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Schwerpunkt
Atemgeräusche bei Säuglingen
Atemgeräusche bei Säuglingen sind ein häufiges Phänomen. Sie führen oft zu einer Vorstellung in der Grundversorgerpraxis. In diesem Artikel werden die häufigsten physiologischen und pathologischen Geräusche sowie Warnzeichen erläutert, welche eine weitere Abklärung beziehungsweise Therapie in einem Kinderspital notwendig machen.
Von Michael Hitzler
Um das häufige Auftreten von Atemgeräuschen bei Säuglingen zu verstehen, ist es notwendig, sich die Entwicklung der Atemwege in Erinnerung zu rufen. Säuglinge sind in den ersten vier
Lebensmonaten ausschliesslich Nasenatmer. Die grosse
Zunge füllt den Oropharynx aus, der Kehlkopf ist im Ver-
gleich zum späteren Leben nach anterior und kranial ver-
schoben. Dieser Schutz vor Aspirationen und die Mög-
lichkeit, gleichzeitig
Die Eltern sollen die suspekten Geräusche mit dem Smartphone aufnehmen.
trinken und atmen zu können, werden später zugunsten der Lautierung aufgegeben. Der
Kehlkopf elongiert sich
rasch, und die Atem-
wege sind weniger gut geschützt vor dem Verschlucken.
Der subglottische Raum bildet die engste Stelle der obe-
ren Atemwege mit einem Durchmesser von 5 bis 7 mm.
Obwohl er durch das Krikoid umrundet wird, besteht ein
Mantel aus Bindegewebe, welches bei einem Trauma
Tabelle 1:
Definition der wichtigsten Atemgeräusche
Bezeichnung Karcheln
Stertor Stridor
Pfeifen/Wheezing
Präsentation
in- und exspiratorisch diskontinuierlich feucht
Schnarchen tieffrequent
hochfrequent kontinuierlich von Ohr hörbar
kontinuierlich hochfrequent Exspirium verlängert
Ort der Pathologie Sekretverschiebung in oberen und unteren Atemwegen möglich
Naso-Oropharynx
inspiratorisch: bis Stimmritze biphasisch: extrathorakal subglottisch
untere Atemwege
oder bei Infekten schnell anschwellen und so die Atemwege verlegen kann.
Beurteilung von Atemgeräuschen
Bei der Ausbildung von medizinischem Praxispersonal, das im ersten Kontakt mit den Eltern steht, weisen wir darauf hin, dass eine Beurteilung von Atemstörungen im Säuglingsalter nur selten telefonisch möglich ist. Wichtig sind nebst dem Atemgeräusch der Allgemeinzustand, das Trinkverhalten und zusätzliche Symptome wie Fieber, Atemnotzeichen oder Erbrechen. Nicht immer sind die Patienten mit lauten Geräuschen auch diejenigen mit den gravierendsten Problemen. Gerade aufgrund von Atemwegsinfekten sind bei jungen Säuglingen Apnoen möglich, die unter Umständen von den Eltern gar nicht bemerkt werden. Schwierigstes Unterfangen in der Praxis ist die Objektivierung der Symptome, die während der Konsultation nicht wahrgenommen werden können. Bei Wheezing-Episoden konnte gezeigt werden, dass sich ein von Eltern beschriebenes Pfeifen häufig auf eine andere Art von Atemgeräusch bezog. Da bei Säuglingen die Anamnese entscheidend ist, empfehlen wir den Eltern, die suspekten Geräusche mit dem Smartphone aufzunehmen. In Tabelle 1 sind die wichtigsten Atemgeräusche definiert. In einer Kohorte mit knapp 300 Säuglingen bis 6 Monate berichteten 30 Prozent der Eltern über eine geräuschvolle Atmung. Davon konnten 93 Prozent als Karcheln im Rahmen eines Infektes, 2 Prozent als pfeifendes Atemgeräusch (Wheezing) und nur 1 Prozent als Stridor identifiziert werden.
Zeitpunkt des Auftretens
Grundsätzlich können angeborene von erworbenen Pathologien unterschieden werden. Die klinische Präsentation kann perakut, bei Fehlanlagen der oberen Atemwege bereits intrauterin oder nach dem ersten Atemzug auftreten. Auf der anderen Seite des Spektrums sind die Beschwerden über Monate zunehmend, und zwar so subtil, dass
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sie teilweise von den Eltern gar nicht erkannt werden. Nicht selten sind diese diskreten Auffälligkeiten erst bei forcierter Atmung hörbar.
Einteilung aufgrund der anatomischen Lage
Ein Atemgeräusch, welches vor allem während der Inspi-
ration auftritt, weist auf eine Problematik in den extra-
thorakalen Atemwegen hin. Liegt die Problematik ober-
halb der Stimmritze, kommt
Bei einem akuten Beginn der Beschwerden ist stets an eine Fremdkörperaspiration zu denken.
es zu einem inspiratorischen Geräusch. Besteht eine Auffälligkeit im Bereich des subglottischen Raumes, fällt ein biphasisches Geräusch auf. Ist
vor allem die Exspiration auf-
fällig, muss man von einer intrathorakalen Pathologie
ausgehen. Bezeichnet werden diese Geräusche als Whee-
zing oder pfeifende Atmung.
Auch die Lageabhängigkeit kann einen Rückschluss auf
die Ätiologie zulassen. So führt bei einer Problematik des
Larynx häufig eine Überstreckung des Kopfes zu einer
Abnahme des Geräusches.
Tabelle 3:
Angeborene Malformationen der Atemwege
Nasopharyngeal ● Choanalstenose oder Atresie ● Pierre-Robin-Sequenz ● komplexe kraniofaziale Malformationen
Larynx ● Larynxnetz (web) ● subglottische Stenose ● Laryngomalazie ● laryngeale Zysten ● Larynxspalten
Trachea ● tracheo-ösophageale Fistel mit oder
ohne Ösophagusatresie ● Tracheo- oder Bronchomalazie ● Tracheal- oder Bronchialstenose
Qualität des Geräusches
Ist ein Geräusch hochfrequent, spricht man von einem
Stridor, und zwar, entsprechend der anatomischen Lage
der Pathologie, von einem inspiratorischen, exspiratori-
schen oder biphasischen Stridor.
Ein Karcheln (buccopharyngealer Stridor) wird von den
Eltern häufig als intrathorakales Problem wahrgenom-
men, da der ganze Thorax mitvibriert. Man spürt förmlich
das Sekret in den Lungen. Es ist hierbei wichtig, die Eltern
aufzuklären, dass es sich dabei nur um fortgeleitete
Atemgeräusche handelt. Das Problem liegt normaler-
weise in den oberen Atemwegen.
Der Transport
Zuletzt sei noch der Stertor erwähnt, welcher sich vom
ins nächste
lateinischen Stertere für Schnarchen ableitet und Hinweis
Kinderspital
auf eine Problematik der Nase, des Nasopharynx oder des
sollte bei
Oropharynx ist. Durch die Vibration von Pharynx und wei-
akuten
chem Gaumen kommt es zu einem eher hochfrequenten
Notfällen
Schnarchen.
nie den
Es besteht auch hinsichtlich Akuität, Schweregrad und
Betreuungs-
zeitlichen Auftretens der Beschwerden eine Möglichkeit
personen
zur Eingrenzung auf gewisse Krankheitsbilder.
überlassen werden.
Atemgeräusch plus …
Nebst dem Geräusch müssen Atemnotzeichen gesucht
werden (Tabelle 2). Stets wichtig, gerade bei Säuglingen,
ist die Beurteilung der Ge-
Tabelle 2:
Atemnotzeichen beim Säugling
wichtszunahme, welche als Konsequenz des erhöhten Energieumsatzes oder der ver-
minderten Trinkmenge ernied-
● Tachypnoe ● bis 6 Monate > 60/Minute ● 6 bis 12 Monate > 40/Minute ● Zyanose: O2-Sättigung < 92% ● Einziehungen sternal, subkostal, intrakostal ● Nasenflügeln ● exspiratorisches Stöhnen rigt sein kann. Auffälligkeiten in der Peri- und Neonatologiezeit können Hinweise auf die Ätiologie liefern. Mütterliche Condylomata, Intubationen, kardiale oder thorakale Operationen des Säuglings mit Gefahr einer Nervus-recurrens-Läsion sowie faziale oder thorakale Malformationen sind zu erfassen. Ein gastroösophagealer Reflux kann durch rezidivierende Aspirationen zu einer Irritation der laryngealen und trachealen Schleimhaut führen. Besteht ein Husten durch Verschlucken bei der Aufnahme von flüssiger Nahrung, muss an eine Fehlbildung zwischen Larynx/Trachea und Ösophagus gedacht werden (Spaltbildung, Fistel). Akute respiratorische Ereignisse wie Apnoen oder zyanotische Krisen können ebenfalls Hinweise auf eine Verengung beziehungweise einen Kollaps im Bereich der Atemwege sein. Werden die Säuglinge langsam aktiv und erkunden ihre Umgebung, muss bei einem akuten Beginn an eine Fremdkörperaspiration gedacht werden. In der Praxis ist neben einer guten Anamnese und Erfassung der erwähnten Atemnotzeichen auch eine sorgfältige Auskultation hilfreich. Gerade exspiratorische Geräusche sind ohne Stethoskop nicht gut hörbar. Bei einem asymmetrischen Atemmuster besteht der Verdacht auf eine Verlegung der intrathorakalen Atemwege. Die Untersuchung sollte bei einem ängstlichen Kind nicht forciert werden. Insbesondere bei Verdacht auf eine Fremdkörperaspiration oder eine Epiglottitis können enorale Manipulationen fatale Folgen haben. Ein Transport in das nächste Kinderspital soll in diesen Fällen nie den Betreuungspersonen überlassen werden! Mit Ausnahme dieser beiden akuten Situationen wird man in der Praxis aber eher mit subakuten und länger andauernden Atemauffälligkeiten konfrontiert. Kongenitale Pathologien werden mit wenigen Ausnahmen bereits im Wochenbett detektiert. Die möglichen kongenitalen Pathologien sind in Tabelle 3 zusammengefasst. In der Folge werden die häufigsten Auffälligkeiten genauer beschrieben. Karcheln Banale obere Luftwegsinfekte sind ein häufiger Vorstellungsgrund in der Praxis, obschon sie aus medizinischer 6 Pädiatrie 1/20 Schwerpunkt Sicht keine schwerwiegende Erkrankung darstellen. Je jünger der Säugling, desto besorgter sind nicht nur die Eltern, sondern desto eher besteht auch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens. Der Drang der Eltern ist gross, das Sekret aus der Nase zu entfernen und den oft gleichzeitig auftretenden Husten zu lindern. Eine grosse Anzahl an schul- und komplementärmedizinischen Medikamenten wird angeboten, ohne dass ein wissenschaftlich nachgewiesener Nutzen besteht. Zunehmend regulieren Arzneimittelbehörden aufgrund von Forderungen der Fachgesellschaften die Zulassung von OTC-Medikamenten zur Behandlung von Kleinkindern mit Erkältungen. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Als Beispiel, dass auch Nebenwirkungen auftreten können, seien die Mukolytika genannt. Diese fördern die Bronchorrhö bei Kleinkindern und führen so zu noch mehr Atemgeräuschen und Husten. Es ist im hektischen Praxis- oder Apothekenalltag natürlich am einfachsten, ein Medikament abzugeben. Die Eltern versuchen fast alles! Der Zeitaufwand für eine Beratung, einmal nichts zu tun respektive nur eine gute Nasentoilette mit physiologischer Kochsalzlösung anzuwenden, sollte aber nicht gescheut werden! Das schnarchende Kind Anatomisch begründet, besteht bei vielen Kleinkindern eine Obstruktion der oberen Atemwege durch einen geringen Durchmesser, eine Kollapsneigung sowie zusätzlich eine Hyperplasie des adenotonsillären Gewebes. Obschon es eher ein Problem jenseits des Säuglingsalters ist, können auch Kinder im ersten Lebensjahr betroffen sein. Die klinische Präsentation mit einem vornehmlich inspiratorischen Stertor ist typisch. Bei totaler oder partieller Obstruktion der oberen Atemwege kommt es zu obstruktiven Apnoen und einer paradoxen Atmung. Häufig tritt eine Verschlechterung der Atemsituation im Rahmen von Infekten auf. Ein gute Nasentoilette mit physiologischer oder auch hypertoner Kochsalzlösung, topische abschwellende und/ oder entzündungshemmende Medikamente sowie ein Versuch mit dem Leukotrienantagonisten Montelukast können helfen. Topische nasale Steroide sind nachhaltig von Nutzen, allerdings in der Schweiz für diese Altersgruppe nicht zugelassen. Bei älteren Kindern muss nach entsprechender Diagnostik über eine Adenotonsillektomie entschieden werden. Da ein obstruktives Schlafapnoesyndrom bei Kleinkindern schwierig anhand der Anamnese oder klinischer Befunde bewiesen werden kann, soll die Indikation für eine Schlafuntersuchung mittels respiratorischer Polygrafie oder auch Polysomnografie grosszügig gestellt werden. Eine alleinige Pulsoxymetrie ist nicht sensitiv genug. Laryngomalazie 50 bis 75 Prozent der Neugeborenen mit einem Stridor weisen eine Laryngomalazie auf. Zu deren Entstehung gibt es verschiedene Theorien in Bezug auf anatomische, kartilaginäre oder auch neurologische Auffälligkeiten. Der typische inspiratorische Stridor, welcher in Rückenlage, bei Anstrengung (z. B. Weinen, Trinken) auftritt, kann bereits bei Geburt hörbar sein. Typischerweise fällt der Stridor spätestens in der sechsten Lebenswoche auf und findet seine maximale Ausprägung um den sechsten AB Abbildung: A: Endoskopie einer Laryngomalazie (Typ 2 nach Holinger: eingerollte Epiglottis); B: Endoskopie eines laryngealen Webs (Bilder: Prof. Dr. med. N. Regamey; Abdruck mit freundlicher Genehmigung) Lebensmonat. Die meisten Kinder weisen keine ander- weitigen Symptome auf. Bei ausgeprägter Symptomatik ist das Risiko des Verschluckens erhöht. Die betroffenen Säuglinge können Apnoen mit Zyanoseanfällen, eine Ge- deihstörung bei Ernährungsschwierigkeiten oder Aspira- tionen erleiden. Nicht selten kommt es zu einem gastroösophagealen Reflux, der die Symptomatik verstärken kann. Hier ist eine konsequente Therapie mit Proto- Eine gute Nasentoilette mit physiologischer Kochsalzlösung ist bei banalen Luftwegsinfekten sinnvoller als Medikamente ohne wissenschaftlich nachgewiesenen Nutzen. nenpumpenblockern notwendig. Ist die Diagnose aufgrund der Präsentation und des klinischen Verlaufs klar, ist bei milden Fällen keine Atemwegsendoskopie notwendig. Der Spontanver- lauf kann in diesen Fällen abgewartet werden. In der Regel sistiert der Stridor im Alter von 12 bis 24 Monaten. In unklaren und schweren Fällen soll auf jeden Fall endos- kopiert werden (Abbildung). Dazu gehören Kinder mit atypischen Geräuschen (biphasisch, tieffrequent), pro- gredientem Verlauf, Atemnotsyndromzeichen, einer Ge- deihstörung oder Schluckstörungen. Bei schwer betroffenen Kindern, die gehäuft auch an anderen Pathologien wie Herzfehlern oder Syndromen leiden (z. B. Trisomie 21), können die Atemwege durch eine Supraglottoplastik langfristig geöffnet werden. In extremis kann in sehr seltenen Fällen eine nicht invasive oder auch invasive Beatmung über ein Tracheostoma not- wendig werden. Pseudokrupp Es existieren unzählige Synonyme, wobei der eigentliche Krupp als Bezeichnung der laryngealen Diphterie glücklicherweise in Westeuropa nahezu verschwunden ist. Ebenfalls infrage gestellt wurde das Konzept des spasmodischen Krupps, bei welchem kein Infekt der oberen Atemwege vorausgeht. Initial in Zusammenhang gebracht mit einer Hyperreagibilität der Atemwege oder allergischen Erkrankungen sieht man spasmodische Pseudokruppepisoden heute in Assoziation mit einer Refluxerkrankung, einer subglottischen oder anderweitigen Verengung der Atemwege. Dies ist insofern wichtig, als bei diesen Kindern eine endoskopische Abklärung indiziert ist. 1/20 Pädiatrie 7 Schwerpunkt Tabelle 4: Häufige erworbene Ursachen für Atemgeräusche bei Säuglingen Neonatal Nach Neonatalzeit Infektionen Bezeichnung Atemgeräusch Stimmbandparese laryngeales Papillom subglottische Hämangiome Fremdkörper Verletzung Inhalationstrauma Anaphylaxie Asthma bronchiale Adenoid- und Tonsillenhyperplasie viraler Luftwegsinfekt retropharyngealer Abszess Epiglottitis Pseudokrupp bakterielle Tracheitis obstruktive Bronchitis Stridor inspiratorisch, Heiserkeit Stridor inspiratorisch Stridor biphasisch Stridor, Wheezing, Husten, Apnoe Stridor Stridor Stridor Wheezing exspiratorisch Stertor, Schnarchen Karcheln, Stertor Stridor inspiratorisch inspiratorischer Stridor in- und evtl. exspiratorischer Stridor Stridor Wheezing exspiratorisch Bemerkung Zustand nach Operationen? HPV Zunahme über Zeit Notfall! Weichteilemphysem? Rauchvergiftung Nahrungsmittel? Aeroallergene? Apnoen? banal schweres Krankheitsbild Notfall! Cave: Epiglottitis! biphasisch, exspiratorisch Betamimetika! Da es sich ansonsten um eine Laryngitis, insbesondere eine Entzündung mit Gewebsödem im subglottischen Be- reich handelt, sollte von einer subglottischen Laryngitis gesprochen, werden. Gebräuchlicher ist aber immer noch der Terminus der akuten Laryngo-Tracheo-Bronchitis. Bis zu 15 Prozent aller respiratorischen Notfallkonsulta- tionen gehen auf einen Pseudokrupp zurück. Vor allem Kleinkinder zwischen 6 und 36 Monaten sind betroffen. Die Ursache liegt in viralen Infektionen, wobei Parainflu- enzaviren in 50 bis 75 Prozent der Fälle nachgewiesen werden können. Diese Viren Enorale Manipulationen sind besonders potent bezüg- können bei Fremdkörperaspi- lich der Ödembildung der ration oder Epiglottitis Atemwege. Sehr selten be- fatale Folgen haben! steht eine bakterielle Infek- tion, weshalb eine antibioti- sche Therapie bei akuten Fällen nicht indiziert ist. Aufgrund der subglottischen Schwellung besteht nebst dem typischen bellenden Husten (barking, seal-like) ein inspiratorischer, aber auch ein exspiratorischer Stridor. Die Kinder sind erkältet und in der Regel nur in einem leicht reduzierten Allgemeinzustand. Ist der glottische Bereich ebenfalls betroffen, kommt es zu einer heiseren Stimme. Eine schwere Laryngitis mit Atemversagen ist sehr selten! Natürlich muss bei ungeimpften Kindern an eine Epiglot- titis gedacht werden. Diese Kinder sind aber schwer krank, hochfebril, ruhig mit einem typischen Speichel- fluss, da ein Schlucken aufgrund der starken Schmerzen nicht mehr möglich ist. Ebenfalls kann bei schlechtem Allgemeinzustand und hohem Fieber auch in seltenen Fäl- len eine bakterielle Tracheitis vorliegen. Auch hier ist die umgehende Einweisung in ein Kinderspital notwendig. Therapeutisch werden auch ohne klare Evidenz ab- schwellende Medikamente verwendet (NSAR). Dies kann bei milden Beschwerden aufgrund der guten Verträglich- keit durchaus versucht werden. Physikalische Massnahmen wie kalte trockene Luft (Balkon) oder das Dampfbad mit der eigenen Dusche zeigten in Studien keinen Effekt, können jedoch die Kinder beruhigen oder ablenken. Evidenzbasiert konnte die perorale oder auch inhalative Therapie mit Kortikosteroiden als wirksam bewertet werden. Über Dosis und Dauer der Verabreichung besteht weniger Klarheit: Aufgrund der einfachen Verabreichung und der langen Halbwertzeit von zirka 48 Stunden sind auflösbare Betamethasontabletten (0,2 mg/kg Betnesol®) häufig schon als Einzeldosis ausreichend. Inhalativ werden 2 mg Budenosid feucht inhaliert. Dies dauert bis zu 20 Minuten über einen Kompressionsvernebler; für einen Säugling ist das zu lang. Abzuraten ist bei klarer Präsentation von einer antibiotischen oder antitussiven Therapie. Eine weiterführende Abklärung sollte bei Kindern ausserhalb des typischen Alters (jünger als sechs Monate, älter als sechs Jahre) oder, wie bereits erwähnt, bei rezidivierenden, nicht infektiösen Pseudokruppepisoden mittels Endoskopie erfolgen. Fremdkörperaspiration Gehäuft, aber nicht begrenzt auf die Weihnachtszeit kommen Fremdköperaspirationen trotz einer guten Aufklärung der Betreuungspersonen immer noch oft vor. Tritt eine akute Atemnot bei einem älteren Säugling auf, muss daran gedacht werden. Immer wieder zeigen sich Eltern überrascht und können sich den Hergang des Ereignisses nicht erklären. Der klassische Befund eines Wheezings oder asymmetrischen Atemgeräusches kann durchaus fehlen. Kommt ein Kind mit Verdacht auf Fremdkörperaspiration in die Praxis, wird folgendes Vorgehen empfohlen: ● Suffiziente Atmung und Hustenreflex: keine Manipula- tion, Transport auf die Notfallstation. 8 Pädiatrie 1/20 ● Kompromittierte Atmung, fehlender Hustenreflex, akute Erstickungsgefahr: Kompressionsmanöver durchführen, bei Säuglingen in Kopf-Tieflage auf den Rücken klopfen. ● Bewusstlosigkeit: Reanimation. Der Transport in die nächste Kinderklinik muss mit der Ambulanz erfolgen. Ein Thoraxröntgenbild kann eine Aspiration nur zum Teil bestätigen und schon gar nicht ausschliessen, da die meisten Fremdkörper nicht röntgendicht sind. Darum wird bei Verdacht auf eine Fremdkörperaspiration häufig darauf verzichtet und direkt eine Endoskopie durchgeführt. Obstruktive Bronchitis Bereits im Säuglingsalter kann es insbesondere im Rahmen banaler Atemwegsinfekte zu obstruktiven Bronchitiden kommen. Hierbei zeigt das Kind keine Zeichen eines schweren Infektes, sondern nebst Erkältungszeichen eine Atemnot und ein klassisches exspiratorisches Pfeifen. Attacken eines trockenen Hustens in der Nacht sowie bei Anstrengung (Weinen, Lachen) können auftreten. Die Diagnose ist durch einen Inhalationsversuch mit Betamimetika (Salbutamol Dosieraerosol via Vorschaltkammer mit Maske) rasch zu erhärten. Erholen sich die Säuglinge gut nach der Inhalation und bestehen keine Warnzeichen wie tiefe O2-Sättigung (< 90%), hohes Fieber, persistierende Tachypnoe trotz Inhalation und Fiebersenkung, Lethargie oder Trinkschwäche, kann zu Hause weiter inhaliert werden. Hierbei sei darauf hingewiesen, dass sich die Inhalationsdosis und die Frequenz nach den Symptomen richten und nicht fix verordnet werden sollen. Bronchiolitis In Europa wird diese Diagnose nur bei Kindern unter einem Jahr angewendet. Häufigste Auslöser sind Viren, allen voran das respiratorische Synzytialvirus (RSV), welches in den Wintermonaten der Hauptgrund für die Hospitalisation von Säuglingen ist. Nach einer anfänglichen Erkältungsphase bestehen ein zunehmendes Karcheln und eine Tachypnoe. Typisch ist ein vor der Nase hörbares Knisterrasseln. Auch ein exspiratorisches Wheezing ist möglich, welches nicht auf die Inhalation mit Betamimetika anspricht. Gerade in den ersten drei Lebensmonaten kommt es häufiger zur Hypoxämie und Trinkschwäche mit Dehydratation. Auch Apnoen sind möglich, weshalb Säuglinge in diesem Alter grosszügig im Spital überwacht werden sollen. Die Therapie ist rein supportiv und erfolgt mittels guter Nasentoilette, Rehydrierung und O2-Gabe. Korrespondenzadresse: Dr. med. Michael Hitzler Pädiatrie FMH, Schwerpunkt pädiatrische Pneumologie FMH Méd. Adjoint Pneumologie und Allergologie, Kinderspital Luzern Kinderpneumologie Baar Rigistrasse 15 6340 Baar E-Mail: michael.hitzler@luks.ch www.kinderpneumologie.ch Danksagung Ich bedanke mich bei Prof. Dr. med. Nicolas Regamey für die kritische Durchsicht, die wertvollen Inputs und die Endoskopiebilder zu diesem Artikel. Interessenlage: Der Autor deklariert, dass keine finanziellen oder persönlichen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen. Weiterführende Literatur: Eber E, Midulla F: ERS Handbook on Paediatric Respiratory Medicine, 2013. Lowe L et al. Reported versus confirmed wheeze and lung function in early life. Arch Dis Child 2004; 89: 540–543. Mazurek H et al.: Acute subglottic laryngitis. Etiology, epidemiology, pathogenesis and clinical picture. Adv Respir Med 2019; 87: 308–316. Pfleger A, Eber E: Assessment and causes of stridor. Paediatric Respiratory Reviews 2016; 18: 64–72. Thornton AJ et al.: Symptoms in 298 infants under 6 months old, seen at home. Arch Dis Child 1990; 65(3): 280–285. Schwerpunkt 1/20 Pädiatrie 9