Transkript
Jahrestagung KIS
Kinder mit Trisomie 21
Welche Screenings und Routinekontrollen sind sinnvoll?
Bei Kindern mit Down-Syndrom kommen bestimmte Erkrankungen und Beeinträchtigungen häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung. An einem Workshop anlässlich der Jahrestagung der Kinderärzte Schweiz ging es um die Frage, welche Screenings und Kontrollen in diesem Zusammenhang wichtig sind.
Checkheft Down-Syndrom www.rosenfluh.ch/qr/ds-checkheft
Perzentile bei Down-Syndrom https://www.rosenfluh.ch/qr/ds-perzentile
Das Wissen um das breite Symptomenspektrum der Trisomie 21 sei die Grundlage der individuellen Begleitung dieser Kinder und Jugendlichen in der kinderärztlichen Praxis, sagte Dr. med. Mark Brotzmann, Entwicklungspädiater und Leiter der interdisziplinären Trisomie-21-Sprechstunde am Universitätskinderspital beider Basel (UKBB). Im Wesentlichen orientiere man sich am UKBB an den Vorgaben der S2k-Leitlinie Down-Syndrom (1), die zurzeit überarbeitet werde. Hypothyreose ist bei Kindern mit Down-Syndrom (DS) wesentlich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung (bis zum Alter von 18 Jahren bei jedem 2. DS-Kind). Im ersten Lebensjahr (6. und 12. Monat) und danach in jährlichen Abständen sind deshalb die Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4) zu kontrollieren. Zöliakie ist ein weiteres mit DS verknüpftes Risiko (5- bis 16-fach höher als in der Allgemeinbevölkerung), sodass ein serologisches Screening empfohlen wird. Falls keine Zöliakiesymptome vorliegen, soll der Antikörpertest frühestens im 3. oder 4. Lebensjahr durchgeführt werden beziehungsweise 6 bis 9 Monate nach Einführung glutenhaltiger Nahrung. Der serologische Test soll alle 3 bis 5 Jahre wiederholt werden. Leukämien kommen bei DS-Kindern häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung. Insbesondere bis zum Ende des 4. Lebensjahres ist auf das Blutbild und entsprechende Symptome zu achten (Blässe, Müdigkeit, Lebervergrösserung, Blutungsneigung). Hören und Sehen sind bei DS ebenfalls häufig beeinträchtigt. Bei auffälligem Befund im Neugeborenen-Hörscreening sollte umgehend eine pädaudiologische Untersuchung erfolgen. Die seitengetrennte Hörschwellendiagnostik und die Ohrinspektion sollen vor dem Ende des 3. Lebensmonats gemacht werden. Empfohlen werden zudem Hörtests in 6-monatlichen Abständen bis zum Schulalter. Ophthalmologische Kontrollen sollen alle 6 Monate bis zum 6. Lebensjahr und danach 1-mal pro Jahr durchgeführt werden. Herzfehler sind bei DS-Kindern mit einem Anteil von zirka 40 Prozent weitverbreitet. Postnatal werden eine Echokardiografie und ein EKG durchgeführt. Kardiologische Verlaufskontrollen sind bei Menschen mit DS lebenslang indiziert, wobei diese bei negativem postna-
talem Befund erst ab einem Alter von 12 Jahren beginnen. Insbesondere ist dies bei Jugendlichen einmalig zum Ausschluss einer Mitralinsuffizienz notwendig. Schlucken und andere Mundfunktionen sind bei DS häufig gestört. Die Mundfunktion soll im 1. Lebensjahr bei jeder U-Untersuchung überprüft und die Eltern sollten danach gefragt werden. Nach dem 1. Lebensjahr werden halbjährliche Kontrollen empfohlen. Als hilfreich habe sich bei Schluckproblemen die Castillo-Morales-Therapie erwiesen, sagte Brotzmann. Orthopädische Probleme hat jedes 5. DS-Kind, regelmässige Kontrollen alle 6 bis 12 Monate sind empfehlenswert. Abweichend von der S2k-Leitlinie wird am UKBB eine frühzeitige Unterstützung der Fussstabilität (z. B. Einlagen) empfohlen; die Kinder werden spätestens im Alter von 2,5 bis 3 Jahren einem Kinderorthopäden vorgestellt, insbesondere bei verzögertem Beginn des Laufens (DS-Kinder beginnen in der Regel ab dem 2. Lebensjahr mit dem Laufen). Ebenfalls im Gegensatz zur S2k-Leitlinie und zu den Gepflogenheiten an anderen Kinderspitälern ist man am UKBB wieder zum Screening auf atlantoaxiale Instabilität zurückgekehrt, nachdem man in den letzten 3 Jahren 2 Kinder mit neurologischen Symptomen aufgrund dieser Instabilität gesehen hatte. Routine ist eine Beckenübersichtsaufnahme (Röntgen) zwischen dem 5. und 8. Lebensjahr, um Hüftdysplasien auszuschliessen.
Vorsorge-Checkheft
Der Referent empfahl als Ergänzung zum üblichen Vorsorgeheft das DS-Gesundheits-Checkheft, in dem die Empfehlungen für zusätzliche medizinische Untersuchungen bei DS-Kindern sowie Perzentilenkurven für 0 bis 10 Jahre zusammengestellt sind (2) (s. Links). Perzentilenkurven bis 18 Jahre können einer Dissertation entnommen werden, die 2014 erschienen und im Internet verfügbar ist (3) (s. Links). Renate Bonifer
Quelle: Workshop W-05 von Dr. med. Mark Brotzmann: «Genetische Erkrankung: Grundversorgung von Trisomie-21-Patienten in der Praxis» an der Jahrestagung von Kinderärzte Schweiz am 8. September 2022.
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Jahrestagung KIS
Literatur: 1. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): Down-Syndrom im Kindes- und Jugendalter. Stand 07/2016. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/027-051.html (zuletzt abgerufen am 3. Oktober 2022). 2. DS-Checkheft. Deutsches Down-Syndrom Info-Center, https://www.rosenfluh.ch/ qr/ds-checkheft (zuletzt abgerufen am 3. Oktober 2022). 3. Wachstumsperzentilen für Kinder mit Down-Syndrom in Deutschland. Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes 2014, vorgelegt von Paul François Hoffmann. https://d-nb. info/1084633981/34 (zuletzt abgerufen am 3. Oktober 2022).
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