Transkript
SCHWERPUNKT
Interventionen in der Tagesklinik
Voraussetzungen, Indikationen, Ablauf und postoperative Betreuung
Ambulant durchgeführte pädiatrische operative und diagnostische Interventionen haben auch bei Kindern in Zahl und Umfang in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Dazu beigetragen haben auch Entwicklungen vonseiten der Anästhesiologie. Damit sind die Aufgaben der niedergelassenen Pädiater bei den Vorbereitungen und Nachkontrollen dieser Patienten stark gewachsen. Der vorliegende Beitrag skizziert Ablauf, Grenzen und postinterventionelle Besonderheiten ambulanter Eingriffe bei Kindern aus perioperativer Sicht.
Von Helena Simitzes und Thomas Erb
Die Forderung, dass Kinder nur dann stationär in ein Krankenhaus aufgenommen werden sollen, wenn die benötigte medizinische Behandlung nicht ebenso gut zu Hause oder in einer Tagesklinik erfolgen kann (EACH Charta, Absatz 1) (1), hat zweifelsohne mit dazu beigetragen, dass zahlreiche Eingriffe nun meist unter ambulanten Bedingungen durchgeführt werden. Gleichzeitig hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass aus Patientensicht dem Verlauf während der gesamten perioperativen Phase die entscheidende Bedeutung zukommt. Somit sind beispielsweise die effiziente Prävention und Therapie von postoperativem Erbrechen sowie eine suffiziente Analgesie weit über den Zeitpunkt der Intervention hinaus von grosser Bedeutung. Verschiedene Kriterien wie allgemeiner Gesundheitszustand, Alter und spezifische Konstellationen sind entscheidend.
Allgemeinzustand
Bereits 1941 wurde von der American Society of Anesthesiologists (ASA) eine Klassifikation geschaffen (Tabelle 1). Diese ursprünglich zur Datenerhebung in der Anästhesie entwickelte Einteilung hat sich als einfache, aber bezüglich Prognose und Komplikationshäufigkeit trotzdem diskriminierende Klassifikation erwiesen (2). Nach wie vor wird sie zur Einschätzung des aktuellen Gesundheitsstatus eines Patienten genützt und auch in der Kinderanästhesie routinemässig angewendet. Kinder der ASA-Klassen I oder II können im Allgemeinen aus anästhesiologischer Sicht ambulant operiert werden. Bei Patienten der ASA-Klasse III wird im Einzelfall (auch unter Einbezug der Eltern) detailliert abgewogen, ob der Intervention im ambulanten oder im stationären Setting der Vorzug gegeben werden soll.
Frühgeborene und Neugeborene
Gesunde Säuglinge können bei komplikationslos verlaufener Anästhesie im Allgemeinen ambulant versorgt werden, falls sie termingeboren sind, die Adaptation normal verlaufen ist und das postnatale Alter mindestens 28 Tage beträgt. Frühgeborene Kinder haben ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung von postanästhesiologischen Apnoen (3). Hier erfolgt die postoperative Überwachung während der ersten Nacht im Allgemeinen unter stationären Bedingungen; in der Regel bis zu einem postkonzeptionellen Alter von mehr als 50 bis 56 Wochen.
Chronisch kranke Kinder
Kinder mit chronischen Erkrankungen wie beispielsweise Asthma bronchiale, Krampfleiden oder unkomplizierten hämodynamisch nicht relevanten kardialen Vitien (z.B. kleiner VSD) können ambulant operiert werden, falls sie unter einer medikamentösen Therapie klinisch stabil sind und durch ihre gut instruierten Eltern voraussichtlich zu Hause betreut werden können (4).
Kinder mit Myopathien
Kinder mit Myopathien weisen spezifische anästhesiologische Risiken auf, die eine entsprechend angepasste Anästhesieführung bedingen. Werden diese Gegebenheiten berücksichtigt, können Eingriffe trotzdem ambulant durchgeführt werden. Dies gilt auch für auf maligne Hyperthermie positiv getestete Kinder oder solche mit einer entsprechend positiven Familienanamnese. In diesen Fällen wird eine triggerfreie Anästhesie durchgeführt (kein Succinylcholin und keine Inhalationsanästhetika).
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Interkurrent aufgetretene Infekte sind der Hauptgrund, weshalb Interventionen kurzfristig abgesagt werden müssen.
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SCHWERPUNKT
Eines der häufigsten postoperativen Probleme ist Nausea und Erbrechen.
Soziale Kontraindikationen
Die Therapie ist nach einer ambulant durchgeführten Intervention bei Entlassung aus der Tagesklinik in der Regel noch nicht beendet. In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass die Schmerztherapie der Kinder zu Hause oft unzureichend ist (5). Eine sehr gute Aufklärung der Eltern sowie detaillierte und trotzdem verständliche postoperative Verordnungen sind essenziell. Schwere Sprach- oder Verständigungsprobleme zwischen Kind, Eltern und versorgendem Team können in seltenen Fällen gegen eine ambulante Behandlung sprechen.
Kombinationseingriffe
Von Eltern, Chirurgen oder anderen betreuenden ärztlichen Kollegen wird nicht selten der Wunsch (gelegentlich die Forderung) geäussert, mehrere operative und/oder diagnostische Eingriffe im Rahmen einer einzigen Anästhesie durchzuführen. Für ein solches Vorgehen sprechen ein potenzieller psychologischer Vorteil für das Kind und vor allem ein organisatorischer Nutzen für die Eltern. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es wissenschaftlich unklar ist, ob eine einzige lang dauernde oder mehrere, dafür aber entsprechend kürzere Anästhesien eine grössere Belastung darstellen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Einfügen von Patienten in unterschiedliche Operationsprogramme auch bei exakter Planung und guter Absprache trotz allem nicht lückenlos abzuwickeln ist. Mit den daraus resultierenden Wartezeiten verlängert sich die Anästhesiedauer gelegentlich auch überproportional! Transporte von anästhetisierten Patienten zwischen verschiedenen Lokalitäten sind mit zusätzlichen Risiken behaftet; neben Dislokationen (Venenzugänge, Katheter oder Tubus) sind Patienten während Transporten weniger eng überwacht, und allenfalls nötige Korrekturen der Anästhesieführung sind weniger gut möglich. Kombinationseingriffe verursachen meist einen grossen organisatorischen Aufwand (für Anästhesie und Interventionsteam), da zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen. Aus den aufgeführten Gründen sind Kombinationseingriffe lediglich in eingeschränkter Zahl und in bestimmten Konstellationen möglich. Priorität haben Interventionen bei Kindern mit komplexen Grunderkrankungen (benötigen oft eine Vielzahl von Interventionen und Abklärungen) und Kombinationen von fachlich zusammenhängenden Untersuchungen (z.B. HNO-Eingriff und Hörprüfung).
Tabelle 1: ASA-Klassifikation (American Society of Anesthesiologists)
ASA I ASA II ASA III ASA IV
ASA V ASA VI
ein gesunder Patient ein Patient mit einer leichten Allgemeinerkrankung ein Patient mit einer schweren Allgemeinerkrankung ein Patient mit einer schweren Allgemeinerkrankung, die eine kontinuierliche Lebensgefahr darstellt ein moribunder Patient, der ohne die Operation nicht überleben wird ein hirntoter Patient, der für eine Organspende vorgesehen ist
Impfungen
Anästhesie, Stress und Trauma haben alle einen immunmodulatorischen Effekt. Besonders die zellulär vermittelte Antwort kann vorübergehend beeinträchtigt sein. Bis jetzt gibt es aber keine Evidenz für ein erhöhtes anästhesiologisches Risiko für frisch geimpfte Kinder oder eine verminderte Wirkung auf die Immunisierung durch eine Anästhesie (6). Grundsätzlich wird aber empfohlen, eine Anästhesie erst 1 Woche nach einer Impfung mit einem Totimpfstoff und 2 Wochen nach einer Impfung mit einem Lebendimpfstoff durchzuführen, um eine Fehlinterpretation einer möglichen Impfreaktion zu vermeiden.
Die Voruntersuchung
Im Vorfeld einer Anästhesie erhalten alle Kinder einen Termin in unserer Anästhesiesprechstunde. Wir führen diese Untersuchungen zeitnah vor dem geplanten Eingriff durch (idealerweise am Tag vor der Operation). Damit kann auch der Einfluss von interkurrenten Erkrankungen aktuell beurteilt werden, was für die Erstellung eines zuverlässigen Operationsprogramms von Bedeutung ist, sind doch interkurrent aufgetretene Infekte der Hauptgrund, weshalb Interventionen kurzfristig abgesagt werden müssen. Der Anästhesist wird eine orientierende Anamnese des Kindes erheben. Spezielles Augenmerk wird auf Muskelerkrankungen, Gerinnungsanamnese, vorherige Anästhesieprobleme, Allergien und regelmässige Medikamenteneinnahme gelegt. In einer körperlichen Untersuchung wird neben der Beurteilung des Allgemeinzustands dem Atemweg und der Intubationsanatomie (Zahnstatus, Mundöffnung, HWS-Beweglichkeit) spezielle Beachtung geschenkt. Die Beurteilung des Venenstatus und die Auskultation von Herz und Lunge komplettieren die fokussierte Untersuchung des Patienten. Abhängig vom vorliegenden Befund und dem geplanten Eingriff wird ein Plan zur Anästhesieführung (Einleitungstechnik, Analgesietechnik, Regionalanästhesie) erstellt. Dazu und zu den resultierenden Anästhesierisiken werden die Eltern aufgeklärt. Altersadaptiert wird dem Kind der Ablauf des geplanten Anästhesieverfahrens geschildert. Jüngere Kinder werden oft spielerisch mit Utensilien der Anästhesie (z.B. Probe des Pulsoyxmeters und der Gesichtsmaske) vertraut gemacht. Luftwegsinfekte: Bei Kindern mit akuten Infekten der oberen Atemwege treten respiratorische Komplikationen wie Laryngospasmus, Bronchospasmus, Entsättigungen < 95% und Husten bis zu 2 Wochen perioperativ gehäuft auf (7). Beschränkt sich der Infekt auf die oberen Luftwege («clear runny nose» und sonst guter Allgemeinzustand), so sind diese Komplikationen von einem erfahrenen Team gut zu therapieren. Oft ist die Indikation für den geplanten Eingriff ein rezidivierender Infekt selbst, und eine Verschiebung der Operation wird wenig Nutzen bringen. Falls das Kind jedoch über 38,5 °C Fieber hat, eitriges Sekret absondert, der Husten produktiv ist und vor allem, falls der Allgemeinzustand von den Eltern als «reduziert» eingeschätzt wird, wird ein elektiver Eingriff in der Regel verschoben. Grundsätzlich gilt, je
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SCHWERPUNKT
jünger das Kind, desto eher wird die Entscheidung getroffen, die Intervention aufzuschieben.
Die Operation
Nüchternzeiten: Für ambulante wie für stationäre Patienten gelten Nüchternzeiten gleichermassen. Bis 2 Stunden vor Eintritt soll klare Flüssigkeit wie Wasser und Tee eingenommen werden. Säuglinge können Muttermilch oder einen halb verdünnten Schoppen mit Pulvermilch bis 4 Stunden vorher trinken. Für feste Nahrung einschliesslich für Milchen auf Kuhmilchbasis gilt eine Nüchternheit von 6 Stunden. Wegen des erhöhten Aspirationsrisikos muss der Eingriff verschoben werden, sollten die vorgegebenen Zeiten nicht eingehalten werden. Prämedikation und Anästhesieeinleitung: Am Tag der Intervention treten die Kinder in der Tagesklinik ein, wobei die Eintrittszeiten grundsätzlich so geplant werden, dass möglichst kurze Wartezeiten und Nüchternzeiten entstehen. Zur pharmakologischen Prämedikation erhalten die Kinder ab 6 Monaten meist Midazolam (0,3 mg/kg KG max. 10 mg). Die Kinder werden in der Regel von einem Elternteil zur Anästhesieeinleitung begleitet. Danach werden die Eltern am Universitätskinderspital Basel wiederum von Kolleginnen des BELOP-Teams (BELOP = Betreuung Eltern im OP) in Empfang genommen und während der gesamten perioperativen Phase begleitet. Insbesondere jüngere Kinder werden oft inhalativ mit Sevofluran eingeleitet. Dies erlaubt, den intravenösen Zugang erst nach dem Bewusstseinsverlust anzulegen. In vielen Fällen wird Sevofluran auch zum Unterhalt der Anästhesie verwendet. Alternativ wird Propofol als Hypnotikum verwendet, insbesondere bei Eingriffen im Bereiche der Luftwege und bei Sedationen. Kombinationsanästhesie: Wenn immer möglich wird die Allgemeinanästhesie zur Analgesie mit einer Regionalanästhesie kombiniert. Dafür sind eine Reihe von neuraxialen (epidurale Techniken z.B. Caudalblock) und peripheren Nervenblockadentechniken verfügbar. Der wichtigste Vorteil aus einer solchen Vorgehensweise resultiert darin, dass die Wirkdauer dieser Blockaden teilweise weit über diejenige der Hypnotika hinausreicht. Durch Zusätze wie Clonidin (Catapresan®) kann die Wirkdauer der Lokalanästhetika noch weiter verlängert werden, was zunehmend häufiger ausgenutzt wird.
geschultes Personal von grosser Bedeutung. Zu den häufig vorkommenden Problemen zählen respiratorische Probleme, postoperative Agitation («emergence delirium»), Schmerzen und postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV). Respiratorische Probleme: Wichtigstes apparatives Monitoring in der postoperativen Phase ist bei Kindern die Pulsoxymetrie. Nach initialem Aufwachen kann ein Rebound der Anästhetika auftreten, und die sedativen Effekte können nochmals zunehmen und zu Atemregulationsstörungen und Atemwegsverlegungen führen, die letztlich zu einer Hypoxämie führen können. Besonders nach intraoperativer Gabe von Opioiden ist eine adäquate Überwachung der Atmung essenziell. Obstruktionen der Atemwege können durch einfache Atemwegsmanöver, Stimulation des Kindes oder eine verbesserte Lagerung des Kopfes therapeutisch angegangen werden. Selten ist ein «Postextubationskrupp» mit massivem Husten und Stridor zu beobachten. Neben abschwellenden Massnahmen (inklusive Inhalation von Adrenalin) entscheidet der betreuende Anästhesist über das weitere Prozedere und prüft besonders bei Säuglingen, ob eine stationäre Aufnahme indiziert ist. Die Inzidenz von iatrogenen Läsionen nach Intubationen ist insgesamt sehr niedrig. Postoperative Agitation (emergence delirium): Bereits vor 50 Jahren ist in der Kinderanästhesie erstmals von postoperativer Agitation oder «emergence delirium» berichtet worden. Die Ätiologie ist weiterhin nicht bekannt. Die Inzidenz scheint insbesondere nach einer Sevoflurananästhesie höher zu sein, ist aber auch abhängig von der Art der Intervention (höher nach HNO-Eingriffen), und sie tritt vor allem im Vorschulalter auf (8). Meistens setzt das «emergence delirium» rasch nach Beendigung der Anästhesie ein und ist selbstlimitierend nach 10 bis 30 Minuten beendet (9). Zur Prävention werden bei Risikopatienten verschiedene pharmakologische Strategien angewendet. Die Anästhesie wird mit Propofol aufrechterhalten, und Clonidin oder Dexmedetomidin (a2-Agonisten) kann verabreicht werden, insgesamt haben diese Massnahmen leider eine geringe Effektivität. Für Eltern ist das Miterleben eines «emergence delirium» oft sehr beängstigend. Es ist daher wesentlich, dass sie über ein mögliches Auftreten gut informiert werden. Schmerzen: Wann immer indiziert, wird neben einer Kombinationsanästhesie eine multimodale Analgesie mit nicht steroidalen Analgetika durchgeführt. Sollten unmittelbar postoperativ trotzdem Schmerzen auf-
Dauer und Intensität postoperativer Schmerzen werden von den Eltern unterschätzt, besonders nach Adenotomie/ Tonsillektomie.
Die postoperative Phase im Aufwachraum
Nach Beendigung der Anästhesie erfolgt die Betreuung des Kindes bis zur Stabilisierung der Vitalparameter im Aufwachraum, wo im Allgemeinen die Präsenz der Eltern möglich ist, was von den Eltern und ihren Kindern gleichermassen erwünscht ist. Der Prävention postanästhetischer Komplikationen kommt grosse Bedeutung zu, ihr Auftreten kann durch vorausschauende Massnahmen, die bereits prä- und intraoperativ eingeleitet werden, reduziert werden. Trotzdem ist die engmaschige Überwachung und Betreuung im Aufwachraum durch entsprechend
Tabelle 2: Postoperative Nausea und Erbrechen (PONV) – Prophylaxe und Therapie
2-fache Prophylaxe Therapie
1. Dexamethason i.v. 0,1 mg/kg KG (max. 4 mg) bei Einleitung der Anästhesie
2. TIVA = total intravenöse Anästhesie mit Propofol Ondansetron i.v. 0,1 mg/kg KG (max. 4 mg) Itinerol B6® Supp., die Zusammensetzung der Wirkstoffmengen ist altersabhängig (3 Monate–2 Jahre; 2–12 Jahre, ab 12 Jahren) Droperidol i.v. 0,01 mg/kg KG
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treten, so ist Nalbuphin an vielen Kinderkliniken das Opioid der Wahl. Nalbuphin ist ein k-Agonist und partieller µ-Antagonist mit einer deutliche weniger atemdepressiven Wirkung (im Vergleich zu reinen µ-Agonisten, wie z.B. Morphin) mit einem leicht sedierenden Effekt. PONV: Eines der häufigsten Probleme in der Aufwachraumphase ist das Auftreten von PONV (postoperative nausea and vomiting). Bei vielen pädiatrischen Patienten tritt Übelkeit und Erbrechen erst ab einem Alter von 2 bis 3 Jahren auf. Überdurchschnittlich betroffen sind ältere Kinder (Schulkinder) und Kinder nach HNOEingriffen sowie vor allem Operationen an den Augen (Strabismus). Weitere Risikofaktoren sind bei früheren Anästhesien bereits aufgetretene PONV sowie eine Neigung zur Reisekrankheit. Gängige Strategien zur Prävention und Therapie der PONV bei Risikopatienten werden in Tabelle 2 erläutert.
Entlassungskriterien und Verhalten zu Hause
Je nach Eingriff und Verlauf kann die Entlassung 1 bis 4 Stunden nach Ende des operativen Eingriffs erfolgen. Die Kinder sollen ganz wach, altersentsprechend mobil und dabei weitgehend schmerzfrei sein. Sie sollen gut hydriert sein und dabei idealerweise bereits klare Flüssigkeit zu sich genommen haben. Analgesie: Einer gut suffizienten Schmerztherapie kommt auch postoperativ eine grosse Bedeutung zu. Deshalb sollen schriftliche Verordnungen und entsprechende Rezeptierung für die Schmerztherapie zu Hause möglichst bereits beim Aufklärungsgespräch ausgehändigt werden, spätestens aber mit der Entlassung. Wenn das Kind die Tagesklinik verlässt, vertrauen wir die weitere analgetische Therapie den Eltern an. Auch neuere Untersuchungen haben aufgezeigt, dass die Dauer und Intensität der postoperativen Schmerzen besonders nach Adenotomie/Tonsillektomie (AT/TE) von den Eltern unterschätzt werden und die Verabreichung der Analgetika zu Hause oft unzureichend ist (5). Spezielle Anstrengungen sind deshalb nötig, um eine suffiziente Analgesie insbesondere nach AT/TE sicherzustellen. Dafür muss mit den chirurgischen Kollegen ein einheitlich eingehaltenes Vorgehen ausgearbeitet werden. Die Eltern werden dabei ausdrücklich aufgefordert, die verordnete Schmerzmedikation regelmässig zu verabreichen. PONV: Eine der Hauptursachen für eine verzögerte Entlassung ist eine anhaltende Nausea und Emesis. Wenn die Symptome trotz antiemetischer Therapie persistieren oder zu Hause erneute Episoden auftreten, kann unter Umständen eine stationäre Aufnahme notwendig werden. Da in diesem Zusammenhang Unsicherheiten auftreten können, ist vor Entlassung eine gute Information der Eltern notwendig. Für allenfalls später aufkommende Fragen ist es wichtig, dass das Anästhesieteam den Eltern 24 Stunden zur Verfügung steht. Ungeplante stationäre Aufnahmen und Wiedereintritte aufgrund von Komplikationen sind insgesamt selten; im UKBB liegen sie weit unter 1 Prozent. Postoperatives Verhalten: Vor Entlassung werden die Kinder stets von einem Mitglied des betreuenden Ärzteteams visitiert. Dabei wird in der Regel der Status
im Operationsgebiet kontrolliert. Eltern müssen über das postoperative Verhalten umfassend klar instruiert sein. Es hat sich bewährt, für die gängig durchgeführten Operationen spezifische Informationsblätter abzugeben. Trotzdem ist es wesentlich sicherzustellen, dass die Eltern die enthaltenen Informationen verstanden haben. Hier kommt den Pflegenden in der Tagesklinik nach unserer Erfahrung eine überragende Bedeutung zu, ist es ihnen in der Regel doch gelungen, zum Kind und dessen Eltern eine Beziehung aufzubauen, die die vorliegende Situation am umfassendsten einzuschätzen erlaubt.
Zusammenfassung
Ambulante Interventionen haben bei Kindern einen kontinuierlichen Aufschwung genommen. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass diese Entwicklung nicht weiter fortschreiten wird. Ermöglicht wurde dies auch durch Entwicklungen in der gesamten perioperativen Kette. Um die Vorteile dieser Behandlungsstrategie für Kinder und ihre Eltern jedoch vollumfänglich auszunutzen, bedarf es gut strukturierter Organisationen, die interdisziplinär als Team zusammenarbeiten. Der Einbindung des niedergelassenen Pädiaters in diesen Prozess kommt entscheidende Bedeutung zu, damit die Kontinuität der Betreuung sichergestellt werden kann.
Korrespondenzadresse: Helena Simitzes Oberärztin Anästhesie Universitätskinderspital beider Basel Spitalstrasse 33 4056 Basel E-Mail: Helena.Simitzes@ukbb.ch
Referenzen: 1. www.each-for-sick-children.org/each-charter.html. 2. Sankar A et al. Reliability of the American Society of Anesthesiologists physical status scale in clinical practice. Br J Anaesth 2014; 113 (3): 424–432. 3. Walther-Larsen S, Rasmussen LS. The former preterm infant and risk of post-operative apnoea: recommendations for management. Acta Anaesthesiol Scand 2006; 50: 888–893. 4. Brennan LJ. Modern day case anaesthesia for children; Br J Anaesth 1999; 83: 91–103. 5. Fortier MA. Pediatric Pain after Ambulatory Surgery: where’s the medication? Pediatrics 2009; 124: e588. 6. Siebert JN. Influence of anesthesia on immune responses and its effect on vaccination in children: review of evidence. Pediatric Anesthesia 2007; 17: 410–420. 7. von Ungern-Sternberg BS et al. Risk assessment for respiratory complications in paediatric anaesthesia: a prospective cohort study. Lancet 2010; 376: 773–783. 8. Dahmani S et al. Pharmacological prevention of sevoflurane- and desflurane-related emergence agitation in children: a meta-analysis of published studies. Br J Anaesth 2010; 104 (2): 216–223. 9. Voepel-Lewis T et al. A prospective cohort study of emergence agitation in the pediatric postanaesthesia care unit. Anesth Analg 2003; 96 (6): 1625–1630.
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