Transkript
SCHWERPUNKT
Urinuntersuchung und Urinbefund
Trotz neuer Entwicklungen bleiben sie für die Diagnose wichtig
Bereits Hippokrates schrieb über die Bedeutung der Urinuntersuchung, und seit der Antike stellte die Harnschau (Uroskopie) während mehrerer Jahrhunderte das wichtigste diagnostische Hilfsmittel in der Medizin dar. Auch heute, trotz Verfügbarkeit komplexer bildgebender und laborchemischer Untersuchungsmethoden, gehört die klassische Urinuntersuchung zu den am häufigsten durchgeführten Hilfsuntersuchungen. Sie hat ihre Bedeutung in der medizinischen Diagnostik nicht eingebüsst.
Von Rodo O. von Vigier
Eine frische Urinprobe soll spätestens nach 1 bis 2 Stunden untersucht werden.
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Z ur Uringewinnung bei Kindern stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, wobei die Wahl massgeblich durch das Patientenalter (Kooperationsfähigkeit) und die durchzuführende Untersuchung bestimmt wird. Bei Kindern mit genügender willkürlicher Blasenkontrolle stellt die Gewinnung eines Mittelstrahlurins die Methode der Wahl dar. Bei Säuglingen und Kleinkindern mit noch fehlender Blasenkontrolle kann mit der «Clean-catch»-Methode (Auffangen des Urins in sterilem Becher während einer Spontanmiktion) eine Urinportion vergleichbar mit einem Mittelstrahlurin gewonnen werden (1). Das Vorgehen ist jedoch zeitaufwendig, erfordert Geduld und Mitarbeit der Begleitperson sowie einen angepassten Raum zur Durchführung. Bei Kindern mit ungenügender Blasenkontrolle kann eine Einzelprobe mittels eines Klebebeutels (Säckchen-[Beutel-]Urin) gewonnen werden. Diese Methode ist einfach, abgesehen von der Entfernung des Klebebeutels für das Kind wenig belastend, wiederholbar und meist erfolgreich. Hauptsächlicher Nachteil ist jedoch die sehr hohe Rate bakterieller Kontamination (falsch positive Resultate im Streifentest und in der Urinkultur), sodass die sichere Diagnose einer Harnwegsinfektion beziehungsweise eine verlässliche bakteriologische Untersuchung aus einer solchen Urinprobe nicht möglich ist (2, 3). Entsprechende Empfehlungen werden derzeit überarbeitet und später publiziert (vgl. Editorial). Mittels Einmalkatheterismus der Harnblase kann ein Katheterurin gewonnen werden. Bei genügender Blasenfüllung ist diese Uringewinnung meist auf Anhieb erfolgreich; wo vorhanden, kann mit vorausgehender sonografischer Kontrolle der Blasenfüllung die Erfolgsrate erhöht werden (4). Die Methode ist jedoch invasiv, und es besteht ein gewisses Risiko einer
iatrogenen Infektion (3), deren Inzidenz jedoch nicht genau bekannt ist. Die Durchführung in der Praxis ist durchaus möglich, jedoch mit entsprechendem Aufwand (zeitlich, materiell und personell) verbunden. Letztlich kann bei Säuglingen in Einzelfällen durch suprapubische Punktion Urin gewonnen werden. Die Methode ist invasiv, bei Berücksichtigung entsprechender Vorsichtsmassnahmen und Kontraindikationen aber trotzdem komplikationsarm; am häufigsten wird das Auftreten einer transitorischen Mikro- oder Makrohämaturie beschrieben (5). Zur Erhöhung der Erfolgsrate soll eine suprapubische Punktion zur Uringewinnung ausschliesslich nach sonografischer Kontrolle der Blasenfüllung erfolgen. Diese Methode setzt entsprechende Erfahrung und Ausrüstung voraus und ist in der Schweiz in der kinder- und hausärztlichen Praxis nicht üblich.
Korrekte Verarbeitung der Urinprobe ist wichtig
Die Verarbeitung der Urinprobe kann das Untersuchungsresultat massgeblich beeinflussen und hat einen entsprechenden Stellenwert (6). Eine frische Urinprobe soll vor direkter Sonnenbestrahlung geschützt und innerhalb von 1 bis maximal 2 Stunden untersucht werden, da sonst durch Licht, Luftkontakt und Temperaturänderung die Befunde beeinflusst werden können: «Nachdunkeln» (Hämoglobin, Medikamente) führt zu Farbveränderungen, und die Präzipitation gelöster Salze (z.B. Urat, Phosphat) kann zu Trübung führen, welche durch erneute Erwärmung auf Körpertemperatur reversibel sein kann. Falls die Urinprobe nicht umgehend untersucht werden kann, soll sie gekühlt (4 °C) und innerhalb von 4 bis 6 Stunden, nach erneutem Aufwärmen auf Raumtemperatur, untersucht werden.
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SCHWERPUNKT
Abbildung 1: «Ziegelmehl-Sediment». Durch Urinfarbstoffe (Urochrome) orange-rötlich gefärbte Ausfällung von Uratkristallen. Dieses harmlose Phänomen kann auch zu Verfärbung der Windeln führen.
Bei längerem Stehen der Urinprobe ist mit einer Lysierung der zellulären Elemente und entsprechender Beeinflussung der mikroskopischen Untersuchungsresultate zu rechnen, zudem nimmt die Bakterienzahl zu, und der pH-Wert steigt. Für den Versand von Urinproben zur mikrobiologischen Untersuchung ist ein geeignetes Transportmedium zu verwenden, welches die Bakterien bei unveränderter Keimzahl im Urin konserviert. Für einige Spezialuntersuchungen (z.B. Katecholamine, Oxalat, Zitrat) ist die Urinprobe durch Zugabe einer starken Säure zu stabilisieren. Das korrekte Vorgehen ist im Einzelfall mit dem entsprechenden Labor im Voraus abzuklären. Eine Übersicht der häufigsten im Urin untersuchten Parameter zeigt Tabelle 1.
Tabelle 1: Methoden zur Urinuntersuchung
physikalisch
Streifentest1
Mikroskopie
Urinvolumen spez. Gewicht Farbe Trübung Geruch Schaumbildung
spez. Gewicht pH Leukozytenesterase Nitrit Protein Glukose Ketone Urobilinogen
Erythrozyten Leukozyten Epithelzellen Zylinder Kristalle Bakterien Pilze Parasiten
Bilirubin
Blut/Globin
Mikrobiologie
Bakterien2 Pilze
Spezialuntersuchungen Protein3 Albumin3 Kalzium3 Harnsäure3 Oxalsäure3 Zystin3 Zitrat3 Katecholamine (Sammelurin) Steroidhormone (Sammelurin) Toxikologie Schwangerschaftstest
1die Anzahl Parameter ist abhängig vom verwendeten Produkt. 2Kultur; für gewisse Erreger Antigen-Nachweis mittels PCR (siehe Text). 3meist als kreatinin-korrigierter Quotient aus einer Einzelportion; bei spezieller Indikation als Gesamtmenge im 24-h-Sammelurin
Physikalische Urinuntersuchung
Die Beurteilung und Dokumentation physikalischer Eigenschaften gehört auch heute noch zur vollständigen Urinuntersuchung (6, 7). Dazu zählen insbesondere die Beurteilung von Farbe und allfälliger Trübung; in Abhängigkeit der klinischen Situation aber auch die Bestimmung des spezifischen Gewichtes mittels Refraktometers und des Volumens. Trüber Urin entsteht durch Ausfällung von Salzen (Abbildung 1) und Vorhandensein zellulärer Elemente (z.B. Leukozyten und Bakterien bei Harnwegsinfektion); bei starker Proteinurie kann der Urin einen flockigen und vor allem schäumenden Aspekt annehmen (8). In Einzelfällen soll auch der Geruch des Urines diagnostische Hinweise liefern: Ein süsslich-fruchtiger Geruch weist auf eine Ketoazidose hin (Diabetes mellitus, Fasten, Alkohol). Ammoniakgeruch findet sich bei Harnwegsinfektionen mit ureasebildenden Bakterien. Verschiedene Stoffwechselstörungen führen zu einem typischen Uringeruch, am besten bekannt ist der Geruch nach Ahornsirup oder Maggi bei Leucinose. Frisch gelöster Urin ist physiologischerweise klar und von blasser bis dunkelgelber Farbe, je nach Konzentration. Verschiedene weitere Faktoren wie Ernährung, Medikamente und Erkrankungen können jedoch die Urinfarbe massgeblich beeinflussen (Tabelle 2).
Streifentest
Die Urinuntersuchung mit Indikatorstreifen (Streifentest) ist die Standarduntersuchung in der Urindiagnostik (8). Im Urin vorhandene zelluläre Bestandteile und Metaboliten führen zu einem konzentrationsabhängigen Farbumschlag der Reagenzien, welche auf einem Trägermedium (Streifen) fixiert sind. Der Farbwechsel wird semiquantitativ beurteilt, entweder durch visuelle Beurteilung durch den Untersucher (Vergleich mit Referenzfarben auf der Verpackung) oder durch einen Automaten. Die automatische Ablesung hat den Vorteil, dass sie nicht durch Faktoren wie Lichtverhältnisse oder das Farbsehen des Untersuchers beeinflusst wird. Eine starke Färbung des Urins kann mit der chemischen Analyse im Streifentest massgeblich interferieren. Die Resultate müssen immer unter Berücksichtigung des klinischen Zusammenhangs und der Entnahmebedingungen interpretiert werden. Bei konzentriertem Urin (z.B. Morgenurin oder bei Dehydratation) ergeben sich höhere Messresultate, bei verdünntem Urin ist es umgekehrt. Entsprechend können verschiedene klinische Konditionen, ohne eigentlichen pathologischen Stellenwert, zu «abnormen» Befunden bei der Urinuntersuchung führen; weiterhin gibt es verschiedene Ursachen falsch positiver und falsch negativer Befunde bei der Untersuchung mittels Urinstreifentests (8). Eine zusammenfassende Übersicht findet sich in Tabelle 3. Aufgrund der Konzentrationsabhängigkeit und der damit verbundenen tageszeitlichen Variation ist die Untersuchung des Morgenurins besonders vorteilhaft; insbesondere für das Erfassen einer Proteinurie kann die Sensitivität dadurch deutlich erhöht werden.
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SCHWERPUNKT
Mikroskopie
Die mikroskopische Urinuntersuchung (6) erfolgt klassischerweise am Urinsediment nach standardisierter Zentrifugation. Die Befunde werden als «Anzahl pro Gesichtsfeld» bei hoher Vergrösserung (400 x) angegeben. Die Untersuchung des Harnsediments kann an ungefärbten oder gefärbten (Sternheimer-Malbinoder Sudanrot-Färbung) Proben erfolgen. Hauptsächlich untersucht wird das Vorhandensein von Zellen, Zylindern, Mikroorganismen und Kristallen (Tabelle 1) (8), wobei die Qualität der mikroskopischen Befunde wesentlich von der Erfahrung des Untersuchers abhängt. Mittlerweile stehen auch elektronische Medien zu Übungszwecken zur Verfügung (z.B. UroSurf, http://e-learning.studmed.unibe.ch/UroSurf/). Erythrozyten: Normaler Urin enthält maximal 2 (-5) Erythrozyten pro Gesichtsfeld (GF) bei 400-facher Vergrösserung, sonst liegt formal eine Hämaturie vor. Dieser Grenzwert ist restriktiv und entspricht etwa der Nachweisgrenze im Streifentest. Die Ursachen einer Hämaturie im Kindesalter sind vielfältig; ein eigenständiger Beitrag in dieser Ausgabe der PÄDIATRIE enthält eine umfassende Besprechung dieses Themas. Leukozyten: Eine Leukozytenzahl von mehr als 5 pro Gesichtsfeld (400 x) gilt als pathologisch (Neugeborene > 25/GF). Nebst Harnwegsinfektionen können auch entzündliche Prozesse im Bereich der Nieren und ableitenden Harnwege sowie im Becken (Appendizitis), Fieber und vor allem Kontamination zu einer signifikanten Leukozyturie führen. Leukozytenzylinder (Abbildung 2) beweisen einen Ursprung im Nierenparenchym. Epithelzellen: Epithelzellen können von Nierentubuli, ableitenden Harnwegen, Vorhaut, Vagina und Perineum abstammen. Alle Epithelzellen können physiologischerweise im Urin vorkommen und haben nur selten pathologischen Wert (z.B. Tubulusepithelzellen bei akuter Tubulusnekrose oder nach Verabreichung nephrotoxischer Wirkstoffe). Squamöse Plattenepithelzellen stammen aus der distalen Urethra, Vagina und Vulva und finden sich in kontaminierten Urinproben. Zylinder: Am häufigsten werden hyaline Zylinder aus Tamm-Horsfall-Mukoprotein beobachtet. Diese haben meist keine pathologische Bedeutung; sie treten bei Dehydratation, Fieber, Anstrengung, aber auch bei Nierenerkrankungen vermehrt auf. Granulierte Zylinder und Wachszylinder enthalten zusätzlich zelluläre Elemente in verschiedenen Stadien der Degradation. Diese Zylinder haben in der Regel pathologischen Stellenwert und treten gehäuft bei Nierenparenchymerkrankungen auf. Erythrozyten-, Leukozyten- und Epithelzellzylinder haben Krankheitswert und finden sich in erster Linie bei Glomerulonephritis, tubulointerstitieller Nephritis, akuter Tubulusnekrose und Pyelonephritis. Mikroorganismen: Sowohl im zentrifugierten als auch unzentrifugierten Urin können Bakterien und Pilzfäden mikroskopisch gesehen werden. Trichomonaden werden bei der Untersuchung von Nativurin entdeckt. Kristalle: Der Nachweis einer Kristallurie im Urinsediment hat nur im Zusammenhang mit einem Steinlei-
den einen sicheren pathologischen Stellenwert. Die Löslichkeit von Salzen im Urin ist von vielen Faktoren wie pH, Konzentration sowie Steinpromotoren und -inhibitoren abhängig (siehe auch Beitrag «Urolithiasis» in dieser Ausgabe der PÄDIATRIE). Die maximal lösliche Konzentration dieser Salze wird auch unter physiologischen Bedingungen oft überschritten, sodass eine Ausfällung von Kalziumoxalatund Harnsäurekristallen im sauren Urin sowie Kalziumphosphat- und Struvitkristallen (Tripelphosphat) im alkalischen Urin auftreten kann.
Abbildung 2: Leukozyten (Lc), Leukozytenzylinder (LcZy) und granulierte Zylinder (gZy) im Hellfeld-Mikroskop (400 x)
Mikrobiologische Untersuchung
In der Diagnostik der Harnwegsinfektion hat die Urinkultur weiterhin einen festen Stellenwert. Die schweizerischen Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Harnwegsinfektionen werden derzeit überarbeitet und demnächst publiziert; darum wird die Thematik an dieser Stelle nicht näher behandelt. Der Erregernachweis für Neisseriae gonorrhoeae, Mycoplasma genitalium, Ureaplasma urealyticum und Chlamydia trachomatis bei möglicher Urethritis erfolgt durch Antigennachweis mittels Polymerasekettenreaktion (PCR). Als Untersuchungsmaterial kann nebst einem Urethralabstrich (Entnahme schmerzhaft) auch eine Urinportion zu Beginn der Miktion («Erststrahl») dienen. Trichomonaden werden im Nativurin (Transportmedium ohne Zusatz) nachgewiesen.
Spezialuntersuchungen
Bei besonderen Fragestellungen werden zusätzlich zum Urinstatus (Streifentest), Sediment und Mikrobiologie spezielle, meist quantitative Urinuntersuchungen veranlasst (Tabelle 1). Sammelurin: Klassischerweise erfolgten quantitative Untersuchungen im Sammelurin einer definierten Zeitperiode von 12 oder 24 Stunden. Diese Methode ist jedoch stark fehlerbehaftet (Sammelfehler); bei
Tabelle 2: Ursachen für Farbveränderungen des Urins
Farbe Rot, Orange
Grün, Blau-Grün Schwarz, Grau, Braun
Ursachen Blut, Hämoglobin, Myoglobin Ernährung (Randen, Rhabarber, Brombeeren, weitere) Medikamente (Rifampicin, Nitrofurantoin, Laxanzien, Phenytoin, weitere) Pigmente (Urat, Porphyrine) Methylenblau Vitamin-B-Komplex Gallenfarbstoffe Eisen Melanin Phenolintoxikation Blut
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SCHWERPUNKT
Kleinkindern und insbesondere bei Säuglingen ist sie bisweilen schwierig oder nur unter stationären Bedingungen (Dauerkatheter oder Klebebeutel) durchführbar (8). Entsprechend ist die Durchführung einer Urinsammlung ausschliesslich für die Untersuchungen jener Parameter vorzusehen, die eine grosse zirkadiane Variabilität aufweisen und deshalb in Einzelportionen kein repräsentatives Resultat zulassen. Dazu gehören in erster Linie die Bestimmung von Katecholaminen und deren Metaboliten bei Verdacht auf Vorliegen eines katecholaminproduzierenden Tumors (z.B. Neuroblastom, Phäochromozytom) sowie die Bestimmung von Steroidhormonen und Metaboliten bei entsprechender Indikation (9). Spoturin: Für alle Untersuchungsparameter, die nicht einer relevanten zirkadianen Schwankung unterliegen, kann eine quantitative Untersuchung in einer Einzelportion (Spoturin) erfolgen. Durch Berechnung des Quotienten der Konzentration des untersuchten Parameters und der Kreatininkonzentration in derselben Probe resultiert ein kreatininkorrigierter Quotient (z.B. Protein in mg/mmol Kreatinin), welcher unabhängig von der initialen Konzentration («Wasserge-
Tabelle 3: Urinstreifentest, nicht pathologische Ursachen abnormer Befunde und falsche Resultate
Indikator spez. Gewicht (SG) pH Leukozytenesterase
nicht pathologische Ursachen Flüssigkeitszufuhr
Eiweissgehalt der Ernährung Fieber
falsch positiv
Verdünnung während Verarbeitung ureasebildende Keime (Proteus) Vaginalsekret, Oxidanzien
Nitrit ––
roter Urin (vgl. Tabelle 1)
Protein
Glukose Ketone Urobilinogen
Bilirubin Blut/Globin
orthostatische Proteinurie Fieber, Sport
alkalischer Urin, zelluläre Bestandteile, Bakterien
–– (kohlenhydratarme Diät)** ––
Oxidanzien ACE-Hemmer
alkalischer Urin, Sulfonamide
–– Menstruation, Sport
Rifampicin, Chlorpromazin Peroxidase (Harnwegsinfektion) Desinfektionsmittel
falsch negativ
––
Reagenzien benachbarter Indikatoren* Ascorbinsäure, Proteinurie, hohes SG Zephalosporine, Nitrofurantoin Ascorbinsäure, Urobilinogen, ungenügende Verweildauer des Urins in der Blase (cave: Neugeborene, Säuglinge) saurer Urin, niedermolekulare Proteine werden nicht erfasst Ascorbinsäure, hohes SG verzögerte Urinuntersuchung antibiotische Therapie, verzögerte Urinuntersuchung Ascorbinsäure, verzögerte Urinuntersuchung Ascorbinsäure, Proteinurie, hohes SG
*Inkorrekte technische Anwendung des Steifentests kann zu «Kontamination» mit Reagenzien der weiteren Indikatoren auf dem Streifentest und dadurch zu falschen Resultaten führen. **Ketonkörper im Urin Neugeborener ist immer pathologisch und bedarf einer notfallmässigen Weiterabklärung.
halt») der untersuchten Urinprobe ist. Für viele Parameter wurde eine gute Korrelation zwischen der Ausscheidung im Sammelurin und den kreatininkorrigierten Quotienten nachgewiesen (8, 10). Eine weitere Verbesserung der Aussagekraft und «Standardisierung» kann durch Verwendung des Morgenurins für diese Analysen erreicht werden. Proteinanalyse: Zur Diagnose und Verlaufskontrolle von Nierenparenchymerkrankungen werden Proteinund Albuminurie quantitativ bestimmt. In besonderen Situationen kann durch zusätzliche Bestimmung weiterer Urinproteine («Urinproteindifferenzierung») zwischen glomerulärem und tubulärem Ursprung einer Proteinurie unterschieden werden (11). Bei tubulärer Proteinurie führt die verminderte Rückresorption im proximalen Tubulus zu abnormer Ausscheidung niedermolekularer Proteine (beta-2-Mikroglobulin, alpha-1-Mikroglobulin und retinolbindendes Protein) im Urin. Eine Proteinausscheidung bis maximal Protein/Kreatinin 20 mg/mmol ist normal. Höhere Werte werden als leichte und mittelschwere, eine Ausscheidung von Protein/Kreatinin > 200 mg/mmol als schwere (nephrotischer Bereich) Proteinurie bezeichnet (siehe Beiträge «Hämaturie» und «Nephrotisches Syndrom» in dieser Ausgabe der PÄDIATRIE). Toxikologie: Zu den toxikologischen Urinuntersuchungen gehören insbesondere die Bestimmung von Medikamenten, Alkohol und Drogen. In besonderen Situationen, zum Beispiel bei forensisch-toxikologischer Indikation, besteht auch die Möglichkeit der Suche nach gänzlich unbekannten Fremdstoffen (sogenanntes «general unknown screening»). Weitere Parameter: Die Bestimmung weiterer Parameter wie Kalzium, Oxalat, Harnsäure, Zystin und Zitrat ist vor allem im Rahmen der Abklärungen möglicher Steinleiden indiziert (siehe Beitrag «Urolithiasis» in dieser Ausgabe der PÄDIATRIE). Weitere spezielle Untersuchungen und Berechnungen dienen vor allem zur Bestimmung tubulärer Partialfunktionen und zur Differenzierung renaler Funktionsstörungen: Glukosurie, tubuläre Phosphatrückresorption, fraktionierte Natriumausscheidung, Osmolalität, Urin-Anionenlücke und transtubulärer Kaliumgradient (12).
Korrespondenzadresse: Dr. med. Rodo O. von Vigier Kinderklinik Wildermeth, Spitalzentrum Biel AG Vogelsang 84, 2501 Biel-Bienne E-Mail: rodo.vonvigier@szb-chb.ch
Danksagung: Die Abbildungen wurden freundlicherweise durch Prof. Dr. G. D. Simonetti (Abb. 1) und Dr. U. Woermann (Abb. 2, aus dem Lernprogramm «UroSurf») zur Publikation überlassen. Es handelt sich um die modifizierte Version eines Beitrags, der zuerst in der Zeitschrift kinderärzte.schweiz 01/2013 erschienen ist (www.kinderaerzteschweiz.ch/Publikationen).
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initial urinary tract infection in febrile infants and young children. Pediatrics 1999; 103 (4 Pt 1): 843–852. 4. Chen L, Hsiao AL, Moore CL, Dziura JD, Santucci KA. Utility of bedside bladder ultrasound before urethral catheterization in young children. Pediatrics 2005; 115 (1): 108–111. 5. Carlson KP, Pullon DH. Bladder hemorrhage following transcutaneous bladder aspiration. Pediatrics 1977; 60 (5): 765. 6. King Strasinger S, Schaub Di Lorenzo M. Urinalysis and Body Fluids. F. A. Davis Company, Philadelphia, PA, USA, 5th edition, 2008. 7. Wald R. Urinalysis in the diagnosis of kidney disease. www.uptodate.com, letzter Zugriff 18.03.2013. 8. Patel HP. The abnormal urinalysis. Pediatr Clin N Am 2006; 53 (3): 325–337. 9. Mohaupt MG, von Vigier RO. Hormonanalysen im Urin. Ther Umsch 2006; 63 (9): 559–564. 10. Abitbol C, Zillerulo G, Freundlich M, Strauss J. Quantitation of proteinuria with urinary protein/creatinine ratios and random testing with dipsticks in nephrotic children. J Pediatr 1990; 116 (2): 243–247. 11. Avner ED, Harmon WE, Niaudet P, Yoshikawa N (Eds.). Pediatric Nephrology. Lippincott Williams and Wilkins, Baltimore, Md, USA, 6th edition 2009. 12. von Vigier RO, Bianchetti MG. Nephrologie. In: Berner Datenbuch Pädiatrie (Hrsg. Kraemer R, Schöni MH), Huber Verlag, 2007, Bern; pp: 836–864.
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