Transkript
SCHWERPUNKT
Cholestase bei Neugeborenen
Praxisempfehlungen für die Behandlung
Ein cholestatischer Ikterus kommt bei etwa 1 von 2500 Neugeborenen vor. Es handelt sich dabei immer um eine potenziell gefährliche hepatobiliäre Dysfunktion. Das frühzeitige Erkennen der Erkrankung durch den Kinderarzt sowie die rasche Überweisung an einen pädiatrischen Gastroenterologen/Hepatologen sind die entscheidenden Faktoren für Diagnose, Behandlung und Prognose der zugrunde liegenden Erkrankung. Die häufigste Ursache der neonatalen Cholestase ist eine Gallengangatresie (25–40%), danach folgen monogenetisch bedingte Erkrankungen (25%) sowie unbekannte oder multifaktorielle Ursachen.
Von Luca Garzoni und Valérie McLin
Ein Ikterus zeigt sich ab einem Blutwert von > 40 µmol/l Gesamtbilirubin. Bei einen gesunden Neugeborenen mit einer nicht konjugierten Hyperbilirubinämie sind die beiden häufigsten Ursachen der physiologische Ikterus und der Muttermilch-Ikterus – beide verschwinden wieder von alleine. Der cholestatische Ikterus hingegen ist wesentlich seltener und immer anormal. Einer Cholestase liegt immer eine hepatobiliäre Dysfunktion zugrunde, deren Prognose bedrohlich sein kann. Die frühzeitige Entdeckung einer Cholestase durch den Kinderarzt ist darum von entscheidender Bedeutung.
Bilirubin messen!
Der erste diagnostische Schritt, der eine Differenzierung zwischen cholestatischem und nicht cholestatischem Ikterus erlaubt, ist die Bestimmung des Bilirubins im Blut (Gesamtbilirubin und konjugiertes Bilirubin). Diese Laboruntersuchung wird für alle Säuglinge empfohlen, deren Gelbsucht zwei Lebenswochen überschreitet. Der cholestatische Ikterus beziehungsweise die konjugierte Hyperbilirubinämie ist definiert durch > 17 µmol/l konjugiertes Bilirubin, unabhängig vom Gesamtbilirubin.
Anamnese und Klinik
Eine detaillierte Anamnese (Familie, Schwangerschaft, prä-, peri- und postnatale Phase) ist von grundlegender Bedeutung. Die klinische Untersuchung umfasst den Allgemeinzustand des Kindes, das Abdomen, den Ernährungszustand und die Suche nach richtungsweisenden extrahepatischen Anzeichen. Die Tabellen 1 und 2 fassen die wichtigsten Punkte für Anamnese und klinische Untersuchung zusammen. Man muss sowohl den Beginn der Gelbsucht als auch Veränderungen der Urin- und Stuhlfarben erfragen. In vielen Ländern, darunter auch die Schweiz, haben
sich Stuhlfarbkarten für Eltern, Hebammen und Kinderärzte für das frühzeitige Screenen auf Gallengangatresie bewährt. Eine Entfärbung des Stuhls ist ein Anzeichen für eine Gallengangobstruktion und eine Indikation für eine notfallmässige Untersuchung in einem spezialisierten Zentrum.
Weitere Untersuchungen
Häufig sind Laboruntersuchungen (Blut, Urin), abdominale Sonografie, offene Cholangiografie und Histologie bei der Suche nach den Ursachen einer Cholestase notwendig. Labor: Wie bereits erwähnt, bestätigt ein Wert von > 17 µmol/l konjugiertes Bilirubin (unabhängig vom Gesamtbilirubin) eine Cholestase. Danach schliessen sich weitere Labortests zur Leberfunktion an (ALT, gGT, Quick, Blutzucker, Ammonium [NH4]). Dabei ist zu bedenken, dass zwar eine grosse Anzahl der Cholestasen mit einem erhöhten g-GT einhergehen, man-
Der cholestatische Ikterus ist immer pathologisch.
Das Wichtigste in Kürze
• Die konjugierte Hyperbilirubinämie wird durch ein konjugiertes Bilirubin > 17 µmol/l definiert.
• Ein cholestatischer Ikterus ist immer pathologisch und Zeichen einer hepatobiliären Dysfunktion.
• Bei jedem Neugeborenen mit einem die 2. Lebenswoche überschreitenden Ikterus muss man Gesamtbilirubin und konjugiertes Bilirubin bestimmen, um eine Cholestase auszuschliessen.
• Bei einer Entfärbung des Stuhls muss der Patient rasch an ein pädiatrisches Zentrum für hepatobiliäre Chirurgie überwiesen werden, um eine Gallengangatresie zu bestätigen oder auszuschliessen.
• Falls ein konjugierter Ikterus bestätigt wird: 1. Ausschluss behandelbarer Ursachen (Gallengangatresie, Infektion/Sepsis, Galaktosämie, Hypothyreose) und spezifischer Krankheiten (a1-AntitrypsinMangel, Mukoviszidose, Alagille-Syndrom, Choledochuszyste) 2. Falls die oben genannten Ursachen ausgeschlossen sind, weitere Abklärungen möglicher Ursachen (s. Tabelle 3).
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SCHWERPUNKT
Abbildung 1: Cholestase und Zirrhose bei Gallengangatresie; Fibrose und periportale Ödeme mit kanalikulärer Reaktion.
Abbildung 2: Cholestase bei Gallengangatresie (200-fach vergrössert); die Pfeile markieren Gallenpfropfen, die Dreiecke kanalikuläre Proliferationen.
che aber auch nicht (Cholestase mit niedrigem g-GT), was eine andere Diagnose suggerieren kann. Hinzu kommt, dass der g-GT-Normwert bei einem Neugeborenen höher ist als bei einem älteren Kind. Da während des Wachstums hauptsächlich die ossäre Isoform der alkalischen Phosphatase (AP) vorliegt, gibt diese weder bei Säulingen noch bei Kindern im Allgemeinen Auskunft über eine Cholestase. Weitere Laboruntersuchungen und neonatales Screening können die Ursachensuche ergänzen (s. unten, Abschnitte zu den Ursachen). Bildgebung: Eine abdominale Sonografie, wobei das Kind seit mindestens sechs Stunden keine Nahrung zu sich genommen hat, ist eine einfache, sensitive und nicht invasive Möglichkeit, Gallengänge, Gefässe und Lebergewebe zu untersuchen. Bei Verdacht auf eine Gallengangatresie sucht man nach einer Reihe von Ultraschallsignalen, die, obgleich nicht spezifisch, einen klinischen Verdacht erhärten können. Dazu gehören insbesondere morphologische Anomalien der Gallenblase (fehlt, ist zu klein, kontrahiert nicht nach dem Schlucken), das «triangular cord sign» (eine echoreiche Region über der Pfortaderbifurkation), das Verhältnis des Durchmessers von Leberarterie und Pfortader sowie potenzielle anatomische Anomalien
Tabelle 1: Anamnese
Fragen Andere Familienmitglieder betroffen? Blutsverwandtschaft? Mütterliche Infektion? Schwangerschaftspruritus/-cholestase? Ultraschalluntersuchung Neonatale Infektion? Harnwegsinfekt? Erbrechen? Reizbarkeit? Stuhl: – entfärbt – Mekonium > 48 Stunden – Diarrhö Frühgeburtlichkeit und parenterale Ernährung?
Implikationen autosomal dominante Vererbung autosomal rezessive Vererbung TORCH-Infektionen, HBV PFIC, BRIC Choledochuszyste, intestinale Duplikation Cholestase im Rahmen einer Infektion metabolische Komplikationen, Sepsis
Obstruktion der Gallengänge Mukoviszidose Infektion, PFIC 1 PNAC
BRIC: benigne rekurrente intrahepatische Cholestase; HBV: Hepatitis-B-Virus; PFIC: progressive familiäre intrahepatische Cholestase; PNAC: parenteral nutrition associated cholestasis; TORCH-Infektionen: pränatale Infektionen, welche das Kind gefährden.
im Rahmen einer syndromalen Gallengangatresie (Heterotaxie, präduodenale Pfortader, Polysplenie). Die intraoperative, offene Cholangiografie, welche es erlaubt, die Durchlässigkeit der intra- und extrahepatischen Gallengänge zu beurteilen, bleibt der diagnostische Goldstandard der Gallengangatresie. Falls sich diese während des Eingriffs bewahrheitet, kann sofort eine Hepatoportoenterostomie nach Kasai durchgeführt werden. Hingegen tragen die folgenden drei Verfahren kaum zur Evalution einer neonatalen Cholestase bei: ERCP (endoskopisch retrograde Cholangiografie), MRCP (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie) und Leberszintigrafie. Histologie: Die Leberbiopsie ist richtungsweisend für die Ursache einer Cholestase. Klassische Anzeichen einer biliären Obstruktion sind portales Ödem und periportale Fibrose (Abbildung 1) sowie duktale Bilirubinostase mit biliären «Pfropfen» in den interlobulären Gallenkanälen (Abbildung 2). Der lobuläre Einbezug ist variabel und kann in einer kanalikulären und hepatozytären Bilirubinostase bestehen, mit einer Aufblähung der Hepatozyten und deren Transformation zu riesigen Zellen. In der Regel besteht keine nennenswerte perisinuisodale Fibrose.
Gallengangatresie
Die Gallengangatresie ist die häufigste feststellbare Ursache eines obstruktiven Ikterus in den ersten drei Lebensmonaten. Die Prävalenz ist regional unterschiedlich: Sie beträgt in Taiwan 1:6000 Neugeborene, in der Schweiz und Europa 1:18 000 und in den USA 1:19 000. Es gibt drei Kategorien der Gallengangatresie: • nicht syndromale Gallengangatresie (84%); • Gallengangatresie mit mindestens einer assoziierten
Fehlbildung, aber ohne Lateralisationsfehler (6%); • Gallengangatresie-Syndrom (10%) mit Asplenie
oder Polysplenie. Die assoziierten Anomalien können kardiovaskulärer (16%) oder gastrointestinaler (14%) Natur sein, oder sie betreffen Genitalien und Harnwege. Die Ursache einer Gallengangatresie ist nach wie vor unklar. Unterschiedliche Theorien wurden in der Literatur diskutiert (z.B. Viren, Toxine, autoimmune Prozesse).
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SCHWERPUNKT
Zu den «red flags», die zur raschen Abklärung bezüglich einer Gallengangatresie führen müssen, gehören Stuhlentfärbung, Ikterus plus erhöhte g-GT ohne andere Ursachen sowie eine anormale oder fehlende Gallenblase in der Sonografie (nüchtern). Frühzeitige Diagnose und Hepatoportoenterostomie nach Kasai mit dem Ziel einer Wiederherstellung des Gallenflusses und die Behandlung in einem Zentrum für pädiatrische hepatobiliäre Chirurgie sind wichtige Faktoren für eine gute Prognose. Wenn die Kasai-Operation vor dem 60. Lebenstag durchgeführt wird, ist bei 90 Prozent der Patienten im Alter von 18 Monaten die Leber erhalten. Falls der Eingriff erst nach dem 90. Lebenstag erfolgt, sind es nur 10 Prozent der Patienten. Daneben bestehen unbeeinflussbare negative Prognosefaktoren. Hierzu gehören die syndromalen Formen, eine grösstenteils biliäre Schädigung sowie bereits bestehende Fibrosen zum Zeitpunkt der Diagnose.
Choledochuszyste
Patienten mit einer Choledochuszyste haben häufig eine Cholestase mit erhöhter g-GT und erhöhtem konjugiertem Bilirubin. Sonografisch zeigt sich eine Dilatation des grossen Gallengangs (jedoch mit normaler Gallenblase). Man sollte immer daran denken, dass sich eine Cholestase auch als Atresie distaler Gallengänge und einer zystischen Dilatation des proximalen Choledochus manifestieren kann.
Infektionen
Zytomegalievirus (CMV): Das CMV ist die häufigste kongenitale Infektion, die 1 bis 2 Prozent aller Neugeborenen betrifft. Die meisten der infizierten Neugeborenen bleiben asymptomatisch, bei 5 bis 10 Prozent von ihnen führt die Infektion jedoch leider zu unterschiedlichen Komplikationen wie niedrigem Geburtsgewicht, Mikrozephalie, periventrikulärer Kalzifikationen, Chorioretinitis und Taubheit. Zu den häufigsten hepatologischen Problemen gehören die Hepatosplenomegalie und die konjungierte Hyperbilirubinämie. Die Diagnose einer CMV-Infektion wird mittels Kultur oder PCR (Urin) bestätigt. Harnwegsinfekte: Auch Harnwegsinfekte können sich mit einer neonatalen Cholestase manifestieren. Aus diesem Grund gehört die Urinanalyse (Sediment und Kultur) zu den ersten Untersuchungen im Rahmen einer Abklärung wegen cholestatischen Ikterus. Hepatitis A, B und C: In der Regel verursachen diese Viren keine neonatale Cholestase. In der Literatur werden nur einige wenige, sehr spezielle Fälle beschrieben. Andere Infektionen: Syphilis, Röteln, Toxoplasmose und Herpesviren können sich mit einer neonatalen Cholestase, die typischerweise in den ersten 24 Stunden nach der Geburt auftritt, sowie mit einem Wachstumsrückstand manifestieren. Die mütterliche Anamnese und das serologische Screening während der Schwangerschaft sind für die Bestätigung eines klinischen Verdachts hilfreich.
Endokrinologische Ursachen
Schilddrüse: Hypothyreose ist eine Differenzialdiagnose des cholestatischen neonatalen Ikterus. Neonatales Screening deckt erhöhte TSH-Werte auf. Um eine
zentrale Hypothyreose auszuschliessen, müssen die Schilddrüsentests wiederholt werden (TSH, T3, fT4). Panhypopituitarismus: Die Hypophysenhormone spielen eine Rolle bei der Regulation der Gallensynthese und -exkretion sowie dem Gallenfluss. Aus diesem Grund zeigt sich bei den betroffenen Neugeborenen eine Erhöhung des Gesamt- und des konjugierten Bilirubins, welches mit anderen Symptomen einhergeht wie Hypoplasie des männlichen Genitals, Hypoglykämie und Schock. Die Diagnostik stützt sich auf die Messungen von TSH, freiem T4 und Gesamt-T4 und des morgendlichen Cortisols sowie auf eine zerebrale MRI-Untersuchung. Die Cholestase verschwindet mit der Hormonsubstitution.
Seltene Krankheiten
Alagille-Syndrom: Das Alagille-Syndrom ist durch eine Hypoplasie intrahepatischer Gallengänge charakterisiert. Der klinische Verdacht (typische Gesichtsform, posteriores Embryotoxon, Schmetterlingswirbel, Nierenbeeinträchtigung, Herzfehler) wird durch den Laborbefund (Cholestase mit erhöhter g-GT) und die Histologie (Hypoplasie der intrahepatischen Gallengänge) bestätigt. Die Sequenzierung der Gene JAG1 und NOTCH2 kann zur Diagnose beitragen. Mukoviszidose: Diese kann sich mit einer neonatalen Cholestase präsentieren. Diagnostische Optionen sind neonatales Screening, Schweisstest und die Genanalyse (CFTR). Progressive familiäre intrahepatische Cholestasen (PFIC): Die PFIC sind eine Gruppe monogenetisch bedingter Erkrankungen, die den kanalikulären Transport der Galle beeinträchtigen und zu einer progressiven Cholestase mit Beeinträchtigung der Leberfunktion führen. Charakteristisch für PFIC 1 und PFIC 2 ist eine normale g-GT, während diese bei PFIC 3 erhöht ist. PFIC 1 (Bylersche Krankheit) geht mit neonataler Diarrhö und schlechter Gewichtszunahme einher. PFIC 2 ist mit einem erhöhten Risiko für Cholangio- oder hepatozelluläres Karzinom bei jungen Kindern verbunden. a1-Antitrypsin-Mangel: Er ist der häufigste Grund für eine erblich bedingte Cholestase. Es handelt sich um eine autosomal dominant vererbte Mutation des SERPINA1-Gens. 10 bis 15 Prozent der Neugeborenen mit dieser Erkrankung entwickeln eine neonatale Chole-
Bei jedem Neugeborenen mit Gelbsucht nach der 2. Lebenswoche muss gesamtes und konjugiertes Bilirubin gemessen werden.
Tabelle 2: Klinische Untersuchung
Klinische Zeichen Allgemeinzustand, Vitalzeichen Gewicht/Grösse Windel: – entfärbte Stühle (5–7 gem. Stuhlfarbkarte) – dunkler Urin Dysmorphie, Herzbeschwerden, pathologischer Augenhintergrund Abdomen: erweitert, Aszites, Hepatomegalie, Leberkonsistenz, Milz, Tumoren pathologischer neurologischer Status
Hypoplasie des äusseren männlichen Genitals
Implikationen akute Erkrankung, Infektion, Sepsis Ernährungszustand
Obstruktion der Gallengänge
Alagille-Syndrom
dekompensierte Lebererkrankung, Neoplasie, Choledochuszyste metabolische Erkrankung, dekompensierte Lebererkrankung Panhypopituitarismus
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Abbildung 3: Algorithmus zum Vorgehen bei neonataler Cholestase * Basis-Laboruntersuchungen: grosses Blutbild, ALT, g-GT, Bilirubin (total/konjugiert), Albumin, Glukose, Ammonium (NH4), Quick.
Eine Entfärbung des Stuhls ist als Zeichen einer Gallengangobstruktion eine Indikation für die notfallmässige Untersuchung in einem spezialisierten Zentrum.
stase. Häufig handelt es sich um eine schwere Cholestase mit acholischen Stühlen. Dies erschwert die symptomatische Unterscheidung von einer Gallengangatresie. Rasch kann sich eine Zirrhose mit portaler Hypertension entwickeln, aber im Allgemeinen verschwindet der Ikterus in den ersten vier Lebensmonaten. Die Diagnose erfolgt durch die elektrophoretische Bestimmung des Phänotyps (normal: MM; heterozygot: MZ oder MS; anormal: ZZ oder SZ), welche zur initialen Abklärung einer neonatalen Cholestase gehört (s. Algorithmus in Abbildung 3). Die Bestimmung der a1-Antitrypsin-Serumkonzentration ist nicht indiziert. Es handelt sich um ein Akutphaseprotein, dessen Konzentration im Zusammenhang mit einer Cholestase schwierig zu interpretieren ist. Gallensäurensynthesedefekte: Hierbei handelt es sich zwar um seltene Erkrankungen, die in den meisten Fällen jedoch behandelbar sind. Darum ist es sehr wichtig, sie bei einem Neugeborenen mit Cholestase
Tabelle 3: Mögliche Ursachen einer neonatalen Cholestase
Obstruktiv: • Gallengangatresie • Choledochuszyste • Gallensteine/-schlamm • Alagille-Syndrom • «Inspissated Bile Syndrome» • Mukoviszidose • neonatale sklerosierende Cholangitis • kongenitale hepatische Fibrose/Caroli-Syndrom
Hepatozellulär: • idiopathische neonatale Hepatitis • virale Infektion (CMV, HIV) • bakterielle Infektion (Harnwegsinfekt, Sepsis,
Syphilis)
• genetisch bedingte Erkrankung (a1-AntitrypsinMangel, PFIC, Mukoviszidose)
• metabolische Erkrankung (Tyrosinämie, Galaktosämie, Glykolisierungsstörung)
• Speicherkrankheiten (Morbus Gaucher, Morbus Wolman, Morbus Niemann-Pick Typ C)
• Mitochondriendysfunktion • endokrinologische Erkrankungen (Hypothyreose,
Panhypopituitarismus) • toxisch/sekundär (parenterale Ernährung) • Gallensäurensynthesedefekte
PFIC: progressive familiäre intrahepatische Cholestase
und tiefer g-GT in Betracht zu ziehen. In den meisten Fällen ist die g-GT normal oder tief, und die Gallensäuren im Serum sind tief – anders als bei anderen cholestatischen Erkrankungen. Die Diagnose wird durch die spektrometrische Messung der Gallensäuren im Urin sowie durch die genetische Analyse bestätigt. Die Behandlung besteht in der oralen Gabe von Gallensäuren. Angeborene Stoffwechselstörungen: Hierbei handelt es sich um eine Gruppe metabolischer Störungen, die sich als neonatale Cholestase manifestieren können und besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Folgende Blutuntersuchungen sind bei einem entsprechenden Verdacht indiziert: Gasometrie, Elektrolyte, Glukose, Ammoniak, Laktat, Pyruvat und Ketonkörper, organische Säuren und Aminosäuren. Die Galaktosämie gehört in den meisten Ländern zum neonatalen Screening. Die Tyrosinämie, die sich häufig als unverhältnismässige Gerinnungsstörung im Verhältnis zu anderen hepatischen Parametern zeigt, wird mithilfe des Succinylacetons im Urin oder der Aktivität des Enzyms Fumarylacetoacetathydrolase im Blut nachgewiesen.
Die Ursache einer neonatalen Cholestase bleibt häufig unbekannt. Dank verbesserter Verfügbarkeit neuer genetischer und molekularer Analysetechniken geht die Anzahl idiopathischer neonataler Cholestasen jedoch weiterhin zurück.
Schlussfolgerungen
Der neonatale cholestatische Ikterus ist wesentlich seltener als der Ikterus aufgrund einer nicht konjugierten Hyperbilirubinämie. Das Vorliegen einer Cholestase ist immer pathologisch. Die Cholestase ist Anzeichen für eine hepatobiliäre Dysfunktion im Rahmen einer zugrunde liegenden neonatalen hepatischen, potenziell bedrohlichen Erkrankung. Das frühzeitige Erkennen des Problems durch den Kinderarzt sowie die rasche diagnostische Abklärung und Behandlung durch den Spezialisten sind von entscheidender Bedeutung für die Prognose. Darum wird die Bestimmung des Gesamtbilirubins und des konjugierten Bilirubins im Blut bei allen Neugeborenen empfohlen, die über die zweite Lebenswoche hinaus einen Ikterus aufweisen. Dies erlaubt die schnellstmögliche Diagnose oder Entwarnung bezüglich einer Reihe von Krankheiten, bei denen eine frühzeitige Intervention überlebensentscheidend sein kann – in erster Linie die Gallengangatresie, metabolische und endokrinologische Dysfunktionen sowie Infektionen.
Korrespondenzadresse: Dr. med. Luca Garzoni Centre Suisse des Maladies du Foie de l’Enfant Hôpitaux Universitaires de Genève Rue Willy Donzé 6, 1211 Genève 14
Literatur auf www.ch-paediatrie.ch abrufbar.
Dieser Artikel wurde für die PÄDIATRIE in Französisch verfasst. Die Übersetzung erfolgte durch Dr. Renate Bonifer.
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