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ASTHMA
Asthmakontrolle bei Kindern
Stellenwert neuer und bewährter Medikamente zur Basistherapie
Die Asthmakontrolle bei Kindern ist eine Herausforderung. Die Entwicklung in den letzten zehn Jahren bezüglich medikamentöser Optionen wurde von den Autoren einer kürzlich publizierten Übersichtsarbeit evaluiert. In diesem Beitrag werden ihre Schlussfolgerungen sowie entsprechende therapeutische Empfehlungen und Gepflogenheiten in der Schweiz für die Praxis zusammengefasst.
W elches Medikament man auch verordnet, eines darf man nicht vergessen: Zu den wichtigsten Ursachen einer mangelnden Asthmakontrolle bei Kindern gehört die mangelnde Compliance. Die beiden Autoren einer kürzlich publizierten Übersichtsarbeit kommen darauf zwar erst auf der letzten Seite ihres Artikels zu sprechen, aber für die Praxis ist dies ein zentraler Punkt: Aus Studien wisse man, dass nur gut die Hälfte der jungen Patienten ihre inhalative Steroidtherapie auch wirklich befolgten (58%), während fast alle dies gegenüber ihren Ärzten behaupteten (95%), schreiben die australischen Kinderpneumologen Peter D. Robinson und P. Van Asperen (1). Für die mangelnde Therapietreue spiele es erstaunlicherweise keine Rolle, wie schwer das Asthma ist, sondern andere Aspekte rücken ins Zentrum, wie die Angst vor Nebenwirkungen («Steroidangst»), mangelndes Verantwortungsbewusstsein der Eltern, fehlendes Verständnis für die Schäden durch Asthma und die Rolle der Medikamente zur Vermeidung derselben oder zu komplexe Therapieregime. Darum seien täglich dosierbare inhalative Steroide (ICS), «Prodrugs» (die wirksame Substanz entsteht erst durch Stoffwechselvorgänge vor Ort im Organismus) und lang wirkende Beta-2-Mimetika (LABA) mit raschem Wirkungseintritt auch positiv für die Steigerung der Therapietreue. Die Autoren nennen in diesem Zusammenhang Symbicort® als Beispiel, weil diese Kombination aus ICS und LABA sowohl die Erhaltungs- als auch die Bedarfstherapie erlaubt (Symbicort® Maintenance and Reliever Therapy™).
Inhalative Steroide (ICS) und Montelukast
In der Schweiz sind verschiedene ICS als Basistherapie für Kinder mit Asthma zugelassen (Tabelle 1). Die Autoren der Übersichtsarbeit gehen nur auf die beiden neusten Substanzen, Ciclesonid und Mometason, näher ein. Beide Substanzen werden nach ihrer Erfahrung eher dann eingesetzt, wenn man hohe Dosen anderer ICS ersetzen will, bei schlechter Compliance
(gemäss Zulassung sind Ciclesonid oder Mometason meist nur 1 x pro Tag nötig) oder wenn es Hinweise auf Entzündungen in den distalen Atemwegen gibt. Ciclesonid ist ein «Prodrug», das erst durch Esterasen im Lungengewebe in die eigentlich wirksame Form umgewandelt wird. Während für Mometason die Nebenwirkung Wachstumsstörungen bekannt und die Substanz in der Schweiz auch erst ab 16 Jahren zugelassen ist, gab es in Studien bis anhin keine entsprechenden Hinweise für Ciclesonid, und zwar unabhängig von der Dosierung (1). In den zurzeit gültigen Schweizer Empfehlungen zur Behandlung bei obstruktiven Atemwegserkrankungen im Kindesalter (2) wird kein ICS einem anderen vorgezogen. ICS kommen in der Stufentherapie bei Asthma bronchiale generell dann in Betracht, wenn mit kurz wirksamen Beta-2-Mimetika keine ausreichende Kontrolle erreicht werden kann (Tabelle 2). Der bei Kindern häufig eingesetzte Leukotrienantagonist Montelukast (Singulair®, Lukair® und andere Generika) wird in den Schweizer Empfehlungen nicht als die Therapie der ersten Wahl genannt, weil er sich im Vergleich mit den ICS in Studien als weniger wirksam erwiesen hat. Allerdings gibt es grosse individuelle Unterschiede und gewisse Patientengruppen, die gut auf Montelukast ansprechen (2). In der Praxis wird Montelukast darum recht häufig als Erstes versucht, insbesondere bei Vorschulkindern und nicht zuletzt wegen der weitverbreiteten Angst vor Steroiden (3).
Anti-IgE-Therapie
Der monoklonale Antikörper Omalizumab (Xolair®) bindet das zirkulierende «Allergie-Immunglobulin» IgE und führt zu einem Rückgang des Serum-IgE um 95 bis 99 Prozent. Omalizumab wird alle 2 bis 4 Wochen subkutan injiziert. Aufgrund der Möglichkeit einer anaphylaktischen Reaktion auf Omalizumab sind entsprechende Vorsichtsmassnahmen zu treffen. In der Schweiz ist es für Kinder ab 6 Jahren, bei schwerem persistierendem allergischem Asthma zugelassen, falls anders keine ausreichende Kontrolle erreicht werden kann. Obwohl es sich um ein relativ teures Medikament handelt, sprechen sich die Autoren der Übersichts-
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Zu den wichtigsten Ursachen einer mangelnden Asthmakontrolle gehört die mangelnde Compliance.
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Tabelle 1: Inhalative Steroide (ICS) zur Basistherapie bei Asthma
Substanz Beclometason
Budesonid
Ciclesonid Fluticason
Mometason
Handelsnamen Beclo Orion Easyhaler® Qvar® 50/100/-Autohaler™ Miflonide® Pulmicort® Respules/-Turbuhaler Alvesco 80/160 Axotide® Dosier-Aerosol FCKW-frei/Diskus (Dosieraerosol) Asmanex® Twisthaler®
Zulassung ab 12 Jahren ab 5 Jahren ab 12 Jahren ab 4 Jahren ab 6 Jahren ab 1 Jahr ab 4 Jahren (Diskus) ab 16 Jahren
Kombinationen Formoterol/Budesonid
Salmeterol/Fluticason
Symbicort® Turbuhaler® Vannair™ Seretide®
ab 6 Jahren* ab 6 Jahren ab 4 Jahren
*auch als Bedarfsmedikation Angaben gemäss www.swissmedicinfo.ch; Stand: 6. November 2013
arbeit (1) dafür aus, es bei atopischen Asthmakindern gegebenenfalls für mindestens 6 Monate zu versuchen. Die Studienlage ist wie bei vielen pädiatrischen Indikationen eher dünn. Es gibt nur wenige Studien mit Kindern zwischen 6 und 12 Jahren und gar keine für Vorschulkinder. In den Studien, die von 4 Monaten bis zu gut 1 Jahr dauerten, zeigte sich mit Omalizumab eine Reduktion der Exazerbationsrate in einer Grössenordnung von zirka 20 bis 50 Prozent gegenüber der alleinigen Basistherapie. Gute Biomarker, die potenzielle Responder vorab identifizieren könnten, fehlen bis anhin. Gemäss den Schweizer Therapieempfehlungen (2) ist Omalizumab zurzeit nur bei schwersten, sonst nicht
+ inhalative SABA nach Bedarf + inhalative SABA nach Bedarf
Tabelle 2: Stufentherapie bei Asthma bronchiale (2)
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3
Stufe 4 Stufe 5
Schulkinder
inhalative SABA nach Bedarf
vorbeugend niedrig dosierte ICS (100–200 µg/Tag) oder LTRA (2. Wahl)
1. Wahl: vorbeugend niedrig dosierte ICS (100–200 µg/Tag) + LABA 2. Wahl: mittel oder hoch dosierte ICS 3. Wahl: niedrig dosierte ICS + LTRA
1. Wahl: vorbeugend hoch dosierte ICS (400–800 µg/Tag) + LABA 2. Wahl: LTRA
Stufe 4 + systemische Steroide Überweisung an pädiatrischen Pneumologen, evtl. Anti-IgE-Therapie
Kinder unter 5 Jahren inhalative SABA nach Bedarf vorbeugend niedrig dosierte ICS (100–200 µg/Tag) oder LTRA (2. Wahl) Überweisung an pädiatrischen Pneumologen hoch dosierte ICS (max. 400–800 µg/Tag) als Prophylaxe (Indikation zurückhaltend stellen!)
Stufe 3 plus systemische Steroide, Überweisung an pädiatrischen Pneumologen
Bei einer Dauerinhalationstherapie mit Kortikosteroiden muss das Wachstum regelmässig kontrolliert werden. SABA: kurz wirksame Beta-2-Mimetika; LABA: lang wirksame Beta-2-Mimetika; ICS: inhalative Kortikosteroide; LTRA: Leukotrienantagonisten.
behandelbaren Asthmaformen für Kinder ab 12 Jahren in Erwägung zu ziehen, und die Indikation ist von einem Facharzt zu stellen.
Ein Comeback für Theophyllin?
Es gebe ein zunehmendes Interesse an der Rolle niedrig dosierter oraler Theophylline als Zusatztherapie bei Asthma, berichten die Autoren der Übersichtsarbeit (1). Probleme bei der Anwendung der Theophylline sind das schmale therapeutische Fenster bezüglich des Serumspiegels und ihre toxische Wirkung bei Überdosierung. Der therapeutische Bereich liegt bei 8 bis 20 µg/ml. Da Theophyllin in vitro in niedriger Dosierung eine Reihe antiinflammatorischer Wirkungen entfaltet, wird spekuliert, dass niedrig dosiertes Theophyllin (Serumspiegel 5–10 µg/ml) zur Asthmakontrolle sinnvoll sein könnte, obgleich sich diese Hoffnung in zwei kleine pädiatrischen Studien nicht erfüllte. Robinson und Van Asperen sind trotzdem der Ansicht, dass niedrig dosiertes Theophyllin für 3 bis 6 Monate einen Versuch wert sei, wenn das Asthma trotz maximaler anderweitiger Therapie nicht angemessen kontrolliert ist. In den Schweizer Empfehlungen wird nicht näher auf die Theophylline eingegangen, da diese hierzulande nur von geringer Bedeutung sind. Zugelassen sind Euphyllin® retard N (Filmtabletten und Injektionslösung, parenteral ab 21/2 Jahren, oral ab 12 Jahren) sowie Unifyl® Continus® (Filmtabletten; ab 2 Jahren).
Makrolidantibiotika
Makrolidantibiotika haben gleichzeitig antibakterielle wie immunmodulatorische Eigenschaften. Letztere beeinflussen die Aktivität neutrophiler Granulozyten. In Studien zeigte sich ein steroidsparender Effekt des Clarithromycins. Wahrscheinlich handle es sich um einen Klasseneffekt, spekulieren Robinson und Van Asperen. Da Makrolide wie Azithromycin gut verträglich sind, sollte in Studien gezielt die Frage geklärt werden, ob diese bei Patienten mit neutrophilen Atemwegsentzündungen hilfreich sind.
Vitamin D
Für das zurzeit allenthalben gepriesene Vitamin D wird nun auch eine Rolle in der Asthmakontrolle postuliert. Eine bessere Vitamin-D-Versorgung bei Asthmatikern scheint niedrigere ICS-Dosen zu ermöglichen. Auch in diversen Zellkulturexperimenten zeigten sich potenziell positive Effekte. Ob da alles klinisch relevant ist oder nicht, weiss man noch nicht. Ebenfalls unklar ist, ob Vitamin D bei Asthma eine kausale Rolle spielt oder nur ein Marker der Krankheitsaktivität ist. Es könne jedenfalls nicht schaden, bei mangelnder Asthmakontrolle einmal den Vitaminstatus zu überprüfen, so Robinson und Van Asperen (1).
Renate Bonifer
1. Paul D. Robinson PD, Van Asperen P: Newer Treatments in the Management of Pediatric Asthma. Pediatr Drugs 2013; 15: 291–302. 2. Roth S et al.: Empfehlungen zur Behandlung der obstruktiven Atemwegserkrankungen im Kindesalter (SGPP/PIA-CH 2009). Paediatrica 2009; 20 (3): 44–51. 3. Roundtable: «Eine der wichtigsten Richtlinien für die Praxis!» PÄDIATRIE 2012; 5: 14–15.
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