Transkript
PaedArt Basel
Gesunde Zähne von Anfang an
Was sollte der Pädiater wissen?
Die gute Nachricht vorweg: Bei den Kontrollen an der Schulzahnklinik in Basel sind rund 70 Prozent der Kinder zahngesund. Düster sieht es hingegen bei jedem dritten Vorschulkind aus – Karies, schwer geschädigte oder bereits im frühen Kindesalter verlorene Zähne sind an der Tagesordnung. Was Pädiater tun können, um die Zahngesundheit zu erhalten, fasste Dr. med. dent. Cornelia Filippi, Abteilungsleiterin Prophylaxe an der Schulzahnklinik Basel, an der PaedArt zusammen.
Viele Eltern unterschätzen die Rolle der Milchzähne, weil diese «ja sowieso ausfallen». Es gibt jedoch einen engen Zusammenhang zwischen Kieferwachstum und -entwicklung und dem Vorhandensein von Zähnen, ganz abgesehen davon, dass Kariesbakterien, wenn sie sich einmal im Mund festgesetzt haben, gleich auch die neuen, endgültigen Zähne befallen, sobald diese durchbrechen.
Zuckerfreie Getränke!
Hauptursache von Karies im Alter bis zu 2 Jahren sind zuckerhaltige Getränke, besonders wenn sie mit Saug-
Ratgeber «Zahngesund glücklich»
Alle wichtigen Punkte rund um die Zahngesundheit von Anfang an bietet die Ratgeberbroschüre «Zahngesund glücklich», herausgegeben vom Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel, mit Unterstützung der Stiftung Walter Fuchs. Die Broschüre ist in 10 Sprachen verfügbar: Deutsch, Französisch, Italienisch, Albanisch, Englisch, Kroatisch, Portugiesisch, Serbisch, Spanisch und Türkisch. Das Projekt wird mitgetragen von SSO Basel-Stadt und SSO Baselland, Elternberatung Basel-Stadt, HEKS/Vitalina, UKBBFrühförderung, Erziehungsdepartement Basel-Stadt, Zentrum für Frühförderung und KID Frühförderung Basel.
Weitere Informationen und PDF zum Download: www.uzb.ch > Schulzahnklinik > Patienteninformation
flaschen konsumiert werden. Dazu zählen nicht nur gezuckerter Tee oder süsse Limonade, sondern auch «gesunde» Fruchtsäfte und die neuerdings in Mode gekommenen Fruchtbeutel oder Fruchtsauger – die obendrein Säure und Zucker gleich in Kombination an die Zähne bringen. Kinder brauchen stattdessen Früchte oder Fruchtstücke mit all den unterschiedlichen Konsistenzen und Texturen. Das ist nicht nur gesünder für die Zähne, sondern auch wichtig für die Entwicklung einer guten Mund- und Kiefermotorik für das Sprechen. Die Schoppenflasche sollte nur mit Babynahrung, Wasser oder ungesüsstem Tee gefüllt und spätestens ab dem 2. Geburtstag abgewöhnt werden. Auch Schnabeltassen, Sportflaschen oder andere Trinkgefässe mit «Nuckelfunktion» sind tabu – sie alle behindern eine gesunde Entwicklung des Kiefers. Filippi zeigte als Beispiel das Gebiss einer 4-Jährigen, die immer noch aus der Flasche trank und dadurch eine grosse Lücke im vorderen Kiefer entwickelt hatte, durch die sie – wie ein Baby – die Flüssigkeitszufuhr mit der Zunge regelte.
Und der Nuggi?
Spätestens mit 2 Jahren sollten Kinder auch keinen Nuggi mehr haben. Den Nuggi an sich sollte man aber nicht verurteilen, sagte Filippi. Er sei durchaus ein gutes Beruhigungsmittel für Babys und könne zu diesem Zweck bewusst und befristet (!) verwendet werden. Ganz schlecht für die Kiefer- und Sprachentwicklung sei hingegen ein Bild, das man häufig in der Öffentlichkeit sieht: Kleinkinder mit Dauer-Nuggi im Mund, den sie nicht einmal beim Sprechen herausnähmen. Die Frage, welcher Nuggi nun der beste sei, beantwortete die Referentin mit dem Verweis auf eine Masterarbeit, die an der Universität Basel durchgeführt worden ist. Demnach fanden sich beim Gebrauch des häufig verwendeten NUK-Schnullers bei 38 bis 50 Prozent der Kinder Kieferdeformationen, mit dem Dentistar waren es
36
Pädiatrie 1/18
PaedArt Basel
Tabelle:
Fluoridgrenzwerte für Kinder
0–4 Monate 0,25 mg/Tag 4–12 Monate 0,5 mg/Tag 1–3 Jahre 0,7 mg/Tag 4–9 Jahre 1,1 mg/Tag
Grenzwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
unter 10 Prozent. Überhaupt nichts hielt die Referentin von den sogenannten Kirschkernschnullern (kleine, runde Schnuller, die an eine Brustwarze erinnern sollen). Diese seien «die grössten Deformatoren», sagte sie auf Nachfrage einer Kinderärztin.
Zähneputzen ab dem ersten Zahn
In einer kleinen Umfrage bei den eigenen Patienten stellte Filippi fest, dass weit weniger als die Hälfte der Eltern bei ihren Kindern, wie empfohlen, bereits ab dem ersten Zahn mit dem Zähneputzen beginnen: G ab dem ersten Zahn: morgens und mittags nur mit der
Bürste und abends mit Zahncreme G ab dem 1. Geburtstag: morgens und abends mit Zahn-
creme und mittags nur mit der Bürste G ab dem 2. Geburtstag: morgens, mittags und abends
mit Zahncreme. Die Kinderzahncreme sollte Fluorid enthalten. Sie ist sparsam zu dosieren, eine erbsengrosse Portion genügt. Mit dieser Dosis wird dem Kind nicht zu viel Fluorid zugeführt (Grenzwerte s. Tabelle). Von der oralen Gabe von Fluoridtabletten sei man wieder abgekommen, weil man mit diesen die notwendige lokale Wirkung direkt an den Zähnen nur unbefriedigend erreiche. Der Vorteil einer fluoridhaltigen Zahncreme sei, dass sie nicht nur reinige, sondern die Mineralisation bereits geschädigter Zähne fördere, sonst «kann es sein, dass trotz guter Zahnpflege Löcher entstehen», sagte Filippi. Ein ebenso ernstes Problem wie
Karies sei die Hypomineralisation, sie finde sich ebenfalls bei rund einem Drittel der Kinder. Etwa vier bis sechs Stunden nach dem Putzen ist der Bakterienrasen auf den Zähnen wieder komplett geschlossen. Ob Kariesbakterien wie Streptococcus mutans Löcher im Schmelz verursachen, hat etwas damit zu tun, wie viele davon sich in dem Bakterienrasen tummeln. Sind die Kariesbakterien noch relativ dünn gesät, beginnen sie noch nicht mit dem Zerstörungswerk. Erst ab einer gewissen Population schalten sie ihren Stoffwechsel und werden pathogen, wie die Referentin erläuterte. Insofern sei der Speicheltest, den man bei der Zahnklinik beziehen kann, durchaus sinnvoll. Um Kariesbakterien zum Verschwinden zu bringen, reicht die Zahnpflege alleine allerdings meist nicht aus, sondern es braucht eine Umstellung der Ernährung.
Kostenlose Zahnkontrollen für Kinder
In Basel (BS/BL) wird für alle 2-Jährigen eine kostenlose zahnärztliche Kontrolle angeboten. Der Gutschein, den die Pädiater an die Eltern abgeben können, ist überall einlösbar, an der Schulzahnklinik in Basel wie auch bei allen SSO-Zahnärzten in den beiden Halbkantonen. Auch eine notwendige Zahnsanierung dürfe nicht an der Finanzierung scheitern, forderte Filippi und wies darauf hin, dass Stiftungen und Honorarreduktionen ein Ausweg sein könnten, denn «jedes Kind hat ein Recht auf Zahngesundheit!»
Renate Bonifer
kurz & bündig
Sportmedizin
Richtiges Warm-up halbiert Fussballverletzungen
K inder weisen ein anderes Verletzungsmuster beim Fussball auf als Jugendliche und Erwachsene. Sie erleiden beispielsweise häufiger Knochenbrüche oder Verletzungen der oberen Extremitäten. Das 20-minütige Programm «11+ Kids» besteht aus sieben Aufwärmübungen, die zu Beginn des regulären Fussballtrainings zu absolvieren sind. Der Nutzen dieses speziellen Aufwärmprogramms für Kinder wurde in einer grossen Studie unter der Leitung von Sportwissenschaftlern der Universität Basel getestet. An der Studie nahmen 243 Teams mit insgesamt 3895 Kindern zwischen 7 und 13 Jahren in der Schweiz, Deutschland, der Tschechischen Republik und Niederlanden teil. Im Vergleich zur Kontrollgruppe lag die Verletzungsrate bei den Teams, die das Programm angewendet hatten, innerhalb einer Fuss-
Foto: © Pololia– fotolia.com
ballsaison um 48 Prozent tiefer; bei den schweren Verletzungen reduzierte sich die Rate sogar um 74 Prozent.
Mit einem geeigneten Präventionsprogramm lässt sich demnach ein grosser Teil der Verletzungen verhindern, sofern es mindestens einmal, besser zweimal pro Woche durchgeführt wird. RBO
Pressemitteilung der Universität Basel, 11. Januar 2018
Linktipp: Poster mit den Übungen «11+ Kids» (in Englisch): https://footballmed.net/cdn/footballmednet/11+kids-poster.pdf Manual (in Englisch): https://footballmed.net/cdn/footballmednet/11+kids-manual.pdf
38
Pädiatrie 1/18