Transkript
SCHWERPUNKT
OSAS – eine systemische Entzündung?
Obstruktives Schlafapnoesyndrom – einmal anders betrachtet
Häufigste Ursache des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) ist eine adenotonsilläre Hypertrophie. Die Tonsillengrösse korreliert jedoch nicht mit dem OSAS-Risiko und die Ausprägung des OSAS im Kindesalter ist variabel. Für Prof. David Gozal ist eine systemische Inflammation auf niedrigem Niveau der gemeinsame Nenner verschiedener OSAS-Phänotypen.
Prof. David Gozal, University of Chicago
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Über das Schnarchen im Kindesalter ist schon viel geschrieben worden und die meisten Kinderärzte dürften mit der Materie bestens vertraut sein. Eine ungewöhnliche Sicht auf das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS) präsentierte Prof. David Gozal, Universtity of Chicago, als Gast an der SGP-Jahrestagung in Interlaken: «OSAS ist eine systemische, auf niedrigem Niveau inflammatorische Erkrankung.»
OSAS – die Fakten
OSAS wird bei Kindern hauptsächlich durch eine Vergrösserung von Adenoid und Tonsillen bewirkt, auch genetische und neuromuskuläre Faktoren spielen eine Rolle. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen zudem Luftverschmutzung, Passivrauchen, Adipositas, Asthma und allergische Rhinitis. OSAS manifestiert sich als Schnarchen, wobei längst nicht alle schnarchenden Kinder (7–13%) tatsächlich OSAS haben (2–3% der 2- bis 8-Jährigen); die Inzidenz des OSAS ist im Alter von 2 bis 8 Jahren am höchsten. Das intermittierende Kollabieren der oberen Atemwege führt zu einem wiederholten Sauerstoffmangel, einem erhöhten CO2-Gehalt des Blutes und wiederholten Aufwachreaktionen. Dieses wiederholte, nicht notwendigerweise bewusste Aufwachen fragmentiert den Schlaf, der somit weniger erholsam ist. Übermässige Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwäche und schlechte Schulleistungen sind die Folge. Die Diagnose ADHS sei darum bei OSAS-Kindern nicht selten, erläuterte Gozal. Bereits 1996 konnte er in einer Studie mit Schulkindern zeigen, dass unter den besonders schlechten Schülern überdurchschnittlich viele Kinder mit OSAS waren. Wurden diese operiert (Tonsillektomie), verbesserte sich auch die schulische Leistung, weil der nun ungestörte Schlaf die Verarbeitung des Gelernten ins Langzeitgedächtnis ermöglichte. Es sind jedoch nicht nur diese auf den ersten Blick plausiblen Konsequenzen eines OSAS bekannt. Zu weiteren bekannten Komplikationen des OSAS gehören Enuresis, Wachstumsstörungen, kardiovaskuläre
Konsequenzen, metabolische Veränderungen und eine verminderte Lebensqualität.
OSAS als inflammatorische Erkrankung
Es gebe auf jedem OSAS-Niveau Kinder, denen das offenbar gar nichts ausmache, sowie «so viele OSASPhänotypen wie Patienten», sagte Gozal. Insofern stelle sich neben der Frage, welches Kind tatsächlich operiert werden sollte und welches nicht, auch die Frage nach dem gemeinsamen Nenner dieser OSASPhänotypen. Für Gozal ist die Sache klar: «Entzündungsreaktionen sind die zentrale biologische Schaltstelle.» Der klassische Entzündungsmarker CRP sei bei OSAS zwar nur manchmal erhöht, aber es gebe genetische Assoziationen mit bestimmten OSAS-Phänotypen. So zeichne sich OSAS mit einem inflammatorischen Phänotyp durch eine erhöhte Methylierung des FOXP3Gens aus, einem Gen, dessen Aktivität für regulatorische T-Lymphozyten eine grosse Rolle spielt. OSAS mit einem vaskulären Phänotyp gehe hingegen mit einer erhöhten Methylierung der endothelialen Stickstoffmonoxidsynthetase (eNOS) einher. Letztlich führe OSAS bei Kindern zu einem «inflammatorischen, sehr variablen Phänomenen, die zum Teil durch genetische Variationen und möglicherweise epigenetische Modifikationen erklärbar sind», erläuterte der Referent seine Hypothese. Es scheint, als ob die Hypothese des OSAS als inflammatorischer Erkrankung bis auf Weiteres noch kein praxisrelevantes Stadium erreichen dürfte. Das bestätigte auch der Referent: In der Tat gebe es hierzu noch «viele Fragen und sehr wenige Antworten.
Renate Bonifer
Quelle: Hauptvortrag SGP/SSSSC von David Gozal, University of Chicago: «Sleep apnea in children»; anlässlich der gemeinsamen Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaften für Pädiatrie (SGP) sowie Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie (SSSSC), 11. und 12. Juni 2015 in Interlaken.
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