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Pedikulosen
DERMATOLOGIE
Die Pediculosis capitis ist die häufigste Parasitose im Kindesalter. Während Kopfläuse praktisch ausschliesslich direkt von Kopf zu Kopf übertragen werden und eine aufwendige Reinigung von Betten, Kleidung und so weiter nicht nötig ist, sieht das bei der Kleiderlaus anders aus. In diesem Beitrag werden Diagnose und Behandlung bei Kopf-, Kleider- und Filzläusen erläutert.
Von Hermann Feldmeier
Die Pediculosis capitis ist die häufigste Parasitose im Kindesalter und nach den Erkältungskrankheiten die zweithäufigste ansteckende Erkrankung (1). Wird sie nicht prompt und konsequent behandelt, können sich lokale und generalisierte Krankheitszeichen entwickeln (2). Die durch Pediculosis capitis verursachten Kosten sind erheblich. Allein in Deutschland werden jährlich etwa 28 Millionen Euro für Therapeutika ausgegeben; entsprechende Zahlen für die Schweiz sind nicht verfügbar. Indirekte Kosten entstehen Müttern und Vätern, die dem Arbeitsplatz fernbleiben, weil ihre Kinder vorübergehend aus einer Einrichtung ausgeschlossen oder von den Eltern aus Angst vor Ansteckung zu Hause behalten werden (3). Dazu kommen noch Kosten für – wissenschaftlich unbegründete – Hygienemassnahmen, die viele Mütter bis zum Exzess durchführen.
Entwicklungszyklus der Kopflaus
Die Kopflaus (Pediculus humanus capitis) ist ein blutsaugendes, flügelloses Insekt. Nur der menschliche Kopf ist ein geeignetes Habitat. Adulte Läuse leben zwischen 3 und 4 Wochen. Von der Anheftung eines Eis an ein Haar bis zur Präsenz einer fortpflanzungsfähigen Laus vergehen minimal 17 und maximal 21 Tage. Im Gegensatz zu anderen Insekten machen Läuse nur eine inkomplette Metamorphose durch, es gibt also weder ein Larven- noch ein Puppenstadium. Die aus dem Ei schlüpfende Nymphe sieht bereits wie eine erwachsene Laus aus, ist nur deutlich kleiner (Abbildung 1). 99 Prozent der Nymphen schlüpfen innerhalb von 7 bis 9 Tagen; weniger als 0,1 Prozent erst nach 10 Tagen. Pedikulozide, die nicht auf Eier wirken, müssen deshalb nach 7 bis 9 Tagen erneut angewandt werden.
Nach dem Schlüpfen der Nymphen bleiben die leeren Eihüllen (Nissen) am Haar kleben. Sie entfernen sich mit dem wachsenden Haar peu à peu vom Haaransatz. Per definitionem sind Nissen nicht infektiös, sie stören aber unter ästhetischen Gesichtspunkten. Kopfläuse benötigen alle 3 bis 4 Stunden Blut. Sie können ausserhalb des menschlichen Kopfes nur kurze Zeit überleben. Fallen sie vom Kopf, sind sie bereits nach wenigen Stunden so dehydriert, dass sie nicht mehr infektiös sind.
Kopfläuse: Wesentliches für die Praxis
• Kopfläuse können sich nur auf dem menschlichen Kopf vermehren. Es gibt kein Tierreservoir. Kopfläuse benötigen alle 3 bis 4 Stunden Blut. Ausserhalb des Kopfes sterben sie rasch ab. Kopf- und Kleiderläuse sind potenzielle Überträger bakterieller Pathogene.
• Kopfläuse werden nahezu immer durch Haar-zu-Haar-Kontakt übertragen. Eine Übertragung durch Textilien ist theoretisch denkbar, spielt aber praktisch keine Rolle. Ein Patient hat während der Inkubationszeit vermutlich bereits andere Personen angesteckt.
• Eine juckende Kopfhaut, erythematöse Papeln und Quaddeln sind die typischen Symptome. Symptome treten bei einer Erstinfestation nach 4 bis 6 Wochen auf, bei einer Reinfestation nach 24 bis 48 Stunden. Nur 14 bis 36 Prozent der Kinder mit Kopfläusen entwickeln Symptome.
• Die einzig zuverlässige Methode, um eine aktive Infestation zu erkennen, ist das systematische feuchte Auskämmen des gesamten Haares.
• Kopflausbefall tritt in spatiotemporalen Clustern in Form von Kleinepidemien auf: Familie, Kindergarten, Schulklasse und so weiter. Mädchen sind deutlich häufiger betroffen als Jungen. Nicht behandelte (weil nicht erkannte) Träger von Kopfläusen beziehungsweise Besucher/Gäste mit einer nicht erkannten Pediculosis capitis sind für das Persistieren/Wiederaufflammen einer Epidemie verantwortlich.
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DERMATOLOGIE
bekannt, beide Personen waren Flüchtlinge aus Eritrea (9a, 9b). Staphylokokken und Streptokokken werden durch Kopfläuse passiv, beispielsweise nach Kontakt mit einer Eiterpustel, über die Kopfhaut verschleppt.
Abbildung 1: Junge Kopflaus (Nymphe), etwa 1,5mm lang. Der Darm ist mit Blut gefüllt; videodermatoskopisches Bild (© H. Feldmeier).
Transmission von Kopfläusen
Die Übertragung erfolgt durch direkten Haar-zu-HaarKontakt. Liegen Haare von zwei Personen aneinander, wandern Kopfläuse rasch von einem Kopf auf einen anderen. Besteht Kopfhaarkontakt über eine längere Zeit (beispielsweise wenn Kinder in einem Bett zusammen schlafen), so wechseln Läuse innerhalb weniger Stunden mehrfach den Wirt. Kopfbedeckungen, Bettwäsche, Handtücher, Bürsten, Kämme etc. spielen für die Übertragung keine Rolle (10). Selbst bei schwer infestierten Kindern mit mehr als hundert Kopfläusen liess sich nach dem Verlassen des Bettes nur in Einzelfällen eine Kopflaus auf dem Kopfkissen nachweisen (11).
Abbildung 2: Adulte Kopflaus, etwa 3 mm lang. An jeder Körperseite befinden sich sieben runde Atemöffnungen (Stigmen); rasterelektronenmikroskopisches Bild (© H. Feldmeier).
Läuse atmen über ein simpel aufgebautes Atemwegssystem. Sie haben an jeder Längsseite sieben Atemöffnungen, sogenannte Stigmen (Durchmesser etwa 10 µm), die in winzige Tracheen übergehen (Abbildung 2). Über die Tracheen werden die inneren Organe der Laus mit Sauerstoff versorgt und überschüssige Flüssigkeit in Form von Wasserdampf abgegeben. Das Atemwegssystem ist eine ideale therapeutische Achillesferse des Parasiten (4).
Kopf- und Kleiderläuse als Überträger von Krankheiten
Kopf- und Kleiderläuse sind eng miteinander verwandt und haben eine ähnliche – vermutlich sogar identische – Funktion als Vektor für bakterielle Pathogene. Nachgewiesen ist die potenzielle Übertragung von Rickettsia prowazekii (Erreger des klassischen Fleckfiebers), Borrelia recurrentis (Erreger des Läuserückfallfiebers) und Bartonella quintana (Erreger des Fünf-Tage-Fiebers) (5–8) (4–7). Diese Pathogene sind in Mitteleuropa sehr selten, kommen in Entwicklungsländern aber in unterschiedlicher Häufigkeit vor. Belegt ist, dass Flüchtlinge aus Ostafrika Borrelia recurrentis nach Europa eingeschleppt haben. Allein im Zeitraum von Januar bis November 2015 wurden in Deutschland 28 Fälle von Läuserückfallfieber bei jugendlichen Flüchtlingen aus Somalia, Äthiopien und Eritrea dokumentiert, davon 15 Fälle in Bayern (9). In der Schweiz waren gemäss Rundmail des Kantonsärztlichen Dienstes St. Gallen im Jahr 2015 zwei Fälle
Infektionsepidemiologie
In Europa tritt die Pediculosis capitis in spatiotemporalen Clustern auf (12). Typisch sind Kleinepidemien im Kindergarten oder in einer Schulklasse. In einer Familie sind nahezu immer mehrere, manchmal alle Kinder und auch die Erwachsenen infestiert. Im Mitteleuropa ist die Prävalenz der Pediculosis capitis in der Kinderpopulation niedrig. Gleichwohl ist die kumulative Inzidenz verhältnismässig hoch. In Norwegen beispielsweise gab es in 36,4 Prozent der Haushalte innerhalb der letzten drei Jahre vor einer bevölkerungsbasierten Querschnittsuntersuchung mindestens einen Fall von Pediculosis capitis, obwohl die in der Querschnittsstudie bestimmte Prävalenz bei Schulkindern nur 1,6 Prozent betrug (12). In einer anderen Studie betrug die Punktprävalenz in der Kinderpopulation 1,7 Prozent. Gleichwohl hatten 6 Prozent der Kinder in den vorausgehenden 3 bis 6 Monaten und 50 Prozent vor dem 12. Lebensjahr bereits einmal Kopfläuse gehabt. In allen Kulturkreisen sind Mädchen deutlich häufiger betroffen als Jungen. Das Verhältnis Mädchen zu Jungen schwankt von 12:1 (Türkei) zu 2:1 (Mitteleuropa) (2). Die überproportionale Häufigkeit der Pediculosis capitis bei Mädchen erklärt sich durch längere Haare und geschlechtsspezifisches Verhalten, das zu häufigeren und längeren Haar-zu-Haar-Kontakten führt. Die besonders bei Teenagern beliebte Praxis von Selfies wird über kurz oder lang zu einer Zunahme der Pediculosis capitis in dieser Altersgruppe führen. Da die Infestation in der Regel durch Präsenz der charakteristischen Symptome erkannt wird, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass der Patient während der Inkubationszeit die Parasiten auf andere Personen in der Familie, im Spielkreis oder Kindergarten übertragen hat. Beobachtungen in Grossbritannien, Norwegen und Deutschland deuten darauf hin, dass Epidemien in Einrichtungen dann persistieren beziehungsweise immer wieder aufflammen, wenn unerkannte – typischerweise symptomlose – Träger von Kopfläusen in der Familie, im Freundeskreis oder in der Einrichtung vorhanden sind, die die bereits behandelten Kinder erneut anstecken (13).
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Abbildung 3: Ein Zwei-Komponenten-Dimeticon (hier blau angefärbt) hat in weniger als einer Minute die Atemwege einer Kopflaus voll ausgefüllt (4) (© H. Feldmeier).
Klinische Symptome bei Kopflausbefall
Um Blut aus Hautkapillaren saugen zu können, injizieren Läuse über ihren Speichel Gerinnungshemmer in die Kopfhaut. Komponenten des Speichels induzieren eine Immunantwort vom verzögerten Typ. Klinisch manifestiert sich die Immunreaktion in Form von erythematösen Papeln und Quaddeln, die intensiv jucken. Das durch den Juckreiz bedingte Kratzen führt zu Exkoriationen der Epidermis und Bildung von Krusten. Länger bestehende Kratzdefekte werden bakteriell besiedelt und führen zu regionalen Lymphadenopathien (2). Starker Juckreiz in der Nacht führt zu Schlafstörungen. Die Kinder sind dann «schlecht drauf» und zeigen ein Aufmerksamkeitsdefizit. Bei einer Erstinfestation treten die Symptome an der Kopfhaut nach 4 bis 6 Wochen auf, bei einer Reinfestation bereits nach 24 bis 48 Stunden. Symptome entwickeln sich nur bei 14 bis 36 Prozent aller Infestierten (13). Bei Kindern ohne Pruritus wird die Pediculosis capitis zufällig entdeckt.
Diagnose des Kopflausbefalls
In Mitteleuropa haben Kinder meist weniger als 10 Kopfläuse (14). Die einzige diagnostische Methode mit einer ausreichend hohen Sensitivität ist das systematische Auskämmen des mit einer Haarspülung angefeuchteten Haars (14). Die Methode ist sehr zeitaufwendig und in der kinderärztlichen Praxis kaum realisierbar. Üblicherweise sehen Mütter und Väter oder Betreuungspersonen Eihüllen (Nissen im Haar) und vermuten dann, dass auch Kopfläuse präsent sind. Dadurch wird bei einem Drittel der Kinder fälschlicherweise eine aktive Infestation – also Präsenz von Nymphen und/oder adulten Läusen – postuliert, obwohl die Kinder de facto nur Träger von Eihüllen sind (14). Laien verwechseln überdies ausgekämmte Artefakte häufig mit Läusen (15).
Therapie bei Pediculosis capitis
Bis auf wenige Ausnahmen ist die Datenlage zur Wirksamkeit von Pedikuloziden nicht ausreichend (16). Entweder gibt es keine adäquaten Studien über den pos-
tulierten Wirkmechanismus oder es wurden keine klinischen Studien lege artis durchgeführt beziehungsweise sind durchgeführte Studien nicht publiziert worden. Vom Einsatz neurotoxisch wirksamer Pedikulozide auf der Basis von Pyrethroiden und Organophosphaten wird abgeraten (16). Der massenhafte Einsatz dieser Substanzen hat weltweit zur Entwicklung resistenter Parasitenpopulationen geführt (17). Eine neue Generation von Pedikuloziden enthält Dimeticone und wirkt rein physikalisch (18). Der rasche Wirkungseintritt und das physikalische Wirkprinzip der Dimeticone machen die Entwicklung resistenter Parasitenpopulationen extrem unwahrscheinlich. Dimeticone sind biochemisch inert und werden nach oraler Aufnahme oder Applikation auf die Haut nicht resorbiert. Sie gelten als sicher untoxisch (19). Dimeticone mit einer geringen Oberflächenspannung können in kurzer Zeit mikroskopisch kleine Oberflächen komplett bedecken. Sie breiten sich über den Chitinkörper der Laus aus, dringen in das Atemwegssystem ein und verdrängen den Sauerstoff, den der Parasit zum Atmen benötigt (4, 20) (Abbildung 3). Die Dimeticonprodukte unterscheiden sich in den physikochemischen Eigenschaften des eingesetzten Dimeticons, der Dimeticonkonzentration, der Zusammensetzung aus Dimeticonen unterschiedlicher Kettenlänge, dem eingesetzten Lösungsmittel und der Beimischung von Zusatzstoffen wie Rizinus- oder Kokosnussöl, die ihrerseits eine pedikulozide Wirkung haben. Die derzeit in der Schweiz auf dem Markt befindlichen Pediculozide auf Dimeticonbasis, deren Wirksamkeit belegt ist, sind Hedrin® und galenisch abgewandelte Produkte unter teilweise anderem Handelsnamen. Nur für Hedrin®/EtoPril® sowie das in Deutschland erhältliche NYDA® liegen publizierte Daten von lege artis durchgeführten Studien vor. NYDA® zeigte eine klinische Wirksamkeit von 97 Prozent, bei EtoPril® schwankte die Wirksamkeit zwischen 70 und 92 Prozent in Abhängigkeit vom Studienort (21–24). Für NYDA® ist in In-vitro-Studien eine hohe ovizide Wirkung (98 bzw. 100%) belegt (25, 26). Dimeticone, die sowohl eine hohe Wirkung gegen adulte Läuse als auch auf Eier haben, brauchen theoretisch nur einmal angewandt zu werden. Umgehend nach der Behandlung mit einem wirksamen Medikament besteht keine Ansteckungsgefahr mehr. Kinder können also die Gemeinschaftseinrichtung sofort nach der Durchführung einer wirksamen Therapie besuchen.
Kleiderläuse: Pediculosis corporis (vestimentorum)
Die Kleiderlaus (Pediculosis humanus corporis) und die Kopflaus sind eng verwandte Subspezies. Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Kleiderlausbefall in Mitteleuropa häufig. Derzeit kommt die Ektoparasitose nur noch bei Menschen ohne festen Wohnsitz vor (27). In Entwicklungsländern mit einem eher kühlen Klima (z.B. in Äthiopien, Ruanda und Burundi) ist die Parasitose bei Menschen mit extrem beengten Wohnverhältnissen, in Flüchtlingscamps und in Gefängnissen nach wie vor verbreitet. Die derzeitigen globalen Flüchtlingsbewegungen begünstigen die
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Einschleppung von Kleiderläusen nach Europa. Fallberichte zeigen, dass die Ektoparasitose bei Flüchtlingen erst dann erkannt wurde, als die Patienten an einem Läuserückfallfieber erkrankt waren (9). Bei den bislang aus Deutschland berichteten Fällen handelte es sich um männliche Flüchtlinge im Alter von 15 bis 31 Jahren, die aus Somalia, Äthiopien und Eritrea stammten. Es ist zu erwarten, dass zukünftig auch geflüchtete Kinder an durch Kleiderläuse übertragenen Infektionen erkranken. Wie beim Kopflausbefall ist das Leitsymptom ein starker Pruritus, der von 2 bis 3 Millimeter grossen rötlichen Maculae oder erythomatösen Papeln ausgeht. Da sich der Juckreiz in der Nacht verstärkt, sind Schlafstörungen zu erwarten. Die Infestation erfolgt durch verunreinigte Kleidungsstücke, Bettwäsche, Decken und andere Textilien, die mit der Haut in Berührung kommen. Direkter Körperkontakt ist ein eher seltener Übertragungsweg. Zusammen mit einer Flüchtlingsanamnese ermöglicht die Präsenz der charakteristischen Symptome eine Verdachtsdiagnose. Diese wird bestätigt durch den Nachweis von Läusen oder Eiern in der Kleidung. Die Therapie erfolgt mit oralem Ivermectin (für Erwachsene einmalig 200 µg/kg; Ivermectin [Stromectol® Tabletten, Frankreich] ist in der Schweiz als Humanarzneimittel nicht im Handel und in dieser Indikation nicht zugelassen (gem. www.pharmawiki.ch, Stand: 14. März 2017). Unterwäsche, Kleidung, Bettwäsche, Decken etc. müssen entweder desinfiziert, chemisch gereinigt oder bei 65 °C für 30 Minuten gewaschen werden. Materialien, die nicht chemisch gereinigt oder gewaschen werden können, müssen durch heisses Bügeln dekontaminiert werden.
Filzläuse: Pediculosis pubis (Phithiaris)
Die Filzlaus des Menschen (Pediculosis pubis) hat sich vor etwa 3,3 Millionen Jahren als eigenständige Spezies entwickelt. Die Filzlaus ist mit 0,8 bis 1,2 mm deutlich kleiner als Kopf- und Kleiderläuse. Die Übertragung erfolgt beim intimen Körperkontakt, gelegentlich auch durch gemeinsam benutzte Bettwäsche, Handtücher oder Kleidung. Kinder infizieren sich typischerweise, wenn sie unbekleidet mit infestierten Erwachsenen in einem Bett, einem Schlafsack oder unter Decken schlafen (28). Sehr selten führt die Benutzung einer gemeinsamen Wimpernbürste durch mehrere Personen zum Befall der Wimpern. Der Ektoparasit findet sich nicht nur an der Schambehaarung, sondern auch in Bart- und Schnurrbarthaar, in den Achseln, an den Wimpern und Augenbrauen und extrem selten auch im Haupthaar (29). Der Befall der Augenbrauen wird als Phithiaris palpebrarum bezeichnet. Eine Phithiaris palpebrarum wird bei Kindern nicht selten als ektopischer Kopflausbefall oder als Blepharokonjunktivitis fehldiagnostiziert (30). Die Manifestation kann ein Hinweis auf einen sexuellen Missbrauch des Kindes sein (31). Da Filzläuse verhältnismässig lange Blut saugen, bilden sich an den Saugstellen verwaschene, schiefer-
farbene bis stahlblaue linsengrosse Flecken, die als Maculae coeruleae oder «tâches bleues» bezeichnet werden. Der Pruritus ist in der Regel gering ausgeprägt. Die Therapie erfolgt lokal mit Permethrin 5%. Fallberichte zeigen, dass Dimeticonprodukte, die gegen Kopfläuse wirksam sind, auch Filzläuse rasch abtöten.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Hermann Feldmeier Institut für Mikrobiologie und Hygiene Charité Universitätsmedizin Campus Virchow-Klinikum Sylter Strasse 2 D-13353 Berlin E-Mail: hermann.feldmeier@charite.de
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift «Kinderärztliche Praxis», Ausgabe 1/2017. Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Autor und Verlag. Der Text wurde bezüglich der Verhältnisse in der Schweiz leicht überarbeitet. Sämtliche die Schweiz betreffenden Angaben und Quellen werden von der Redaktion der PÄDIATRIE verantwortet.
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Weitere Literatur beim Verfasser.
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