Transkript
Dermatologie
Mythen und Fakten zur Akne
Hautreinigung, Ernährung und die Behandlung von Narben
Akne ist eine Erkrankung mit zum Teil hohem Leidensdruck für die Patienten. Die meisten Jugendlichen haben während der Pubertät in unterschiedlich starker Ausprägung damit zu kämpfen. Wie sollte man die Haut reinigen? Worauf sollte man bei der Ernährung achten? Und was kann man gegen die Narben tun?
Von Christiane Bayerl
Akne ist eine entstellende und schmerzhafte Erkrankung. Sie beeinträchtigt die psychische Entwicklung der jungen Menschen und lässt bei 20 Prozent der Patienten Narben zurück.
Akne vulgaris ist eine Hauterkrankung der Talgdrüsen
aufgrund einer genetischen Anlage. Sie beginnt in der
Pubertät. Die wichtigsten pathogenen Faktoren sind die
Verhornung und eine dadurch bedingte Stauung von
Talgdrüsen des infundi-
Ein therapeutisches
bulären Epithels sowie
Ansprechen wird erst nach
eine Stimulation der Talg-
6 Wochen sichtbar.
drüsensekretion durch
Androgene und die mik-
robielle Besiedlung von Haarfollikeln durch Cutibacte-
rium acnes (ehemals als Propionibacterium acnes be-
zeichnet) mit nachfolgenden Entzündungsreaktionen.
Das klinische Bild der Akne reicht von einer milden Form
(Komedonenbildung) über Knotenbildung mit Pusteln
(Acne papulopustulosa) bis zu fistulierenden Verläufen
(Acne conglobata). Die Acne fulminans ist die seltene
Maximalform mit systemischer Beteiligung in Form von
Fieber sowie Knochen-, Gelenk- und Muskelbeteiligung.
Bei den schweren Akneverläufen führen die entzün-
dungsbedingten Läsionen der Hautstruktur zur Ausbil-
dung von Narben. Typische Aknenarben stellen die in-
homogenen, atrophen Narben dar, die durch eine lokale
Zerstörung von Bin-
Dass keine Schokolade und kein Senf gegessen werden dürfen, ist ein Ammenmärchen.
degewebe in der Dermis entstehen. Des Weiteren kann es zu hypertrophen Narben
(Keloiden) kommen, die aus minderwertigem, faserrei-
chem Ersatzgewebe mit parallel angeordneten Kollagen-
fasern bestehen und eine im Vergleich zu gesunder Haut
gestörte Funktion haben (1).
Nachfolgend eine Auswahl häufiger Fragen der Eltern in
der Sprechstunde. Die Antworten fokussieren besonders
auf neue Entwicklungen und Forschungsdaten.
Wie soll die Haut gereinigt werden?
Akne ist keine Infektionserkrankung. Tabu ist eine lokale Monotherapie mit Antibiotika aufgrund der Resistenz-
ausbildung. Desinfektionsmittel mit Resorcin, Chlorhexidin, Hexachlorphenon, Polividonjod, Schwefel und Triclosan werden zur Therapie der Akne nicht mehr empfohlen. Mittel der ersten Wahl ist Benzoylperoxid, dann Azelainsäure und Vitamin-A-Säure-Präparate. Die Kombination von Vitamin-A-Säure-Präparaten und Antibiotika kann die Resistenzbildung verhindern. Ein therapeutisches Ansprechen wird erst nach 6 Wochen sichtbar – das ist wichtig für das Patientengespräch (2). Sogenannte alkoholische Lokaltherapien sind genauso falsch wie Seifen. Sie zerstören das Hautmilieu und den Säureschutzmantel der Haut. Die Waschzubereitungen sollen im sauren Bereich oder im pH-balancierten Bereich liegen. Brust- und Rückenpartie sollten mitbehandelt werden (3).
Spielt die Ernährung eine Rolle?
Keine Akne findet man bei bestimmten Bevölkerungsgruppen in Papua Neuguinea, in Paraguay und bei den Inuit. Als Erklärungsmodell wird die paläolithische Diät (niedriger glykämischer Index, keine Milch, keine Getreideprodukte) herangezogen. Menschen mit dem seltenen Larson-Syndrom weisen Mutationen im Wachstumshormonrezeptor auf und haben eine reduzierte Insulinlike-Wachstumshormon-(IGF-)1-Produktion. Sie entwickeln nie einen Diabetes, haben keine Tumoren, altern langsamer und haben keine Akne; wird der Minderwuchs mit rekombinantem IGF-1 behandelt, entwickeln sie Akne. Selbstverständlich sollen Jugendliche im Wachstum und in der Pubertät keine Diät einhalten. Aber ein Überschuss an hyperglykämischen Kohlenhydraten, Milch- und Getreideprodukten sowie gesättigten Fetten (z. B. Burger, Pommes, frittierte Nahrungsmittel) fördert Akne über den ernährungsinduzierten IGF-1-Signalweg. Eine balancierte Kalorienaufnahme mit Gemüse und Fisch ist sinnvoll (4). Dass keine Schokolade und kein Senf gegessen werden dürfen, ist jedoch ein Ammenmärchen. All unsere therapeutischen Bemühungen zur Akne werden zunichtegemacht, wenn Hormone substituiert werden oder eine Eiweissmast erfolgt, zum Beispiel wenn
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zusätzliches Proteinpulver im Sinne eines übersteigerten Körperbewusstseins im Sportstudio oder im Leistungssportverein empfohlen und eingenommen wird (5). Üblicherweise sind keine Vitaminpräparate bei Kindern notwendig, insbesondere Vitamin B6 fördert die Akne (2).
Narbenprävention
Am bedeutsamsten aber ist die Prävention. Schon in der Sprechstundensituation kann man an den begleitenden Eltern die genetische Basis der Akne ablesen. Sind bei einem oder beiden Elternteilen oder bei den älteren Geschwistern Narben zurückgeblieben, muss systemisch behandelt werden. Aufgrund der Teratogenität oraler Vitamin-A-Säure-Präparate (Isotretinoin) ist bei Mädchen vorausgehend und parallel obligat eine Kontrazeption mit der Pille erforderlich. Die Beratung und das schriftliche Einverständnis sind aufwendig, dafür ist dann mit Isotretinoin jede Akne in den Griff zu bekommen (2). Zur Behandlung sowohl der atrophen Narben als auch der Keloide steht ein Spektrum an Behandlungsmethoden zur Wahl. Die klassische konservative Therapie besteht aus Salben, Narbenpflastern und Kompressionsverbänden. Unter den operativen Verfahren eignet sich am besten das Ausstanzen der sogenannten Boxcar-Narben, der tief eingesunkenen Narben, in Verbindung mit Subzision, das heisst einem Lösen der Narbenzüge in der tiefen Dermis. Zu den minimal invasiven, ablativen Verfahren zählt das chemische Peeling. Die Dermabrasion mit hochtourigen Schleifköpfen oder ablative Laser sind heute obsolet, weil damit oft neue Narben gesetzt werden. Mittels fraktionierter Laser als semiablativer Option ist eine Besserung zu erzielen. Beim medizinischen Needling werden durch einen mit Nadeln besetzten Roller multiple Punktionen verursacht, welche bis in die papillare Dermis reichen. Durch die entstandenen Punktblutungen in der Dermis und die daraus resultierende Entzündungsreaktion wird die posttrauma-
tische Wundheilungskaskade aktiviert, was zur Synthese einer Vielzahl von Wachstumsfaktoren führt. Bei der erhöhten Stimulation von TGF-b3 und der daraus resultierenden Produktion von Typ-1-Kollagen kommt es zu einer gitterartigen Quervernetzung des Kollagens, wie es für die gesunde Haut typisch ist. Wiederholte Behandlungen unter einer lokalen Betäubung sind notwendig (1, 2). Diese Optionen der Narbentherapien bessern das Hautbild, sind aber nicht in der Lage, einen narbenfreien Hautzustand «wie vorher» herzustellen. Wichtig ist, eine Narbentherapie erst dann zu starten, wenn die Akne abgeheilt ist.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Christiane Bayerl Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Klinik für Dermatologie und Allergologie Hauttumorzentrum Wiesbaden Ludwig-Erhardt-Strasse 100 D-65199 Wiesbaden E-Mail: christiane.bayerl@helios-gesundheit.de
Interessenlage: Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Beitrag besteht.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Kinderärztliche Praxis 4/2021. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgte mit freundlicher Genehmigung durch die Autorin und den Verlag Kirchheim.
Literatur: 1. Aust M, Walezko N: Acne scars and striae distensae: effective treatment with medical skin needling. Hautarzt. 2015;66:748-752. 2. Nast A et al.: AWMF 013/107 S2k-Leitlinie zur Therapie Akne. JDDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. 2010;8(Suppl 2):1-39. 3. Bayerl C et al.: Adjuvant dermato-cosmetic acne therapy. Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. 2010;8(Suppl 1):589-594. 4. Melnik BC, John SM, Plewig G: Acne: risk indicator for increased body mass index and insulin resistance. Acta Derm Venereol. 2013;93:644-649. 5. Bayerl C: Body-Builder Acne. In: Zouboulis CC, Katsambas AD, Kligman AM (Eds.): Pathogenesis and Treatment of Acne and Rosacea. Springer. 2014:259-263.
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