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Topisches Pimecrolimus erhöht Krebsrisiko wahrscheinlich nicht
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KURZ & BÜNDIG

Topisches Pimecrolimus erhöht Krebsrisiko wahrscheinlich nicht

Die Zehnjahresergebnisse einer amerikanischen Kohortenstudie zur Anwendung des topischen Calcineurinhemmers Pimecrolimus (1-prozentige Creme, Elidel®) bei Kindern mit atopischer Dermatitis dokumentieren, dass diese Behandlung wahrscheinlich nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden ist. Für Patienten unter oralen systemischen Calcineurinhemmern, die als Immunsuppressiva zur Hemmung der Abstossungsreaktion nach Organtransplantationen verwendet werden, besteht ein erhöhtes Krebsrisiko, vor allem für Hautkrebs und Lymphome. Darum verlangte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA vom Hersteller der Pimecrolimuscreme die Einrichtung eines Patientenregisters. Seit 2004 werden im Pediatric Eczema Elective Registry (PEER) die Daten von Kindern mit atopischer Dermatitis erfasst, sofern sie im halben Jahr vor der Aufnahme in PEER mindestens sechs Wochen lang mit 1-prozentiger Pimecrolimuscreme behandelt wurden. Kinder, die bereits eine lymphoproliferative Erkrankung, eine sys-temische Krebserkrankung oder Hautkrebs haben oder orale Immunsuppressiva eingenommen haben, wer-

den nicht in PEER aufgenommen. Die Behandlung mit Pimecrolimus muss innerhalb der PEER-Kohorte nicht weitergeführt werden, sondern sie erfolgt nach Massgabe der Betroffenen und der behandelnden Ärzte. Die PEER-Kohorte spiegelt insofern den Alltagsgebrauch der Pimecrolimuscreme bei Kindern mit milder bis mittelschwerer atopischer Dermatitis wider. Die Kinder der PEER-Kohorte beziehungsweise deren Eltern erhalten alle sechs Monate einen Fragebogen zum Ausfüllen. Für die Zehnjahresauswertung berücksichtigen die Autoren die mittels der Fragebögen erfassten Daten von 7457 Kindern. Die Behandlung mit Pimecrolimuscreme wurde in einem durchschnittlichen Alter von 2,3 ± 3 Jahren begonnen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in die PEERKohorte lag das durchschnittliche Alter bei 7,2 ± 4 Jahren; die Kinder hatten bis dahin durchschnittlich 793 ± 1356 g Pimecrolimus erhalten. Im Laufe des Beobachtungszeitraums wurde die Pimecrolimuscreme seltener angewendet. Von 2004 bis Mai 2014 traten in der Studienpopulation 5 Krebsfälle auf (2 Leukämien, 1 Osteosarkom, 2 Lymphome); Hautkrebs wurde nicht beobachtet. Die Autoren errechneten

anhand einer Kontrollkohorte, mit wie vielen

Fällen in der altersgleichen Gesamtbevölkerung

zu rechnen wäre, und verglichen dies mit dem

PEER-Kollektiv als standardisiertes Inzidenzver-

hältnis (SIR: standard incidence ratio). Ein SIR

von 1,0 bedeutet, dass genauso viele Fälle in

der Gesamtbevölkerung wie in dem zu untersu-

chenden Kollektiv auftreten, ein SIR von 2,0 be-

deutet, dass es doppelt so viele Fälle sind, ein

SIR von 0,5, dass es nur halb so viele sind.

Die SIR für alle Krebserkrankungen betrug 1,2

(95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,5–2,8). Sind es

also vielleicht doch mehr Krebserkrankungen

mit Pimecrolimus? Nein, höchstwahrscheinlich

nicht, denn das Konfidenzintervall von 0,5 bis

2,8 zeigt, dass keine statistische Signifikanz be-

steht (bei statistischer Signifikanz wäre der hö-

here Wert kleiner als 1,0). Betrachtet man Lym-

phome (SIR: 2,9 [95%-KI: 0,7–11,7]) oder

Leukämie (SIR: 2,0 [95%-KI: 0,5–8,2]) separat,

zeigen sich ebenfalls extrem breite Konfidenz-

intervalle, sodass auch hier keine statistische

Signifikanz besteht.

red

Margolis DJ et al.: Association between malignancy and topical use of pimecrolimus. JAMA Dermatol 2015, doi:10.1001/jamadermatol.2014.4305

Kurzsichtig durch zu wenig Licht

Die Myopie habe epidemische Ausmasse angenommen, vor allem in Südostasien, aber auch in den USA und in Europa, so war es kürzlich in der Zeitschrift «Nature» zu lesen (1). Während vor etwa einem halben Jahrhundert nur 10 bis 20 Prozent der Chinesen kurzsichtig waren, sind es jetzt bis zu 90 Prozent der Adoleszenten und jungen Erwachsenen. In Deutschland liegt die Prävalenz heute bei etwa einem Viertel der Bevölkerung, für Hochschulabsolventen finden sich Zahlen über 50 Prozent. Neben Erbfaktoren wurde zu viel und zu langes Lesen und zu nahes Betrachten als (Mit-)Ursache vermutet. So wiesen in Israel Schüler der Thoraschulen, welche während des ganzen Tages den Talmud studieren, viel höhere Mypopieraten auf als andere Schüler. Auch das Betrachten des Computerbildschirms mit stundenlangem Surfen oder das Smartphone wurden angeschuldigt, scheinen aber nur einen geringen Einfluss auf die Myopieentstehung und -progression zu haben (2). Auch zu wenig Licht beim Lesen wurde kausal angeschuldigt. So vermutete ein hochgradig kurzsichtiger Biologe, dass sein Augenleiden bis zu den gefürchteten Komplikationen wie

Netzhautablösungen, Netzhauteinrissen und Glaukom möglicherweise davon gekommen sei, dass er als Kind und Heranwachsender bis weit über Mitternacht oft beim schwachen Licht einer Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen habe, um seinen im gleichen Zimmer schlafenden älteren Bruder nicht zu stören. (Haupt-)Ursache der Entstehung und Progression der Myopie ist aber wohl nicht das Leseverhalten bei schlechten Lichtverhältnissen, sondern die ungenügende Exposition gegenüber dem Licht im Freien. In Innenräumen werden maximal 500 Lux erreicht, im Freien hingegen etwa 10 000 bis 100 000 Lux. Möglicherweise kommt im Freien noch ein weiterer Faktor dazu: Das Auge blickt über weitere Distanzen als in Innenräumen (1). Studienbelege für eine wichtige Rolle des Lichtes ergaben die 2007 veröffentlichten Daten amerikanischer Ophthalmologen, die über 500 Schüler ohne Sehstörung ab einem Alter von 8 bis 9 Jahren beobachtet hatten. Jedes fünfte Kind war kurzsichtig geworden, und als einziger Umweltfaktor dafür wurde das Ausmass der Zeit gefunden, welche das Kind im Freien verbracht hatte (3). Ähnliche Resultate wurden an über 4000 Schülern in Australien erhoben (4).

Eine etwa im Freien verstärkte körperliche Aktivität wurde als (Mit-)Ursache durch sorgfältige Analysen ausgeschlossen. In Guangzhou lief seit 2009 ein Versuch mit über 900 Schülern im Alter von 6 bis 7 Jahren, um festzustellen, ob bei 40 Minuten zusätzlichem Unterricht im Freien während 3 Jahren weniger Myopien auftreten: In der Tat fand man im Alter von 9 bis 10 Jahren in dieser Gruppe nur 30 Prozent, in den Kontrollschulen aber 40 Prozent kurzsichtige Kinder (1). Diese Befunde unterstützen die Forderung nach mehr Freizeitaktivität von Kindern und Jugendlichen in möglichst hellem Licht, also in der Phase, in welcher die Myopie entsteht und fortschreitet.
Helmut Schatz, http://blog.endokrinologie.net
1. Dolgin E: The myopia boom. Nature 2015; 519: 276–278. 2. Saw SM et al., Ophthalmology 2002; 109: 2065–2071. 3. Jones LA et al., Invest Ophthalmol Vis Sci 2007; 48: 3524–3532. 4. Rose KA et al., Ophthalmology 2008; 115: 1279–1285.

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KURZ & BÜNDIG
Typ-1-Diabetes und serologische Zöliakiemarker

Unter Typ-1-Diabetikern findet sich ein höherer Anteil an Zöliakiepatienten als im Bevölkerungsdurchschnitt. Etwa 6 bis 10 Prozent der Typ-1-Diabetiker haben auch Zöliakie (1), während in der Gesamtbevölkerung nur rund 1 Prozent davon betroffen sind (2). Darum wird ein routinemässiges Screening auf Zöliakie-spezifische Antikörper bei Typ1-Diabetikern empfohlen (1). In einer kürzlich publizierten italienischen Studie zeigte sich nun, dass der Nachweis Zöliakiespezifischer Antikörper bei Kindern mit Typ-1Diabetes nicht zwingend auch eine glutenfreie Ernährung bedeuten muss. Am San Paolo Hospital in Bari wurden von 2002 bis 2012 alle mit Typ-1-Diabetes diagnostizierten Kinder serologisch gescreent, und zwar zu Beginn der Krankheit und in regelmässigen Intervallen. Bei positivem Antikörperbefund (tTG-IgA) oder klinischen

Zöliakiesymptomen wurde eine endoskopische Biopsie empfohlen. Asymptomatische Patienten mit niedrigem Antikörpertiter wurden nach einem halben Jahr erneut zu einem serologischen Test eingeladen. Die Studie umfasste 446 Kinder. 65 Kinder (14,5%) hatten oder entwickelten im Lauf der Zeit einen positiven serologischen Befund, wobei 38 von ihnen persistierende erhöhte AntitTG-Titer aufwiesen und 27 Kinder fluktuierende Anti-tTG-Titer ohne Zöliakiesymptome, Letztere ernährten sich in der Folge auch nicht glutenfrei. 7 dieser 27 Kinder mit fluktuierendem Antikörpertiter wurden wegen hoher Titer später doch biopsiert, wobei 5 von ihnen tatsächlich eine Zöliakie aufwiesen. Bei insgesamt 18 Kinder wurde der serologische Zöliakiebefund mit der Zeit negativ, und serologisch positive, aber asymptomatische

Kinder, die bei Beginn des Typ-1-Diabetes älter

als 9 Jahre waren, trugen das geringste Risiko,

tatsächlich eine Zöliakie zu entwickeln.

Ohne klinische Zöliakiesymptome sollte mit

Biopsie und glutenfreier Ernährung auch bei ei-

nem serologisch positiven Befund zunächst der

weitere Verlauf abgewartet werden, so das Fazit

der Studienautoren.

RBO

1. Zöliakie und Diabetes kommen nicht selten gemeinsam vor. SZE 2011; 2: 47. 2. Allergiezentrum Schweiz; www.aha.ch 3. Castellaneta S et al.: High rate of spontaneous normalization of celiac serology in a cohort of 446 children with type 1 diabetes: a prospective study. Diabetes Care 2015; 38: 760–766.

Zöliakie bei Typ-1-Diabetes schädigt Blutgefässe schneller

T yp-1-Diabetiker mit Zöliakie haben ein höheres Risiko für Retinopathien und Nephropathie. Dies ergab die Auswertung der Daten von 56 514 Patienten aus 392 Diabeteszentren in Deutschland und Österreich. Die Patienten waren bei der letzten Nachuntersuchung älter als 10 Jahre und bei Diagnose des Typ-1-Diabetes jünger als 20 Jahre. Typ-1-Diabetes und Zöliakie treten häufig gemeinsam auf, da sie auf die gleichen Genvarianten zurückzuführen sind. Zöliakie ist darüber hinaus ein unabhängiger Risikofaktor für mikrovaskuläre Komplikationen wie Retinopathien oder Nephropathie. Bei einem Viertel der erfass-

ten Diabetespatienten mit Zöliakie konnte mit 26 Jahren, und damit 7 Jahre früher als bei Diabetikern ohne Zöliakie, eine Retinopathie nachgewiesen werden. Im Mikroalbumintest kündigte sich bei einem Viertel der Patienten mit beiden Krankheitsbildern bereits mit 32 Jahren eine beginnende Nierenerkrankung an, das heisst 10 Jahre früher als bei Patienten, die nur Typ-1-Diabetes hatten. Frühere Studien aus Grossbritannien und Schweden hatten einen Zusammenhang von Zöliakie und gehäuft auftretenden Nephropathien beziehungsweise Retinopathien ebenso wie makrovaskuläre Beeinträchtigungen in anderen Patientenkohorten aufgezeigt.

Die Ergebnisse der Studie bestätigten die aktu-

elle Empfehlung, dass Typ-1-Diabetiker bei Dia-

gnosestellung und in regelmässigen Intervallen

auf Zöliakie untersucht werden sollten, so Stu-

dienleiter Reinhard W. Holl. Ob eine glutenfreie

Ernährung, wie sie bei Zöliakie empfohlen wird,

auch das Risiko für die beschriebenen Kompli-

kationen bei Typ-1-Diabetes minimieren kann,

ist nicht bekannt und sollte in weiteren Studien

untersucht werden.

RBO/TU Ulm

Rohrer TR et al., DPV initiative and the German BMBF competence network diabetes mellitus: 2015. Microvascular complications in childhood-onset Type-1-Diabetes and celiac disease: a multicenter longitudinal analysis of 56 514 patients from the German-Austrian DPV database. Diabetes Care 2015; 38 (5): 801–807.

Kein erhöhtes ADHS-Risiko durch wehenförderndes Oxytocin

I n zwei kleineren Studien fanden sich widersprüchliche Resultate bezüglich einer Assoziation zwischen ADHS und pränataler Oxytocinexposition beim Einsatz der Substanz als wehenförderndes Mittel bei der Geburt. Eine grosse Kohortenstudie aus Dänemark gibt vorerst Entwarnung. Die Studie umfasste alle Kinder, die in einer spontanen Geburt zwischen 2000 und 2008 in Dänemark auf die Welt kamen und im däni-

schen medizinischen Geburtenregister erfasst wurden (Kinder aus Mehrlingsgeburten wurden nicht in die Kohorte eingeschlossen). Es handelte sich um insgesamt 546 146 Kinder. Bei 26 Prozent dieser Geburten erfolgte eine medikamentöse Wehenförderung, wobei in Dänemark praktisch ausschliesslich Oxytocin verwendet wird. Bei 0,9 Prozent aller Kinder wurde im Lauf der Zeit ADHS diagnostiziert (n = 4617). Es fand sich keine statistisch signifikante Asso-

ziation zwischen der medikamentösen Wehenförderung während der Geburt und dem Auftreten von ADHS bei den Kindern (Hazard ratio: 1,05 [95%-Konfidenzintervall: 0,98–1,13]).
RBO
Henriksen L et al.: Medical augmentation of labor and the risk of ADHD in offspring: a population-based study. Pediatrics 2015; 135(3): e672–677.

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