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KURZ & BÜNDIG
Synbiotika gegen atopische Dermatitis?
Dem Mikrobiom kommt im frühen Kindesalter offenbar eine entscheidende Rolle für die Entwicklung physiologischer beziehungsweise pathologischer Immunreaktionen zu. Im Tierversuch konnte man sogar zeigen, dass Nahrungsmittelallergien mittels Transfer der Darmflora von einem Versuchstier auf ein anderes übertragbar sind. Pro- und Präbiotika sollen eine positive Wirkung auf das Mikrobiom haben. Während Probiotika lebende Mikroorganismen sind, mit denen man das Mikrobiom zum Positiven zu beeinflussen sucht, handelt es sich bei den Präbiotika um bestimmte Oligosaccharide, welche das Wachstum wünschenswerter Darmbakterien anregen. Insofern ist deren Wirksamkeit davon abhängig, dass die gewünschten Mikroorganismen im Darm auch vorhanden sind. Was also liegt näher, als Probiotika und Präbiotika in einem zu
geben? Diese Präparate werden Synbiotika genannt. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse ging man nun der Frage nach, ob Synbiotika als Prävention und/oder Behandlung der atopischen Dermatitis wirksam sind (1). Die Datenlage ist recht übersichtlich: Gerade einmal sechs Therapiestudien mit insgesamt 369 Kindern und zwei Präventionsstudien mit insgesamt 1320 Kindern waren gut genug, um berücksichtigt zu werden. In den Therapiestudien zeigte sich nach Aussage der Studienautoren ein positiver Effekt nach 8 Wochen Behandlung, eine längere Behandlung für 12 Wochen brachte keinen zusätzlichen Nutzen. Ein positiver Effekt von Synbiotika war nur feststellbar, wenn Bakteriengemische verwendet wurden und die Kinder mindestens ein Jahr alt waren. Die Auswertung der beiden Präventionsstudien lieferte kein sta-
tistisch signifikantes Resultat zugunsten der
Synbiotika im Vergleich mit Plazebo.
In einem begleitenden Editorial fordern Mimi L.
K. Tang und Caroline J. Logde von der Univer-
sität Melbourne, die Resultate dieser Meta-
analyse wegen geringer Probandenzahl und er-
heblicher Heterogenität der ohnehin kleinen
Studienpopulationen mit Vorsicht zu interpretie-
ren. Eine klare Aussage ob und gegebenenfalls
welche Synbiotika für Kinder mit atopischer
Dermatitis nützlich sein könnten, dürfte noch
auf sich warten lassen.
RBO
1. Chang YS et al.: Synbiotics for prevention and treatment of atopic dermatitis: a meta-analysis of randomized clinical trials. JAMA Pediatr 2016; 170 (3): 236–242. 2. Tang MLK, Lodge CJ: Examining the evidence for using synbiotics to treat or prevent atopic dermatitis. JAMA Pediatr 2016; 170 (3): 201–202.
Darmbakterien der Mutter stärken das Neugeborene
E s ist schon lange bekannt, dass Muttermilch beim Stillen Nährstoffe und Antikörper liefert, welche das Baby vor Infektionen schützen. Trotzdem ist das Immunsystem eines Neugeborenen sehr unreif und anfällig für Störeinflüsse. Man nahm deshalb bisher an, der neugeborene Körper beginne erst nach der Geburt mit der Anpassung an die vielen Bakterien. Forschende des Inselspitals Bern, der Universität Bern, des Krebsforschungszentrums Heidelberg und der ETH Zürich haben nun aber in Tierversuchen mit Mäusen herausgefunden, dass die Darmflora der Mutter den kindlichen Organismus bereits pränatal für die mikrobielle Besiedlung nach der Geburt vorbereitet. Rasch nach der Geburt besiedeln Mikroorganismen alle Körperoberflächen. Schon nach wenigen Tagen befinden sich im Darm zehnmal so viele Bakterien wie Zellen im ganzen Körper. Neugeborene überleben diese plötzliche Welle eindringender Bakterien normalerweise ohne Probleme. Der Darm muss dabei mit Mikroben besiedelt werden, ohne das Neugeborene zu infizieren und ohne die Darmkapazität zur Aufnahme von Nährstoffen einzuschränken. Gemäss den neuen Forschungserkenntnissen können Moleküle der mütterlichen Darmbakterien über die Plazenta oder nach der Geburt
über die Muttermilch an das Kind weitergegeben werden. Diese bakteriellen Bestandteile sind ungefährlich, sie rufen keine Infektion hervor. Stattdessen stimulieren sie Zellen im Körper des ungeborenen Kindes und wappnen dessen Immunsystem und Darm für den Moment nach
der Geburt, wenn das Neugeborene selbst mit
lebenden Bakterien im eigenen Darm umgehen
muss.
Inselspital/red
Gomez de Agüero M et al.: The maternal microbiota drives early postnatal innate immune development. Science 2016; 351: 1296–1302.
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KURZ & BÜNDIG
Chemotherapie im Kindesalter beeinträchtigt Fruchtbarkeit geschlechtsspezifisch
Bei einer Krebserkrankung im Kindesalter ist die Überlebensrate hoch und viele der Betroffenen erreichen das Erwachsenenalter. Junge Frauen unter 30 Jahre haben dann eine gute Chance, trotz Chemotherapie in der Kindheit selbst Mutter zu werden. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer kürzlich publizierten Studie. Sie werteten US-amerikanische und kanadische Daten von 10 983 Langzeitüberlebenden aus, die von 1970 bis 1999 wegen im Kindesalter typischer Krebserkrankungen mit Chemotherapien behandelt wurden, aber nicht in Becken oder am Kopf bestrahlt worden waren. Als Vergleichsgruppe dienten
die gesunden Geschwister. Verglichen wurde die Schwangerschaftsrate im Alter zwischen 15 und 44 Jahren bei einer mittleren Follow-upDauer von 8 bis 10 Jahren. Während rund zwei Drittel der gesunden Geschwister in dieser Zeit Eltern wurden (62%), waren es bei den Langzeitüberlebenden nur 38 Prozent. Allerdings war die Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit durch die Chemotherapie in der Kindheit bei Männern stärker als bei Frauen. Während die Männer im Vergleich mit Männern ohne Chemotherapie nur noch eine 63-prozentige Chance auf Vaterschaft hatten, waren es bei den Frauen 87 Prozent – vorausgesetzt, die
Frauen warteten nicht zu lange und versuchten
vor ihrem 30. Geburtstag schwanger zu werden.
Bei den Männern fanden sich darüber hinaus
noch Zusammenhänge zwischen Fruchtbarkeit
und der Dosis einer ganzen Reihe von Chemo-
therapeutika, während bei den Mädchen nur
Busulfan und hohe Lomustindosen die Frucht-
barkeit im späteren Leben deutlich beeinträch-
tigten.
RBO
Chow EJ et al.: Pregnancy after chemotherapy in male and female survivors of childhood cancer treated between 1970 and 1999: a report from the Childhood Cancer Survivor Study cohort. Lancet Oncol 2016; published online March 22, 2016.
Langfristiges Blutdruckmonitoring unter Propranolol?
Orales Propranolol ist die erste Wahl für die Behandlung von Hämangiomen im frühen Kindesalter. Nach der ersten Einnahme und jeder Dosiserhöhung müssen Blutdruck und Herzfrequenz mindestens vier Stunden lang überwacht werden. Ob eine langfristige Blutdruckkontrolle während der Erhaltungstherapiephase notwendig ist, wird von Experten unterschiedlich beurteilt, zumal entsprechende Studien bis jetzt fehlten. Eine deutsche Forschungsgruppe hat nun die Resultate ihrer prospektiven Studie mit 109 Säuglingen publiziert. Die Kinder waren zu Beginn der Therapie zwischen einem und fünf Monaten alt (Durchschnittsalter 2,8 Monate). Therapiebeginn und Dosistitration (0,5 bis 2 mg/kg KG/Tag) erfolgten für drei bis vier Tage im Spital; die gesamte Therapie dauerte sechs Monate. Zwei Kinder wurden wegen Sinusbradykardie, zwei weitere wegen eines lethargischen Zustands von der Studie ausgeschlossen. Der mittlere systolische Blutdruck sank mit steigender Propranololdosis um 5 mmHg, ein sehr niedriger systolischer oder diastolischer Wert (< 5. Perzentil) wurde bei 2 von 105 Kindern festgestellt. Während der Erhaltungsphase hatten 2 von 105 Kindern gelegentlich einen systolischen Blut- druck unter 70 mmHg. Nach dem dritten Thera- piemonat wurde bei keinem Kind eine Hypoto- nie beobachtet. Ein niedriger diastolischer Wert von < 36 mmHg trat im ersten Monat bei 16 Kin- dern (15,2%) auf, im zweiten Monat bei 8,6 Pro- zent und im dritten und vierten Monat noch bei 2,9 Prozent. Keines der Kinder entwickelte eine klinisch relevante Hypotonie, Bradykardie oder eine andere bekannte Nebenwirkung von Pro- pranolol. Das klinische Ansprechen war nach Angabe der Studienautoren ausgezeichnet. Bei ansonsten gesunden, reif geborenen Säuglingen wurde eine Propranolol-Dosis von insgesamt 2 mg/kg KG/Tag, aufteilt auf drei Gaben, gut vertragen. Da keine klinisch relevante Hypotonie zu beob- achten war, kommen die Studienautoren zu dem Schluss, dass ein langfristiges Blutdruck- monitoring während der Erhaltungsphase in der Hämangiomtherapie mit Propranolol im frühen Kindesalter nicht nötig sei. RBO Hengst M et al.: Blood pressure monitoring during the induction and maintenance period of propranolol therapy for complicated infantile hemangiomas: a prospective study of 109 infants. Pediatr Dermatol 2015; 32: 802– 807. Otitis media vorbeugen: Stillen, Nichtrauchen und Impfen Stillen, Nichtrauchen und Impfungen gegen Atemwegskrankheiten werden von den Autoren einer neuen Studie als wichtige präventive Faktoren zum Schutz vor Otitis media im Säuglingsalter genannt. Die Autoren hatten 357 Säuglinge bis zur ersten Episode einer Otitis media, maximal aber ein Jahr lang, begleitet. Die Studie lief von Oktober 2008 bis März 2014 in den USA. Insgesamt zählten die Forscher 887 Infektionen der oberen Atemwege bei 305 Säuglingen sowie 180 Episoden von Otitis media bei 143 Säuglingen. Die Otitis-media-Inzidenz betrug 6, 23 und 46 Prozent in den Lebensmonaten 3, 6 und 12. Säuglinge mit Otitis media hatten im Durchschnitt 4,7-Mal pro Jahr Infekte der oberen Atemwege, bei den Kindern ohne Otitis media kam das nur 2,3mal vor. Virale Infekte der oberen Atemwege seien demnach ein wichtiger Risikofaktor für Otitis media, so die Studienautoren. Sie raten darum zu entsprechenden Impfungen, wie etwa der Impfung gegen Pneumokokken. RBO Chonmaitree T et al.: Acute otitis media and other complications of viral respiratory infection. Pediatrics 2016, published online March 28, 2016. 32 2/16