Transkript
Schwerpunkt
Nachgefragt
«Ich spreche das Rauchen routinemässig an»
Interview mit Dr. med. Mark Hämmerli, Facharzt für Kinderkardiologie, Baden
Herr Dr. Hämmerli, wann und wie sprechen Sie Jugendliche auf das Rauchen an? Dr. med. Mark Hämmerli: Ich spreche das Rauchen routinemässig bei allen 15- bis 16-Jährigen an. In der Regel beginnen sie aus meiner Erfahrung dann mit dem Rauchen, wenn in der Schule der Druck der Peers beginnt, der Gruppendruck. Wenn alle Kollegen oder Kolleginnen rauchen, braucht es Selbstbewusstsein, um zu sagen: Ich rauche nicht. Ich sage den Jugendlichen: «Wenn ihr beginnt, kommt die Sucht, und ihr habt Probleme damit aufzuhören. Am besten beginnt ihr gar nicht erst!» Nach meiner Erfahrung fangen auch viele mit dem Rauchen an, wenn sie in die Lehre kommen. Am Gymnasium wird eher weniger geraucht als in der Berufswelt. Insbesondere ergibt sich das Thema Rauchen bei Jugendlichen, die mir wegen eines erhöhten Blutdrucks zugewiesen werden, oder weil in der Familie ein erhöhtes Arterioskleroserisiko vorhanden ist. Selbstverständlich spreche ich auch alle meine Patienten mit angeborenen Herzfehlern auf das Rauchen an.
Sehen Sie in Ihrer Praxis mehr Jungen oder mehr Mädchen, die rauchen? Hämmerli: Ich kann es nicht objektiv belegen, habe aber den Eindruck, dass es bei den Jungen häufiger ist als bei den Mädchen.
Geben die Jugendlichen bereitwillig zu, dass sie rauchen? Hämmerli: Nein, nicht immer. Das Problem ist oft, dass
die Mütter dabei sind. Aber ich erlebe auch manchmal, dass die Mutter mich vor dem Termin anruft und sagt: «Bitte sprechen Sie das Thema Rauchen bei meinem Sohn an, er glaubt Ihnen vielleicht mehr als mir.» Ich spreche das Rauchen
ziemlich direkt an, kon- «Ich spreche das Rauchen ziem-
frontiere die Jugendlichen lich direkt an, konfrontiere die damit, und dann können Jugendlichen damit, und dann
sie nicht ausweichen. Al- können sie nicht ausweichen.»
lenfalls spielen sie es noch herunter und sagen: «Ja wissen Sie, ich habe ein halbes Päckchen, und das rauche ich in einer Woche oder so.» Es kann tatsächlich sein, dass es wirkungsvoller ist, wenn ein Arzt das Rauchen anspricht, aber für eine Verhaltensänderung braucht es mehr als das.
Sehen die Jugendlichen einen Zusammenhang zwischen dem Rauchen und einer Erkrankung? Hämmerli: Nicht immer. Es ist schwierig, da die Konsequenzen, auf die Arteriosklerose bezogen, erst 20 Jahre später kommen, und einen hohen Blutdruck spüren sie nicht. Sie erleben ihre Erkrankung nicht als unmittelbare Bedrohung, dieses Risiko ist für sie etwas Abstraktes. Ich erlebe aber auch, dass Jugendliche sagen: «Nein, das rühre ich nicht an, ich weiss, dass mir das Rauchen schadet.» Das gibt es also auch, dass sie sich dessen bewusst sind und deshalb nicht rauchen. Darin bestärke ich sie dann.
Die Fragen stellte Susann Koalick.
kurz & bündig
Vitamin-D-Supplemente für Kinder über zwei Jahre?
Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hat eine Stellungnahme zur Vitamin-D-Gabe an Kinder ab 2 Jahren verfasst. Als wünschenswert gelten 600 bis 800 IE Vitamin D am Tag, ob über Eigensynthese oder Aufnahme per Tablette. Viele Kinder in Deutschland erreichten diese Werte im Winter und Frühling jedoch nicht. Nach einer Sichtung der vorliegenden randomisierten, kontrollierten Studien zum Thema kamen die deutschen Pädiater zum Schluss, dass allein eine niedrige Vitamin-D-Konzentration keine Indikation für die Supplementierung eines gesunden Kindes sei. Auch wird von einer Bestimmung der Vitamin-DSerumkonzentration bei gesunden Kindern abgeraten; lediglich bei Kindern und Jugendlichen mit bestimmten chronischen Erkrankungen und Risikofaktoren halten die Experten dies für sinnvoll. Bedenken hinsichtlich einer an den bekannten Wer-
ten von 600 bis 800 IE orientierten Supplementierung bestünden aber nach wie vor nicht, und selbstverständlich gebe es nachweisbare positive Effekte von Vitamin D für die Kindergesundheit, etwa auf das Skelettsystem, auf Autoimmunerkrankungen oder Asthma und auf den Verlauf zahlreicher anderer Krankheiten und Gesundheitsprobleme, betonte Prof. Dr. Berthold Koletzko, Sprecher der DGKJ-Ernährungskommission, in einer Pressemitteilung der DGKJ (1). Wenn man aber eine ganze Altersgruppe mit einer Supplementierung versorgen wolle, müsse ein konkreter Nutzen eben dieser Zusatzgabe nachgewiesen sein. Für die ersten 12 bis 18 Lebensmonate bleibt hingegen in Deutschland alles beim Alten: Hier erneuerte die Ernährungskommission der DGKJ ihre Empfehlung einer Vitamin-D3-Supplementierung in Höhe von 400 bis 500 IE/Tag, kombiniert mit der Fluoridprophylaxe (1).
Die Eidgenössische Ernährungskommission (EEK)
und das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit
(BLV) empfehlen die Supplementierung von Säug-
lingen im ersten Lebensjahr mit 400 IE Vitamin D
pro Tag (Tropfen). Für Kinder im 2. und 3. Lebens-
jahr empfiehlt man in der Schweiz 600 IE Vit-
amin D pro Tag, wobei eine Supplementierung in
Form von Tropfen nur dann empfohlen wird, wenn
die Sonnenexposition ungenügend ist (z.B. Son-
nencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, chroni-
sche Erkrankung) (2).
red
1. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin vom 23. April 2018 zu Reinehr T et al.: Vitamin-D-Supplementierung jenseits des zweiten Lebensjahres. Monatsschr Kinderheilkunde 2018; published online 19 April 2018. 2. Empfehlungen von EEK und BLV: www.sge-ssn.ch/grundlagen/lebensmittel-und-naehrstoffe/naehrstoffempfehlungen/empfehlungen-blv/
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