Transkript
Schwerpunkt
Chronischer Husten im Kindesalter
Husten ist bei Kindern der häufigste Vorstellungsgrund für einen Arztbesuch. Meist ist der Husten mit viralen Infekten assoziiert, und er wird von den Eltern oft als einziges Symptom beschrieben. Ziel dieses Beitrags ist es, anhand von Fallbeispielen Denkanstösse für die Praxis zu vermitteln und darüber zu informieren, wann bestimmte Abklärungsschritte und Behandlungen sinnvoll sein können und wann eine Zuweisung zu einem pädiatrischen Pneumologen indiziert ist.
Von Dominik Müller-Suter
Chronischer Husten ist nicht nur für das Kind belastend, sondern auch in hohem Masse für die Familie und die Gesellschaft. Er hat einen negativen Einfluss auf die Schlafqualität, die kognitive Leistung und die körperliche Aktivität. Etwa 10 Prozent der Vorschulkinder husten chronisch, unabhängig von pfeifender oder keuchender Atmung. Husten ist Teil der natürlichen Reinigungsfunktion der Atemwege, auch gesunde Kinder husten durchschnittlich 11-mal pro Tag. Eine Unterscheidung zwischen normalem und pathologischem Husten ist zum Teil schwierig. Die Häufigkeit und der Schweregrad werden durch Eltern oder Betreuer unterschiedlich wahrgenommen. Nächtlicher Husten wird meist überschätzt.
Akuter Husten
Respiratorische Infekte und damit verbundener akuter Husten sind bei Kindern häufig. Es gelten als normal: ● bis 11 respiratorische Infekte im 1. Lebensjahr ● bis 8 im Vorschulalter ● bis 4 im Schulalter. Die übliche Dauer eines akuten Hustens beträgt 1 bis 2 Wochen. Es ist wichtig, diese Information den Eltern mitzuteilen. Eine spezifische Abklärung des akuten Hustens ohne Hinweise auf eine zugrunde liegende Erkrankung oder klare Beteiligung der unteren Atemwege ist nicht notwendig, ebenso wenig eine medikamentöse Behandlung.
Ab wann ist ein Husten chronisch?
In der Praxis ist die Unterscheidung zwischen scheinbar chronischem Husten durch rezidivierende Infekte und echtem chronischem Husten nicht ganz einfach, bei Letzterem fehlen symptomfreie Intervalle. Bei Kindern wird, im Unterschied zum Erwachsenen, eine Hustendauer von bis zu 4 Wochen als akut, von 3 bis 8 Wochen als prolongiert und je nach Literatur von mehr als 4 bis 8 Wochen als chronisch bezeichnet. Obwohl jüngere Publikationen, vorwiegend aus dem angloamerikanischen Raum, von einer Grenze von 4 Wochen ausgehen, scheint es in der Praxis sinnvoller zu sein,
eine Hustendauer von 8 Wochen und mehr als Grenze zum chronischen Husten zu definieren, um Überaktivismus zu vermeiden.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch kommen verschieden Ätiologien
eines chronischen Hustens in Betracht. Die wichtigsten
Gruppen sind:
● Asthma bronchiale
● Post-nasal-drip-Syndrom, allergische Rhinitis
● zystische Fibrose (CF), primäre Ziliendyskinesie (PCD),
Immundefekte, «protracted bacterial bronchitis» (PBB)
● gastroösophagealer Reflux
● Tracheo-/Bronchomalazie, LK-Kompression
● interstitielle Lungenerkrankung, Alveolitis
● Tuberkulose
● psychogener Husten.
Wichtig ist, zwischen trockenem oder produktivem Hus-
ten zu differenzieren. Eine gute Anamnese und der
Klangcharakter des
Hustens sind hier es- Um Überaktivismus zu vermeiden,
senziell. Wichtige As- kann man in der Praxis eine
pekte der Hustenana- Hustendauer von 8 Wochen und
mnese sind in Tabelle 1 mehr als Grenze zum chronischen
zusammengefasst.
Husten betrachten.
Praktisches Vorgehen
Für die initale Beurteilung bei chronischem Husten sind folgende Punkte wichtig: ● gute Anamnese, auf Alarmzeichen achten ● klinische Beurteilung inkl. Grösse und Gewicht, ge-
mischtvenöse Sauerstoffsättigung (SiO2), Atemfrequenz und Alarmzeichen Bei Alarmzeichen (Tabelle 2) ist eine weiterführende Abklärung durch den Kinderpneumologen indiziert. ● konventionelles Thoraxröntgen ● Spirometrie (bei > 5-Jährigen) ● Bronchospasmolysetest ● Sputum/Rachenabstrich (falls produktiver Husten oder V. a. Pertussis) ● allergologische Abklärung.
1/20 Pädiatrie
15
Schwerpunkt
Tabelle 1:
Wichtige Aspekte bei der Hustenanamnese
Beginn und Dauer?
Neugeborene, Vorschulalter, Schulalter
Art? produktiv, trocken
Qualität?
bellend (Tracheitis, subglottische Laryngitis, habitueller Husten) paroxysmal (DD: Infektion mit B. pertussis oder parapertussis?) stakkatoartig (DD: Chlamydien, RSV, Asthma bronchiale) gepresst, metallisch klingend (DD: Tracheomalazie) röhrend (DD: psychogen) aus Atemmittellage (DD: zentrale Luftwege) nach tiefer Inspiration (DD: periphere Inflammation)
Tageszeit?
persistierend, intermittierend, nur tagsüber, nachts (beim Hinlegen, Mitte der Nacht, frühmorgens)
Trigger?
Infekt, Kaltluft, Rauch, Kitzeln, Ärger (Hinweis auf bronchiale Hyperreagibilität), Sport, Essen, Allergenexposition, Eu-/Dystress, ...
Ablenkbarkeit?
Ja/Nein
Zusätzliche Symptome? Wheezing, Atemnot, gastroösophagealer Reflux
Faktoren, die Besserung bringen (inkl. Ansprechen auf bisherige Therapie)?
Assoziierte Symptome?
Passivrauchexposition, Gedeihen, Systemerkrankung, neurologische Erkrankung, psychosozialer Hintergrund, ...
Chronischer feuchter Husten
Im Fall eines 6-jährigen Knaben (Kasten 1) fanden wir eine Tachypnoe bei chronisch feuchtem Husten mit sowohl anamnestischen als auch klinischen Warnzeichen. Grundsätzlich wäre bei chronisch feuchtem Husten ohne Hinweise auf eine zugrunde liegende Lungenpathologie (wie CF, PCD, humoraler Immundefekt usw.) unter anderem auch an die Möglichkeit einer «protracted bacterial bronchitis» (PBB) zu denken. Spirometrie sowie Thoraxröntgen ergeben hier Normalbefunde (eine peribronchiale Zeichnungsvermehrung ist erlaubt). Der Begriff PBB hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt, allerdings mit unterschiedlichen Definitionen, je nachdem ob die Diagnose ohne oder nach bronchoalveolärer Lavage gestellt wird. Klinisch wird die PBB als isolierter produktiver Husten ohne spezifische Hinweise auf eine andere Pathologie
Kasten 1:
Fallvignette
6-jähriger Knabe mit feuchtem Husten
Anamnese ● Zuweisung durch Kinderarzt bei V. a. Asthma bronchiale bei chronischem Husten ● Eltern berichten über eine Anstrengungsdyspnoe ● produktiver Husten, v. a. morgens ● anamnestisch St. n. 4 Hospitalisationen wegen Pneumonien (als atypische Pneu-
monien beschrieben bei Wheezing und partieller resp. Insuffizienz sowie radiologischen Befunden) ● keine wesentliche Gedeihstörung, normale Stuhlanamnese ● Ansprechen auf bisherige Therapie: keine Besserung bei Behandlung mit inhalativen Kortikosteroiden, jeweils Besserung bei Antibiotikatherapie ● Familienanamnese: Schwester habe ebenfalls häufig Husten, ansonsten bland ● Umgebungsanamnese: keine Passivrauch- oder Schimmelpilzbelastung; Katzen und Hühner, Familie lebte lange Zeit in Asien
definiert, mit Sistieren der Symptomatik nach Antibiotikatherapie. Man geht von einer chronischen endobronchialen Infektion aus. Im Lavagematerial findet sich eine neutrophile Inflammation. Ursache kann ein initialer Infekt oder auch eine Tracheomalazie mit zurückbleibender Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance sein. Dies tritt meist im Vorschulalter und häufiger in Populationen mit ungenügender medizinischer Versorgung auf. Der Übergang zu Bronchiektasien ist fliessend. Nach Untersuchung von Sputum beziehungsweise tiefem Rachenabstrich wird eine Therapie mit Antibiotika (Amoxicillin mit Clavulansäure) für 2 bis 4 Wochen empfohlen. Wichtig ist dabei auch, mit den Eltern über Hygienemassnahmen, korrekten Impfschutz und gegebenenfalls Immunstimulanzien zu diskutieren. Bei einem Rezidiv sollte eine weiterführende kinderpneumologische Abklärung erfolgen. Bei unserem Knaben fanden sich jedoch neben den erwähnten Warnzeichen auch Rückfälle nach jeweiliger Antibiotikatherapie, sodass eine weiterführende Abklärung und die Überweisung zum pädiatrischen Pneumologen sicher indiziert sind. Dennoch scheint mir die nachfolgende weitere Besprechung dieses Falles mit Diskussion möglicher Differenzialdiagnosen auch für die Praxismedizin hilfreich. In der Lungenfunktionsprüfung zeigte sich eine globale Lungenüberblähung (totale Lungenkapazität [TLC] 132%) sowie eine obstruktive Ventilationsstörung (forciertes exspiratorisches Einsekundenvolumen [FEV1] 54%, Tiffenau-Index 65%). Im Thoraxröntgenbild waren beidseits peribronchiale Infiltrate und ein vermehrt retikuläres Zeichnungsmuster, insbesondere im Oberlappen rechts, zu erkennen (Abbildung 2). Das Sputum war positiv auf H. influenzae, St. aureus und Stenotrophomonas maltophilia. Bei chronisch feuchtem Husten mit zusätzlichem Nachweis einer Lungenüberblähung in der Lungenfunktion sowie radiologischen Befunden, insbesondere im Oberlappen, und dem genannten Keimnachweis wurde primär an eine CF oder Tuberkulose (langer Aufenthalt in Asien!) gedacht. Der Schweisstest war mit beiden Methoden (Nanoduct®, Macroduct®) normal, die Pankreaselastase im Stuhl im Normbereich (> 500 µg/g). Die Tests auf Tuberkulose (Mantoux-Test, Quantiferon) waren negativ. Somit waren weiterführende Abklärungen indiziert. Im Thorax-CT zeigten sich bilaterale Bronchiektasen (Abbildung 3). In der Literatur der letzten 10 Jahre werden als häufigste pädiatrische, nicht CF-bedingte Ursachen genannt: ● postinfektiös, zum Beispiel nach schwerer Pneumonie
(besonders häufig assoziiert mit Mycoplasmen, Adenoviren, Pertussis, Tuberkulose, Masern) ● Immundefizienz und gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) beziehungsweise Aspiration. Weitere Differenzialdiagnosen sind unter anderem primäre Ziliendyskinesie (PCD), kongenitale Tracheobronchomegalie, Asthma bronchiale, Alpha-1-Antitrypsinmangel und Bindegewebserkrankungen. Deshalb wurden eine Abklärung mit Verdacht auf PCD sowie weitere Labortests veranlasst. Zur Abklärung der PCD wurde zweimal das nasale Stickstoffmonoxid (NO) bestimmt. Es lag unter 200 ppb und somit niedriger als normal. Darum wurde ein nasales
16
Pädiatrie 1/20
Schwerpunkt
Abbildung 1: Trommelschlegelfinger bei einem 6-jährigen Knaben mit chronisch feuchtem Husten (Kasten 1)
Brushing mit Hochfrequenzvideomikroskopieanalyse (HVMA) und bei Normbefund eine Elektronenmikroskopie veranlasst; Zilienfunktion und Ultrastruktur waren normal. Die Labortests lieferten folgende Befunde: ● kein Hinweis auf humorales Immundefizit (initial un-
geimpftes Kind, Antikörper gegen Pneumokokken positiv), keine Neutropenie oder Eosinophilie ● keine Tuberkulose, kein HIV ● Alpha-1-Antitrypsinwert unauffällig ● keine ABPA (allergisch bronchopulmonale Aspergillose; inkl. Hauttestung negativ)
Tabelle 2:
Alarmzeichen bei chronischem Husten
Systemisch/Status
Pulmonal
● kardiale Auffälligkeiten ● Trommelschlegelfinger, Uhrglas-
nägel (Abbildung 1) ● Gedeihstörung/Gewichtsverlust ● Medikation assoziiert mit chroni-
schem Husten (ACE-Hemmer) ● Fieber (Nachtschweiss) ● neurologische Entwicklungsauf-
fälligkeit ● Immundefizienz (primär oder
sekundär) ● Fütterungsschwierigkeiten ● Anamnese von Kontaktpersonen
(z. B. Tuberkulose) ● SiO2 93%
● Brustschmerzen ● produktiver Husten, Sputum ● Hämoptysis ● rezidivierende Pneumonien ● abnormale Hustencharakteristik
(Husten seit Geburt, paroxysmal, stakkatoartig usw.) ● Hypoxie, Zyanose ● Anamnese früherer Lungenerkankungen (z. B. Fremdkörperaspiration, BPD) ● Anstrengungsdyspnoe ● Thoraxdeformität ● Auskultationsbefunde (z. B. Stridor, Wheezing, Rasselgeräusche); inspiratorische Rasselgeräusche rechts > links ● radiologische Auffälligkeiten ● auffällige Lungenfunktion/Spirometrie ● Frequenz der Ruheatmung jenseits der Überwachungsgrenzen (Tabelle 3)
● Status nach Influenza und Adenovirusinfektion (DD: postinfektiös?).
Danach wurden eine Bronchoskopie (Atemwegsobstruktion vor Bronchiektase? Malformationen? Fisteln?) und die Suche nach GERD und Fisteln (Ösophaguspassage, pH-Metrie, Manometrie, Endoskopie) in Betracht gezogen. Zwischenzeitlich wurden jedoch im Genetiklabor die Genmutationen Phe508del (DF508) und Arg 346Pro des CFTR (cystic fibrosis transmembrane conductance regula-
Abbildung 2: Thoraxröntgenbild mit beidseits peribronchialen Infiltraten und einem vermehrt retikulären Zeichnungsmuster, insbesondere im Oberlappen rechts (6-jähriger Knabe, Kasten 1)
Abbildung 3: Thorax-CT mit bilateralen Bronchiektasen (6-jähriger Knabe, Kasten 1)
Tabelle 3:
Überwachungsgrenzen
Alter
0–2 Monate 3–5 Monate 6–8 Monate 9–11 Monate 12–17 Monate 18–23 Monate 2 Jahre 3 Jahre 4–5 Jahre 6–7 Jahre 8–11 Jahre 12–14 Jahre 15–18 Jahre
Atemfrequenz/ pro min 30–63 28–60 27–58 26–55 20–50 21–43 19–35 18–31 17–28 16–26 14–24 13–22 11–21
Puls/pro min
115–175 110–170 105–165 100–155 95–150 90–145 85–135 70–130 70–125 65–115 60–110 50–100 50–100
BD systolisch (mmHg) 70–100 70–100 70–100 70–100 72–102 74–104 76–106 78–108 82–112 86–116 90–124 90–130 90–134
MAD (mmHg) > 40 > 45 > 50 > 50 > 52 > 54 > 56 > 58 > 60 > 60 > 60 > 65 > 65
Quelle: Kantonsspital Aarau: Alle Werte sind Ruhewerte. Die Grenzwerte orientieren sich prinzipiell auch an der klinischen Präsentation
und Grunderkrankung. Die obere Grenze der Altersangaben in Jahren bezieht sich jeweils auf 11/12 . MAD: mittlerer arterieller Druck; dieser errechnet sich anhand der Blutdruckmessung herzferner Arterien wie folgt: (2x Diastole [mmHg] + Systole [mmHg])/3
1/20 Pädiatrie
17
Schwerpunkt
tor) nachgewiesen und somit die Diagnose einer pankreassuffizienten CF-Form gestellt. Unter adäquater Therapie entwickelte der Knabe ein perzentilengerechtes Gedeihen, und eine beschwerdearme, altersgerechte Teilnahme am Alltag wurde möglich. Es ist wichtig, auch nach Einführung des Neugeborenen-Screenings auf CF in der Schweiz (seit Januar 2011) an die Möglichkeit einer CF zu denken, da insbesondere milde oder atypische und pankreassuffiziente CF-Formen im Screening nicht erfasst werden. Bei milden und atypi-
schen CF-Formen muss darüber hinaus bedacht werden, dass der Schweisstest tendenziell niedriger ausfallen kann. Um chronischen feuchten Husten im Praxisalltag abzuklären, könnte der in Abbildung 4 dargestellte Algorithmus hilfreich sein.
Chronischer trockener Husten
Differenzialdiagnostisch findet man im Kindesalter häufig eine postinfektiöse bronchiale Hyperreagibilität nach einem initialen Atemwegsinfekt. Meist wird der Husten
Abbildung 4: Algorithmus zur Abklärung bei chronischem Husten (in Anlehnung an Chang AB et al.: Use of management pathways or algorithms in children with chronic cough: systematic reviews. Chest 2016; 149(1): 106–119.)
18
Chronischer Husten > 8 Wochen bei Kindern < 15 Jahre Ja Spezifische Hinweise oder Warnzeichen? Nein Zuwarten Thoraxröntgen Befund normal oder unspezifisch Hinweise auf Asthma? • Wheezing, Anstrengungsdyspnoe • signifikante Bronchospasmolyse in der Spirometrie • keine anderen Warnzeichen Nein Hinweise auf Fremdkörperaspiration? • Anamnese für Aspiration • monophon, Stridor/Giemen lokalisiert • radiologische Hinweise Nein Klassischer Hustencharakter? Nein Befund suggestiv. bzgl. spezifischer Ätiologie: weitere Abklärungen gemäss Verdachtsdiagnose Ja V. a. Asthma bronchiale Asthmatherapie für 2 bis 4 Wochen Verbesserung: Therapie fortsetzen Keine Verbesserung: Reevaluation bzw. Zuweisung an päd. Pneumologen V. a. auf Fremdkörperaspiration Ja Notfallzuweisung zur Bronchoskopie Kein Fremdkörper: Reevaluation bzw. Zuweisung an päd. Pneumologen Ja V. a. Hustentic, Pertussis, Tracheomalazie weitere Abklärungen bzw. Zuweisung an päd. Pneumologen Andere Warnzeichen? Nein Trockener Husten? keine Therapie Reevaluation nach 2 bis 4 Wochen Trockener Husten persistiert ohne Warnzeichen? «Watchful Waiting» ODER Therapieversuch Reevaluation nach 2 bis 4 Wochen Ja V. a. PBB: Antibiotika für 2 bis 4 Wochen Nasser, produktiver Husten? Hustenfrei: PBB wahrscheinlich neue Evaluation nach 3 bis 4 Monaten Husten wird feucht/produktiv Entwicklung von Warnzeichen Husten persistiert nach 4 Wochen: weitere Abklärungen (DD Bronchiektasen usw.) keine Verbesserung Reevaluation wie beim initialen Management bzw. Zuweisung an pädiatrischen Pneumologen Verbesserung: Medikationsstopp Reevaluation, Wiederaufnahme der Medikation bei Rückfall Pädiatrie 1/20 Schwerpunkt Kasten 2: Fallvignetten Drei 11-jährige Mädchen mit anstrengungsbedingter Atemnot und trockenem Husten Patientin A Trockener Husten in der Nachtmitte, insbesondere während der Heizperiode, seit zwei Jahren Pollinosis von Mai bis Juni; Husten während Belastung (nach ca. 10 Minuten) auftretend und anschliessend anhaltende Atemnot mit Mühe beim Ausatmen, Husten, pfeifendes Atemgeräusch, Engegefühl im Brustbereich. Patientin B Zunehmend trockener Husten seit 5 Monaten, insbesondere während Anstrengung (aufgefallen im Schulsport), mit vermehrter Mühe beim Ein- und Ausatmen, anamnestisch kein klares Atemgeräusch. Patientin C Trockener Husten seit 2½ Jahren beim Rennen und Längenschwimmen in der Schule; nach 1 bis 2 Minuten auftretende Mühe beim Einatmen, Engegefühl im Halsbereich, teilweise Husten, pfeifendes Atemgeräusch beim Einatmen und Kratzen im Hals. Sofortiges Sistieren der Symptomatik beim tiefen Durchatmen und Stopp der Aktivität. Ausserhalb des Schulsports treten keine Beschwerden auf. 20 durch Anstrengung oder Kälte verstärkt, und er kommt anfallsartig vor. Oft findet sich als Ursache des trockenen Hustens auch eine chronische Rhinopathie (Post-nasaldrip-Syndrom, syndrome déscendent) oder eine Adenoidhyperplasie mit unter anderem typischem Husten abends nach dem Hinlegen und in den Morgenstunden, nicht in der Nachtmitte, mit Räuspern und im Status einer Schleimstrasse an der Rachenhinterwand. Neben einer infektiösen ist hier auch nach einer allergischen Genese (z. B. Hausstaubmilben) zu suchen. Essenziell für jede Anamnese im Zusammenhang mit dem Respirationstrakt ist die Frage nach Passivrauchexposition (oder Aktivrauchen), die für etwa 50 Prozent der Fälle von chronischem Husten verantwortlich sein soll. Auch nach anderen Toxinen und Umwelteinflüssen muss gefragt werden, wie zum Beispiel nach einem Wohnort in der Nähe verkehrsreicher Strassen (insbesondere bei nächtlichem Husten durch vermehrten Feinstaub, PM15, SO2 und NO2), nach Feuchtigkeit in der Wohnung, die ebenfalls das Risiko chronischen Hustens erhöht, sowie nach pränataler Pestizidexposition. Auch bei chronisch trockenem Husten sind eine gute Anamnese, Basisabklärungen mittels Spirometrie und gegebenenfalls auch eine Röntgenaufnahme des Thorax sinnvoll, wie anhand der in Kasten 2 geschilderten Fälle von drei Patientinnen deutlich wird. In Ruhe war der Status bei allen drei Patientinnen unauffällig. Folgende Abklärungen wurden durchgeführt, um die unterschiedlichen Diagnosen zu stellen: Patientin A: Der Pricktest war positiv auf Hausstaubmilben und Gräserpollen. Der Wert des exhalierten, fraktionierten Stickstoffmonoxids (FeNO) lag mit 54 ppb über dem Normwert (< 20 ppb); dies ist ein Hinweis auf eine eosinophile Atemwegsinflammation. Die Spirometrie war in Ruhe unauffällig, nach Anstrengung (Laufbandbelastung) zeigte sich eine signifikante obstruktive Ventilationsstörung mit Normalisierung nach Bronchospasmolyse (Abbildung 5). Diagnose: Asthma bronchiale, exogen-allergisch und anstrengungsbedingt bei Sensibilisierung auf Hausstaubmilben und Gräserpollen und Rhinokonjunktivitis bei Gräserallergie. Mehr zur Asthmadiagnose und -therapie finden Sie in dieser Ausgabe der PÄDIATRIE ab Seite 10. Patientin B: Der Pricktest war negativ, das FeNO mit 16 ppb normal. Bei Belastung auf dem Laufband zeigten sich Abbildung 5: Spirometrie, wie sie für die Patientin A (Kasten 2) mit Asthma bronchiale typisch ist (Dreieck = vor, Quadrat = nach Belastung) Abbildung 6: Spirometrie der Patientin mit V. a. extrapulmonale Stenose (Patientin B, Kasten 2) ab Abbildung 7: Rechtsseitiger Aortenbogen mit Tracheaimpression bei Patientin B (Kasten 2) ab Abbildung 8: Spirometrie bei Patientin C (Kasten 2) vor (a) und nach (b) Laufbandbelastung Pädiatrie 1/20 Schwerpunkt eine signifikante obstruktive Ventilationsstörung sowie in- und exspiratorische Plateaus (Abbildung 6). Deshalb wurde mit der Frage nach einer extrapulmonalen Stenose ein Röntgenbild aufgenommen. Diagnose: rechtsseitiger Aortenbogen mit Tracheaimpression (Abbildung 7), gegebenenfalls zusätzlich leichtes, anstrengungsbedingtes Asthma bronchiale. Die Patientin wurde zur weiteren Diagnostik und Therapie an ein Zentrum überwiesen. Patientin C: In den Spirometrien vor (Abbildung 8a) und nach (Abbildung 8b) Belastung zeigten sich keine Hinweise auf eine fixierte Stenose oder obstruktive Ventilationsstörung, jedoch auf eine reversible inspiratorische Flusseinengung (Plateau inspiratorisch). Dies ist ein Hinweis auf die anamnestisch vermutete funktionelle Atemstörung. Diagnose: Das reversible inspiratorische Plateau, Anamnese und Befunde passen zu einer funktionellen Atemstörung im Sinne einer EILO (exercise induced laryngeal obstruction) beziehungsweise VCD (vocal cord dysfunction). Tabelle 4: Unterschiedliche Symptomatik bei Asthma und VCD Atemgeräusch Trigger Lungenfunktion Hyperventilation Beginn und Ende Atem anhalten Nächtliche Beschwerden O2-Sättigung Missempfindungen Betamimetika Asthma exspiratorisches Giemen v. a. körperliche Belastung, Allergene, Infekte kann im Intervall auffällig sein selten protrahiert Beginn verzögert (evtl. nach Belastung) nicht möglich häufig verringert kein Globusgefühl, keine Schluckbeschwerden helfen Vocal Cord Dysfunction (VCD) inspiratorischer Stridor Geruch, psychische/körperliche Belastung im Intervall normal häufig abrupt Beginn innert Minuten bei Belastung möglich selten normal häufig Globusgefühl, Schluckbeschwerden, Heiserkeit helfen nicht Dysfunktionelle Atembeschwerden Dysfunktionelle Atembeschwerden sind insgesamt häufig. Wichtig ist, bereits im Praxisalltag daran zu denken und diese Möglichkeit mit dem Kind und den Eltern zu thematisieren. Die Varianz reicht von rein psychogenen Atemstörungen (wie z. B. Globusgefühl), Atemregulationsstörungen (Hyperventilation, Seufzerdyspnoe) oder funktionellen Atemstörungen, wie die beschriebene VCD, bis zu Stereotypien oder Tic-artigen Störungen, wie beispielsweise dem habituellen Husten. Hier wird der Hustenreiz als Reaktion auf eine vorangegangene Irritation der oberen Atemwege bei einem neuen Reiz zu einem Circulus vitiosus, meist resultierend in einem laryngealen Husten, der laut und seehundartig klingt. Nur in zirka 20 Prozent der Fälle findet sich eine zusätzliche Psychopathologie (appellativ, gesteigerte Zuwendung), die teilweise gehäuft mit funktionellen Störungen auftritt (z. B. VCD). In der Praxis ist die Unterscheidung zwischen einem Asthma bronchiale und einer funktionellen Atemstörung nicht immer einfach. Es finden sich auch Mischformen, da funktionelle Atemstörungen häufig mit einer bronchialen Hyperreagibilität vergesellschaftet sind. Eine Unterscheidungshilfe wird in Tabelle 4 aufgezeigt. Chronischer unspezifischer Husten Nach initialem Abwarten kann ein pragmatischer Therapieversuch unternommen werden. Weil die Diagnose Asthma angesichts fehlender objektivierbarer Testverfahren bei kleinen Kindern unpräzis ist und ein isolierter Husten auch bei kleineren Kindern als Asthmaäquivalent nicht ausgeschlossen werden kann, ist der Versuch einer Asthmatherapie (inhalative Kortikosteroide; Abbildung 9) bei kleinen Kindern mit isoliertem chronischem Husten sinnvoll. Bei Kindern ab dem Kindergartenalter wäre vorgängig eine Spirometrie mit positivem Bronchospasmolysetest wünschenswert. Man muss die Inhalationstherapie einerseits terminieren und sie nach Sistieren des Hustens absetzen (nach beispielsweise 6 bis 8 Wochen) sowie andererseits die Symptomatik erneut evaluieren. Ein Rückfall nach dem Absetzen ist hinweisend für ein (frühkindli- Abbildung 9: 5-jähriger Knabe beim Üben der korrekten Inhalation via Vorschaltkammer mit Mundstück ches) Asthma bronchiale. Insgesamt ist ein Asthma bronchiale mit alleiniger Hustensymtomatik (cough-variant asthma) im Kindesalter aber eher selten. Korrespondenzadresse: Dr. med. Dominik Müller-Suter Oberarzt pädiatrische Pneumologie Klinik für Kinder und Jugendliche Kantonsspital Aarau AG Tellstrasse 25 5001 Aarau E-Mail: dominik.mueller-suter@ksa.ch Interessenlage: Der Autor erklärt, dass im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenkonflikte bestehen. 1/20 Pädiatrie 21