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EDITORIAL
Die Beratung bei Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter gehört primär in die Domäne des Allgemeinpraktikers und des Kinderarztes. Da sowohl die Genese der Störung als auch die Interventionsmöglichkeiten meistens multifaktoriell sind, haben wir Fachpersonen aus verschiedenen Zentren der Deutschschweiz gebeten, ihre spezifischen Diagnostik- und Therapieverfahren darzustellen. Von einem solchen fachlichen Austausch profitieren die betroffenen Kinder und ihre Familien. Für die Bereitschaft, an diesem interdisziplinären Dialog mitzuwirken, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Caroline Benz und Oskar Jenni stellen ein in der Praxis erprobtes Modell zur Therapie von funktionellen Schlafstörungen vor. Anhand von SchlafWach- und Ernährungsprotokollen wird das individuelle Schlafbedürfnis des Kindes erfasst und darauf aufbauend durch einen rhythmisierten Tagesablauf (mittels organischer und sozialer Zeitgeber) und den Verzicht auf schlafstörende Inter-
kann. Therapeutisch empfiehlt er einen durch Bezugspersonen unterstützten rhythmischen Tagesablauf sowie das verlässliche Gespräch, um die Jugendlichen dabei zu unterstützen, ihre Tageserfahrungen am Abend in ihr biografisches Selbstbild zu integrieren. Anstelle des übermässigen Gebrauchs von elektronischen Medien schlägt er das Erlernen von Entspannungsübungen als Grundlage für einen erholsamen Schlaf vor und dadurch auch für ein erhöhtes Selbstvertrauen und eine verbesserte Stressresilienz. Im Sinne eines sich selbst verstärkenden Regelkreises kann auch der Schlaf der Eltern von diesem Vorgehen profitieren und damit das Familiensystem langfristig gestärkt werden. Daniel Trachsel grenzt aus kinderpneumologischer Sicht die physiologischen von den pathologischen Atemauffälligkeiten ab. Schlafgebundene Apnoen unter 20 Sekunden mit einer Dauer von weniger als zwei Atemzügen müssen nicht weiter abgeklärt werden. Eine obstruktive Ventilationsstörung kann sich anders als im Erwachsenenalter auch ohne auffälli-
Dr. med. Oswald Hasselmann, Leitender Arzt Ostschweizer Kinderspital, Interdisziplinäres Zentrum für Schlafmedizin St. Gallen, Neuropädiater FMH, Fähigkeitsausweis SGSSC oswald.hasselmann@kispisg.ch
Schlafstörungen – was hilft?
ventionen das selbständige Ein- und Durchschlafen eingeübt. Bei exzessivem nächtlichem Schreien werden die Kinder durch ihre Eltern schrittweise an ein physiologisches Schlafverhalten herangeführt. Daniel Bindernagel und Suzanne Erb zeigen an einem Beispiel auf, welche Rolle Bindungserfahrungen von Eltern und Kindern generationsübergreifend auf den Schlaf ausüben können. Mit einem instruktiven Pyramidenmodell wird dem behandelnden Arzt ein Werkzeug an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe er sowohl bindungsabhängige Ursachen der Schlafstörung lokalisieren als auch den Schwerpunkt seiner therapeutischen Interventionen fokussieren kann. Eine gelungene trianguläre Kommunikation (Vater – Mutter – Kind), welche Rücksicht auf den jeweiligen familienspezifischen Kontext nimmt, soll dazu führen, dass sich das Kind als «besser gehalten» erlebt und sich in der Folge nachts besser «regulieren» kann. Serge Brand stellt am Beispiel des ADHS dar, wie eng die Schlafqualität mit der psychischen Gesundheit der Jugendlichen zusammenhängen
ges Schnarchen manifestieren. Ein unruhiger Schlaf in überstreckter Kopfstellung und ein vermehrtes Schwitzen sollte ebenso wie eine assoziierte verminderte Aufmerksamkeitsleistung während des Tages Grund für eine weitergehende Schlafabklärung sein. Bei komplexen Erkrankungen, die das zentrale Nervensystem oder die Muskulatur betreffen, wird eine Untersuchung im Schlaflabor empfohlen, um unter anderem nächtliche Desaturationen beziehungsweise Hyperkapnien nicht zu übersehen. In einem Praktikergespräch trafen sich ein Kinderneurologe, ein Kinderpneumologe, ein Hals-Nasen-Ohrenarzt und ein Pädiater und diskutierten anhand von sechs Fällen aus dem kinderärztlichen Alltag ihr jeweils aufeinander abgestimmtes Vorgehen. Solch ein koordiniertes Vorgehen erscheint für den komplizierten Einzelfall nachahmenswert, da sich eine kindliche Schlafstörung selten monokausal erklären lässt und ein spartenübergreifendes Herangehen aufgrund der therapeutischen Effektivität von den Eltern sehr geschätzt wird.
Oswald Hasselmann
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