzen sollte grosszügig eine Sonografie des Abdomens durch geführt werden, um diese Differenzialdiagnosen abzu klären. Falls sich die Frage nach einer Ovarialtorsion stellt, erfolgt die Diagnostik in der Regel anhand klinischer und sonografischer Kriterien. Schwartz et al. (1) haben 2018 einen Score entwickelt, der als Hilfe zur Diagnosestellung und Abwägung der Operationsindikation verwendet wer den kann (Tabelle). Zysten bis zu einem Durchmesser von 3 cm gelten bei Mädchen post menarchem als Normalbefund. Kleine Zys ten, die wenig symptomatisch sind, können beobachtet werden. Eine sonografische Kontrolle nach 1 bis 2 Mens truationszyklen wird empfohlen. Symptomatische Zysten oder Zysten, die einen Durchmesser von mehr als 5 cm aufweisen, müssen aufgrund des Torsionsrisikos sorgfäl tig hinsichtlich einer Laparoskopie evaluiert werden. Simple Paraovarialzysten werden wie Ovarialzysten be handelt. Komplexe Zysten oder Zysten mit soliden Anteilen, wie zum Beispiel Verkalkungen als Hinweise für ein Teratom, benötigen eine weitere Abklärung mittels MRI und Be stimmung der Tumormarker (AFP und BetaHCG) zur wei teren Operationsplanung (Abbildung 4) (2).
4 Pädiatrie 6/22
Schwerpunkt
Abbildung 2: Simple Ovarialzyste links
Abbildung 3: Ovarialzyste links mit Dopplersignal
Abbildung 4: Management der Ovarialzysten: Abklärung mittels Ultraschall
Diagnose: pränatale Ovarialzyste (Abbildung 5). Prozedere und Verlauf: Es erfolgte eine einmalige sono grafisch gesteuerte Zystenpunktion am Ovar links im Alter von 9 Tagen. In der Folge kam es zu einer leichten er neuten Zunahme der Zystengrösse, wahrscheinlich im Rahmen der hormonellen Stimulation in der Minipuber tät. Im Alter von 9 Monaten – nach dem Einsetzen der hormonellen Ruheperiode – hatte sich der Befund voll ständig zurückgebildet. Eine weitere Intervention war nicht notwendig. Die Inzidenz angeborener Ovarialzysten beträgt ca. 1:2600 Schwangerschaften. Bisher bestehen keine klaren Guidelines, wann eine Intervention notwendig und sinn voll ist. Zusammengefasst sollte im Management solcher Patientinnen Folgendes beachtet werden: • Es besteht eine hohe Rate der spontanen Rückbildung
von 53,8 Prozent (4). • Eine spontane Rückbildung ist weniger wahrscheinlich
bei Zystengrösse ≥ 4 cm oder bei komplexer Zyste (4). • Ein veränderter sonografischer Aspekt ist ein möglicher
Hinweis für einen Organverlust (4, 5). • Das Risiko für eine Torsion steigt bei einer Zystengrösse
≥ 4 cm (4). • Die sonografisch gesteuerte Zystenaspiration prä- und
postnatal ist mit einem hohen Rezidivrisiko verbunden, kann aber das Torsionsrisiko reduzieren (6). • Die Indikation für ein operatives Vorgehen besteht bei symptomatischen Zysten, Verdacht auf Malignität und gegebenenfalls bei fehlender Grössenregredienz (6).
Abbildung 5: Pränatale Ovarialzyste, Durchmesser 7 cm
Fall 2: Zufallsbefund bei einem neugeborenen Mädchen
Anamnese: In der 21. Schwangerschafts
woche (SSW) wurde eine zystische Raum
forderung im linken Hemiabdomen fest
gestellt. Das Mädchen wird am Termin
geboren (40 0/7 SSW), das Geburtsge
wicht betrug 3800 g. Die Primäradapta
tion war problemlos ohne wesentliche
Auffälligkeiten im Wochenbettstatus. Abklärung: Sonografie des Abdomens
Tabelle:
Zusammengesetzter Score zur Diagnostik der Ovarialtorsion
Unabhängige Risikofaktoren Erbrechen Adnexales Volumen Volumenverhältnis Adnexvergleich beide Seiten (adnexal ratio)
Prämenarchal
nein ja < 6 ml 6–17 ml > 17 ml < 1,25 1,25–21 > 21
Menarchal
nein ja < 105 ml ≥ 105 ml < 2 2–21 > 21
Der Gesamtscore kann 0 bis 6 Punkte erreichen. Interpretation: 0–1: niedriges Risiko, keine Operationsindikation 2–3: klinische Risiko-Nutzen-Abwägung (3–10% der Patientinnen hatten eine Torsion) ≥ 4: Operation indiziert (> 25% der Patientinnen mit diesem Score hatten eine Torsion)
Score
0 2 0 1 2 0 1 2
nach (3)
Fall 3: Zufallsbefund bei einer 12-Jährigen
Anamnese: 12-jährige Patientin mit Zufallsbefund einer ovariellen Raumforderung im Rahmen einer MRI-Unter suchung bei rechtsseitigen Hüftschmerzen. Abklärungen: MRI des Abdomens, Bestimmung der Tu mormarker. Diagnose: reifes Teratom am Ovar rechts (Abbildung 6). Beurteilung und Prozedere: Raumforderungen des Ovars im Kindes- und Jugendalter sind zu 90 Prozent benigne. Sie haben eine Inzidenz von 2,6:100 000. Am häufigsten sind reife Teratome, danach folgen unreife Teratome und Zystadenome (7). Um das Management zu planen, erfolgt zur Diagnose stellung immer eine MRI-Untersuchung sowie eine Be stimmung der Tumormarker (beta-HCG und AFP). Bei benignem Aspekt im MRI und negativen Tumormarkern soll eine ovarerhaltende Therapie angestrebt werden. Die operative Versorgung erfolgt bei kleineren Befunden (bis 6 bis 7 cm) laparoskopisch und bei grösseren Befun den via Pfannenstielschnitt (7). Ziel sollte bei reifen Tera tomen ein ovarerhaltendes Vorgehen sein, insbesondere weil eine relativ hohe Rate an metachromen kontralatera len Zweittumoren besteht (5,7–23%) (7). Die Herausfor derung b esteht darin, eine Balance zwischen Organerhalt und onkologisch optimaler Tumorresektion zu finden. Als Voraussetzung für eine ovarerhaltende Operation sollte intraoperativ makroskopisch eine Abgrenzung zum ge sunden Ovarialgewebe möglich sein (Abbildung 7). Postoperativ erfolgen regelmässige Nachsorgeuntersu chungen in unserer urogynäkologischen Sprechstunde für 3 bis 5 Jahre.
6 Pädiatrie 6/22
Schwerpunkt
Fall 4: Tampon kann nicht entfernt werden
Anamnese: Vor dem Schwimmen wurde ein Tampon eingeführt, den die 13½-Jährige nicht mehr wechseln konnte. Die Mutter beschreibt, wie sie eine Haut mit ei nem Häkchen zur Seite halten musste, damit sie den Tampon wieder entfernen konnte. Die ganze Prozedur sei sehr schmerzhaft und traumatisierend gewesen. Gynäkologische Anamnese: Menarche mit 13 4/12, Mens truation regelmässig, keine Dysmenorrhö. Status: Untersuchung des Genitales in Rückenlage und unter kolposkopischer Vergrösserung: Genitale Tan ner-Stadium P3, gut östrogenisiert. Labia majora und mi nora unauffällig. Vestibulum unauffällig. Mit der Trakti onsmethode stellt sich ein ca. 4 mm breiter Steg von 12 nach 6 Uhr des Hymenalsaums, der kurzstreckig in die Tiefe reicht . Ein Vaginalseptum kann bereits makrosko pisch ausgeschlossen werden. Diagnose: Hymen bifenestratus (Abbildung 8). Beurteilung und Prozedere: In unserer Sprechstunde sind wir häufig mit isolierten Variationen oder Fehlbil dungen des äusseren Genitales konfrontiert. Meistens ist das Hymen betroffen. Beim Hymen werden Variationen relevant, wenn der Abfluss von Menstruationsblut, die Benutzung von Tampons und/oder die Kohabitarche (ers ter Geschlechtsverkehr) behindert sind. Die verschiede nen Formen der hymenalen Anatomie sind in Abbildung 9 beschrieben. Die Veränderungen beziehungsweise Fehlbildungen 3 bis 6 sollten bei der Untersuchung im Rahmen der pädiatrischen Vorsorge frühzeitig erfasst werden, um Komplikationen bei der Menarche zu ver hindern. Bei einem einfachem Hymenalseptum erfolgt die Durch trennung mittels monopolarer Koagulation. Postoperativ soll lokal gepflegt werden (z. B. mit Bepanthen®). Bei operativer Hymenalplastik infolge Hymenalatresie oder Hymen altus empfehlen wir die lokale Applikation einer östrogenhaltigen Salbe (Ovestin®) zur Vermeidung post operativer Stenosen.
miuterus. Diese Mädchen menstruieren re gelmässig durch den Abfluss über die nicht obstruierte Seite. Mit der Zeit entwickeln sie Bauchschmerzen infolge des Rückstaus (Abbildung 11). Das Leitsymptom Schmerz führt zur Diagnose bei den Jugendlichen. Die Schmerzen können kontinuierlich vorhanden sein oder in regel mässigen Abständen analog zu den Menstrua tionen. Fehlbildungen ohne Abflussstörungen werden häufig erst im Reproduktionsalter in Abbildung 6: Teratom am rechten Ovar folge von Fertilitätsproblemen entdeckt. Es erfolgte die operative Korrektur (Durch trennung des vaginalen Septums) mit einem komplikationslosen postoperativen Verlauf.
OHVIRA-Syndrom: Worauf ist zu achten?
Wichtig ist, dass bei der Diagnose einer Nie renagenesie/-dysgenesie an eine Doppelfehl bildung von Uterus und Vagina gedacht wird und umgekehrt (Abbildung 12): • bei Nierenagenesie/dysplastischer Niere:
Sonografie des inneren Genitales und Ins pektion des äusseren Genitales: Inspektion/ Separation/Traktion • bei Doppelmissbildung des inneren Genita les nach Nierenagenesie oder multizystisch dysplastischer Niere suchen.
Abbildung 7: Intraoperatives Bild einer laparoskopischen Tumorenukleation bei reifem Teratom
Darüber hinaus soll nach der Thelarche eine Absomensonografie mit dieser Fragestellung durchgeführt werden. Zudem soll am Ende der Adoleszenz eine Transition zu einer er fahrenen Gynäkologin oder einem erfahrenen Gynäkologen erfolgen, um die Patientinnen im Hinblick auf das Risiko für eine Endome triose, die Schwangerschaft und die Geburt zu begleiten.
Abbildung 8: Hymen bifenestratus
Fall 5: 13-jähriges Mädchen mit komplexer Problematik
Anamnese: Die Patientin kam in einem auswärtigen Spi tal auf die Notfallstation mit stärksten Bauchschmerzen. Es wird der Verdacht auf eine Obstipation gestellt, aber mehrmals abführende Massnahmen bringen keine Besse rung. In der transabdominalen Sonografie findet sich eine grosse Raumforderung im kleinen Becken. Gynäkologische Anamnese: Menarche vor 18 Monaten, regelmässige Menstruation, mässige Dysmenorrhö, Obs tipation nach der Menstruation. Tamponapplikation pro blemlos. Bereits intrauterin wurde eine Nierenagenesie rechts fest gestellt. Abklärungen: Sonografie des Abdomens und MRI zur weiteren Diagnostik. Diagnose: OHVIRA (obstructed hemivagina ipsilateral renal agenesis/dysgenesis) (Abbildung 10). Beurteilung und Prozedere: Dem OHVIRA- Syndrom liegt eine inkomplette Fusion der Müller-Gänge zugrunde. Es entstehen Doppelfehlbildungen unterschiedlichen Aus masses. Nach Einsetzen der Menarche kommt es zu einem Rückstau des Menstruationsbluts in den obstruierten He
Komplexe urogenitale Fehlbildungen
Die Langzeitbetreuung von Patientinnen mit komplexen urogenitalen Fehlbildungen macht ebenfalls einen wichtigen Teil unserer Sprechstunde aus. Dazu gehören neben der gynäkologischen Betreuung von Mädchen mit Variationen der Geschlechtsentwicklung im Sinne von Intergeschlechtlichkeit auch Mädchen mit anorektalen Malformationen oder beispielsweise Blasenekstrophie. Bei den komplexen urogenitalen Fehlbildungen ist es w ichtig, die verschiedenen Facetten, die einen Einfluss auf Gesundheit und Compliance der Patientin haben können, einzubeziehen. Dazu zählen: • sexuelle Gesundheit • psychosoziale Faktoren • verändertes Körperbild • medizinische und chirurgische Vorge
schichte • Komorbiditäten, Medikamenteneinnahme,
hormonelle Substitutionstherapie.
Abbildung 9: Variationen des Hymens. 1: Hymen anulare; 2: Hymen semilunare; 3: Hymen altus; 4: Hymenalatresie; 5: Hymen bifenestratus; 6: Hymen cribriforme (Grafik: S. Fontana)
6/22 Pädiatrie
7
Schwerpunkt
Abbildung 10: Sonografie eines Hämatokolpos bei Abbildung 11: Schematische Dar-
OHVIRA-Syndrom (Foto: R. Hürlimann)
stellung des OHVIRA-Syndroms
folgen, um eine Obstruktion auszuschliessen und den Introitus zu beurteilen. Im Fall einer Schwangerschaft ist bei milderen Formen grundsätzlich eine spontane Kon zeption und vaginale Geburt möglich. Bei einer Kloaken fehlbildung oder nach komplexeren Rekonstruktionen soll die Geburt via Sectio erfolgen. Hier zeigt sich die Wichtigkeit einer guten Transition dieser Patientinnen in die Erwachsenenmedizin. Blasenekstrophie: Mädchen mit Blasenekstrophie wer den mit einer offenen Blasenplatte (x) geboren und be nötigen in der Regel mehrere Eingriffe zur Rekonstruktion und Erlangung einer Kontinenz. Im Bereich des Genitales zeigt sich in der Regel eine kurze, suffizient weite Vagina mit jedoch kleinem Introitus. Die Klitoris (°) ist zweigeteilt, und die Labia majora (*) sind nach posterior versetzt (Abbildung 13). Bezüglich der gynäkologischen Probleme gibt es wenige Langzeitstudien. Sie zeigen, dass nur ca. 20 Prozent der befragten Patientinnen sexuell aktiv sind. Hier spielt zum einen das Erscheinungsbild, zum anderen eine mögliche Inkontinenz eine wichtige Rolle. Sehr häufig ist im Verlauf der Pubertät eine Introitusplastik notwendig. Betroffene Frauen haben zudem ein hohes Risiko für einen genitalen Prolaps, mit einer Prävalenz von 50 Prozent postpartum. Zudem sind Schwangerschaftskomplikationen häufiger, und eine Sectio sollte aufgrund der Vorgeschichte in Be tracht gezogen und gut geplant werden.
Abbildung 12: OHVIRA-Syndrom mit prolabierendem, tief ansetzendem Scheidenseptum (Hemimukokolpos) bei einem Säugliwng (Foto: R. Hürlimann)
Abbildung 13: Blasenekstrophie. X: offene Blasenplatte; o: zweigeteilte Klitoris; *: Labia majora nach posterior versetzt (Foto: aus [8]; lizensiert als Creative Commons)
Korrespondenzadressen:
Dr. med. Kerstin Ruoss Leitende Ärztin Kinder- und Jugendgynäkologie E-Mail: kerstin.ruoss@kispi.uzh.ch
Genitale Fehlbildungen bei anorektalen Malformationen: Anorektale Malformationen sind ein relativ häu figes Krankheitsbild. Hier mündet das Rektum nicht regu lär im Bereich des Sphinkterapparats, sondern blind oder als Fistel im Bereich des Perineums oder des Vestibulums. Bei 4 bis 6 Prozent der Patientinnen finden sich hier vagi nale und uterine Duplikationen und bei vestibulärer Fistel in 10 Prozent der Fälle eine Vaginalaplasie. Die schwerste Form der anorektalen Malformationen ist die Kloakenfehlbildung. Hier münden Urethra, Vagina und Rektum in einen sogenannten «common channel». Patientinnen mit Kloakenfehlbildung haben sehr häufig assoziierte renale Fehlbildungen und in ca. 50 Prozent der Fälle vaginale und/oder uterine Duplikationen. Oft kom men diese Mädchen mit einem uringefüllten Hydrokolpos zur Welt, der postnatal entlastet werden muss. Zirka 20 Prozent der Patientinnen mit rekonstruierter anorektaler Malformation benötigen eine zusätzliche chi rurgische Intervention, um Geschlechtsverkehr zu ermög lichen. Der «female sexual function index» ist bei Patien tinnen mit anorektalen Malformationen insgesamt tiefer, unabhängig davon, ob eine vaginale Operation durch geführt wurde oder nicht. Neben der kolorektalen und urologischen Situation ist es wichtig, die Patientinnen gynäkologisch langfristig zu betreuen. Vor Eintritt der Pubertät soll eine Kontrolle er
Dr. med. Uchenna Kennedy Oberärztin Kinderchirurgie, spez. Urologie E-Mail: uchenna.kennedy@kispi.uzh.ch
Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich
Interessenlage: Die Autorinnen erklären, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen.
Literatur: 1. Schwartz BI et al.: Creation of a Composite Score to Predict Adnexal Torsion in Children and Adolescents. J Pediatr Adolesc Gynecol. 2018;31(2):132-137. 2. Aydin BK et al.: Evaluation and Treatment Results of Ovarian Cysts in Childhood and Adolescence: A Multicenter, Retrospective Study of 100 Patients. J Pediatr Adolesc Gynecol. 2017;30(4):449-455. 3. Dasgupta R et al.: Ovarian torsion in pediatric and adolescent patients: A systematic review. J Pediatr Surg. 2018;53(7):1387-1391. 4. Bascietto F et al.: Outcome of fetal ovarian cysts diagnosed on prenatal ultrasound examination: systematic review and meta-analysis. Ultrasound Obstet Gynecol. 2017;50(1):20-31. 5. Ozcan HN et al.: Imaging Findings of Fetal-Neonatal Ovarian Cysts Complicated With Ovarian Torsion and Autoamputation. AJR Am J Roentgenol. 2015;205(1):185-189. 6. Cesca E et al.: Conservative treatment for complex neonatal ovarian cysts: a longterm follow-up analysis. J Pediatr Surg. 2013;48(3):510-515. 7. Braungart S; CCLG Surgeons Collaborators: Operative management of pediatric ovarian tumors and the challenge of fertility-preservation: Results from the UK CCLG Surgeons Cancer Group Nationwide Study. J Pediatr Surg. 2020;55(11):2425-2429. 8. Ebert AK et al.: The exstrophy-epispadias complex. Orphanet J Rare Dis. 2009;4:23.
8 Pädiatrie 6/22