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SCHWERPUNKT
Urolithiasis
Akutbehandlung, Interventionen und Prävention
Metabolische Ursachen und Fehlbildungen der Harnwege werden oft als Ursachen von Harnsteinen bei Kindern identifiziert, doch häufig bleibt die Ursache auch unbekannt. In diesem Beitrag werden Ursachen und Symptome sowie die Behandlung und Prävention bei Urolithiasis im Kindesalter vorgestellt. Die genaue Kenntnis allfälliger metabolischer Faktoren ist insbesondere für die spezifischen Präventionsmassnahmen wichtig, um das nicht seltene Steinrezidiv zu verhindern.
Von Thomas J. Neuhaus
Ein pathologischer Befund muss mehrmals bestätigt werden.
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U rolithiasis (Harnstein) ist bei Kindern im Vergleich zu den Erwachsenen viel seltener. Verlässliche epidemiologische Daten fehlen jedoch. Urolithiasis wird häufiger bei Knaben als bei Mädchen beobachtet und tritt in jedem Alter auf, wobei die Häufigkeit in der Adoleszenz zunimmt. Bei 10 Prozent der Kinder ist die Urolithiasis bilateral, bei einigen Kindern findet sich gleichzeitig sonografisch auch eine Nephrokalzinose. Die Morbidität der Urolithiasis ist erheblich, und Rezidive sind häufig. Die meisten Harnsteine finden sich im Pyelon («Nierenstein») oder im Ureter (1–7). Die Ätiologie ist in verschiedenen Regionen der Welt unterschiedlich: In den entwickelten Ländern überwiegen heute metabolische Ursachen und Harnwegsfehlbildungen; infektiöse und endemische Steine und primäre Blasensteine sind selten geworden. Bei zahlreichen Patienten lässt sich allerdings keine Ursache finden (Tabelle 1) (1–7). Dennoch ist bei letzteren Patienten die Familienanamnese oft positiv, und es findet sich ein naher oder ferner Verwandter mit Urolithiasis.
Metabolisch bedingte Steine
Die wichtigsten metabolisch-genetischen Ursachen einer Urolithiasis sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Neben den lithogenen Substanzen, die bei Stoffwechselstörungen vermehrt im Urin ausgeschieden werden, gibt es eine Reihe von Hemmern der Kristallisation; am besten bekannt ist Zitrat, welches sich an Kalzium bindet. Hyperkalziurie: Die Häufigkeit ist umstritten; wahrscheinlich wird sie überdiagnostiziert. Zu beachten ist, dass die Normalwerte altersabhängig sind (Tabelle 3), die Kalziumausscheidung im Tages- und Langzeitverlauf beträchtlich schwankt und es keine scharfe Grenze zwischen normaler und erhöhter Kalzium-
ausscheidung gibt. Eine Hyperkalziurie tritt oft familiär auf. In den meisten Fällen von geringer Hyperkalziurie findet sich keine definitive metabolische respektive genetische Ursache. Hyperoxalurie: Bei der primären Hyperoxalurie (Typ 1–3; PH1–PH3) ist die Oxalurie massiv erhöht (> 1 mmol/1,73 m2 pro 24 h). Im Ultraschall findet sich oft die Kombination von Urolithiasis mit medullärer und kortikaler Nephrokalzinose. Bei PH1 und zum Teil bei PH3 ist im Urin auch das Glycolat, bei der PH2 das L-Glycerat erhöht. Bei PH1 und PH2 ist die Kalziumausscheidung nicht erhöht; dies im Gegensatz zur PH3. Einen Hinweis auf eine PH kann auch die Steinanalyse (s. unten) geben: Oft bestehen die Steine zu 100 Prozent aus Kalziumoxalatmonohydrat (Whewellit). Die definitive Diagnostik erfolgt heute mittels Genanalyse. Physiologischerweise bindet sich Kalzium im Darm an Oxalat, wodurch die Oxalatresorption limitiert wird; so stammt nur 5 bis 10 Prozent des Urinoxalats aus der Nahrung. Sekundäre Hyperoxalurien treten alimentär auf bei übermässiger Einnahme oxalatreicher Speisen wie zum Beispiel Rhabarber oder übermässiger Einschränkung der Kalziumzufuhr oder intestinal im Rahmen einer Malabsorption (z.B. M. Crohn, Kurzdarmsyndrom), wobei sich Kalzium «statt an Oxalat» an Fettsäuren bildet und das ungebundene Oxalat vermehrt resorbiert wird (6). Hypozitraturie: Eine signifikante Hypozitraturie findet sich bei der Malabsorption und der distal renal-tubulären Azidose, bei Letzterer kombiniert mit einer Hyperkalziurie. Zystinurie: Die schlechte Löslichkeit von Zystin insbesondere im sauren Urin führt zur Steinbildung. Harnsäuresteine: Die seltenen primären Harnsäuresteine werden durch Störungen im Purin- und Pyrimidinstoffwechsel verursacht (Tabelle 2). Auch die Harnsäure ist bei tiefem Urin-pH schlecht löslich. Deshalb
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kann es bei Patienten mit der sogenannten Säurestarre des Urins (Pathophysiologie noch unklar) mit konstant tiefem Urin-pH um 5,4 zur Bildung von Harnsäuresteinen kommen. Sekundäre Hyperurikosurien treten bei myeloproliferativen Erkrankungen und Tumorlyse auf. Varia: Sehr seltene metabolische Ursachen für Urolithiasis sind 5-Oxoprolinase-Mangel, 3-Methylglutarsäure-Azidurie und Blue-Diaper-Syndrom (7).
Urinstase als Ursache
Obstruktion und erweiterte Harnwege mit verlangsamtem Urinfluss können zur Urolithiasis führen, insbesondere die Polymegakalikose, die Ureterabgangsstenose, der primäre Megaureter und die beim Kind selten diagnostizierten Markschwammnieren.
Harnwegsinfektionen
Infektiös bedingte Steine bestehen meist aus Struvit (Tripelphosphat = Ammonium-Magnesium-Phosphat) und sind die Folge einer Infektion durch Urease-produzierende Bakterien (vorwiegend Proteus sp.). Infektsteine treten besonders bei Knaben unter 5 Jahren mit obstruktiven Harnwegsfehlbildungen auf. Konkremente können auch sekundär zu einer Infektion führen, insbesondere beim Vorliegen einer Obstruktion.
Exogene Risikofaktoren für Urolithiasis
Adipositas, metabolisches Syndrom und moderne Essgewohnheiten (z.B. hoher Konsum von tierischem Eiweiss und Natrium) sind zunehmend auch bei Jugendlichen Risikofaktoren für Urolithiasis (8). Auch Medikamente (z.B. Sulfonamide, Ceftriaxon, Acyclovir, Indinavir, Topiramat) oder ketogene Diät können zur Steinbildung führen.
Klinische Symptome der Urolithiasis
Die charakteristischen klinischen Merkmale einer Urolithiasis (kolikartige Flankenschmerzen, Harnwegsinfektion, mikroskopische oder makroskopische Hämaturie) fehlen vor allem bei Säuglingen und jüngeren Kindern. Dafür finden sich oft diffuse Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. An eine Urolithiasis muss auch beim Vorliegen einer sterilen Leukozyturie und einer mikroskopischen Hämaturie gedacht werden.
Laboruntersuchungen
Im frischen Urin findet sich oft eine (Mikro-)Hämaturie. Liegt eine Makrohämaturie vor, ist die Urinfarbe in der Regel rot (und nicht braun wie typischerweise bei einer Glomerulonephritis). In der Urinprobe werden nach dem initialen Screening mit dem Urinstix eine Mikroskopie (Urinsediment) und eine Urinkultur durchgeführt und die wichtigsten Urinparameter (Tabelle 3) bestimmt. Für die Oxalat- und Zitratbestimmung muss der Urin sofort angesäuert werden. Die Urinergebnisse werden immer als Quotient pro Kreatinin (Einheit beachten!) angegeben. Die Urinausscheidung sowohl der lithogenen (steinfördernden) als auch der steinhemmenden Substanzen ist alters-
abhängig. Generell gilt: Je jünger das Kind, desto höher die Konzentration respektive der Quotient. Warum Säuglinge und Kleinkinder trotz signifikant höherer Konzentration der lithogenen Substanzen viel weniger Urolithiasis entwickeln als Erwachsene, ist unklar. Die erhöhte Ausscheidung von steinhemmenden Substanzen (z.B. Zitrat), ein höherer Urin-pH und eine andere Ernährung als die der Erwachsenen sind mögliche Erklärungen. Ein pathologischer Befund muss mehrmals bestätigt werden. Liegt schon primär ein Stein vor, kann auch aus Kostengründen vorerst die Steinanalyse abgewartet werden, damit man anschliessend weitere, gezielte Analysen vornehmen kann. Urinkristalle wie zum Beispiel Ziegelmehl (amorphe Urate) oder Kalziumoxalat sind bei gesunden Menschen insbesondere im konzentrierten Urin häufig. Diagnostisch ist der Nachweis der hexagonalen Zystinkristalle im Urin.
Bildgebung
Sonografisch stellt sich die Urolithiasis als mehr oder weniger echodichte Struktur mit oder ohne Schallschatten dar. Kleine Steine sind sonografisch schwie-
Tabelle 1: Ursachen der Urolithiasisfälle im Kinderspital Zürich 1991 bis 1999
Ätiologie metabolisch (gesicherte Diagnose) metabolisch (möglicherweise) infektiös Urinstase bei Harnwegsfehlbildung endemische Nierensteine primäre Blasensteine unbekannt
Anzahl Fälle* 28 23 2 10 – – 23
*n = 86; 57 Knaben und 29 Mädchen
Tabelle 2: Metabolisch-genetische Ursachen der Urolithiasis und häufigste Krankheiten
Erhöhte Ausscheidung
Kalzium
familiäre Hyperkalziurie
distal renal-tubuläre Azidose
hyperkalziurische Nephropathie mit tubulärer Proteinurie (Dent)
Hyperkalziurie mit Hypomagnesiämie und Nephrokalzinose
Oxalsäure
primäre Hyperoxalurie Typ 1, 2, 3
Zystin
Zystinurie Typ A, B und AB
Harnsäure
Lesch-Nyhan-Syndrom
Glykogenose Typ 1
2,8-Dihydroxyadenin Dihydroxyadeninurie
Xanthin
Xanthinurie
Verminderte Ausscheidung
Zitrat
intestinale Malabsorption
distal renal-tubuläre Azidose
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rig zu erfassen, besonders wenn sie im Ureter liegen und nicht zu einer Erweiterung der Harnwege geführt haben. In dieser Situation kann eine Dopplersonografie hilfreich sein, sie zeigt bei Steinen ein «TwinklingArtefakt». Ein Röntgenbild des Abdomens ist nur noch selten indiziert; bei Unklarheiten wird wie bei Adultpatienten eine native Computertomografie (CT ohne Kontrastmittel) durchgeführt. Das Vorliegen einer kombinierten medullären und kortikalen Nephrokalzinose oder einer Nephrokalzinose mit Urolithiasis lässt an eine metabolische Ursache denken, insbesondere an eine Hyperoxalurie oder eine distale renal-tubuläre Azidose. Es gilt zu beachten, dass die Ultraschalluntersuchung nur Strukturen zeigt. Ob ein Stein die Nierenfunktion beeinträchtigt oder nicht, kann im Ultraschall somit nur vermutet werden. Ein sonografisch nachgewiesener kräftiger Urinjet in der Blase kann einen Hinweis auf eine Restfunktion geben. Besteht Verdacht auf eine signifikante Obstruktion – heftige Schmerzen bei festsitzendem Stein, starke Erweiterung des Ureters und/oder des Pyelons –, muss eine funktionelle Untersuchung mittels MAG3-Szintigrafie durchgeführt werden. Es gilt zu beachten, dass eine normale Ultraschalluntersuchung eine Funktionseinschränkung nicht ausschliesst. Ebenso bleibt das Plasmakreatinin auch beim akuten und kompletten Ausfall einer Niere oft im altersbedingten Normbereich.
Steinanalyse
Sehr wichtig ist die kristallografische Steinanalyse durch Infrarotspektroskopie oder Röntgendiffraktion,
Tabelle 3: Grenzwerte steinfördernder und steinhemmender Substanzen im Urin
Substanz
Ausscheidung pro 24 h
Steinfördernde Substanzen im Urin
Kalzium
0,1 mmol/kg
(4 mg/kg)
Oxalsäure
0,5 mmol (45 mg) pro 1,73 m2
Harnsäure
0,12 mmol/kg (20 mg/kg)
Zystin
250 μmol (60 mg) pro 1,73 m2
Steinhemmende Substanzen im Urin
Zitrat (untere Grenzwerte)
> 0,8 mmol (> 0,16 g) pro 1,73 m2
Alter Jahre (J) Monate (M)
<1J 1–3 J 3–5 J 5–7 J >7J <½J ½–1 J 1–3 J 3–5 J 5–7 J >7J <1J 1–3 J 3–5 J 5–10 J
<1M 1–6 M >6M
<5J >5J
Quotient (pro Kreatinin)
mol/mol
g/g
2,2 1,4 1,1 0,8 0,7 0,22 0,17 0,12 0,08 0,07 0,06 1,5 1,3 1,0 0,6 mmol/mol 40 25 18
mol/mol > 0,12 > 0,08
0,8 0,5 0,4 0,3 0,24 0,18 0,14 0,10 0,07 0,06 0,05 2,2 1,9 1,5 0,9 mg/g 85 55 40
g/g > 0,20 > 0,14
wozu Mikropartikel (wenige Milligramm) genügen. Die chemische Steinanalyse ist obsolet.
Akute Behandlung
Eine Steinkolik wird intravenös, oral oder rektal mit Metamizol (Novaminsulfon) oder nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt. Während bei Adultpatienten die NSAR bevorzugt werden, hat Metamizol bei Kindern nicht nur einen guten schmerzlindernden und spasmolytischen Effekt, sondern auch geringe Nebenwirkungen. Die Schwemmtherapie ist bei Adultpatienten obsolet; allerdings ist die Komplikation einer Pyelonruptur bei Kindern extrem ungewöhnlich. Zahlreiche Patienten mit einer Nierenkolik sind wegen des rezividierenden Erbrechens dehydriert und müssen primär intravenös rehydriert werden. Anschliessend soll eine ausreichende Hydrierung (≥ 1800 ml/m2) erfolgen; falls möglich per os, da eine intravenöse Behandlung die Kinder ans Bett «fesselt» und die empfohlene körperliche Bewegung verunmöglicht (1–3, 9, 10). Zunehmend wird auch bei Kindern die «medical expulsive therapy (MET)» mittels Kalziumantagonisten (z.B. Nifedipin) oder Alphablockern (z.B. Tamsulosin) angewendet. Diese Medikamente erweitern vor allem den distalen Ureter und sind insbesondere bei (distalen) Uretersteinen indiziert (9). Nifedipin ist in der Pädiatrie seit Jahren als Antihypertensivum bekannt und daher in der Regel erste Wahl; die Dosierung ist bei der MET gleich wie bei der Hypertonie. Bei nicht beherrschbaren Koliken können auch Opioide eingesetzt werden. Nieren-, Ureter- oder Blasensteine, die unter konservativer Therapie wenig Beschwerden verursachen und weder Abfluss noch Funktion behindern, müssen nicht unmittelbar entfernt werden, erfordern aber weitere klinische und sonografische Beobachtung.
Wann sind urologische Interventionen nötig?
Besteht der Verdacht auf eine akute Obstruktion, oder wird der Stein unter medikamentöser Therapie nach 1 bis 2 Wochen nicht ausgeschieden, ist eine urologische Intervention erforderlich. Die Wahl der Methode hängt nicht nur von der medizinischen Situation ab, sondern auch von der Verfügbarkeit der erforderlichen Geräte und der Erfahrung des Operateurs. Kinder benötigen für die meisten Eingriffe eine Allgemeinnarkose, und nicht selten sind wiederholte Interventionen erforderlich. Vereinfacht wird folgendes Vorgehen empfohlen: Symptomatische Nieren- und Uretersteine mit Obstruktion: Es erfolgt eine sofortige Entlastung mit einer Nephro-/Pyelostomie oder der Einlage eines JJ-Stents (zwischen Pyelon und Blase), allenfalls auch eine Steinentfernung mit Zysto-/Ureteroskopie. Das weitere Vorgehen muss dann individuell geplant werden. Symptomatische Nieren- und Uretersteine ohne signifikante Obstruktion: Diese Situation liegt bei den meisten Kindern und Jugendlichen mit Urolithiasis vor. Dies ist die Domäne der extrakorporellen Stosswellenlithotripsie (ESWL). Die erforderliche Mindestgrösse der Konkremente beträgt 3 bis 5 mm; die neueren Ge-
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räte gestatten den Einsatz dieser Methode bereits beim Säugling und Kleinkind. Häufig ist bei Kindern mehr als eine ESWL erforderlich. Einerseits finden sich bei Kindern zum Teil «sehr harte» Steine, anderseits muss aufgrund der kleinen Dimensionen und der Nähe der Lungen die Stossenergie beschränkt werden. Bei Verdacht auf Infektstein besteht im Rahmen der ESWL ein Risiko einer Pyelonephritis bis zur Urosepsis; daher empfiehlt sich in dieser Situation eine antibiotische Abschirmung, zum Beispiel mit Ceftriaxon intravenös. Zur ESWL stehen zwei Ergänzungen, respektive Alternativen zur Verfügung: die perkutane intrakorporelle Nephrolithotripsie und insbesondere für Uretersteine die retrograde (endoskopische) Lithotripsie mittels Holmium-YAG-Laser (11). Nierenbeckensteine mit Ausguss-Stein: Ein Versuch mit ESWL ist bei vielen Patienten mit Erfolg möglich, wobei oft mehr als eine ESWL-Behandlung notwendig ist. Ausnahmsweise kann auch eine chirurgische Steinentfernung durch Zugang von aussen erfolgen (perkutane Nephrolithotomie). Urolithiasis bei Fehlbildungen der Harnwege: Wenn bei Ureterabgangsstenose, Megaureter oder anderen Fehlbildungen ohnehin eine chirurgische Korrektur erforderlich ist, werden Konkremente während des Eingriffs gleichzeitig operativ entfernt. Urethrastein: Ganz selten liegt ein Stein bei Knaben in der Urethra fest und kann manchmal von aussen palpiert werden. Neben der zystoskopischen Entfernung kann man im Einzelfall auch versuchen, den Stein mit einem Blasenkatheter «mit sanftem Druck» in die Blase zurückzuschieben.
Spezifische Präventionsmassnahmen
Diese richten sich nach der Ätiologie. Zitrat ist ein Kristallisationshemmer insbesondere von Kalziumoxalat. Dagegen führt eine hohe Natriumzufuhr auch zur erhöhten Kalziumausscheidung im Urin. Daher wird Kaliumzitrat (Dosis: ca. 1 mval Alkali/kg KG; 1 g Kaliumzitrat = 3,3 mmol = ca. 10 mval Alkali) bei Hyperkalziurie und Hyperoxalurie empfohlen. Bei der Hyperkalziurie ist die früher oft verordnete Kalziumeinschränkung kontraproduktiv, da hierdurch das Steinrisiko infolge vermehrter intestinaler Oxalatresorption erhöht wird; zudem besteht die Gefahr der Osteopenie. Bei ausgeprägter Hyperkalziurie kann die Verabreichung von Thiaziden erwogen werden. Bei einigen Patienten mit primärer Hyperoxalurie Typ 1 kann die Hyperoxalurie durch hohe Dosen von Pyridoxin (Vitamin B6; 10 mg/kg) signifikant reduziert werden. Bei der sekundären Hyperoxalurie sollen oxalatreiche Speisen (Rhabarber, Spinat, Randen, dunkle Schokolade) und Getränke (Eistee auf Schwarzteebasis) vermieden werden. Bei der Zystinurie und Hyperuriksosurie ist eine Alkalinisierung mit Kaliumzitrat erforderlich, um den UrinpH ≥ 7,0 zu heben; gleichzeitig sollte das spezifische Gewicht ≤ 1005 g/l sein. Bei Überproduktion von Harnsäure wird Allopurinol verabreicht (1–3, 6, 10). Bei infektiösen Steinen muss das infektiöse Steinmaterial restlos entfernt werden. Falls eine Harnwegsfehlbildung vorliegt, ist eine Reinfektionsprophylaxe angezeigt; Medikation und Dauer werden aufgrund begrenzter Datenlage individuell festgelegt.
Allgemeine Präventionsmassnahmen
Auch wenn viele Kinder nur eine Urolithiasisepisode erleiden, tragen alle Patienten nach einer Urolithiasis – auch wenn keine Ursache nachgewiesen werden kann – ein Risiko für ein Steinrezidiv. Somit ist die Verhinderung eines Rezidivs von grösster Bedeutung. Eine Verdünnung des Urins durch eine konstante und reichliche Flüssigkeitszufuhr stellt hierfür bei Steinen jeglicher Ursache eine der wirkungsvollsten und billigsten Massnahmen dar, lässt sich aber im pädiatrischen Alltag meist nicht umsetzen. Es ist somit vernünftig, bei Patienten mit erstmaliger Steinepisode ohne metabolische oder anatomische Steinursache den Patienten und die Eltern über die Risiken eines möglichen Rezidivs aufzuklären. Da die meisten Kinder nur trinken, wenn sie Durst haben, soll bei diesen Patienten die zwingende Extraflüssigkeitszufuhr nur bei Risikosituationen wie zum Beispiel Dehydrierung bei hohem Fieber oder Brechdurchfall empfohlen werden. Anders verhält es sich bei Kindern mit bekannter metabolischer Ursache oder bei rezidivierender Urolithiasis. Bei diesen Patienten ist eine hohe Flüssigkeitszufuhr (> 2,5 l/1,73 m2/Tag) zu empfehlen; dabei ist zu beachten, dass ein Teil der Flüssigkeit spätabends und allenfalls auch um Mitternacht verabreicht wird. Dazu kann bei Säuglingen und Kleinkindern gelegentlich eine Zufuhr via nasogastrische oder PEG-Sonde nötig sein.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Thomas J. Neuhaus
Departementsleiter Kinderspital Luzern
Chefarzt Pädiatrie, 6000 Luzern
Tel. 041-205 31 51, E-Mail: thomas.neuhaus@luks.ch
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Eine konstante und reichliche Flüssigkeitszufuhr gehört zu den wirkungsvollsten Massnahmen.
Ob ein Stein die Nierenfunktion beeinträchtigt oder nicht, kann im Ultraschall nur vermutet werden.
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