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Ophthalmologie
Atropin gegen Kurzsichtigkeit
Niedrig dosierte Augentropfen sollen Kurzsichtigkeit bremsen
Kurzsichtigkeit beginnt meist im Grundschulalter. Da die Fehlsichtigkeit später schwere Augenerkrankungen begünstigt, sollte sie früh aufgehalten werden. Eine Therapie mit niedrig dosierten Atropintropfen soll das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit bei Kindern um bis zu 50 Prozent mindern. An einer Pressekonferenz am Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Berlin wurden die Details der neuen Therapie erläutert.
Bis zum Ende der Grundschulzeit entwickeln in Deutschland etwa 15 Prozent der Kinder eine Kurzsichtigkeit, bis zum Alter von 25 Jahren steigt die Rate auf etwa 45 Prozent (1). Konkrete Zahlen für die Schweiz sind nicht bekannt (2). «Kurzsichtigkeit ist neben dem Alter der Hauptrisikofaktor für ernste Augenerkrankungen wie grüner und grauer Star oder auch Netzhautablösung, deshalb ist es sehr wünschenswert, das Voranschreiten der Kurzsichtigkeit in der Phase ihres Entstehens zu verlangsamen», sagte Prof. Claus Cursiefen, Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Zudem gilt: Je früher die Kurzsichtigkeit beginnt, desto stärker wird ihr Ausmass im Erwachsenenalter sein. Das sei ein weiterer Grund für eine frühe Intervention, so Cursiefen (1).
Tageslicht und ausreichender Leseabstand
Um Kurzsichtigkeit aufzuhalten, gibt es mehrere Möglichkeiten. «Täglich zwei Stunden Aufenthalt im Freien bei Tageslicht halbieren das Risiko für Kurzsichtigkeit», erläuterte Prof. Wolf Lagrèze, Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg im Breisgau. Längeres Lesen in einem Abstand von weniger als 30 cm sollte vermieden werden. Darüber hinaus gebe es spezielle Kontaktlinsen, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 40 Prozent mindern könnten (1).
Atropinaugentropfen noch off-label
Am wirksamsten habe sich jedoch eine Therapie mit Atropinaugentropfen erwiesen. Dass Atropin Kurzsichtigkeit aufhalten kann, ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. «Wegen ihrer Nebenwirkungen – Blendung und Nahsichtstörung – wurden Atropinaugentropfen zu diesem Zweck aber kaum verordnet», berichtete Lagrèze. Das hat sich jetzt geändert, nachdem Forscher aus Singapur mit 0,01 Prozent eine Atropinkonzentration fanden, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 50 Prozent mindert und gleichzeitig weitgehend nebenwirkungsfrei ist. «Leichte Blendungsempfindlichkeit und Nahsichtstörung bilden sich bei Absetzen vollständig zurück, sagte Lagrèze. Dass Atropinaugentropfen in der geringen Konzentration von 0,01 Prozent wirken und
dabei verträglich sind, belegten inzwischen grosse und aussagekräftige Studien aus Asien. «Seit der Veröffentlichung dieser Daten hat sich die Anwendung niedrig dosierter Atropinaugentropfen weltweit sehr schnell durchgesetzt, und sie werden auch in Deutschland seit wenigen Jahren von vielen Augenärzten in Kliniken und Praxen eingesetzt», betont Lagrèze. So wurden in verschiedenen Ländern Leitlinien und Behandlungsempfehlungen formuliert (1). Auch Schweizer Ophthalmologen setzen die Atropinaugentropfen bereits ein und verweisen auf die Leitlinien der deutschen Kollegen (3 – 5). Inwieweit täglich zwei Stunden Aufenthalt im Freien die Erfolgsrate zusätzlich zu den Atropinaugentropfen weiter erhöhten, sei noch nicht bekannt, so Lagrèze (1). Die Anwendung von Atropinaugentropfen ist sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz off-label (5). Auch sind derzeit in der Schweiz keine Fertigpräparate mit der niedrigen Konzentration von 0,01 Prozent zugelassen (6). Die Augentropfen dürften keine Konservierungsmittel enthalten, betonte Lagrèze. Für die Atropintherapie kommen Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren infrage, bei denen die Kurzsichtigkeit pro Jahr um mindestens eine halbe Dioptrie zunimmt: «Die Eltern geben abends vor dem Zubettgehen jeweils einen Tropfen in jedes Auge.» Nach zwei Jahren Therapiedauer entscheidet der Augenarzt, ob die Behandlung fortgesetzt werden sollte (1). DOG/RBO
1. Pressemappe der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) anlässlich der Kongresspressekonferenz am 26. September 2019. 2. SRF Puls vom 2.9.2019 3. https://www.sog-sso.ch; abgerufen am 22. Oktober 2019. 4. Sonntags Zeitung vom 4.2.2018: Generation kurzsichtig. 5. Stellungnahme des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft: Empfehlungen bei progredienter Myopie im Kinderund Jugendalter. Dezember 2018. https://www.dog.org, abgerufen am 22. Oktober 2019. 6. www.swissmedicinfo.ch; abgerufen am 22. Oktober 2019.
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