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Probiotika helfen gegen Bauchweh
KURZ & BÜNDIG
V iele Kinder leiden unter rezidivierenden Bauchschmerzen ohne fassbare organische Ursache. Man schätzt, dass 4 bis 25 Prozent der Schulkinder davon betroffen sind, einschliesslich derjenigen mit einem Reizdarmsyndrom (IBS: irritable bowel syndrome). Bezüglich therapeutischer Optionen kommen zwei kürzlich publizierte Cochrane-Reviews zu folgendem Ergebnis: Probiotika können helfen, Medikamente eher nicht. Für den Cochrane-Review zu Ernährungsmassnahmen (1) wurden 19 randomisierte Studien mit insgesamt 1453 Teilnehmern im Alter von 4 bis 18 Jahren berücksichtigt (mittleres Alter in den Studien 6 bis 13 Jahre). In den meisten Studien ging es um die Wirksamkeit von Probiotika (13 Studien), vier Studien befassten sich mit ballaststoffreicher Diät und eine mit der Reduktion von FODMAP (fermentierbare Oligo-, Diund Monosaccharide und Polyole) in der Ernährung. Da es zu FODMAP nur eine Studie gab, ziehen die Cochrane-Autoren hierzu keine Schlussfolgerungen. Recht eindeutig werden hingegen die Resultate zu Probiotika und Ballaststoffen formuliert, auch
wenn die Cochrane-Autoren zu bedenken geben, dass die eher niedrige Qualität und grosse Heterogenität der Studien kein allzu hohes Evidenzniveau garantieren. Während Probiotika im Vergleich zu Plazebo sowohl zu einer Verminderung der Bauchwehattacken als auch einer Linderung der Schmerzen führten, brachte die ballaststoffreiche Ernährung nichts. Für die Schmerzlinderung infolge der Probiotikagabe errechneten die Autoren eine NNT von 8. Es müssen also statistisch betrachtet acht Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen Probiotika erhalten, damit eines davon profitiert. Ob ein bestimmtes Probiotikum besser ist als ein anderes, wurde von den Cochrane-Autoren nicht untersucht. Am häufigsten kam Lactobacillus rhamnosus GG zum Einsatz (5 Studien), gefolgt von Lactobacillus reuteri (3 Studien), Bacillus-Koagulans mit Frukto-Oligosacchariden (2 Studien) und jeweils eine Studie mit einem patentierten Gemisch, mit Lactobacillus plantarum oder mit einer Bifidobakterienmischung. Die vorhandenen Studien zu Medikamenten bei rezidivierenden Bauchschmerzen erlaubten keine klassische Metaanalyse, sondern lediglich einen
sogenannten narrativen Review (2). Die Autoren
berücksichtigten 16 Studien mit insgesamt 1014
Teilnehmern im Alter von 5 bis 18 Jahren, in de-
nen folgende Medikamente bei rezidivierenden
Bauchschmerzen getestet wurden: trizyklische
Antidepressiva, Antibiotika, Trimebutin, Tegasrod,
Antispasmodika (Pfefferminzöl, Drotaverin, Me-
beverin), SSRI (Citalopram), Antihistamine, ein
H2-Rezeptorantagonist (Famotidin), ein Seroto-
ninantagonist (Pizotifen), Domperidon und Mela-
tonin. Die Substanzen brachten entweder nichts
oder die Wirksamkeit wurde in nur einer Studie
postuliert und bisher nicht durch andere Studien
bestätigt. Auch waren alle Studien entweder klein
und/oder methodisch fragwürdig. Das Resumé
der Cochrane-Autoren: «Es gibt zurzeit keine Evi-
denz, die den Gebrauch von Medikamenten bei
rezidivierenden Bauchschmerzen im Kindesalter
rechtfertigen würde.»
RBO
1. Newlove-Delgado TV et al.: Dietary interventions for recurrent abdominal pain in childhood. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 3. Art. No.: CD010972. 2. Martin AE et al.: Pharmacological interventions for recurrent abdominal pain in childhood. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 3. Art. No.: CD010973.
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KURZ & BÜNDIG
Wohin nach der Weiterbildung?
A ls Teilzeitarbeit in einer Gruppenpraxis stellen sich Kinderärztinnen und -ärzte heute mehrheitlich ihren Berufsalltag vor. Um ihre Weiterbildung zum Facharzt entsprechend zu gestalten, hatte die Universitätsklinik für Kinderheilkunde in Bern niedergelassene Pädiaterinnen und Pädiater dazu befragt. Am Inselspital in Bern wurden in zehn Jahren 109 neue Kinderärztinnen und Kinderärzte in zehn Jahren weitergebildet. Dr. med. Sonja Lüer, Oberärztin an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital Bern, befragte diese 109 Kolleginnen und Kollegen zu ihrer Weiterbildung an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde am Inselspital und zu ihren aktuellen Arbeitsmodellen. Knapp die Hälfte (42%) von ihnen entschied sich nach der Weiterbildung für die Tätigkeit in einer Praxis. Die überwiegende Mehrheit (90%) davon arbeitete in Gruppenpraxen und in Teilzeit (im Schnitt 60%), wobei auch Männer zunehmend dieses Modell wählten. Nur 10 Prozent waren in einer Einzelpraxis tätig. Von künftigen Praxiskolleginnen und -kollegen wünschten sich die Befragten neben Fachexpertise, Teamwork und Arbeitseffizienz auch Kommunikationsfähigkeit, soziale Kompetenz, Flexibilität und Empathie. Die ehemaligen Assistenzärztinnen und -ärzte blieben ihrem Berufsziel treu: Zum Zeitpunkt der Befragung führten 90 Prozent den Facharzttitel
Bezüglich der Weiterbildung nannten die Befragten auch vertieftes Wissen um im Notfall lebenswichtige Massnahmen als sehr wichtig für ihren späteren Berufsalltag. (Foto: Pascal Gugler)
Kinder- und Jugendmedizin FMH und arbeiteten auch in ihrem Fachgebiet. 60 Prozent der Abgängerinnen und Abgänger blieben im Kanton Bern, 14 Prozent arbeiteten weiter an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde. Zwei Drittel der Weitergebildeten waren Frauen; in Privatpraxen lag der Frauenanteil bei 76 Prozent. «40 Praxispädiaterinnen und -pädiater füllten in
der Studie nur 23,9 Vollzeitstellen. Diesem
Trend zur Teilzeitarbeit muss nicht nur durch an-
gepasste Stellenetats, sondern auch in der Wei-
terbildung der Lehrspitäler Rechnung getragen
werden», sagte Studienautorin Lüer.
red
Pressemitteilung des Inselspitals vom 9. Mai 2017 und Lüer S, Aebi C: Assessment of residency program outcomes via alumni surveys. Advances in Medical Education and Practice 2017; 8: 307–315.
Mehr psychische Probleme bei atopischer Erkrankung
Eine Umfrage aus Dänemark bestätigt, was viele intuitiv oder aus Erfahrung wissen: Kinder mit atopischen Erkrankungen haben offenbar ein höheres Risiko für psychische Probleme. In Kopenhagen wurden Familien mit 3-, 6-, 11- oder 15-jährigen Kindern ein entsprechender Fragebogen zugeschickt. Etwa die Hälfte der angeschriebenen Familien beteiligte sich an der Umfrage, sodass am Ende die Daten von 9215 Kindern berücksichtigt werden konnten. Neben Fragen zu den atopischen Erkrankungen Ekzem, Asthma und Heuschnup-
fen wurde auch der Bildungsgrad der Eltern erfragt. Mithilfe des dänischen Sozialversicherungsnummernsystems war auch das Familieneinkommen für alle Teilnehmer bekannt. Ziel der Umfrage war die Abklärung von Assoziationen zwischen atopischen Erkrankungen und psychischen Problemen sowie die Frage, welche Rolle das sozioökonomische Milieu dabei spielt. Bei Kindern mit Ekzemen, Asthma oder Heuschnupfen fanden sich im Vergleich mit Kindern ohne atopische Erkrankungen mehr psychische Auffälligkeiten bezüglich Emotionen, Verhalten
und Hyperaktivität. Mit dem Verhältnis zu Kin-
dern gleichen Alters (peer group) fand sich je-
doch keine Assoziation.
Mit atopischen Erkrankungen assoziierte psy-
chische Auffälligkeiten traten unabhängig vom
sozioökonomischen Milieu auf. Allerdings war
der Grad der jeweiligen Auffälligkeiten in den
unteren Bildungs- und Einkommensschichten
generell höher.
RBO
Hammer-Heinrich L et al.: Mental health associations with eczema, asthma and hay fever in children: a cross-sectional survey. BMJ Open 2016;6: e012637.
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