Transkript
Akne rasch behandeln
Narbenrisiko durch frühzeitige Intervention minimieren
Dermatologie
Narben sind als langfristige Folge der Akne ein grosses Problem. Aknenarben können im Nachhinein nicht mehr vollständig entfernt werden, auch wenn es mit modernen Lasern möglich ist, sie sichtbar zu glätten. Eine möglichst frühzeitige Aknebehandlung ist deshalb wichtig.
Akne ist eine der häufigsten Dermatosen. Zirka 85 Prozent der Bevölkerung zwischen 12 und 24 Jahren weisen Akne in unterschiedlichen Schweregraden auf. Um die Entstehung von Narben zu verhindern, sei eine möglichst frühe Behandlung der Akne sehr wichtig, betonte Prof. Alexander Navarini, Universitätsspital Basel, an der PaedArt am Universitätskinderspital beider Basel (UKBB). Es ist wichtig, die Patienten vor dem Narbenrisiko zu warnen, das bereits mit dem Ausdrücken von Komedonen einhergeht. Sobald es blutet, ist die Basalmembran durchbrochen: «Das gibt Narben!», warnte der Referent. Allenfalls sollten die Patienten zu einer Kosmetikerin gehen, die das Entfernen der Komedonen weniger traumatisch bewerkstelligen könne. Zurzeit en vogue sind schwarze Gesichtsmasken als Peeling, mit denen die «Mitesser» radikal beseitigt werden sollen. Letztlich werde mit dieser Methode schlicht das Stratum corneum abgerissen, was «Blödsinn» sei, kommentierte Navarini den neuen Schönheitstrend.
Akne im Kindesalter
Einige Formen der Akne können bereits im Kindesalter auftreten. Die neonatale (< 4 Wochen) und die infantile Akne (1 bis < 12 Monate) sind in der Regel harmlos und nicht therapiebedürftig. Anders sieht es bei der sogenannten «mild childhood acne» im Alter von 1 bis 6 Jahren aus. Sie kann das Anzeichen endokrinologischer Erkrankungen sein, nach denen gesucht werden muss. Dazu gehören beispielsweise Pubetas praecox, Morbus Cushing und gonadale oder adrenale Tumoren. Bei Akne ab einem Alter von 7 Jahren dürfe man hingegen davon ausgehen, dass es sich um Acne vulgaris und eine früh einsetzende Pubertät handle, sagte Navarini.
Akne beurteilen
Der Schweregrad der Akne wird von mild (Grad 1) über mild bis moderat (Grad 2) und mittelschwer (Grad 3) bis schwer (Grad 4) eingeteilt. Der Schweregrad der Akne bestimmt die Therapie der Wahl. Bei jedem zweiten Patienten ist nicht nur das Gesicht betroffen, sondern auch der Stamm (Schultern, Brust, Rücken). Drei klinische Typen der Akne, die jeder kennen sollte, sind (mit ansteigendem Schweregrad):
1. Acne comedonica: erste Veränderungen mit Komedonen
2. Acne papulopustulosa: entzündliche Papeln
3. Acne conglobata: konfluierende Papulopusteln.
Neben den bereits genannten Narben gibt es weitere
Langzeitprobleme, die nach dem Abheilen der Akne auf-
treten können, wie makulöse Erytheme bei hellhäutigen
Personen oder dunkle Flecken auf dunkler Haut. Im letz-
ten Fall könne man Pigmanorm® ver-
suchen, sofern die Flecken nicht grossflächig seien, sagte der Referent. Das Medikament ist allerdings nicht kassenpflichtig und muss vom Patienten selbst bezahlt werden. Auch eine Laserbe-
Therapieziele vereinbaren und Therapieerfolg fotografisch dokumentieren!
handlung sei denkbar, wobei neben den
Kosten aber unerwünschte Resultate durch Kontrastphä-
nomene ein Problem sein könnten.
Wichtige Differenzialdiagnosen der Akne sind perorale
Dermatitis, Acne excoriée des jeunes filles, Rosazea, se-
borrhoisches Ekzem, Herpes und Follikulitis.
Die durch Medikamente verursachte Steroidakne zeich-
net sich dadurch aus, dass bei den Betroffenen an Rücken
und Schultern primär Papeln oder Papulopusteln auftre-
ten und Komedonen entweder gar nicht oder erst später
zu finden sind.
Aknemythen
Als Risikofaktoren für Akne sind neben hormonellen Veränderungen Reibung (Kissen, Natel), okklusive Salben und ölhaltige Haarpflegeprodukte bekannt. Hartnäckig hält sich die Ansicht, dass man durch ungesunde Fast-Food-Ernährung Akne bekomme. Doch «das einzige Nahrungsmittel, für das ein Zusammenhang mit Akne bewiesen ist, ist die Milch – vor allem Magermilch», sagte Navarini. Woran das liegen könnte, weiss man nicht. Es gibt die Hypothese, wonach der Magermilch antientzündliche Fettsäuren der Vollmilch fehlten, bewiesen ist dieser Zusammenhang aber nicht. Trotz dürftiger Evidenz dürften Nahrungsmittel mit hohem glykämischem Index wahrscheinlich doch etwas mit Akne zu tun haben, meinte der Referent. Klare Zusammenhänge gebe es hingegen zwischen der Vitamin-B12-Supplementierung und dem verstärkten Auftreten von Akne sowie zwischen Akne und Body-Building-Spezialnahrung sowie Androgensupplementen.
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Dermatologie
Was zählt als Behandlungserfolg?
Das Therapieziel sollte individuell besprochen und ein schriftlicher Therapieplan vereinbart werden. Wie lange der Weg zum Ziel dauert, ist von vielen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel dem Schweregrad der Akne, und nicht zuletzt von der Therapieadhärenz der Jugendlichen. Eine Fotodokumentation ist sehr nützlich, um selbst kleinere Erfolge zu zeigen. Als kurzfristiger Behandlungserfolg gilt eine Verminderung der Läsionen um mehr als die Hälfte innert 3 Monaten. Doch auch wenn es länger dauern sollte: Solange der Patient mit dem Erfolg zufrieden ist, besteht keine Notwendigkeit, die Therapie zu ändern. Wichtig ist das «Erwartungsmanagement». Dem Patienten muss klar sein, wie lange es dauern kann, bis eine Besserung eintritt, das heisst: Bis zur Evaluation eines Behandlungserfolgs muss man sich mindestens 6 bis 8 Wochen gedulden. Ebenfalls wichtig ist es, die Bedeutung der Erhaltungstherapie zu vermitteln. Gerade bei den Buben und Männern sei der Trugschluss verbreitet, man müsse nur mög-
Tabelle 1:
Stufenschema der Aknebehandlung
Komedonen
topische Retinoide (Differin® und andere)
Milde bis mittelschwere papulopustuläre Akne
starke Empfehlung
Adapalen/Benzoylperoxid-Fixkombination oder Clindamycin/Benzoylperoxid-Fixkombination
mittlere Empfehlung
Azelainsäure oder Benzoylperoxid oder topisches Retinoid oder topische Clindamycin/Tretinoin-Fixkombination oder systemisches Antibiotikum plus topisches Adapalen
Schwere papulopustuläre oder mittelschwere noduläre Akne
starke Empfehlung
Isotretinoin
mittlere Empfehlung
systemisches Antibiotikum plus Adapalen oder systemisches Antibiotikum plus Azelainsäure oder systemisches Antibiotikum plus Adapalen/Benzoylperoxid-Fixkombination
lichst heftig behandeln, dann wäre man umso schneller damit fertig, berichtete Navarini.
Prinzipien der Aknetherapie
Der Schweregrad der Akne bestimmt die Wahl des Therapeutikums (Tabellen 1 und 2). Bei Kindern unter 12 Jahren besteht das in der Pädiatrie weitverbreitete Problem des Off-label-Gebrauchs. Es gebe auf der anderen Seite aber auch keine Daten, die den Gebrauch von Benzoylperoxid (BPO), topischen Antibiotika und Retinoiden unter 12 Jahren verbieten würden, sagte der Referent. Die meisten Aknetherapeutika sind ab 12 Jahren zugelassen. Die Aknetherapie bei Kindern und Jugendlichen soll desinfizierend, komedolytisch und einfach sein. Kombinationstherapien sind sinnvoll: «Man sollte nie ein Antibiotikum allein ohne Aseptika geben, um die Resistenzbildung zu hemmen», betonte Navarini.
Topische Aknetherapeutika
Die topischen Therapeutika wirken auf drei Ebenen: ● Lösen der Verhornung: Retinoide oder BPO ● Entzündung hemmen: Antibiotika, BPO und andere
Antiseptika ● Hemmen der Talgproduktion: Retinoide. BPO (1 bis 10%) wirkt antibakteriell schneller und stärker als Antibiotika, und es führt nicht zu Resistenzen. Es bleicht Haare und Kleidung und kann eine leichte Kontaktdermatitis auslösen; Kontaktallergien sind selten. Azelainsäure (15%) wirkt schwach komedolytisch und antibakteriell; sie bewirkt ebenfalls keine Resistenzen und hat nur wenig Nebenwirkungen. Azelainsäure ist insofern besonders gut für die Erhaltungstherapie geeignet, nachdem der aktue Akneschub gebremst wurde. Salizylsäure (0,5 bis 5%) wirkt ebenfalls schwach komedolytisch, und sie wird mitunter beim Start einer topischen Aknetherapie gegeben. Er selbst verwende sie allerdings kaum, sagte Navarini. Als topisches Antibiotikum kommt Clindamycin infrage, aufgrund der hohen Resistenzrate aber immer in Kombination mit einem Antiseptikum (Fixkombination mit BPO). Für die Erhaltungstherapie sind Antibiotika nicht geeignet. Orale und topische Antibiotika werden nicht kombiniert. Die topischen Retinoide (Vitamin-A-Derivate: Tretinoin, Isotretinoin, Adapalen) wirken stark komedolytisch. Häufig tritt initial Brennen, Erythem und Schuppung auf, manche sprechen auch vom «Sonnenbrand aus der Tube». Alle Retinoide sind während Schwangerschaft und Stillzeit streng kontraindiziert. Bei reizenden topischen Therapien (z. B. BPO, Retinoide) kann eine leichte, beruhigende Gesichtscreme hilfreich sein.
Schwere noduläre Akne, Acne conglobata
starke Empfehlung
Isotretinoin
mittlere Empfehlung
systemisches Antibiotikum plus Azelainsäure oder systemisches Antibiotikum plus Adapalen/Benzoylperoxid-Fixkombination
Gekürzt nach Nast A et al.: European evidence-based (S3) guideline for the treatment of acne – update 2016 – short version. J Eur Acad Dermatol Venereol 2016; 30(8): 1261–1268.
Orale Antibiotika nicht mit oralen Retinoiden kombinieren!
Orale Antibiotika werden mit topischen Antiseptika oder mit topischen Retinoiden kombiniert – niemals aber mit oralen Retinoiden! Bei der Kombination eines oralen Antibiotikums mit einem topischen Retionid bestehe in der Tat die Gefahr eines Pseudotumor cerebri, warnte Navarini eindrücklich. Als Antibiotika werden die Tetrazykline Doxycyclin (2x50-100 mg/Tag) oder Lymecyclin (300 mg/Tag) empfohlen. Beim Gebrauch von Doxycyclin
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Tabelle 2:
Aknetherapeutika in der Schweiz
Topisch
Aseptika Antibiotika Retinoide
Fixkombinationen
Benzoylperoxid (BPO) Azelainsäure Clindamycin Adapalen Isotretinoin Tretinoin Adapalen/Benzoylperoxid Clindamycin/Benzoylperoxid Clindamycin/Tretinoin
Systemisch
Retinoid
Isotretinoin
Antibiotika
Doxycyclin
Lymecyclin
Benzac®, Lubexyl® Skinoren® Dalacin® Differin® Roaccutan® Airol® Epiduo®, Epiduo® forte Duac® Acnatac®
Curakne®, Isotretinoin Mepha®, Roaccutan®, Tretinac® Vibramycin® Akne Tabs, Doxyclin®, Docycylin-Mepha®, Doxylag®, Doxysol®, Supracyclin® Tetralysal®
Alle Angaben gemäss compendium.ch, Stand: 6. Januar 2020; die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; Produktnamen alphabetisch (Ausnahme Doxycylin, hier wird zuerst das Produkt mit offizieller Indikation «Akne» genannt).
muss der Patient unbedingt vor der Phototoxizität gewarnt werden. Diese könne «bis zur Ablösung der Nägel führen», so Navarini. Lymecyclin sei etwas weniger phototoxisch. Das früher weitverbreitete Erythromycin wird wegen der Resistenzlage kaum mehr verwendet. Orale Antibiotika werden mindestens 8 Wochen lang gegeben, nicht aber über mehrere Monate hinweg. Orale Antibiotika hemmen orale Kontrazeptiva nicht.
auszuschliessen, dass eine Schwangerschaft besteht. Auch bei Fortsetzung der Therapie müssen regelmässig Schwangerschaftstests durchgeführt werden. Isotretinoin darf nur einmal pro Rezept und mit einer Beschränkung auf 30 Tage an gebärfähige Frauen innert 7 Tagen nach Verschreibung abgegeben werden, Grosspackungen nur an Männer. In der Schweiz gibt es 4 bis 9 Fälle pro Jahr, in denen Schwangere Retinoide verwendeten, und seit 1990 sind 6 Fälle von Neugeborenen mit Missbildungen wegen Retinoiden in der Schwangerschaft bekannt.
Retinoide richtig dosieren
Retinoide werden für 3 bis 5 Monate gegeben, bei schwerer Akne oft auch länger. Bis der gewünschte Erfolg eintritt, ist mit 3 bis 5 Monaten zu rechnen. Nach 4 bis 6 Wochen unter systemischen Retinoiden kann es zu einem Aufflammen der Akne kommen, insbesondere zu Mikrokomedonen. «Darauf müssen Sie Ihren Patienten unbedingt hinweisen!», sagte Navarini und empfahl, den Patienten im kritischen Zeitraum einzubestellen, um gegebenenfalls rasch intervenieren zu können: 10 bis 20 mg Prednison über 7 bis 14 Tage bremsen diese Nebenwirkung. Die richtige Isotretinoindosis ist individuell, und sie liegt häufig unter 0,5 mg/kg KG. Als kumulative Höchstdosis gelten 120 mg/kg KG, dies sei aber keine feste Regel und individuell zu beurteilen, sagte der Referent. Er gab folgende Empfehlung für das Dosieren in der Praxis: ● Start: Isotretinoin 20 mg/Tag (bzw. 0,5 mg/kg KG) ● Erfolg nach 4 bis 6 Wochen beurteilen ● Dosis gegebenenfalls um 10 mg/Tag erhöhen, nach
4 bis 6 Wochen erneut den Erfolg beurteilen usw. Wenn ein guter Erfolg eintritt, kann man die Dosis auch wieder senken. Der Referent empfahl aus Erfahrung, die Dosis nicht so weit zu senken, dass die Lippen wieder völlig normal aussehen. Ein bisschen Chelitis spreche dafür, dass man sich im richtigen Dosisbereich befinde. Wenn nach einer abgeschlossenen Therapie erneut Akne auftritt, startet man erneut mit der Therapie und erneut mit der tiefen Dosis.
Retionide: Hohe Wirksamkeit und hohes Nebenwirkungspotenzial
«Isotretionin ist noch immer das stärkste und wirksamste Aknemedikament, Retinoide führen zu einem anhaltenden Erfolg, und die Talgdrüsen bleiben atroph», sagte Navarini. Die gute Wirksamkeit wird mit einer Reihe von Nebenwirkungen erkauft. Dazu gehören Chelitis (95%), trockene Haut und Schleimhäute (Epistaxis, keine Kontaktlinsen [55%]), Gesichtserythem (65%), Myalgien und Arthralgien (35%), Photosensibilisierung (1%) sowie Stimmungsschwankungen und Depressionen (< 2%). Statistisch sei der Zusammenhang mit Stimmungsschwankungen und Depressionen zwar nicht nachweisbar, die Erfahrung spreche aber dafür, sagte Navarini. Er empfahl, psychisch auffällige Patienten von einem Psychiater mitbetreuen zu lassen. Besonders schwer wiegt das dosisunabhängige, teratogene Potenzial der Retinoide. Sie sind in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Vor jeder oralen Retinoidbehandlung von Frauen im gebärfähigen Alter ist
Regelmässige Verlaufskontrollen: Studienteilnehmer gesucht!
Eine Akne kann sich sehr rasch verändern, sodass regel-
mässige Verlaufskontrollen sinnvoll sind. Auch fördert
das regelmässige Einbestellen der Patienten die Therapie-
adhärenz. Am Universitätsspital Basel hat eine neue, of-
fene Studie begonnen. Mittels Telemedizin soll dabei eine
tägliche Kontrolle des Akneverlaufs ermöglicht werden,
um bei unerwünschten Entwicklungen sofort intervenie-
ren zu können.
Die Probanden werden zu Beginn mit einem 3-D-Scan
aufgenommen. Danach senden sie jeden Tag über ihr
Smartphone ein Selfie, das von einer Bilderkennungssoft-
ware automatisch ausgewertet wird. Falls sich uner-
wünschte Entwicklungen zeigen, wird der Patient von
den behandelnden Ärzten kontaktiert.
Wer Probanden für die Studie zuweisen möchte, kann
sich direkt an Alexander Navarini wenden:
alexander.navarini@usb.ch.
Quelle: PaedArt Basel, 21. November 2019
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