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EDITORIAL
F achpersonen, die beruflich mit Kindern und deren Familien zu tun haben – sei es in der Kinderarztpraxis, im Spital oder in anderen Institutionen –, begegnen regelmässig Kindern, die Opfer einer Misshandlung geworden sind. Auch unter den Patienten im klinischen Alltag sind häufig misshandelte Kinder, jedoch werden sie oftmals nicht als solche erkannt. Dabei sind Kindesmisshandlungen häufiger als manch andere pädiatrische Krankheiten, wie zum Beispiel angeborene Herzfehler, onkologische Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen. Die vorliegende Ausgabe widmet sich verschiedenen Aspekten des Kinderschutzes und zeigt auf, wie wichtig die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Psychiatern, Psychologen, Sozialarbeitern und Juristen ist – alle Autoren stammen aus einer dieser Berufsgruppen.
Diese Kinder tragen auch ein erhöhtes Risiko, misshandelt zu werden. Margarete Bolten zeigt in ihrem Artikel, wie vulnerabel die ersten Monate in der Beziehung zwischen Eltern und Kind sind und wie entscheidend es ist, Störungen in der ElternKind-Beziehung frühzeitig zu erkennen. Die Fremdplatzierung eines Kindes ist immer eine drastische Massnahme, und sie stellt die letzte Möglichkeit dar, wenn das Kindeswohl in der Ursprungsfamilie bedroht ist. Hier stellt sich die Frage: Pflegefamilie oder Heim? Romana Friedrich und Marc Schmid gehen in ihrem Artikel dieser Frage nach. Welche Platzierungsform gewählt wird, muss individuell von Fall zu Fall entschieden werden. In der ärztlichen Praxis wird man oft vor die Frage gestellt: Muss/soll ich den Verdacht einer Misshandlung den Behörden melden, oder verletze
Dr. med. Daniel Beutler daniel.beutler@ukbb.ch
Kindesmisshandlung erkennen und verhindern
Seit dem Jahr 2009 werden misshandelte Kinder an den Schweizer Kinderkliniken statistisch erfasst. Mittlerweile liegen die Resultate über vier Jahre mit insgesamt über 4000 Fällen vor. In seinem Artikel erläutert Markus Wopmann die Verteilung der verschiedenen Misshandlungsformen, die betroffenen Altersgruppen sowie die eingeleiteten Massnahmen in den jeweiligen Fällen. Die Vernachlässigung stellt international die häufigste Misshandlungsform dar. Kathrin Gerlach beschreibt in ihrem Artikel Formen von Vernachlässigung und psychischer Misshandlung und deren Auswirkungen auf die körperliche, seelische und geistige Entwicklung der betroffenen Kinder. Sie zeigt auf, wie wichtig es ist, diese Formen der Misshandlungen wahrzunehmen und adäquat zu intervenieren. In der pädiatrischen Praxis sind Regulationsstörungen ein häufiger Vorstellungsgrund. Säuglinge und Kleinkinder, die exzessiv schreien, können Eltern an ihre Belastungsgrenzen bringen.
ich damit das Arztgeheimnis? Nora Bertschi und Luca Maranta bringen in ihrem Artikel Licht in den Dschungel der Paragrafen. Nach wie vor gibt es kantonale Unterschiede in den Vorgehensweisen im Kinderschutz. Mit der Einführung des neuen Kinder- und Erwachsenenschutzrechtes haben sich jedoch in der Schweiz einige Abläufe vereinfacht und vereinheitlicht. Bei den Kinderund Erwachsenenschutzbehörden KESB handelt es sich um interdisziplinär zusammengesetzte Fachbehörden. Ich hoffe, wir können Ihnen mit diesem Mix an Themen aus den unterschiedlichen in den Kinderschutz involvierten Disziplinen eine spannende und interessante Lektüre verschaffen.
Daniel Beutler
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