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Gipskeilung bei sekundär dislozierten Frakturen
Schwerpunkt
Die Gipskeilung ist ein einfaches und nicht invasives Behandlungsverfahren für sekundär dislozierte Frakturen der langen Röhrenknochen. Der damit verbundene Schmerz lässt in der Regel innerhalb weniger Minuten nach. Da jede pädiatrische Behandlung so schmerzfrei wie möglich durchgeführt werden sollte, wird die Keiltherapie kontrovers diskutiert. In einer Studie konnten wir zeigen, dass der behandlungsbedingte mittlere Anstieg der Schmerzen minimal ist.
Von Florian Freislederer
Tibia-, Unterarm- und distale Radiusfrakturen gehören zu den häufigsten Frakturtypen bei Kindern. Ein Drittel aller pädiatrischen Frakturen betrifft den Unterarm (1– 4). Ziel jeder Behandlung ist es, Länge, Rotation und Achse des Knochens wiederherzustellen, um die volle Funktion zu gewährleisten. Bis zum Alter von 12 Jahren können die meisten geschlossenen Unterarm- und Unterschenkelfrakturen ohne Operation mit einem Gipsverband behandelt werden, wenn keine Rotationsfehlstellung, keine neurovaskuläre Beeinträchtigung und kein Kompartmentsyndrom vorliegen. Der Verlust einer akzeptablen Angulation nach konservativer Behandlung von Vorderarmschaftfrakturen wurde in bis zu 39 Prozent der Fälle beschrieben (5). Das wachsende Skelett unterscheidet sich vom adulten durch einen Korrekturmechanismus der bruchinduzierten Verschiebung (6). Korrekturen axialer Abweichungen in der Frontal- und Sagittalebene erfolgen in der periostendostalen und in den Epip hysenregionen der Knochen. Diese Korrekturen sind besonders wirksam im Bereich des proximalen Humerus und des distalen Unterarms. Verschiebungen ad latus bis zur Breite des Schafts werden durch periostale Umgestaltung bis zum Alter von 10 bis 12 Jahren korrigiert. Das proximale Ende des Radius ist jedoch nicht in der Lage, Ad-latus-Dislokationen angemessen zu korrigieren. Darüber hinaus ist eine spontane Korrektur der Rotationsfehlstellung nur bei Frakturen des Humerus und des Femurs bei Kleinkindern nachgewiesen (1, 2, 4, 6–8). Wenn ein sekundärer Verlust der Reposition zu einer Angulation ausserhalb des natürlichen Umbaupotenzials eines kindlichen Knochens führt, sind konservative Behandlungsoptionen, einschliesslich der Gipskeilung anstelle einer geschlossenen beziehungsweise offenen Reposition, möglich. Die Gipskeilung ist ein einfaches und nicht invasives Behandlungsverfahren für sekundär dislozierte Frakturen der langen Röhrenknochen, das bereits 1936 von Krömer und Heuritsch beschrieben wurde (5).
Indikationen
Grundsätzlich kann jede axiale Abweichung in der Frontal- und Sagittalebene des Unterarms oder des Unterschenkels durch Gipskeilung verringert werden, sodass die verbleibende Angulation innerhalb der Grenzen der spontanen Korrektur liegt (1, 4, 8 –13). Der Keilvorgang sollte zwischen dem 6. und 10. Tag nach der Verletzung durchgeführt werden, indem der Gipsverband mit einer Säge auf-
geschnitten und so gebo- Grundsätzlich kann jede axiale gen wird, dass die ge- Abweichung in der Frontalbrochenen Knochenen- und Sagittalebene des Unterden wieder besser zuein- arms oder des Unterschenander ausgerichtet sind. kels durch Gipskeilung Ein Platzhalter (z. B. ein verringert werden.
Korkstück) wird in den Spalt eingeführt, um die Position der Fragmente zu stabilisieren. Die Durchführung des Keilverfahrens 6 bis 10 Tage nach der Verletzung erlaubt, dass die Schwellung des Gewebes und somit die Schmerzen im Zusammenhang mit der Korrektur der Knochenfehlstellung minimiert werden.
Wissenschaftliche Daten
Es gibt kaum Studien zur Gipskeilung. In einer systema tischen Literaturrecherche wurden nur 3 Studien identifiziert, die strikte Kriterien erfüllten (5). Das Studiendesign war in der ersten Studie prospektiv (10), in der zweiten retrospektiv (11) und die dritte enthielt dazu keine Angaben (12). Insgesamt wurden 316 Patienten eingeschlossen. Das Alter der eingeschlossenen Patienten lag im Durchschnitt zwischen 7,1 und 9,3 Jahren. Die Autoren der prospektiven Studie analysierten 48 Unterarmfrakturen beider Knochen und 22 Frakturen des distalen Radius, wovon 9 Patienten wegen fehlender radiologischer Daten ausgeschlossen wurden (10). Die retrospektive Studie umfasste 197 Unterarm- und 52 Unterschenkelfrakturen (11),
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Abbildung 1: Oben: Rönt-
turlokalisation. Die Verbesserung der koronaren, das
genaufnahmen vor und
heisst der anteroposterioren (a.p.) Ausrichtung betrug
nach der Gipskeilung nach
4,4 bis 8,3 Grad beziehungsweise 3,0 bis 4,7 Grad für
einer Unterschenkelfraktur bei einem 13-jährigen Knaben. Unten: Öffnende Gipskeilung proximal zur Fraktur am Tag 10 mit Aufklärung über die Gefahr von Druck-
Unterarm- und distale Radiusfrakturen und 4,1 Grad für Unterschenkelfrakturen. Die Verbesserung der sagittalen (lateralen [lt]) Ausrichtung betrug 6,3 bis 12,1 Grad beziehungsweise 13,9 bis 15,7 Grad für Unterarm- und distale Radiusfrakturen und 1,8 Grad für Unterschenkelfrakturen.
stellen (Fotos: UKBB).
In der prospektiven Studie wurden bei 3 von 61 Patienten
Unfalltag Unfalltag
TagT1ag01:0:GGiippsskekileunilgung5 Woche5n
Wochennach dem Keilen Schmerzen beschrieben, und 2 dieser Patienten hatten bis zu 2 Tage nach dem Keilen des Gips-
verbands Schmerzen. Der Schmerz wurde als mild an-
gegeben und reagierte auf rezeptfreie Analgetika, jedoch
wurde dieser «milde» Schmerz nicht weiter definiert oder
gemessen. 1 Patient hatte eine vorübergehende Taubheit
Frakturhöhe
der Finger (10). In der Literatur werden öffnende, schliessende und kom-
binierte Techniken der Gipskeilung beschrieben, wobei
die öffnende Keilung, welche auf der konkaven Seite der
Frakturhöhe
Bruchverschiebung appliziert wird, aufgrund der einfachen Implementierung die häufigste Methode darstellAt.bb. 1
Dementsprechend verwendete man in allen oben ge-
nannten Studien die öffnende Keiltechnik (10, 11). Unter
Verwendung eines lasergestützten Unterarmmodells be-
die dritte Studie nur 4 Unterarm- und 2 Unterschenkel- fand sich die optimale Position der Keilplatzierung an der
frakturen (12). Bezüglich der Ergebnisse wurde vor allem konkaven Stelle auf Bruchebene (14).
auf die beiden Studien eingegangen, welche eine beacht- Bei öffnenden und schliessenden Techniken befindet sich
liche Anzahl an Patienten eingeschlossen hatten (10, 11). der Drehpunkt ausserhalb der Extremität, während er bei
Die prospektive Studie verwendete als Cut-off für die der kombinierten Technik auf Frakturhöhe liegt. Die
Keilung des Gipses bei Frakturen des distalen Radius in Frage der Position des Keils in Bezug auf die Bruchstelle
jeder Ebene eine Angulation von > 20 Grad, bei Fraktu- wird weiterhin diskutiert. Während einige Autoren argu-
ren des mittleren Drittels des Unterarms in jeder Ebene mentieren, dass der Keil direkt an der Frakturstelle plat-
eine Angulation von > 15 Grad und bei Frakturen des ziert werden soll, bevorzugen andere die Keilplatzierung
proximalen Drittels des Unterarms eine Angulation von proximal zur Frakturstelle (insbesondere bei distalen Frak-
> 10 Grad (10). Die retrospektive Studie setzte eine An- turen, um einen ausreichenden Hebelarm distal zur Frak-
gulation von > 5 Grad auf der Tibiaseite und eine Angu- tur sicherzustellen) (Abbildung 1).
lation von > 10 Grad bei Unterarmfrakturen als Indikation Um Winkelabweichungen, welche einer Keilung bedür-
für die Keilung des Gipsverbandes fest (11). Der Zeit- fen, zu definieren, kombinierten die Autoren einer weite-
punkt der Gipskeilung (durchschnittlich 10 Tage nach ren Publikation Literaturdaten zu Unterarmbruchmustern
dem Unfall) und die Dauer der Immobilisierung (durch- mit Expertenmeinungen und führten Grenzen akzeptab-
schnittlich 7,4 Wochen) wurden nur bei der retrospekti- ler Winkeldeformitäten für verschiedene Arten pädiatri-
ven Studie angegeben (11). Die Patienten wurden durch- scher Unterarmfrakturen ein (15). Diese Studie bewertete
schnittlich 11,5 beziehungsweise 18 Wochen nach- jedoch sagittale und koronare Deformitäten nicht ge-
beobachtet.
trennt. Von Laer definierte die Grenze für die spontane
Keilversagen trat insgesamt bei 14 von 325 Patienten auf Korrektur als eine axiale Abweichung von 10 Grad bei
(4,4%). Von diesen 14 Patienten benötigten 3 eine chir- Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren für Frakturen des
urgische Intervention, bei den anderen wurde die ge- proximalen Unterarmschafts, von 20 Grad für Grünholz-
heilte Deformität belassen.
frakturen des mittleren Schafts sowie für vollständige
Es wurde über 2 unbefriedigende Ergebnisse nach Tibia- Frakturen bei Kindern im Alter von 3 bis 5 Jahren und von
keilung berichtet: 1 Patient benötigte eine chirurgische 10 Grad bei Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren. Für
Fixierung, und 1 Patient hatte eine verbleibende Varus- distale Unterarmfrakturen setzte von Laer eine Grenze
ausrichtung (von 6,6 Grad). Bei den Unterarmfrakturen von 10 Grad in der Frontal- und von 30 Grad in der Sagit-
heilten 11 von 183 (6%) unbefriedigend: 1 Patient be- talebene fest (8).
nötigte eine chirurgische Fixierung, bei den anderen
wurde eine geheilte Deformität beobachtet. Eine weitere Schmerzen während der Gipskeilung
chirurgische Fixierung aufgrund einer verbleibenden in- In der Regel lässt der mit der Kochenmanipulation ver-
akzeptablen Angulation nach dem Keilen (ohne Angabe bundene Schmerz innerhalb weniger Minuten nach. Ob-
der Frakturlokalisation) wurde beschrieben. 8 Patienten wohl die derzeitige Keiltherapie mit der Verwendung von
benötigten ausserdem eine Remanipulation und einen nicht opioiden Analgetika einhergeht, treten während
Gipswechsel (2 Tibia- und 6 Radiusfrakturen).
des Eingriffs immer noch minimale Schmerzen auf, die als
Der Korrekturbereich nach dem Keilen des Gipsverbands Zeichen für die Knochenbewegung und somit den Be-
unterschied sich je nach Alter der Patienten und der Frak- handlungserfolg interpretiert werden. Jede pädiatrische
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Behandlung sollte jedoch so schmerzfrei wie möglich durchgeführt werden (16). Der Widerspruch dieser Prinzipien hat zu einer kontroversen Diskussion über die Keiltherapie geführt.
Prospektive Studie zur Schmerzwahrnehmung bei einer Gipskeilung
Weil in der Literatur weder Schmerzmessungen während der Gipskeiltherapie noch Daten zur Wirksamkeit der begleitenden analgetischen Therapie verfügbar waren, führte unsere Arbeitsgruppe von Juni 2018 bis April 2020 eine prospektive Studie durch, in der wir zu mehreren Zeitpunkten im Rahmen von Unterarmgipskeilungen unter Lachgas die Schmerzwerte (mittels visueller Analogskala [VAS] nach Hicks) erhoben (17) (Abbildung 2). Die internationale, bizentrische, prospektive Beobachtungsstudie umfasste 68 Kinder (39 Jungen, 29 Mädchen) im Alter von 3 bis 12 Jahren (Durchschnittsalter 8 Jahre, mittleres Alter bei 50% der Kinder 4 Jahre [IQR interquartile range]) mit Unterarmfrakturen (Tabelle). Die Beschränkung auf diese Altersgruppe erfolgte aufgrund des altersspezifischen Knochenwachstums, der Anatomie sowie der Häufigkeit von Unterarmfrakturen in dieser Altersgruppe. Aufgenommen wurden Patienten in guter körperlicher Verfassung (gemäss der von der American Society of Anesthesiologists definierten Klassifikation I oder II). Kinder mit einer Unverträglichkeit gegenüber Lachgas oder Metamizolnatrium und/oder einer bereits bestehenden neuromuskulären, rheumatischen oder muskuloskeletalen Erkrankung wurden von der Studie ausgeschlossen. Die Studie wurde am Universitäts-Kinderspital Basel und am kommunalen Krankenhaus St. Elisabethen in Lörrach, Deutschland, durchgeführt. Der primäre Endpunkt war der maximale Schmerz, der 5 Minuten vor und 5 Minuten nach der Keilung auftrat. Der Schmerz wurde mit einer validierten VAS aufgezeichnet, wobei das Kind den aktuellen Schmerz spezifizierte, indem es mit einem Kartenschieber auf 1 von 6 verschiedenen Gesichtern zeigte (Abbildung 2). Zu den sekundären Endpunkten der Studie gehörte die Bewertung der maximalen Schmerzen, an die sich das Kind 30 Minuten nach dem Eingriff erinnerte. Dieses Zeitintervall wurde gewählt, weil einige Kinder kurz nach Beendigung der Inhalation eines Lachgas-Sauerstoff-Gemisches über Schläfrigkeit berichteten. Ausserdem wurden Winkeldifferenzen a.p. und Seitenansichten zwi-
schen den proximalen und distalen Knochenfragmenten vor und 3 bis 9 Tage nach dem Keilverfahren als sekundäre Studienendpunkte bestimmt. Die Winkeldifferenzen wurden von 2 unabhängigen Radiologen in jedem Studienzentrum elektronisch gemessen. Eine Verblindung war aufgrund der radiologisch sichtbaren Lücke im Gipsverband nicht möglich. Um vergleichbare, standardisierte Röntgenbilder zu erhalten, wurde auf dem Gipsverband ein Kreuz in Übereinstimmung mit dem Laserkreuz des Röntgengeräts gezeichnet. Aus ethischen Gründen wurden nach jeder Schmerzmessung die erforderlichen Massnahmen ergriffen (Abbildung 3). Ungefähr 30 bis 60 Minuten vor Beginn des Keilverfahrens erhielt das Kind eine orale Einzeldosis Metamizolnatrium (10 mg/kg Körpergewicht). Gespaltene Gipse wurden vor dem Keilvorgang geschlossen. Die Keillinie auf dem Gipsverband wurde vom leitenden behandelnden Arzt durch klinische Beurteilung definiert (bei distalen Frakturen wurde die auf dem Gipsverband markierte Keillinie proximaler platziert). Vor dem Schneiden des Gipsverbands wurde darauf geachtet, die Keillinie nicht an der Bruchstelle zu platzieren. Das erleichterte die anschliessende Unterscheidung zwischen Schmerzen an der Frakturstelle und Schmerzen, die durch Knicken des abgewinkelten Gipsverbands an der Keillinie verursacht wurden. Wir verstärkten gemischte Weich-/ Hartgipsabdrücke im Bereich der vorgesehenen Gusskeillinie durch Aufbringen von 2 bis 3 kreisförmigen Hartgipsschichten. Das Kind sollte spätestens 2 Minuten vor dem Eingriff damit beginnen, eine 1:1-Mischung aus Lachgas und Sauerstoff einzuatmen, und das bis zum Ende der Keilung fortführen. Der Gipsverband wurde (zu ca. 2 Drittel des Umfangs) in einer Richtung senkrecht zur Längsachse des Unterarms am tiefsten Punkt der Konkavität der axialen Abweichung geschnitten. Der Gipsverband wurde manuell oder mit einer Klammer gebogen, die nach Einschätzung des behandelnden Chirurgen in den Spalt eingeführt wurde oder bis das Kind anfing, über minimale Schmerzen aufgrund der Kompression der konvexen Seite der Fraktur zu klagen. Die neue Position wurde durch Einsetzen eines Platzhalters (strahlendurchlässiges Kork- oder Holzstück) in die Lücke im Gips bestimmt. Anschliessend wurde eine weiche Polsterung in die verbleibende Lücke eingefügt und einige Minuten gewartet, um festzustellen, ob das Kind die neue Angulation tolerierte. Schliesslich
Abbildung 2: Visuelle Analogskala (VAS) mit Smiley-Lineal nach Hicks. Das Kind stellt den Schieber auf das seinem Schmerz entsprechende Gesicht (bzw. dazwischen), der VAS-Wert ist auf der Rückseite ablesbar.
Tabelle:
Unterarmfrakturen in der Studienpopulation (n = 68)
Frakturtyp am Unterarm
Grünholz
Bowing
Vollständig
Typ 1: metaphyseal
Radius und Ulna
5
–
4
Radius
327
Typ 2: distal diaphyseal Radius und Ulna
6
–
9
Radius
626
Typ 3: Schaft
Radius und Ulna
7
–
2
Radius
4–1
*epiphyseale Separation
Wulstfraktur
– 2 1 – – –
Salter-Harris Typ 1* 1 – – – – –
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Abbildung 3: Ablauf der Gipskeilung, der Analgesie und der Schmerzerfassung mit der visuellen Analogskala in der Studie (17); VAS1, VAS2, VASmax (Messwerte s. Abbildung 5).
Abbildung 4: Gipskeilung einer distalen Unterarmfraktur (Fotos: UKBB). A: Die Keilposition wird markiert und der Gips mit einer oszillierenden Säge zu ca. 2 Drittel des Umfangs geschnitten. B: Der Gips kann nun mit einer Klammer geöffnet werden, bis die gewünschte Korrektur erreicht ist. C: Die Position wird unter Verwendung eines Platzhalters (Korkstück) fixiert, und Watte wird zur Polsterung an der Keilstelle eingeführt. D: Der Gips wird mit zusätzlichen kreisförmigen Schichten aus synthetischem Guss stabilisiert.
stabilisierten wir den abgewinkelten Bereich des Keils mit 2 zusätzlichen kreisförmigen Gipsschichten (Abbildung 4). Der Unterschied zwischen den Schmerzen vor und nach dem Keilverfahren (primärer Endpunkt) wurde in einer Non-Inferiority-Analyse berechnet. Als klinisch relevante Nichtunterlegenheitsspanne wurde 1 VAS-Einheit definiert. Unsere Studienhypothese lautete, dass der maximale Schmerz 3 bis 5 Minuten nach dem Keilen um mindestens 1 VAS-Punkt schlechter (höher oder gleich) sein würde als der maximale Schmerz vor dem Keilen. Ein p-Wert von ≤ 0,05 wurde als signifikant definiert.
Studienresultate
Der mittlere VAS-Wert 5 Minuten vor Keilung betrug 0 (IQR 0). Er stieg 3 bis 5 Minuten nach dem Stoppen der Inhalation des Lachgas-Sauerstoff-Gemisches auf 1 (IQR 2) an. Der Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,015) (Abbildung 5). Der mittlere VAS-Wert für den maximalen Schmerz, der 30 Minuten nach Beendigung der Inhalation des Lachgas-Sauerstoff-Gemisches in Erinnerung blieb, betrug 0 (IQR 1). Ein Patient erreichte 3 bis 5 Minuten nach Beendigung der Inhalation des Lachgas-Sauerstoff-Gemisches einen VAS-Wert > 4 (VAS 6). Der Schmerz liess nach oraler Verabreichung von Ibuprofen auf einen VAS-Wert < 4 nach. Weitere 2 Patienten gaben einen VAS-Wert von 6 für maximale Schmerzen an, an die sie sich erinnerten. Diese Patienten hatten jedoch 3 bis 5 Minuten nach dem Keilvorgang keinen VAS-Wert > 4 angegeben.
5 von 15 Patienten mit deutlicher Verschiebung von Knochenfragmenten mit einer Gesamtwinkelkorrektur von > 15 Grad (Abbildung 6) berichteten 3 bis 5 Minuten nach Beendigung der Lachgas-Sauerstoff-Inhalation über einen VAS-Wert von ≥ 4. Der maximale Schmerz, der 30 Minuten nach Beendigung der Inhalation aufgezeichnet wurde, fiel bei 12 dieser 15 Patienten auf einen VAS-Wert ≤ 2. Die verbleibenden 3 Patienten gaben 30 Minuten nach Beendigung der Lachgas-Sauerstoff-Inhalation einen VAS-Wert von ≤ 4 an. Wir haben unsere Patienten in eine jüngere Vorschulgruppe (3 bis 7 Jahre) und eine ältere Gruppe (8 bis 12 Jahre) eingeteilt. In beiden Gruppen zeigte sich eine Veränderung der VAS-Werte vor und 3 bis 5 Minuten nach dem Keilverfahren, statistisch signifikant war sie nur in der schulpflichtigen Altersgruppe (p = 0,023 vs. p = 0,200 in der Vorschulgruppe). Bei den Kindern im schulpflichtigen Alter stieg der mittlere VAS-Wert von 0 auf 2. Die mediane Frakturangulation in beiden Gruppen verbesserte sich in Seitenansicht um 8,4 Grad und in a.p. Ansicht um 0 Grad (IQR –7 Grad [lt] und –3,9 Grad [a. p.]) (Abbildung 7). In Bezug auf den Frakturtyp gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Angulationsverbesserung zwischen Typ-1- (metaphysär) und Typ-3-(Schaft-)Frakturen (p = 0,67). Bezüglich der Winkelabweichung folgte unsere Indikation für die Keilung den von Lutz von Laer veröffentlichten Richtlinien. Darüber hinaus hatten wir beschlossen, eine Keilung auch bei Winkeldeformitäten > 20 Grad in
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der Sagittalebene bei distalen Unterarmfrakturen durch-
zuführen, um eine weitere Verschiebung zu verhindern
(Abbildung 8). Nach dem Keilen haben wir kein Versagen der Winkel-
VAS1
korrektur festgestellt. Der Gipsverband eines Patienten
Anzahl Patienten
musste jedoch 1 Tag nach dem Keilvorgang wegen an-
VASmax
haltender Schmerzen ersetzt werden, und der Patient wurde aus der Studie ausgeschlossen. Weitere Komplika-
VAS2
tionen traten nicht auf.
Diskussion
In unserer Studie erreichten wir eine mittlere Korrektur der
gesamten Winkeldeformität von 10 Grad, bei 7 von
68 Patienten trat nur eine minimale Korrektur (≤ 3 Grad) ein.
Bei Kindern ist die Knochenheilung im Gips kein stati-
scher Prozess, und Änderungen der Ausrichtung können
im Lauf der Zeit auftreten, sobald die Schwellung des
Gewebes abnimmt, insbesondere wenn die Position der
Immobilisierung nicht korrigiert oder geändert wurde.
Deshalb kann bereits eine kleine Korrektur der Angula-
tion während der ersten 2 Wochen nach der Verletzung
der entscheidende Faktor für eine Frakturheilung mit ak-
zeptabler Ausrichtung der Knochenfragmente sein.
Durch den Einsatz einer validierten VAS für Kinder war
eine objektive Schmerzmessung gewährleistet, und die
Laser-Zielgerät-Markierung auf dem Gips stellte eine kon-
sistente Röntgenprojektion bei der Nachuntersuchung
sicher.
Obwohl wir gemäss unserer Hypothese einen signifikan-
ten Unterschied der Schmerzwahrnehmung vor und nach
der Behandlung zeigten, war der tatsächliche Anstieg
von einem mittleren VAS-Wert von 0 auf einen mittleren
VAS-Wert von 1 minimal. Darüber hinaus nahmen die
maximal angegebenen Schmerzen, an die sich die Kinder
30 Minuten nach der Intervention erinnerten, im Ver-
gleich zu den Schmerzen, die sie vor der Intervention
wahrgenommen hatten, nicht relevant zu.
A
A
Winkel (Grad) Winkel (Grad)
0123456
0123456 VAS-Wert
B sagittal (lt) prä post
0123456
C
Abb. 6
koronar (a.p.) prä post
Zusammenfassung
● Die Gipskeilung ist eine wirksame und kinderfreundliche Therapie bei verschobenen Knochenfragmenten nach Unterarm- und Unterschenkelfrakturen in den ersten 10 Tagen nach dem Frakturereignis.
● Trotz des aktuellen Trends zur chirurgischen Behandlung von Unterarmfrakturen bei Kindern in Industrieländern stellt das Gipskeilen eine zuverlässige, nicht invasive Methode dar, die in etwa 96 Prozent der Fälle erfolgreich ist.
● Das Keilungsverfahren ermöglicht eine schonende, geschlossene Reduktion, wodurch das Risiko für eine Sedierung oder einen chirurgischen Eingriff vermieden und gleichzeitig die Behandlungskosten minimiert werden.
● Komplikationen treten selten auf und können leicht korrigiert werden.
● Der Korrekturgrad nach Gipskeilung scheint bei Frakturen des distalen Radius in der Sagittalebene (ca. 15 Grad) am grössten und bei Frakturen des Unterschenkels in der Sagittalebene (ca. 2 Grad) am niedrigsten zu sein (5). Aufgrund der begrenzten Menge verfügbarer Daten sind weitere Studien zur Bewertung der Gipskeilung erforderlich.
AB
C
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Florian Freislederer Oberarzt Schulter- und Ellbogenchirurgie Schulthess Klinik Lengghalde 2 8008 Zürich E-Mail: florian.freislederer@kws.ch
Interessenlage: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen.
Abbildung 5: Schmerzverteilung zu verschiedenen Zeitpunkten: VAS1: 5 Minuten vor dem Keilen des Gipsverbands, VAS2: 5 Minuten nach dem Keilen des Gipsverbands, VASmax: maximaler Schmerz, an den sich die Kinder 30 Minuten nach dem Keilen des Gipsverbands erinnerten. Es wurden von den Kindern keine VASA-bWb. 5erte von 7 bis 10 angegeben.
Abbildung 6: A und B: Radiologische Bilder einer sagittalen 20-Grad-Winkeldeformität einer Grünholzfraktur zwischen mittlerem Schaft und distalem Unterarmschaftbereich ohne Deformität in der koronaren Ebene (A). C: Vollständige Korrektur der Deformität nach dem Giessen des Gusses.
Abbildung 7: Änderung der mittleren sagittalen (l.) und der koronaren (r.) Angulation vor und nach dem Keilen des Gipsverbands.
Abbildung 8: A: Röntgenbilder Aebibn. e7 r sagittalen Dislokation von 25 Grad einer dorsal versetzten vollständigen Fraktur der distalen radialen Metaphyse. B und C: Die Angulation wurde nach dem Keilen um 15 Grad verringert, wodurch die Deformität die Grenzen einer ausreichenden spontanen Korrektur nicht mehr überschreitet.
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