Transkript
Editorial
D ie Prävalenz allergischer Erkrankungen steigt weltweit dramatisch an. Insbesondere im Kindesalter ist dieser Anstieg problematisch, denn bereits heute haben mehr als 30 Prozent aller Kinder eine allergische Erkrankung. Bei der Entwicklung allergischer Erkrankungen spielen viele Faktoren eine Rolle. Zweifellos sind genetische Faktoren wichtig, aber sie können den deutlichen Anstieg der Allergieprävalenz nicht erklären, der seit einigen Jahrzehnten zu beobachten ist. Einiges spricht dafür, dass Umweltfaktoren eine wichtige Rolle spielen sowie Lebensstiländerungen, wie verstärkte Hygiene, kleinere Familien und die für westliche Industrienationen typische Ernährung.
Regelmässig werden neue Studien zu Nahrungsmittelallergien durchgeführt und neue therapeutische Optionen entwickelt. So hat sich die orale Immuntherapie bei Nahrungsmittelallergien in den letzten Jahren zu einem wichtigen Bereich der Allergieforschung entwickelt. Für die meisten Kinder konnte damit eine Desensibilisierung erreicht werden. Die allergenspezifische orale Immuntherapie bei Nahrungsmittelallergien befindet sich allerdings noch in Entwicklung und es wird zurzeit diskutiert, ob diese Option bereits für den Einsatz in der klinischen Praxis geeignet ist. Trotz intensiver Forschung zu den Möglichkeiten einer Allergieprävention gibt es derzeit noch kaum wirksame Strategien, um Kinder vor der Entwick-
Dr. med. Caroline Roduit Ostschweizer Kinderspital, Universitätskinderspital Zürich und CK-Care Davos E-Mail: caroline.roduit@kispisg.ch
Allergien im Kindesalter
Schwerpunkt dieser Ausgabe sind die Nahrungsmittelallergien. Mehrere Autorinnen und Autoren, die sich mit nahrungsmittelallergischen Patienten befassen, erläutern wichtige Aspekte sowohl aus einem medizinisch-therapeutischen als auch sozioökonomischen Blickwinkel und nicht zuletzt auch aus der Sicht Betroffener. Nahrungsmittelallergien werden, nach respiratorischen Allergien wie Asthma oder allergischer Rhinitis, auch als «zweite Welle der allergischen Epidemie» bezeichnet. Man nimmt an, dass sich ihre Prävalenz in den letzten zehn bis zwanzig Jahren in einigen Ländern verdoppelt oder gar verdreifacht hat. Nahrungsmittelallergien betreffen mittlerweile weltweit 6 bis 8 Prozent aller Kinder. Die durch Nahrungsmittelallergien bedingte Beeinträchtigung im Alltag hat einen grossen Einfluss auf die Lebensqualität. Die Spanne der Symptomatik reicht von leichten Beeinträchtigungen über schwere Reaktionen bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock. Im Kindesalter sind Nussallergien die häufigste Ursache für schwere Reaktionen.
lung allergischer Erkrankungen zu schützen. Regelmässig werden neue, interessante Daten zur immunologischen Rolle des Mikrobioms und seiner Bedeutung für die Entwicklung allergischer Erkrankungen bekannt. Daraus könnten neue Strategien zur Allergieprävention erwachsen, die auf der Beeinflussung des Mikrobioms beruhen. In dieser Ausgabe diskutieren wir darum auch die Rolle verschiedener Probiotika auf Allergien, nicht nur im Hinblick auf die Prävention, sondern auch als therapeutische Option. Darüber hinaus finden Sie in dieser Ausgabe praktische Hinweise zur Durchführung einer allergenspezifischen Desensibilisierung bei Asthma oder allergischer Rhinokonjunktivitis sowie zur Behandlung von Säuglingen mit atopischer Dermatitis. Angesichts der Häufigkeit von Allergien im Kindesalter hoffe ich, dass wir Ihnen mit dieser Ausgabe der PÄDIATRIE auch für Ihre Praxis wertvolle Erkenntnisse und Empfehlungen vermitteln können.
Caroline Roduit
2/19 Pädiatrie
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