Transkript
PaedArt Basel
Atopische Dermatitis – was tun?
Neue therapeutische Möglichkeiten in Sicht
Die atopische Dermatitis ist gekennzeichnet durch eine extrem trockene Haut und äusserst starken Juckreiz. Die Behandlung und Prävention atopischer Schübe und Exazerbationen besteht in langfristigen Therapiestrategien, die sowohl an der gestörten Hautbarriere als auch den Entzündungsprozessen ansetzen. An der PaedArt in Basel fasste Dr. med. Jan Izakovic die wichtigsten Therapieempfehlungen zusammen und gab einen Ausblick auf kommende therapeutische Optionen.
Die atopische Dermatitis (AD) erwächst aus einem komplexen Wechselspiel zwischen genetischen und Umweltfaktoren in Kombination mit immunologischen Fehlfunktionen und Barrieredefekten der Haut. Genetische Prädispositionen betreffen sowohl die immunologischen Reaktionen als auch die mangelhafte Hautbarrierefunktion. Letztere beschränkt sich nicht auf die Hautläsionen, sondern sie betrifft die gesamte Haut des AD-Patienten (Tabelle). Die Rolle des Filaggrins, eines Molekül, das sozusagen als «Mörtel» die Bestandteile der Haut zusammenhält, sei hierbei möglicherweise überschätzt worden, sagte Izakovic. Eine gewisse Bedeutung für die Entwicklung einer AD habe der vor einigen Jahren entdeckte Filaggringendefekt zwar schon, er kommt aber nur bei jedem zweiten AD-Patienten vor.
Cremen, cremen und nochmals cremen
Das Rückfetten sei enorm wichtig, sollte wirklich zweimal pro Tag gemacht werden, und zwar an jedem Tag, auch wenn die Haut normal wirke, betonte Izakovic. Um den Eltern klarzumachen, wie wichtig das Eincremen ist, formuliert er es mitunter so: «Am besten legen Sie Ihr Kind 24 Stunden in eine Badewanne mit Emollienzien, das wäre der Haut am liebsten – alles andere ist ein Kompromiss!» Das Cremen komme aber leider häufig zu kurz, zumal bei Kindern, die tagsüber in Krippen und Kindergärten sind.
Atopie im Verlauf der Kindheit
Die AD ist Teil des sogenannten atopischen Marsches, einer altersabhängigen, typischen Abfolge allergischer Symptome. Sie gehen häufig mit dem Auftreten von IgE-Antikörpern mit einer Spezifität für Lebensmittel oder Umweltallergene einher. Während AD, Asthma und Nahrungsmittelallergien im Lauf der Kindheit häufig von selbst wieder zurückgehen, steigt ab dem Alter von etwa 5 Jahren die Inzidenz der allergischen Rhinitis (Abbildung). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine AD in Lauf der Jahre von
selbst zurückgeht, wird heutzutage als geringer eingeschätzt als früher. Während man bisher davon ausging, dass eine AD bei etwa jedem dritten Kind persistieren wird, zeigten neuere Studien, dass dies bei jedem zweiten Kind der Fall sein dürfte, so der Referent.
Was für wen und wann?
Nach wie vor gelten die Empfehlungen für eine je nach
Symptomatik abgestufte Behandlung von Kindern mit
AD; je nach Verlauf mehr oder weniger intensiv:
1. Haut frei von Läsionen: Emollienzien (diese grund-
sätzlich immer, in allen Stufen)
2. Milde AD: Emollienzien, milde topische Kortikoste-
roide
3. Mittelschwere AD: Emollienzien, Calcineurininhibi-
toren, milde topische Kortikosteroide, Bandagen
4. Schwere AD: Emollienzien, Calcineurininhibitoren,
Bandagen, Fototherapie, systemische Therapie.
Auch sollte man als Kinderarzt bei jedem Patienten- beziehungsweise Elternkontakt die Bedeutung des täglichen Eincremens mit Emollienzien betonen, zusammen mit Empfehlungen zur Vermeidung von die Haut reizenden
Es spricht vieles dafür, Topika nicht nach Bedarf, sondern regelmässig auf die kritischen Hautstellen aufzutragen.
oder allergenen Substanzen.
Es spricht vieles dafür, topische Kortikosteroide oder to-
pische Calcineurininhibitoren nicht nach Bedarf, sondern
regelmässig auf die kritischen Hautstellen aufzutragen,
auch wenn die Haut dort völlig gesund aussieht. In ent-
sprechenden Studien zeigte sich, dass die aktive Erhal-
tungstherapie (2 × pro Woche) zu weniger Schüben
führte, dass diese weniger stark ausgeprägt waren und
auch weniger Kortikosteroide benötigt wurden.
Die Resultate einer im vergangenen Jahr publizierten
kleinen Pilotstudie mit 124 Kindern lieferte darüber hin-
aus Hinweise, dass das regelmässige Eincremen mit
Emollienzien von Geburt an möglicherweise vor der
Entwicklung einer AD schützt. Kinder mit erhöhtem AD-
Risiko wurden einmal täglich am gesamten Körper mit
Emollienzien eingecremt, begonnen wurde damit inner-
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Abbildung: Verlauf atopischer Erkrankungen im Kindesalter
halb der ersten 3 Lebenswochen. Im Alter von 6 Monaten hatten sie im Vergleich mit der Kontrollgruppe ein um die Hälfte niedrigeres relatives Risiko für atopische Hauterscheinungen. Zurzeit laufen grössere Studien, um dieses Ergebnis zu überprüfen, wie Izakovic berichtete.
31,4 versus 18 Proeznt in der anderen Studie besser als die Trägersubstanz alleine (1). Obwohl die Wirkung von Crisaborol überschaubar ist, sei die Substanz eine «willkommene Neuerung bei den Topika», sagte Izakovic, denn letztlich gehe es immer auch darum, Steroide zu sparen. Weitere topische PDE-4-Hemmer befinden sich zurzeit in klinischen Phase-II- und Phase-III-Studien. Auch der Januskinasehemmer Tofacitinib, der in der Rheumatologie als systemisches Medikament zugelassen ist, wurde als topisches Präparat in einer Phase-II-Studie an 69 Erwachsenen mit milder bis mittelschwerer AD getestet. Tofacitinib hemmt bekanntermassen die Sekretion einiger Zytokine (Interleukin 4, 13 und 31), und es zeigte sich auch eine gewisse Wirksamkeit in der ADStudie. Die Entwicklung sei mittlerweile aber aus ihm unbekannten Gründen eingestellt worden, berichtete der Referent. Die Wirkung weiterer in Entwicklung befindlicher Topika beruht auf anderen Mechanismen. So werden zurzeit ein Antagonist des Prostaglandin-D2-Rezeptors auf TH2-Zellen (T-Lymphozyten, die als «Helferzellen» in immunologischen Prozessen fungieren) sowie eine neue juckreizstillende Substanz klinisch getestet.
Neue Topika in der Pipeline
Überaktive Phosphodiesterasen (PDE) spielen eine Rolle bei den entzündlichen Prozessen der atopischen Dermatitis. Die Hemmung der Phosphodiesterase 4 bewirkt über intrazelluläre Signalwege letztlich eine verminderte Ausschüttung inflammtorischer Zytokine. In den USA bereits zugelassen ist der PDE-4-Hemmer Crisaborol (topisch 2%; Eucrisa®, noch keine Zulassung in der Schweiz). In zwei Studien mit insgesamt rund 1500 Patienten mit milder bis mittelschwerer AD (Mindestalter 2 Jahre; Durchschnitt 12 Jahre) wurde der Erfolg nach vier Wochen Anwendung überprüft, wobei als Erfolg eine von Rötungen freie oder fast freie Haut galt und die Verbesserung mindestens zwei Grade über dem Basiswert liegen musste. Crisabolol war mit einer Erfolgsrate von 32,8 versus 25,4 Prozent in der einen und
Tabelle:
Eigenschaften der Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis im Vergleich zur Haut gesunder Personen
epidermale Barrierefunktion transepidermaler Wasserverlust Lipide im Stratum corneum
ohne Läsion
↓ ↑ 2-fach ↓ Ceramide
epidermale Proliferation Filaggrinexpression Hautglätte (profilmetrisch gemessen) Entzündung
↑ ↓ ↓ inflammatorische Infiltrate (niedriggradig) ↑ IgE-Rezeptoren auf Langerhans-Zellen
mit Läsion
↓↓ ↑ 4-fach ↓ Gesamtlipide ↓ Phospholipide ↓ Sterolester ↓ Ceramide ↑ freie Fettsäuren ↑ Sterole ↑↑ ↓↓ ↓↓ inflammatorische Prozesse,
die zu Hautläsionen führen
↑ IgE-Rezeptoren auf Langerhans-Zellen
Und wenn Topika nicht reichen?
Für die Indikation zur systemischen Therapie gibt es keine Richtlinien, sondern nur Erfahrungswerte, unter anderem in den Datenbanken der Dermatologennetzwerke EDEN (European Dermato-Epidemiology Network) und PeDRA (Pediatric Dermatology Research Alliance; Kanada und USA). Demnach verwenden Dermatologen häufig systemische Substanzen bei Kindern mit schwerer AD. Gemäss einer Erhebung des EDEN-Netzwerks bei 343 Praktikern (90% unter ihnen Dermatologen) verwendeten 43 Prozent Ciclosporin, 31 Prozent orale Steroide und 22 Prozent Azathioprin. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt PeDRA anhand der Angaben von 133 Mitgliedern der Fachgesellschaft für pädiatrische Dermatologie. Hier setzten 45 Prozent auf Ciclosporin, 30 Prozent auf Methotrexat und 30 Prozent auf Mycophenolatmofetil (Mehrfachnennungen möglich). In diesem Zusammenhang wies der Referent darauf hin, dass Mycophenolatmofetil vom Nebenwirkungsprofil her zwar am besten sei, aber am seltensten verwendet werde.
Perspektiven der systemischen Therapie
Sozusagen vor der Tür steht – für Erwachsene – der Antikörper Dupilumab (Dupixent®, noch keine Zulassung in der Schweiz), der die Interleukine 4 und 13 hemmt. Er wurde im März 2017 in den USA für Erwachsene zugelassen, im Herbst 2017 auch von der europäischen EMA. In Studien mit insgesamt 671 Patienten mit schwerer AD zeigten sich deutliche Unterschiede in den Erfolgsraten zwischen Dupilumab und Plazebo (38% vs. 10% bzw. 36% vs. 8%). Als Erfolg galt auch hier das Erreichen einer von Rötungen freien oder fast freien Haut bei einer Verbesserung von mindestens zwei Graden über dem Basiswert (2). Auch der Juckreiz ging zurück. Häufigste Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle und Konjunktivitis. Am Dermatologenkongress in den USA 2017 wurden erste Daten zur Anwendung bei Kindern ab 6 Jahren präsentiert; Resultate aus plazebo-
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kontrollierten, randomisierten Studien mit Kindern stehen jedoch noch aus. Die Antikörper Tralokinumab und Lebrikizumab, die sich bereits in klinischen Studien bei Asthma, idiopathischer pulmonaler Fibrose und anderen inflammatorischen Erkrankungen bewährt haben, werden zurzeit bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer AD in Phase-IIund Phase-III-Studien geprüft. Die Antikörper Nemolizumab und BMS-981164 dämpfen den Juckreiz, sind jedoch weniger wirksam bezüglich der ekzematösen Läsionen. Sie werden bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer AD in Phase-I- und Phase-II-Studien geprüft. Tezepelumab hemmt ein Lymphoprotein, das von epithelialen Zellen als Reaktion auf proinflammatorische Reize sezerniert wird. Einige Forscher hoffen, hier einen «Hauptschalter» der allergischen Entzündungsreaktion gefunden zu haben. Studien mit Asthma- und AD-Patienten laufen. ILV-094 ist ein Interleukin-22-Antagonist, der ebenfalls in einer Phase-II-Studie bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD getestet wird. Gut bekannt ist der IgE-bindende Antikörper Omalizumab (Xolair®), der bei allergischem Asthma für Kinder ab 6 Jahren zugelassen ist sowie bei chronischer spontaner Urtikaria ab 12 Jahren. Auch er wurde bei Patienten mit atopischer Dermatitis getestet, allerdings ohne Erfolg bei den Erwachsenen und mit widersprüchlichen Resultaten bei Kindern. Er wird darum für die Behandlung bei atopischer Dermatitis nicht empfohlen.
Die Antikörper Ustekinumab (Stelara®), zugelassen für Psoriaris und Morbus Crohn (ab 18 Jahren; Plaquepsoriasis ab 12 Jahren), und Secukinumab (Cosentys®), zugelassen für Plaquepsoriasis, Psoriasisarthritis und M. Bechterew (ab 18 Jahren), wurden bei atopischer Dermatitis getestet. Während Ustekinumab keinen statistisch signifikanten Effekt hatte, könnte Secukinumab bei bestimmten AD-Subtypen wirksam sein. Orales Tofacitinib (Xeljanz®; zugelassen bei rheumatoider Arthritis; ab 18 Jahren) wurde mit Erfolg in einem offenen Therapieversuch bei sechs Patienten mit schwerer AD versucht. Der systemische PDE-4-Hemmer Apremilast (Otezla®; zugelassen bei Plaquepsoriaris; ab 18 Jahren) erwies sich als mittelmässig wirksam bei AD; die weitere Entwicklung dieser Substanz für diese Indikation wurde gestoppt.
Renate Bonifer
Quelle: «Atopische Dermatitis», Vortrag von Dr. med. Jan Izakovic an der PaedArt Basel, 30. November 2017. Angaben zur Zulassung in der Schweiz gemäss compendium.ch, Stand: 23.1.2018.
Literatur: 1. Ahmed A et al.: Magnitude of benefit for topical crisaborole in the treatment of atopic dermatitis in children and adults does not look promising: a critical appraisal. Br J Dermatol 2017 Dec 3; Epub ahead of print. 2. Simpson EL et al.: Two phase 3 trials of dupilumab versus placebo in atopic dermatitis. N Engl J Med 2016; 375: 2335–2348.
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