Transkript
NEUROPÄDIATRIE
Neues aus der Neuropädiatrie
Ein Bericht von der Neuropädiatrietagung in Basel
Ende April 2015 fand in Basel die 41. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie statt. Der Schwerpunkt der Jahrestagung lag dieses Jahr auf dem Gebiet der Neurorehabilitation. Durch die gute Organisation der Kollegen der Neuropädiatrie des Universitätskinderspitals beider Basel und den interkollegialen Austausch konnten aktuelle Forschungsergebnisse in den klinischen Alltag übertragen werden. Drei Themen aus dem vielfältigen Programm werden im Folgenden vorgestellt.
Von Oswald Hasselmann
Die diesjährige Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie bot ein vielfältiges, interessantes Programm. Informiert wurde unter anderem über die medikamentöse Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit Riesenzellastrozytom bei einer tuberösen Hirnsklerose, über rehabilitative Ansätze bei Rückenmarksverletzungen, über die neuroanatomische Grundlage der Sprachentwicklung, über den Einsatz oraler Medikamente in der MS-Behandlung sowie über therapeutische Ansätze bei dissoziativen Störungen. Ein umfangreiches Fortbildungsprogramm schloss den Kongress ab. Aus den vielfältigen Vorträgen und freien Mitteilungen soll von den folgenden gesondert berichtet werden.
BNS-Epilepsie
Bei der Studie ICIIS (The International Collaborative Infantile Spasms Study) handelt es sich um eine internationale randomisierte Studie zur Therapie bei BNSEpilepsie (West-Syndrom unter Ausschluss einer tuberösen Hirnsklerose), die in Grossbritannien, Australien, Neuseeland, Deutschland und der Schweiz mit 377 Patienten als eine nicht von der Industrie gesponserte Studie durchgeführt wurde. Die Fragestellung war, ob Kinder bezüglich ihrer Epilepsie, ihrer kognitiven Entwicklung und ihres EEG eher von einer kombinierten Therapie (ACTH/Prednisolon) plus Vigabatrin verglichen mit einer Monotherapie (nur mit Hormonen) profitieren würden. Dieser Studie war bereits eine Vorstudie vorausgegangen (UKISS), welche eine Hormontherapie mit einer Vigabatrintherapie verglich. Die vorläufigen, bislang noch nicht publizierten Ergebnisse der ICIIS-Studie deuten darauf hin, dass eine Kombinationstherapie effektiver ist als eine Monotherapie mit Vigabatrin. Weiterhin scheint ACTH einen nachhaltig positiveren Effekt als Prednisolon als Teil der Hormontherapie zu haben. Diese Ergebnisse gilt es mit den erst 2014 aktualisierten AWMF-Leitlinien zu vergleichen, in denen weder eine Präferenz für ACTH/Glukokortikoide oder Vigabatrin gegeben wird, noch eine Empfehlung bezüglich einer Mono- oder einer Kombinationstherapie formuliert ist.
Muskeldystrophie Duchenne
Es gibt Hoffnung auf eine kausal ansetzende Medikation für die Muskeldystrophie Duchenne (DMD). Das Medikament Ataluren (Translarna™) kann in Deutschland für Kinder ab 5 Jahren mit einer DMD verordnet werden. Es handelt sich um ein Medikament, das eine Nonsense-Mutation mit folgendem Stopcodon (bei ca. 13% der Duchenne-Patienten vorliegend) «überlesen» und somit eine pathologische Verkürzung des Dystrophineiweiss korrigieren kann. In einer doppelblind-plazebokontrollierten Studie zeigte sich, dass betroffene Patienten mit einer Dosierung von 40 mg/kg Körpergewicht pro Tag im 6-Minuten-Gehtest im Vergleich mit Plazebo oder einer höheren Dosierung einen weniger steilen Abfall ihrer Gehleistung aufwiesen. Zurzeit werden in einer Phase-3-Studie die vorläufigen Untersuchungsresultate multizentrisch überprüft. Aufgrund der hohen Kosten dieser Orphan-drug-Therapie wird über die Zulassung und Kostenerstattung in der Schweiz voraussichtlich erst nach Abschluss der Phase-3-Studie entschieden.
Kleinhirn als Schaltstelle
Die Funktion des Kleinhirns als Schaltstelle für motorische und kognitive Leistungen demonstrierte Frau Dr. med. Franziska Hoche, Preisträgerin des DesitinJungforscherpreises an der Jahrestagung, anhand des Krankheitsbilds der Ataxia telangiectasia. Sie erläuterte, welche Rolle das Kleinhirn über verbindende Neuronenkreisläufe zum Kortex in der Koordination kognitiver, emotionaler und motorischer Abläufe hat. Ein als «cerebellar cognitive affective syndrome» bekanntes emotionales Störungsbild kann beobachtet werden, wenn die Entwicklung des Zerebellums wie bei dieser genetisch bedingten Erkrankung früh und nachhaltig gestört ist.
Dr. med. Oswald Hasselmann, FMH ist Leitender Arzt an der Abteilung für Neuropädiatrie am Ostschweizer Kinderspital St. Gallen und wissenschaftlicher Beirat der PÄDIATRIE.
Dr. med. Oswald Hasselmann oswald.hasselmann@kispisg.ch
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