Transkript
A ls ich in der U-Bahnstation am Kolosseum in Rom durch die Gänge in Richtung Ausgang ging, hatte ich gleichzeitig ein vertrautes und ein unbestimmtes Gefühl, dass irgendetwas nicht stimme. Erst ein paar Tage später kam mir in den Sinn, was mich dort irritiert hatte: Die Marmorwände waren schmutzig gelb. Gute 50 Jahre früher war ich mit meinen Eltern durch die gleichen Gänge gegangen, fasziniert natürlich von der U-Bahn und vom weissen Marmor! Soll man mit Kindern reisen oder bedeutet dies für sie lediglich Stress? Während man Letzteres für Kleinkinder in vielen Fällen positiv beantworten dürfte, ist eine Fernreise für grössere Kinder zweifellos eine Bereicherung, die sich tief ins Gedächtnis einprägt. Ich jedenfalls bin meinen Eltern dankbar, dass sie mir früh den Horizont erweiterten und mich «fremden» Einflüssen aussetzten, die mein Interesse und meine Neugier an Neuem und Unbekanntem geweckt und bis
tung für sich und die Kinder auf das, was sie erwartet, und ein vernünftiges Mass an Vorbeugung und Meidung von Gefahren auf der Reise. Wenn es den Eltern gut tut, diese spezielle Reise zu unternehmen, wird sich dies auch auf die Kinder auswirken und zu einem tollen gemeinsamen Erlebnis führen. Und zuletzt noch dies: Vor mir sass eine vierköpfige Familie in der reisemedizinischen Beratung. Mehr oder weniger interessiert hörten der 4-jährige Sohn und die 11-jährige Tochter meinen Ausführungen zum Tollwutrisiko in Südostasien zu. Während die Eltern überlegten, ob sie ihren Kindern nun die dreifache Tollwutimpfung für die sechswöchige Reise zumuten wollten, erklärte die Tochter be-
Mit Kindern auf Reisen
heute erhalten haben. Entscheidend sind eine gute Vorbereitung, ein Dialog zum Erlebten und ein gesundes Mass an realistischer Einschätzung möglicher Probleme und Risiken. Dieses Heft bietet Ihnen einen Strauss von Informationen und Anregungen zum Thema «Reisen mit Kindern» aus gesundheitlicher Sicht, der für Ihre Beratung von Eltern und Kindern hilfreich sein möge. Ihnen wird bewusst, dass ein guter Sonnenschutz in den Tropen mindestens so wichtig ist wie Impfungen gegen exotische Krankheiten. Sie erfahren wichtige Details zum Thema Auto- und Flugreisen, Kinetosen und was in eine Reiseapotheke gehört. Sie werden in der Lage sein, Eltern fachgerecht zu beraten, die mit ihren Kindern ins Hochgebirge reisen möchten, aber nicht sicher sind, ob sie dies machen können. Und Sie werden den Eltern vermitteln können, dass eine erlebnisreiche Reise mit Kindern zu einem grossen Teil von der Familie selbst abhängt: die positive Einstellung, die gute Vorberei-
stimmt, dass ihr kleiner Bruder diese Impfung haben müsse, sie aber nicht. Weil ihr Bruder einen solchen Zwischenfall vermutlich nicht erwähnen würde, aus Angst, für etwas Dummes gerügt zu werden. Sie hingegen würde sich aber im Falle eines ungewöhnlichen Kontakts mit einem Tier sofort in ärztliche Betreuung begeben. Abgesehen vom Einwand, dass in einem solchen Fall das Problem des nicht vorhandenen Impfstoffes im Reiseland zu beachten wäre, hatte ich eigentlich nichts beizufügen, aber ich hatte etwas Grossartiges gelernt: So geht reisemedizinische Beratung mit Kindern! Ich wünsche Ihnen viel Spass.
Prof. Dr. med. Christoph Hatz Zentrum für Reisemedizin der Universität Zürich
Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut, Basel
Das Foto zeigt den Autor des Editorials mit seinem Bruder in Kindertagen auf Reisen in Italien.
2/15
EDITORIAL 1