Transkript
Ernährung der Schwangeren
Beeinflusst sie das Allergierisiko des Kindes?
Allergie
50 Studien über den Zusammenhang zwischen der Ernährung in der Schwangerschaft und dem Auftreten von Allergien beim Kind wurden unter die Lupe genommen. Viele der Studien lassen qualitativ zu wünschen übrig. Das internationale Autorenteam hat für die European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) eine Einordnung der zum Teil recht heterogenen Studienergebnisse vorgenommen.
Die Fragen, inwieweit die Ernährung der Schwangeren das Allergierisiko ihres Kindes beeinflusst und was sie essen sollte, um dieses Risiko zu senken, bleiben auch nach diesem Review offen. Um entsprechende Empfehlungen zur Zusammensetzung der Ernährung oder zu bestimmten Nahrungsmitteln und Nährstoffen für Schwangere zu geben, reiche die Evidenz nicht aus, so das Autorenteam (1). Etwa zwei Drittel der einbezogenen 50 Studien waren von geringer Qualität. Meist handelte es sich um Beobachtungsstudien. Sie liefern unterschiedliche, zum Teil widersprüchliche Trends, je nachdem welches Atopiephänomen Gegenstand der jeweiligen Studie war. Mit einem verminderten Allergierisiko für das Kind war eine Vielzahl von Nahrungsmitteln in der Schwangerschaft assoziiert. So könnten Vitamin A, Vitamin D, Milchprodukte/Probiotika und Nüsse das Risiko für allergische Rhinitis senken. Mit weniger Asthma beziehungsweise weniger Asthma und Wheezing verbunden waren sowohl die mediterrane Ernährung als auch die für westliche Industrienationen typische Ernährung (western diet) der Schwangeren; das Gleiche galt für Vitamin D, Vitamin E, Zink, Nüsse, (fetten) Fisch und Fleisch. Ein niedrigeres Risiko für ein allergisches Ekzem ging mit einer Ernährung der Schwangeren mit ausreichend Kupfer, Vitamin E, Kalzium, Zink, Betakarotin, Magnesium, Milchprodukten/Probiotika, Früchten und Gemüse einher. All diese Resultate aus Beobachtungsstudien sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren. Einerseits beweisen solche Studien keine Ursache-Wirkungs-Beziehung, und andererseits waren die Zusammensetzung der Nahrung sowie die Dosis der einzelnen Nährstoffe sehr unterschiedlich. Sie konnten keiner der gängigen allgemeinen Ernährungsempfehlungen zugeordnet werden, was bedeutet, dass die Verzehrmengen der genannten Nahrungsmittel nicht unbedingt den zurzeit empfohlenen entsprachen.
Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren
Ingesamt 13 randomisierte Studien lagen für verschiedene Nährstoffe und Supplemente vor (Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin C, Vitamin E) und wurden in Metaanalysen ausgewertet. Das einzige «harte» Resultat des Reviews ist demnach, dass Vitamin-D-Supplemente in der Schwangerschaft das
Risiko für Asthma/Wheezing beim Kind verringern können (Odds Ratio [OR]: 0,72; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,56–0,92). Diesem Schluss liegt eine Metaanalyse aus 3 randomisierten Studien zugrunde. Die Vitamin-D-Dosen waren in diesen Studien mit 800, 2400 und 4000 IE pro Tag höher als von der European Food Safety Authority (EFSA) und vom Institute of Medicine (IOM) empfohlen. EFSA und IOM emp-
fehlen, ebenso wie Randomisierte Studien liegen die Eidgenössische Er- nur für wenige Nährstoffe vor.
nährungskommission (EEK) für Schwangere 600 IE Vitamin D pro Tag. Die Review-Autoren weisen ausdrücklich darauf hin, dass es noch zu früh für Änderungen der Ernährungsempfehlungen in der Schwangerschaft sei, zumal eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie ergeben hat, dass eine Vitamin-D-Supplementation mit 800 IE in der Stillphase mit einer erhöhten Rate an Nahrungsmittelallergien im späteren Leben einhergeht (2).
Und die Probiotika?
Es gibt bis anhin keine randomisierte Studie, in der Probiotika ausschliesslich in der Schwangerschaft im Hinblick auf allergische Erkrankungen beim Kind getestet wurden. Die Review-Autoren fanden nur eine Beobachtungsstudie, in der sich keine Assoziation zwischen Probiotikasupplementen in der Schwangerschaft und dem Auftreten von Allergien beim Kind zeigte. Die verfügbare Literatur legt nahe, dass eine Probiotikasupplementierung in der späten Schwangerschaft, in der Stillphase und in den ersten Lebensmonaten mit einem verminderten Risiko für atopische Dermatitis verbunden sein kann. Allerdings ist unzureichend definiert, welche Probiotika in welcher Dosis und zu welchen Zeiten dafür eingenommen werden müssten.
Renate Bonifer
Quellen: 1. Venter C et al.: Dietary factors during pregnancy and atopic outcomes in childhood: a systematic review from the European Academy of Allergy and Clinical Immunology. Pediatr Allergy Immunol 2020; doi: 10.1111/pai.13303. Online ahead of print, Jun 10, 2020. 2. Norizoe C et al.: Increased food allergy and vitamin D: randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Pediatr Int 2014; 56(1): 6–12.
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