Transkript
Schwerpunkt
Anaphylaxie im Kindesalter
Auslöser, Symptome und Behandlung
Anders als bei Erwachsenen sind Nahrungsmittel die häufigsten Auslöser einer anaphylaktischen Reaktion im Kindesalter. Dr. med. Ines Adams erläuterte am DGKJ-Kongress in Leipzig die Unterschiede in der Symptomatik einer anaphylaktischen Reaktion bei Kindern und Jugendlichen, die Einstufung des Schweregrads und die entsprechenden therapeutischen Massnahmen.
G emäss europäischem Anaphylaxieregister (1) sind Nahrungsmittel mit einem Anteil von 66 Prozent die häufigsten Trigger für eine anaphylaktische Reaktion im Kindesalter, gefolgt von Insektengiften mit 19 Prozent. Im Erwachsenenalter hingegen sind Insektengifte der weitaus bedeutendste Auslöser anaphylaktischer Reaktionen (55%), gefolgt von Medikamenten (21%) und Nahrungsmitteln (16%) (2). Bei fast allen Kindern ist eine Anaphylaxie mit Hautsymptomen verbunden (92%), und zwar in allen Altersstufen etwa gleichermassen. Das Gleiche gilt für einige der verschiedenen respiratorischen Symptome, die insgesamt bei 80 Prozent der Kinder auftreten. So weisen 55 Prozent der Kinder Dyspnoe und 35 Prozent Wheezing auf, mit ähnlichen Prävalenzen von der Geburt bis zum Jugendalter (1). Der Husten als Symptom einer Anaphylaxie tritt hingegen eher bei jüngeren Kindern auf, bei älteren Kindern ist das Engegefühl in Hals und/oder Brustkorb häufiger (Abbildung). Auch bei einigen gastrointestinalen Symptomen, die bei insgesamt 45 Prozent der Anaphylaxien im Kindes- und Jugendalter auftreten, gibt es altersspezifische Prävalenzen. Bei Vorschulkindern ist Erbrechen häufiger, später die Übelkeit. Die Häufigkeit anderer gastrointestinaler Symptome, wie Bauchschmerzen (16%) und Diarrhö (5%), ist hingegen nicht altersabhängig (1).
Zwischen der Exposition mit dem Allergen und der anaphylaktischen Reaktion liegen meist weniger als 10 Minuten (58%); von einer Verzögerung von mehr als einer Stunde berichten etwa 8 Prozent der Kinder. Auch biphasische Reaktionen können im Kindesalter vorkommen (5%).
Adrenalin ab Grad II
Die Indikation für Adrenalin richtet sich nach dem Schweregrad der anaphylaktischen Reaktion (s. Tabelle); ab einer Grad-II-Reaktion ist Adrenalin indiziert (2). «Die Autoinjektoren sind einfach anzuwenden», sagte Dr. med. Ines Adams, Oberärztin Allergologie, Pneumologie und Intensivmedizin an der Universitätskinderklinik Magdeburg. Ursprünglich wurde der Adrenalin-Pen mit der 150-µgDosis erst ab einem Körpergewicht von 15 kg zugelassen, es sei denn in einer lebensbedrohlichen Situation unter ärztlicher Aufsicht; für den 300-µg-Pen galt eine Gewichtsgrenze von mindestens 30 kg, und so steht es auch noch in der Fachinformation für einen der beiden in der Schweiz verfügbaren Adrenalin-Pens (Jext®). Die Gewichtsempfehlungen haben sich mit der Zeit jedoch geändert, sagte Adams. Man könne den 150-µg-Injektor ab 7,5 kg Körpergewicht anwenden, ab 25 kg dann den Injektor mit der 300-µg-Dosis, ab einem Körpergewicht
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Abbildung: Prävalenz verschiedener Anaphylaxiesymptome, die sich mit dem Alter ändern (nach [1])
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von 60 kg kämen bis zu 600 µg infrage, sagte die Referentin. Dies entspricht den Grenzen, die auch in der Fachinformation des zweiten in der Schweiz zugelassenen Pens genannt werden (Epipen®, Epipen®Junior). Für die anschliessende Behandlung (im Spital) erinnerte die Referentin an die Vollelektrolytinfusion bei Hypotonie/ Schock (20 ml/kg in 10 min, ggf. 1–2× wiederholen), inhalatives Adrenalin bei Uvulaschwellung und/oder inspiratorischem Stridor und ein inhalatives Beta-2-Mimetikum bei bronchialer Obstruktion. Grundsätzlich riet sie bei Atem- und/oder Kreislaufreaktionen zur Sauerstoffgabe sowie zusätzlich in allen Fällen zur Gabe eines H1Antihistaminikums (z.B. Clemastin [Tavegyl®] 0,03 mg/kg KG i.v.) und eines Glukokortikoids (2–5 mg/kg i.v.) (2). Selbstverständlich müsse im weiteren Verlauf der Behandlung nach einer anaphylaktischen Reaktion die allergologische Abklärung der Ursache erfolgen, sagte die Referentin. Auch das Ausstellen eines Anaphylaxiepasses, des Rezepts für Notfallmedikamente sowie eine Schulung für den Autoinjektor sowie eine umfassende Beratung, wie gefährliche Trigger künftig vermieden werden können, gehören dazu.
Renate Bonifer
Quelle: Referat von Dr. med. Ines Adams: «Notfälle – pneumologisch/allergologisch. DGKJ-Kongress 12. bis 15. September 2018 in Leipzig.
Tabelle 1:
Schweregrad einer anaphylaktischen Reaktion
Grad Haut- und subjektive Allgemeinsymptome
I Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
II Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
III Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
IV Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
Abdomen Respirationstrakt Herz-Kreislauf
Nausea, Krämpfe, Erbrechen
Erbrechen, Defäkation
Erbrechen, Defäkation
Rhinorrhö, Heiserkeit, Dyspnoe
Larynxödem, Bronchospasmus, Zyanose Atemstillstand
Tachykardie (Anstieg > 20/min), Hypotonie (Abfall > 20 mmHg systolisch), Arrhythmie Schock
Kreislaufstillstand
* Die Klassifizierung erfolgt nach den schwersten aufgetretenen Symptomen (kein Symptom ist obligatorisch) (aus [2]).
Literatur: 1. Grabenhenrich LB et al.: Anaphylaxis in children und adolescents: the European Anaphylaxis Registry. J Allergy Clin Immunol 2016; 137: 1128–1137. 2. Ring J et al.: Guideline for acute therapy und management of anaphylaxis. S2 guideline of DGAKI, AeDA, GPA, DAAU, BVKJ, ÖGAI, SGAI, DGAI, DGP, DGPM, AGATE and DAAB. Allergo J Int 2014; 23: 96–112.
INFOTIPP
Cannabidiol (CBD) in der Schweiz
Zusatzinformationen zum Kongressbericht «Epilepsiebehandlung im Alltag»
● In den USA ist für spezielle, schwere Epilepsieformen das CBD-Medikament Epidiolex® zugelassen. Für die EU ist die Zulassung beantragt. Ob und wann das Medikament in der Schweiz zugelassen werden wird, ist nicht bekannt.
● In der Schweiz sind zurzeit keine reinen CBD-Medikamente zugelassen. So enthält das Mundspray Sativex® (zugelassen bei MS) auch Tetrahydrocannabiol (THC).
● Reine Cannabidiolpräparate sind in der Schweiz verfügbar. Sie können zum Beispiel in der Bahnhof-Apotheke Langnau bezogen werden (https://panakeia.ch). Auf dieser Homepage sind auch Checklisten für den Bewilligungsantrag, Formulare und weitere Informationen verfügbar.
● Ärzte dürfen Cannabidiol, wie andere nicht für eine bestimmte Indikation zugelassene Substanzen, off-label verordnen. Die Krankenkassen sind nicht verpflichtet, die Kosten dafür zu tragen (Kostengutsprache beantragen). Für Cannabidiol braucht es kein Betäubungsmittelrezept aber eine Sonderbewilligung des Bundesamtes für Gesundheit.
● In Drogerien sind CBD-Tropfen in Konzentrationen von 0,5 bis 2,5 Prozent im Handel. Ebenso bieten Hanfshops CBD-Tropfen in unterschiedli-
cher Qualität und Konzentration an, die jedoch in der Regel auch THC enthalten. Präparate unklarer Qualität und Zusammensetzung (Internet-
handel!) sind generell nicht empfehlenswert.
red
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