Transkript
Editorial
I n dieser Ausgabe der PÄDIATRIE wird von praktisch umsetzbaren Konzepten berichtet, welche den Wunsch nach Verantwortungsübernahme durch jugendliche Patienten mit einer chronischen Erkrankung mit der Notwendigkeit einer erfolgreichen Fortführung ihrer häufig komplexen Therapie in Einklang bringen können. Wie Sie als praktizierende Ärztinnen und Ärzte sicherlich wiederholt erfahren haben, kann der Wechsel von der in der Pädiatrie typischen triangulären Beziehung zwischen Patient, Eltern und Arzt zu einer dualen Beziehung zwischen Arzt und eigenverantwortlichem Patient in der Erwachsenenmedizin herausfordernd sein. Den Patienten mag es so gehen wie Ihnen in Ihren ersten Fahrstunden an der Seite des Fahrlehrers. Das Vertrauen in die eigenen Fahrkünste wächst
Das Wissen um den Verlauf chronischer Erkrankungen in verschiedenen Lebensaltern und die sich dabei verändernden Erfordernisse im Umfeld des Patienten sollten idealerweise in einem Transitionsdialog zwischen den beteiligten Disziplinen vermittelt werden. Solche Gespräche sollten gemeinsam mit den Patienten und ihren Eltern beziehungsweise ihren Betreuern erfolgen, um auszuloten, zu welchem Zeitpunkt eine Verantwortungsübernahme möglich ist und an welchen Stellen die Patienten weiterhin eine fürsorgerische Begleitung für sich in Anspruch nehmen dürfen. Wichtig erscheint es uns, auf die Stimme der Betroffenen zu hören. Wie erleben sie den Transitionsprozess? Wann fühlen sie sich über- oder unterfordert? Die zunehmende Auftrennung der Medizin in Teilprozesse und Verantwortlichkeiten sowie die rück-
Dr. med. Oswald Hasselmann Leitender Arzt Neuropädiatrie Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen oswald.hasselmann@kispisg.ch
Chancen und Risiken des Übergangs
nur schrittweise. Es kann gelegentlich zu Situationen kommen, in welchen das Risiko des selbstständigen Fahrens unterschätzt wurde und man aus der gemachten Erfahrung neu lernen musste. Wie eine solche «Fahrschule» bei chronischen Erkrankungen organisiert werden kann, schildert Erhart von Ammon in seinem Übersichtsartikel. Er weist darauf hin, dass es neben dem guten Vorsatz und dem Wissen der beteiligten Ärzte auch institutionelle Voraussetzungen braucht, damit es keinen gesundheitsgefährdenden Unterbruch in der Behandlungskette gibt. In den weiteren Artikeln und Interviews wird wiederholt darauf hingewiesen, wie Pädiater und Erwachsenenmediziner voneinander lernen können.
läufige Vergütung der «sprechenden Medizin» macht es dem Spitalarzt zunehmend schwer, das Potenzial des chronisch Kranken für die eigenverantwortliche Steuerung seiner Erkrankung zu erkennen beziehungsweise zu fördern. Deshalb gilt es, die politisch Verantwortlichen darauf hinzuweisen, dass eine nicht gelingende Transition weitaus kostentreibender ist als eine sorgfältige Analyse der individuellen und systemischen Möglichkeiten vor der Staffelweitergabe. Eine gelingende Transition gehört somit auch zum Ziel einer Medizin, die sich dem Postulat des «choosing wisely» verpflichtet fühlt. Oswald Hasselmann
5 + 6/19 Pädiatrie
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