Transkript
Vitamin D für das Baby
Was bringt die Supplementierung der Mutter?
PRÄVENTION
In der Schweiz wird für alle Kinder im ersten Lebensjahr eine Supplementierung von 400 IU Vitamin D pro Tag empfohlen. Dieser Rat wird jedoch oft nicht befolgt. Man könnte stattdessen stillende Mütter höher mit Vitamin D supplementieren, schlagen die Autoren einer amerikanischen Studie vor und untermauern dies mit positiven Resultaten einer Studie. Eine pränatale Supplementierung hingegen scheint allenfalls im Winter geborenen Kindern zu nützen.
D ass Kinder im ersten Lebensjahr zur Rachitisprophylaxe mit Vitamin D supplementiert werden sollten, ist unter Pädiatern weltweit Konsens. Die in der Schweiz empfohlene Dosis beträgt 400 IU pro Tag (Vitamin-DTropfen). Ihren Ursprung hat die Empfehlung zur Vitamin-D-Supplementierung der Säuglinge in der Erkenntnis, dass die Muttermilch meist recht arm an Vitamin D ist. Ein erstaunlicher Befund, da die Muttermilch als evolutionäres Resultat einer Millionen Jahre dauernden Entwicklung natürlicherweise die optimale Ernährung für einen Säugling bieten sollte. Eigentlich sei das auch so, schreiben Bruce W. Hollis und die Ko-Autoren der kürzlich publizierten Studie (1). Schuld an der Vitamin-D-Armut der Muttermilch seien einzig und allein die mangelnde Sonnenexposition und die zu niedrigen Vitamin-D-Empfehlungen für Stillende in den letzten Jahrzehnten. So empfiehlt das amerikanische Institute of Medicine (IOM) 400 bis 600 IU pro Tag für stillende Mütter (Schweiz: 600 IU) – eine Dosis von der man wisse, dass sie den Vitamin-D-Gehalt der Muttermilch nicht erhöht, kritisieren die Studienautoren. Die Empfehlung, den Säugling zu supplementieren, ändere nichts an dem grundlegenden Problem der Vitamin-D-Armut der Muttermilch und nütze obendrein vielen Kindern nichts, weil die Empfehlung nicht umgesetzt wird. Gemäss den Angaben in der Literatur erhalten nur 2 bis 19 Prozent der voll gestillten Säuglinge in den USA ihr Vitamin-D-Supplement.*
400 IU für das Kind oder 6000 IU für die Mutter
In die Studie wurden gesunde Mutter-Kind-Paare 4 bis 6 Wochen post partum aufgenommen, sofern das Kind zu diesem Zeitpunkt ausschliesslich gestillt wurde und dies für ein weiteres halbes Jahr so bleiben sollte. Es gab drei Gruppen: • nur das Kind erhielt 400 IU pro Tag (Tropfen), die
Mutter Plazebo (Tablette);
• nur die Mutter erhielt 2000 IU pro Tag, das Kind Plazebo;
• nur die Mutter erhielt 6000 IU pro Tag, das Kind Plazebo.
Jeden Monat wurden Blutproben (Mütter) und Urinproben (Säuglinge) genommen sowie Blutproben von den Säuglingen zu Beginn der Studie (4 bis 6 Wochen post partum) und in den Monaten 4 und 7. Der Studienarm mit 2000 IU für die Mutter und kein Vitamin D für das Kind wurde aus Sicherheitsbedenken vorzeitig beendet. Ausgewertet wurden nur die Varianten 400 IU für das Kind oder 6000 IU für die Mutter, das heisst insgesamt 334 Mutter-Kind-Paare (n = 169 bzw. 165 pro Gruppe). Im Lauf der Studie hörten viele Mütter vorzeitig mit dem ausschliesslichen Stillen auf. Nach 1 Monat waren noch 64,7 Prozent der Mutter-Kind-Paare in der Studie, nach 4 Monaten noch 44,3 Prozent und am Ende nach 6 Monaten nur noch 28,4 Prozent (n = 47 bzw. 48 pro Gruppe). Bei den Müttern verbesserte sich der Vitamin-D-Status erwartungsgemäss unter der Gabe von 6000 IU pro Tag. Die 25-Hydroxyvitamin-D-Serum-Konzentration (25[OH]D) stieg von durchschnittlich 39,6 ng/ml nach einem Monat auf 60,4 ng/ml, während sie bei den Mütter ohne Supplementation von Anfang bis Ende bei um die 34 ng/ml blieb. Für die gestillten Kinder spielte es keine Rolle, ob sie selbst 400 IU bekamen oder von einer hoch supplementierten Mutter gestillt wurden: In beiden Fällen stieg der 25[OH]D-Serumspiegel von 14,4 beziehungsweise 16,4 ng/ml nach 1 Monat auf 43,6 ng/ml nach 6 Monaten.
Dürfen Stillende so viel Vitamin D pro Tag einnehmen?
Als diese Studie begann, galten noch 2000 IU Vitamin D als maximal tolerierbare Tagesdosis. Mittlerweile setzt man diese Grenze bei 4000 IU*, doch selbst 10 000 IU gelten manchen Fachleuten unter
Hoch dosiertes Vitamin D für die stillende Mutter versorgt auch den Säugling.
* In der Schweiz erhalten zirka zwei Drittel der Säuglinge täglich 400 IU Vitamin D (L’Allemand D et al., Paediatrica 2012; 23 [4]: 22–24). Der Anteil bei ausschliesslich gestillten Säuglingen ist nicht bekannt. Empfohlene Dosierungen und maximal tolerierbare Tagesdosis siehe Bischoff-Ferrari HA et al., Schweiz Med Forum 2012; 12 (40): 775– 778.
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PRÄVENTION
Vitamin D messen
Der Vitamin-D-Status wird als Blutwert von 25-Hydroxyvitamin D bestimmt und in der Literatur entweder in ng/ml oder nmol/l angegeben. Hierbei entsprechen: 45 ng/ml = 112,5 nmol/l 30 ng/ml = 75 nmol/l 20 ng/ml = 50 nmol/l 10 ng/ml = 25 nmol/l
Umständen noch als tolerierbare Tagesdosis, wie die Studienautoren berichten. Für Hollis und sein Team steht ausser Frage, dass 6000 IU für Stillende noch in Ordnung sei, zumal die in der Studie gemessenen 25[OH]D-Serumspiegel in der gleichen Grössenordnung liegen, wie man sie auch durch Sonnenexposition ganz ohne Supplemente erreichen kann. In der Schweiz empfiehlt die Eidgenössischen Ernährungskommission zurzeit eine Obergrenze der Vitamin-D-Supplementation von 4000 IU pro Tag für Erwachsene und Kinder ab 9 Jahren.
Stillen länger als ein Jahr erhöht Vitamin-D-Mangelrisiko beim Kind
Am besten sollte man Säuglinge während der gesamten Stilldauer supplementieren, empfehlen die Autoren einer kürzlich publizierten Studie (2). Sie hatten ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel bei Kindern festgestellt, die länger als ein Jahr gestillt wurden. Sie hatten den 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegel von 2508 Kindern im Alter von 1 bis 5 Jahren (mittleres Alter 24,5 Monate) bestimmt. Statistisch zeigte sich für jeden Monat Stillen nach dem ersten Lebensjahr ein um 0,12 ng/ml tieferer 25-Hydroxyvitamin-DSpiegel im Vergleich zu nicht gestillten oder gestillten, aber supplementierten Kindern. Das relative Risiko eines Vitamin-D-Mangels (< 20 ng/ml) stieg mit jedem Monat um 6 Prozent.
Pränatales Vitamin D nützt allenfalls Winterkindern
In der kürzlich publizierten MAVIDOS-Studie aus Grossbritannien (3) ging man der Frage nach, ob die
Supplementation der Mutter mit 1000 IU Vitamin pro Tag in der Schwangerschaft positive Effekte auf den Knochenstatus der Neugeborenen hat. In die Studie aufgenommen wurden rund 1100 Schwangere (ohne Mehrlingsschwangerschaften) vor der 17. Schwangerschaftswoche mit 10 bis 40 ng/ml 25-Hydroxyvitamin D. Sie wurden in zwei gleich grosse Gruppen randomisiert, die täglich entweder 1000 IU Vitamin D oder ein Plazebo einnahmen. Wie zu erwarten besserte sich der Vitamin-D-Spiegel bei den Schwangeren mit Supplementation. Auf die Knochenmineraldichte der Neugeborenen hatte die Supplementation der Mütter auf den ersten Blick keinen Einfluss. Berücksichtigte man jedoch das Geburtsdatum, so zeigte sich, dass Babys, die von Dezember bis Februar geboren wurden, doch von der Vitamin-D-Gabe profitiert hatten: Ihre Knochenmineraldichte war höher als bei den zur gleichen Jahreszeit geborenen Kindern, deren Mütter nur ein Plazebo erhalten hatten. Wie in anderen Studien brachte auch hier die Supplementation mit Vitamin D nichts, wenn der Vitamin-D-Status ohnehin schon ausreichend war.
Renate Bonifer
Literatur: 1. Hollis BW et al.: Maternal versus infant vitamin D supplementation during lactation: a randomized controlled trial. Pediatrics 2015; 136 (4): 625–634. 2. Darmawikarta D et al.: The association between total duration of breastfeeding and serum 25-hydroxyvitamin D. Am J Public Health 2016; published online February 18, 2016. 3. Cooper C et al.: Maternal gestational vitamin D supplementation and off spring bone health (MAVIDOS): a multicentre, double-blind, randomised placebo-controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2016; published online March 1, 2016.
Spendenaufruf
KINDERHERZPROGRAMM MAROKKO
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Die marokkanischen Behörden schätzen die Zahl der Neugeborenen mit einem behandlungsfähigen angeborenen Herzfehler auf 3500 bis 5600 pro Jahr. Das öffentliche Gesundheitswesen ist vor allem auf die Grundversorgung fokussiert und leidet an grossen regionalen Unterschieden. Hoch spezialisierte Medizin und vor allem auch Kindermedizin sind nur unzureichend vorhanden. Gemäss Schätzungen wird in Marokko bei Kindern nur zirka ein Fünftel aller Herzkrankheiten behandelt. Das Inselspital ist seit 2012 Partner des Kinderherzprogramms von Terre des hommes in Marokko. Seit einigen Jahren arbeitet Terre des Hommes daran, Kompetenzen in Marokko selbst aufzubauen, um Kinder vor Ort behandeln zu können, am «Hôpital des Enfants de Rabat», dem grössten und wichtigsten öffentlichen Kinderspital Marokkos. Dort werden zurzeit pro Jahr rund 1200 kardiologische Abklärungen vorgenommen. Eingriffe finden jedoch nur an einem Tag pro Woche statt und nur am geschlossenen Herzen, ohne Herz-Lungen-Maschine. Die Zusammenarbeit von Terre des hommes mit Institutionen wie dem Inselspital stellt sicher, dass so viele Kinder wie möglich eine Behandlung erhalten, auch wenn die Möglichkeiten vor Ort fehlen.
Das Budget von Terre des hommes in Marokko mit Implementierung des Rabat-Programms kostet fast 300 000 Franken pro Jahr, für Auswahl, Vorbereitung und Transfers von 45 Kindern pro Jahr, die in der Schweiz behandelt werden, sowie die Behandlung und Nachbehandlung von ungefähr 20 Kindern in Marokko.
Die Durchführung des Projekts ist nur mit Spenden möglich: Postkonto 10-11504-8, Vermerk «Spezialbehandlungen».
Die Operations- und Pflegefachleute des Inselspitals arbeiten gratis in der Freizeit. Ihre Reise- und Verpflegungsspesen werden durch die Kinderherzstiftung Corelina getragen. Spendenkonto: DC Bank Bern, Bankkonto 164.865.818.09 IBAN CH13 0839 7016 4865 8180 9
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