Transkript
Compliance und Transition
Probleme und Lösungsstrategien in der Nephrologie
SCHWERPUNKT
Der Übergang chronisch kranker Jugendlicher vom vertrauten Pädiater zu einem Facharzt für erwachsene Patienten ist eine kritische Phase. Gerade in der Adoleszenz wird es mit der Compliance oft schwierig. An der Nephrologie am Universitätskinderspital Zürich gibt es ein spezielles Transitionsprogramm für transplantierte Kinder.
Riskantes Verhalten gehört zur Pubertät, kann aber bei Non-Compliance für chronisch kranke Jugendliche sehr gefährlich werden. So ergab eine Studie bei jugendlichen Nierentransplantierten, dass rund 44 Prozent der Organverluste und 23 Prozent der späten Abstossungsreaktionen auf Non-Compliance zurückzuführen sind; durchschnittlich 32 Prozent der Transplantatempfänger unter 21 Jahre waren hier non-compliant, wobei der Anteil bei den Adoleszenten besonders hoch war (1). PD Dr. med. Guido F. Laube, Universitätskinderspital Zürich, erläuterte wie man NonCompliance mit einem speziellen Programm an der pädiatrischen Nephrologie verhindert und den Transitionsprozess optimiert.
Zürcher Transitionsprogramm
An der Nephrologie am Universitätskinderspital orientiert man sich an einem Konsensus, der 2011 von der International Society of Nephrology (ISN) und der International Pediatric Nephrology Association (IPNA) publiziert wurde (2). Dazu gehört, dass die jungen Patienten spätestens im Alter von 13 bis 14 Jahren eine Reihe von Fähigkeiten erlernen, die für den späteren Übergang vom Pädiater zum Erwachsenenarzt notwendig sind. Dazu gehören sowohl vermeintlich banale Punkte wie «alleine zum Spital fahren» als auch komplexere Aufgaben wie «ich weiss, welche Einschränkungen ich beachten muss, auch bei der Ernährung und jeglichen anderen Aktivitäten». An der pädiatrischen Nephrologie in Zürich beginnt man bereits im Alter von 7 Jahren mit einem altersgerechten Compliance-Programm. Die Vorbereitung auf die Transition beginnt für Jugendliche ab 14 Jahren, die ab diesem Alter ohne Eltern in die Ambulanz kommen. Ab 16 Jahre werden die Jugendlichen mit «Sie» angesprochenen und im Alter von 18 bis 20 Jahren findet der Transfer zum Erwachsenenarzt (Nephrologie am USZ) statt. Hierfür wird bereits ein Jahr zuvor ein detaillierter Terminplan festgelegt. Der Tag des Übergangs ist jedes Mal ein «Event», an dem alle Beteiligten teilnehmen – nicht zuletzt auch die behandelnden Ärzte, um sich über den Patienten auszutauschen.
Zum Programm gehören sowohl individuelle Beratung und Betreuung zu allen Aspekten des Lebens mit einer Spenderniere als auch altersgemässe Hilfsmittel, wie zum Beispiel eine Alarm-Armbanduhr, die an die pünktliche Einnahme der Medikamente erinnert, beziehungsweise die entsprechende SmartphoneApp «MyKidney». Die Hilfsmittel sind mitunter einfach, aber man muss erst einmal darauf kommen. So möchten Jugendlichen eine möglichst dezente Verpackung ihrer Medikamente, um unter Gleichaltrigen nicht aufzufallen. Die Lösung: Grether-PastillenSchachteln in Gold (morgens) und Silber (abends). Falls gewisse Anzeichen für eine nachlassende Compliance sprechen, wird die Betreuung mit wöchentlichen Terminen intensiviert. Eine wichtige Rolle im Zürcher Transitionsprogramm spielt eine Pflegefachfrau, die sich um die Termine – und deren Einhaltung! – intensiv kümmert. Des Weiteren gibt es Workshops für Patienten, Eltern und Lehrer. Man geht auch in die Schulklassen der betroffenen Kinder, um über die Konsequenzen einer Nierentransplantation aufzuklären, und einmal im Jahr gibt es ein Ferienlager.
Lohnt sich der Aufwand?
In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden die Resulate von insgesamt 59 in Zürich nierentransplantierten Kindern und Jugendlichen <18 Jahre evaluiert (3): 33 Patienten mit dem Programm wurden mit 26 Patienten von früher verglichen. Das Follow-up betrug mindestens 3 Jahre. Obgleich die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind, da es sich um eine historische Kontrollgruppe handelt, sieht es doch nach einem Vorteil für die jungen Patienten im Programm aus: In der Kontrollgruppe gab es 9 Fälle (35%) von Abstossungsreaktionen, im Programm hingegen nur 3 (9%).
Renate Bonifer
Quelle: Hauptvortrag SGP von Guido F. Laube: «Transition – Probleme und Strategien», anlässlich der gemeinsamen Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaften für Pädiatrie (SGP) sowie Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie (SSSSC), 11. und 12. Juni 2015 in Interlaken.
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Weniger Abstossung: Der hohe Aufwand scheint sich zu lohnen.
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SCHWERPUNKT
Literatur: 1. Dobbels F et al.: Adherence to the immunosuppressive regimen in pediatric kidney transplant recipients: a systematic review. Pediatr Transplant 2010; 14 (5): 603–613. 2. Watson AR et al.: Transition from pediatric to adult renal services: a consensus statement by the International Society of Nephrology (ISN) and the International Pediatric Nephrology Association (IPNA). Pediatr Nephrol 2011; 26 (10): 1753–1757. 3. Weitz M et al.: Standardized multilevel transition program: Does it affect renal transplant outcome? Pediatr Transplant, online August 11, 2015.
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