Metainformationen


Titel
Weiterbildung: Fähigkeitsausweis Abhängigkeitserkrankungen
Untertitel
-
Lead
-
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rubriken
Schlagworte
-
Artikel-ID
36605
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/36605
Download

Transkript


Schwerpunkt

Kasten 2:
Kriterien der Abhängigkeit
● Craving (Suchtverlangen, zwanghafter Konsum) ● Toleranzentwicklung (immer höhere Dosis erforderlich) ● Kontrollverlust ● Entwicklung von Entzugssymptomen bei Absetzen ● soziale Folgeprobleme ● Konsum trotz bereits eingetretener psychischer und/oder körperlicher Folgeschäden
Wenn 3 der 6 Kriterien erfüllt sind, spricht man von Abhängigkeit.
Ziel ist, die Patienten in Behandlung zu bringen und dort langfristig zu halten. Gerade bei der Alkoholabhängigkeit weiss man, dass sich viele Rückfällige eben gerade nicht in einer suchtspezifischen Behandlung befinden. Hält man mit ihnen aber langfristig therapeutischen Kontakt, so können sie, falls ein Rückfall passiert, schnell wieder zurückkommen und erneut behandelt werden. Es geht darum, dass die Patienten nach einem Rückfall nicht den Kopf in den Sand stecken und wieder lange Konsumphasen haben. Je länger wieder getrunken wird, umso schlimmer. Mein ehemaliger Chef hat das einmal so formuliert: Eine Suchterkrankung ist im Idealfall wie eine Grippe. Sie kommt vielleicht einmal im Jahr, dann ist man ein paar Tage krank, wird behandelt, und die restliche Zeit funktioniert man wieder.
Wie ist das bei den kombinierten Süchten, wie zum Beispiel Alkohol und Rauchen, behandelt man am besten beides gleichzeitig? Mutschler: In der Regel beginnt man erst einmal mit einer Substanz. Beispielsweise ist ein Alkohol- oder Nikoti-

nentzug schon für sich allein genommen recht unangenehm, und beides gleichzeitig wegzunehmen, macht es für die Patienten schwieriger. In der Regel sagt uns der Patient, womit er primär aufhören will. Es gibt auch sogenannte Teilentzüge, wobei man eine bestimmte Substanz wegnimmt, entgiftet und die anderen vorerst belässt.
Da lassen Sie dem Patienten die Wahl? Mutschler: Ja, und zwar in jedem Alter, weil die Eigenmotivation das A und O bei einer Suchtbehandlung ist. Wir beobachten oft, dass ein Patient beim Alkohol erst einmal den kontrollierten Konsum anstrebt und nicht die Abstinenz. Bis ein wirklich Alkoholabhängiger für sich selbst die Notwendigkeit der Abstinenz einsieht, dauert es oftmals Jahre oder gar Jahrzehnte. Er braucht die eigene Erfahrung, um einzusehen, dass er nicht kontrolliert trinken kann.
Aber kontrollierter Alkoholkonsum ist doch weitverbreitet. Könnte das nicht jeder lernen? Mutschler: Bei einem Alkoholabhängigen würde ich das eher verneinen. Möglich ist es natürlich für Patienten mit einem riskanten oder schädlichen Konsum. Die Abhängigkeitsentwicklung ist ein Kontinuum, aber das Wesen der Abhängigkeit ist nun einmal, dass kontrollierter Konsum nicht mehr möglich ist. Allerdings glauben viele, dass das für Alkohol nicht zutrifft, weil es bei manchen Patienten tatsächlich Phasen gibt, in denen sie kontrolliert trinken können – aber dann entgleiten sie immer wieder. Das ist das Perfide bei der Alkoholabhängigkeit.
Herr Dr. Mutschler, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Dr. Renate Bonifer.

WEITERBILDUNG

Fähigkeitsausweis Abhängigkeitserkrankungen

Seit dem 1. Januar 2018 kann der Fähigkeitsausweis (FA) «Abhängigkeitserkrankungen» erlangt werden. Gedacht ist der neue FA für Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen mit einem besonderen Interesse auf dem Gebiet der Suchterkrankungen. Erteilt wird der FA von der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM). Der FA umfasst den Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um sowohl in einer Praxis als auch in einer spezialisierten stationä-

ren oder ambulanten Einrichtung eigenverantwortlich in allen Gebieten der Abhängigkeitserkrankungen tätig zu sein. Die praktische Weiterbildung dauert ein Jahr und muss an einer von der SSAM anerkannten Weiterbildungsstätte absolviert werden.
Weitere Informationen: www.ssam.ch/d8/de/faehigkeitsausweis-abhaengigkeitserkrankungen

26

Pädiatrie 3/18