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Titel
Harnwegsinfekte bei Kindern
Untertitel
Diagnose und Therapie in der Praxis
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Harnwegsinfekte (HWI) haben bei kleinen Kindern einen anderen Stellenwert als bei Erwachsenen, da bei den Kindern oft eine Fehlbildung der ableitenden Harnwege dahintersteckt und Komplikationen mit schwerwiegenden Folgen häufiger auftreten können.
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SCHWERPUNKT
Harnwegsinfekte bei Kindern
Diagnose und Therapie in der Praxis

Harnwegsinfekte (HWI) haben bei kleinen Kindern einen anderen Stellenwert als bei Erwachsenen, da bei den Kindern oft eine Fehlbildung der ableitenden Harnwege dahintersteckt und Komplikationen mit schwerwiegenden Folgen häufiger auftreten können.
Guideline des Schweizer Ärztenetzwerks mediX 2012

D ie antibiotische Therapie der Pyelonephritis gilt als «evidence based». Die Behandlung des vesikoureteralen Refluxes ist dagegen weitgehend «opinion based». Diese Guideline weicht teilweise von den derzeitigen Empfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie (SAPN) und der Arbeitsgruppe für pädiatrische Infektiologie (PIGS) ab, zum Beispiel hinsichtlich Ultraschalls in der akuten Phase, Stellenwert des CRP und Mindestalters für orale Antibiotikatherapie. Die SAPN/PIGS-Guidelines (1) empfehlen teilweise ein invasiveres diagnostisches und therapeutisches Vorgehen, wobei inzwischen auch die SAPN/PIGS für die meisten Fälle eine orale Behandlung empfiehlt. Die Guidelines sind über folgenden Link einzusehen und unbedingt lesenswert: www. swisspaediatrics.org/sites/default/files/17–21.pdf
Ursachen und Unterschiede zum Erwachsenen
Harnwegsinfekte (HWI) haben beim Kind einen ganz anderen Stellenwert als bei Erwachsenen. Es gibt einige wesentliche Unterschiede: • Oft steckt als Risikofaktor eine Fehlbildung der ab-
leitenden Harnwege oder ein ausgeprägter vesikoureteraler Reflux (VUR) dahinter. • Untere HWI gehen bei Kindern öfter als bei Erwachsenen in obere HWI über. • Obere HWI führen öfter zu Bakteriämie und Urosepsis als bei Erwachsenen. • Obere HWI im Kleinkindesalter führen öfter zu Parenchymdefekten (Narben). All dies ist umso wahrscheinlicher, je jünger das Kind ist. HWI sind bei Jungen deutlich seltener als bei Mädchen (ca. 1:4). Hat ein Junge aber einen febrilen HWI, ist es noch wahrscheinlicher, dass eine Fehlbildung

oder ein Reflux vorliegt. Grundsätzlich gilt: Harnwegsinfekte bei präadoleszenten Kindern sind nicht «normal». Es muss in jedem Fall die Möglichkeit einer Fehlbildung beziehungsweise eines VUR in Betracht gezogen werden. Nicht in jedem Fall ist aber eine vollständige uroradiologische Abklärung notwendig. Ein weiterer Grund für wiederholte HWI bei etwas älteren Kindern (Kindergarten/Schulkinder) kann eine Sphinkter-Detrusor-Dyssynergie sein. Diese Kinder haben auch im infektfreien Intervall tagsüber Miktionsprobleme wie Pollakisurie, Urge-Inkontinenz und so weiter. Eine Abklärung durch den Pädiater oder eine nephrologische Poliklinik ist sinnvoll.
Diagnostik initial
Bei jedem Kind unter 3 bis 4 Jahren mit Fieber ohne Fokus Urin untersuchen! Ein häufiges Symptom (und Grund, einen HWI zu suchen) ist Schüttelfrost. • Zuerst Urin-Streifentest (mit Lc, Ec, EW und Nitrit)
durchführen. • Falls nicht normal, das heisst Lc über 75 (1+), Ec
> 10 (1+), Nitrit pos, EW > 1+: Uricult ansetzen und CRP bestimmen. • Uringewinnung: Säckliurin zur Orientierung möglich; falls nicht normal; Mittelstrahl-, Katheter- oder Blasenpunktionsurin (siehe unten). • Falls eindeutiger HWI (Lc ≥ 250/3+, Ec ≥ 50/2+, Nitrit pos., EW ≥ 2+)vorliegt, behandeln. • Bei fraglichem Resultat (zwischen normal und eindeutig pathologisch): – Falls CRP erhöht > 50: behandeln# – Falls CRP nur gering erhöht: Urikult abwarten und telefonische Nachfrage oder klinische Kontrolle in < 24 Stunden. • Ultraschall im Akustadium nicht nötig, da nicht aussagekräftig.# #Abweichungen von den derzeitigen Empfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie (SAPN) und der Arbeitsgruppe für pädiatrische Infektiologie (PIGS) sind mit einem # markiert. 1/13 11 SCHWERPUNKT Kasten 1: Therapie bei Harnwegsinfekten (HWI) im Kindesalter Kinder mit febrilem HWI ab 3 Monaten# mit oralem Cephalosporin (Suspension) behandeln: Ceftibuten (Cedax®) 1 x 9 mg/kg/Tag in einer Dosis für 10–14 Tage, am ersten Tag 2 Dosen (2 x 9 mg, q12h) oder Cefixim (Cephoral®) 1 x 8 mg/kg/Tag (1 Dosis/Tag) x 10–14 Tage oder 2 x 4 mg/kg/Tag (2 Dosen/Tag) x 10–14 Tage oder Cefpodoxim (Orelox®) 2 x 4 mg/kg/Tag (2 Dosen/Tag) x 10–14 Tage. Andere Antibiotika sind für die orale Behandlung febriler HWI nicht geprüft! Rückmeldung über Verlauf innert 24 bis 48 Stunden nötig (telefonisch oder klinisch). Primäre Hospitalisation und initiale i.v.-Therapie zwingend nötig, falls: • Säugling unter 3 Monate alt# (gestationsalterkorrigiert, das heisst FG evtl. bis 6 Monate!) • Kind in schlechtem Allgemeinzustand (septisch, totale Trinkverweigerung) • bekannte Fehlbildung der Harnwege oder vesikoureteraler Reflux > Grad II • Immundefekt.

Sekundäre Hospitalisation, falls: • keine Entfieberung innert 48 Stunden • keine AZ-Verbesserung trotz Antibiotika und Antipyretika • rezidivierendes Erbrechen, Erbrechen der Medikamente.

Kinder mit afebrilem HWI (Zystitis, Urethritis):

• Cotrimoxazol (Bactrim®, Generika) 36–40 mg*/kg/Tag ≈ 4 ml Sirup pro 5 kg/Tag

*36 mg Cotrimoxazol = 6 mg Trimethoprim + 30 mg Sulfamethoxazol

• Co-Amoxicillin

50–75 mg AMX/kg/Tag in 2–3 Dosen

• Cephalosporine 3. Generation s. oben bei febrilem HWI

• Cephalosporine 2. Generation wie Cefuroxim 20 mg/kg/Tag in 2 Dosen

Therapiedauer 3–5 Tage (Einmaldosis bei Kindern nicht empfohlen)

Uringewinnung und -untersuchung
Ein Mittelstrahlurin auf Anweisung kann meist erst ab dem Kindergartenalter gewonnen werden, der «Säckliurin» ist oft kontaminiert. Zuverlässige Resultate liefern nur Einmalkatheterisierung oder – noch besser – durch Blasenpunktion gewonnener Urin. In der Allgemeinpraxis ist dies jedoch unrealistisch, da beide Methoden etwas Übung erfordern und für die Eltern ziemlich unangenehm aussehen, obwohl vor allem die Blasenpunktion weniger schmerzhaft ist als etwa eine Impfung. Was sind demnach praktikable Methoden zur Uringewinnung? • Direktes Auffangen von Urin: eine gute Methode vor
allem bei Säuglingen. Die Mutter (oder der Vater) gibt dem Kind zu trinken, putzt die Region der Urethralmündung mit Cetrimide (o.ä.), wartet dann neben dem unten ausgezogenen Kind, bis es uriniert, und fängt den Urin mit einem sterilen Röhrchen auf. Praktisch entspricht dies einem Mittelstrahlurin, da die erste Portion sowieso danebengeht. Klappt meistens innert 30 Minuten, sofern die Betreuungsperson gut aufpasst. Voraussetzung: ein Platz, wo Kind und Mutter in Ruhe warten können; Urin kann eventuell auch zu Hause abgenommen und dann in die Praxis gebracht werden (sofort!). • Mittelstrahlurin auf Aufforderung: Ein Versuch kann gemacht werden bei Kindern, die die Miktion gut kontrollieren können. • Säckliurin: wenn es nicht anders geht oder als Screening bei Fieber ohne Fokus: Genitalregion gut reinigen mit Cetrimide o.ä., Säckli nach spätestens

einer Stunde wechseln, wenn kein Urin nach erneutem Putzen. Einige Lc- und Ec-Bakterien sind im Säckliurin normal (siehe unten). Sofort nach Miktion entfernen und untersuchen. • Einmalkatheterisierung: recht zuverlässige Methode, wenn man ein Kleinkind katheterisieren kann und die Eltern keine Probleme damit haben. • Blasenpunktion: die genaueste Methode, wenn man weiss, wie und die Eltern keine Probleme damit haben. • Zuweisung zur Urinuntersuchung: Bei fraglichem Resultat, zum Beispiel aus dem Säckliurin, kann man das Kind auch einem Kinderarzt zur Blasenpunktion oder Katheterisierung überweisen, wenn man das nicht selber kann oder aus psychologischen Gründen nicht will! Beachte: Ein normaler Uristix schliesst einen HWI aus, ein eindeutig positives Resultat (viele Lc, Ec, Nitrit+) ist aussagekräftig, dazwischen liegt ein grosser Graubereich. Die Kultur kann einen HWI bestätigen oder ausschliessen: Wachstum > 104 gilt als pathologisch, bei Blasenpunktion jedes Wachstum. Mischkulturen sprechen gegen einen febrilen HWI, ausser bei Säuglingen (E. coli + Enterokokken kommt vor). Wird ein febriler HWI behandelt, ist ein Urikult obligatorisch.
Relevanz des CRP
Das CRP korreliert stark mit einer Parenchymbeteiligung (Nephritis). Bei positivem Urinbefund und erhöhtem CRP (> 50, meist viel höher) muss eine Pyelonephritis angenommen und behandelt werden. Die SAPN/PIGS-Guidelines (1) messen dem CRP keine grosse Bedeutung zu. Tatsächlich ist eine Pyelonephritis mit normalem CRP aber extrem selten; kein Kind in der grossen schweizerischen multizentrischen Pyelonephritisstudie (2) hatte ein tiefes CRP. Da die Uringewinnung oft mühselig und auch nach Stunden erfolglos sein kann, darf diese unserer Meinung nach bei tiefem CRP auf den nächsten Tag verschoben werden – wenn dann noch Fieber besteht bei weiterhin unklarem Fokus.
Bildgebende Untersuchungen
Sonografie: Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass eine Sonografie in der akuten Erkrankung eine Nephritis weder sicher beweisen noch ausschliessen kann (3, 4). Dies gilt auch für einen vesikoureteralen Reflux. Nur grobe Fehlbildungen mit Stauung werden sicher erkannt. Diese können jedoch nach der Behandlung der akuten Erkrankung diagnostiziert werden oder sind bereits bekannt aufgrund der Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft. DMSA-Szintigrafie: Nur diese Untersuchung kann eine Parenchymbeteiligung (Nephritis) sicher ausschliessen/beweisen. Dies hat initial aber keine therapeutischen Konsequenzen, da jeder febrile HWI antibiotisch behandelt werden muss. Die DMSA-Szintigrafie ist sinnvoll bei Kindern mit Harnwegsfehlbildungen und/oder rezidivierenden oberen HWI (Funktion, Narbenbildung?). MCUG: Die MCUG (Miktionszystoureterografie) ist in der akuten Phase nicht sinnvoll, da wegen der Entzündung oft falschnegativ oder auch falschpositiv. Bei

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SCHWERPUNKT

Kleinkindern 4 bis 8 Wochen nach HWI indiziert (Frage nach VUR, siehe oben).
Therapie
Viele Kinder können vom Hausarzt erfolgreich oral behandelt werden. Zurzeit empfehlen auch die Kindernephrologen die primär orale Therapie mit einem Cephalosporin, ausgenommen für Kinder unter 6 Monaten (Empfehlung 3 Tage i.v., dann oral; unter 2 Monate alte Säuglinge ganze Dauer i.v.). mediX empfiehlt: Kinder über 3 Monate mit febrilen HWI primär oral behandeln, sofern keine Sepsis oder Trink- und/oder Medikamentenverweigerung vorliegt und eine Verlaufskontrolle per Telefon oder Konsultation innert 24 bis 48 Std stattfindet. Cephalosporine der dritten Generation sind die erste Wahl bei febrilen HWI. Bei keinem Kind in der grossen schweizerischen multizentrischen Pyelonephritisstudie war der Erreger dagegen resistent. Bei Zystitis können alternativ auch Cotrimoxazol oder Co-Amoxicillin für 3 bis 5 Tage verwendet werden, über eine Einmaldosis-Behandlung gibt es keine Daten. Die Dosierungen und die Kriterien für eine Hospitalisation sind im Kasten 1 zusammengefasst.

Kasten 2: Antibiotika-Dauerprophylaxe – Indikationen und Medikamente

Indikationen: • bei kleinen Kindern mit Nachweis von vesikoureteralem Reflux > Grad II in der MCUG • nach 1. HWI bis zur MCUG (falls eines indiziert ist, s.o.) • nach 2. oder x. febrilem HWI • gelegentlich bei rezidivierendem unterem (afebrilem) HWI bei Mädchen bis 10 Jahre.

Medikamente: • Cotrimoxazol (Bactrim®, Generika) 18–20 mg*/kg/Tag ≈ 2 ml Sirup pro 5 kg/Tag
*18 mg Cotrimoxazol = 3 mg Trimethoprim + 15 mg Sulfamethoxazol • Nitrofurantoin (Urodin®) (1)–2 mg/kg/Tag (nicht mehr in päd. Dosis erhältlich). Bei kontinenten Kindern in einer Einmaldosis (alle 24h) vor dem Schlafengehen, bei inkontinenten Kindern (Windeln) aufgeteilt in 2 Dosen (alle 12h).

Indikation und Dauer einer Antibiotikaprophylaxe bei vesikouretralem Reflux (VUR):

VUR > Grad II

VUR ≤ Grad II

männlich

bis zum Alter von 2 Jahren

nach Rezidiv bis zum Alter von 2 Jahren

oder normalem Kontroll-MCUG

(1- bis 2-mal jährlich)

weiblich

bis zum Alter von 4 Jahren oder nach Rezidiv bis zum Alter von 4 Jahren

normalem Kontroll-MCUG

(1- bis 2-mal jährlich)

HWI: Harnwegsinfekt; MCUG: Miktionszystoureterografie

Diagnostik nach Abheilung
Bei Kleinkindern ist eine Ultraschalluntersuchung nach Abheilung eines febrilen HWI indiziert. Es geht darum, Fehlbildungen der ableitenden Harnwege so weit wie möglich auszuschliessen. Eine Abflussbehinderung (z.B. bei Utererabgangs- oder -mündungsstenose, Doppelureteren mit Stauung oder anderen Fehlbildungen) führt wegen des verlangsamten Flusses im Ureter zu erhöhtem Risiko für aufsteigende HWI. Die häufigste Ursache ist aber ein vesiko-ureteraler Reflux, der im Ultraschall meist nicht erkannt werden kann. Dafür ist eine MCUG nötig – primär aber nur bei Mädchen unter 4 Jahren oder Knaben unter 2 Jahren, da bei Älteren auch bei VUR keine Prophylaxe oder Operation empfohlen wird. Die Diagnostik nach Abheilung ist abhängig vom Alter und davon, ob es sich um die erste HWI oder ein Rezidiv handelt: • Nach erstem febrilem Harnwegsinfekt beim gesun-
den Kind: Alter < 2 Jahre: MCUG und Sonografie# Alter 2 bis ≤ 4 Jahre: nur Sonografie# Alter > 4 Jahre: keine Diagnostik. • Nach einem 2. oder x. HWI muss in jedem Alter eine MCUG und eine Sonografie gemacht werden! Wenn eine MCUG vorgesehen ist, so muss nach Ende der Antibiotikatherapie (10–14 Tage) bis zur MCUG eine Antibiotikaprophylaxe gemacht werden (siehe unten).
Antibiotika-Dauerprophylaxe
Bei bestimmten Harnwegsfehlbildungen und vor allem beim VUR ist das Wiederholungsrisiko für Pyelonephritiden relativ hoch. Häufige Pyelonephritiden können zur Funktionseinschränkung der Nieren (im Extremfall bis zur Insuffizienz) führen. Eine Dauerprophylaxe ist deshalb bei Kleinkindern gerechtfertigt, bis der VUR verschwunden ist (das geschieht meist spontan). Es

wurde jedoch gezeigt, dass die Prophylaxe das Rezi-
divrisiko bei Kindern mit persistierendem VUR ab ei-
nem bestimmten Alter nicht mehr senkt – bei Knaben
ab 2 bis 4 Jahren, bei Mädchen ab 4 bis 6 Jahren.
Die Prophyxlaxe kann deshalb ab 2 (Knaben) bezie-
hungsweise 4 (Mädchen) Jahren gestoppt werden,
bei nicht mehr nachweisbarem Reflux (im MCUG)
schon vorher. Die Prophylaxe mit Cotrimoxazol verur-
sacht selten Nebenwirkungen. Das alternative Nitro-
furantoin ist nicht mehr in kindergerechter Dosierung
im Handel. Die Indikationen und Medikamente für
eine Antibiotika-Dauerprophylaxe sind im Kasten 2 zusammengefasst.
Der Abdruck dieser Guideline erfolgte mit freundlicher Genehmigung von mediX schweiz. Herausgeber: Dr. med. Felix Huber; Redaktion (verantw.): Dr. med. Uwe Beise; Autor: Dr. med. Rolf Solèr; zuletzt revidiert 03/2012. Formale Anpassungen an das Layout für den Nachdruck erfolgten durch die Redaktion PÄDIATRIE. Die Originalversion steht zum Download zur Verfügung unter: www.medix.ch
Literatur: 1. Guidelines der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie: www.swisspaediatrics.org/sites/default/files/17–21.pdf 2. Neuhaus T, Buechner K, Berger C et al. Randomized trial of oral versus sequential intravenous/oral cephalosporines in children with pyelonephritis. Eur J Pediatr 2008; 167: 1037–1047. 3. Hoberman A et al. Imaging studies after a first febrile urinary tract infection in young children. NEJM 2003; 348: 195–202. 4. Bruder Stapleton F. Imaging studies for childhood urinary infections (editorial). NEJM 2003; 348: 251–252. 5. Hoberman A et al. Oral versus initial intravenous therapy for urinary tract infections in young febrile children. Pediatrics 1999; 104: 79–86. 6. Montini G et al. On behalf of the IRIS study group: Oral vs initial intravenous antibiotic treatment of urinary tract infections in children: a multicenter study. Nephrol Dial Transpl 2003; 18 (Suppl 4): 816a. 7. Craig JC, Hodson EM. Treatment of acute pyelonephritis in children (editorial). BMJ 2004; 328: 179–190. 8. Benador D et al. Randomised controlled trial of 3 day vs. 10 day intravenous antibiotics in acute pyelonephritis: effect on renal scarring. Arch Dis Child 2001; 84: 241–246.

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SCHWERPUNKT
Praxiskommentare zur Guideline Harnwegsinfekte bei Kindern
CRP in der Tat sehr wichtig

Anders als in den Guidelines sucht nicht jeder Praktiker bei einem Kleinkind mit Fieber reflexhaft im Urin nach einem HWI. Darüber hinaus fanden sich in den Kommentaren aus der Praxis nur im Detail Unterschiede zu der vorgestellten Guideline.

Allgemeinzustand und Krankheitsverlauf sind in der Praxis matchentscheidend.
Schon bei leicht erhöhtem CRP und Leukozyten im Urin mit Antibiotika beginnen.
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Dr. med. Peter Reinhard, Kloten Man darf nie vergessen, dass der Verlauf über einige Tage und der Allgemeinzustand des Patienten (eher krank oder eher fit) sowie die Dauer der Erkrankung für alle Pathologien in der Praxis matchentscheidend sind. Im Grund gehört dies als «Reminder» eigentlich in jede Richtlinie, wird aber wegen der immerwährenden Wiederholung leider oft weggelassen. Blasenpunktion und Katheterisierung sind wohl eher klinikgestützte Diagnostika, obwohl einzelne Kolleginnen und Kollegen dies auch praktizieren. Das CRP ist vor allem bei eindeutig kranken und febrilen Säuglingen von unschätzbarem praktischem Wert, da bei einem Wert über 50 bis 80 die Diagnose des HWI praktisch erzwungen werden muss (kein Zuwarten!). Wie bei anderen Erkrankungen ist auch hier wieder der Allgemeinzustand und die Dauer der Fieberepisode entscheidend, vor allem wenn der Verlauf eindeutig progredient ist. Bei älteren Kindern ist der HWI wegen der «klareren» Symptome oft frühzeitig und gut mit Cotrimoxazol (Bactrim® und Generika) therapierbar – auch hier immer mit Kultur und Antibiogramm. Bis zum Erhalt der Resultate fällt der Entscheid für oder gegen eine vorgängige Antibiotikagabe je nach Zustand und Verlauf. In der Guideline fehlt leider eine Erklärung, warum Cotrimoxazol (Bactrim®, resp. Generika) nicht auch bei einem febrilen, sonst aber unkomplizierten ersten Harnwegsinfekt (HWI) in der Praxis nicht als First-line-Medikament eingesetzt werden darf.
Dr. med. Hannes Geiges, Rüti Ich mache nicht bei jedem Kind unter 3 bis 4 Jahren mit Fieber einen Urinstatus. Auch in diesem Alter kann das Gewinnen von Urin in der Praxis noch aufwändig werden. Katheterurin und Blasenpunktion machte ich nur einige Male in meinem ersten Praxisjahr. Solche Eingriffe bleiben nicht positiv im Gedächtnis der Mütter hängen. Im Zweifel ist für mich ein «schlecht dokumentiertes» Antibiotikum weniger schlimm als bleibende Ängste der Mutter vor Blasenpunktion oder Katheterisierung. Die Anamnese ist mir sehr wichtig: • Klagte das Kind über Bauchweh? • Oft riechen die Mütter, dass der Urin stinkt, ins-
besondere wenn die Kinder mehrfach schon HWI hatten. • Hat jemand in der Familie oder im nahen Umfeld ein ansteckendes Fieber?

• Wie war der Fieberanstieg? Schnell (innerhalb einer Stunde) auf 40 Grad bei relativ gutem Allgemeinzustand (z.B. 3-Tage-Fieber)?
• Wie reagierte das Fieber auf Fieberzäpfchen? Schnell, doch kurz, wie beim viralen Infekt? Wie lange dauerte der Fieberabfall nach Fieberzäpfchen?
• Wie war der Zustand des Kindes nach der Gabe von Paracetamol? War es für 2 bis 3 Stunden wohlauf und spielte es?
• Musste das Kind erbrechen, wie meist beim oberen HWI?
Der Befund «hohes Fieber beim Kind infolge eines HWI» spricht für einen oberen HWI. Bei einer Pyelonephritis ist das Kind schwerer krank als bei einem viralen Infekt; schlechterer Allgemeinzustand, andere Hautfarbe, oft Brechreiz. Die tiefe Abdominalpalpation und die betroffene Nierenloge sind meist dolent. Die Kinder ab 4 Jahren klagen beim «Bisimachen». Sprechen Anamnese und Befund für einen möglichen HWI, dann will ich den Urin untersuchen. Ein positiver Stix-Test und im Sediment (nach altem Muster) massenhaft Leukozyten kommen nicht von einer Verunreinigung. Dann werden CRP und Leukozyten bestimmt, und es wird ein Uricult angelegt. Schon bei leicht erhöhtem CRP und Leukozyten beginne ich mit oraler Antibiotikatherapie. Cefibuten (Cedax®) ist für mich das Mittel der Wahl, eventuell Co-Amoxicillin. Das Problem wegen der Pollakisurie ist oft die kleine Menge Urin. Haben wir im Uricult (bereits nach 8 Std. ablesbar) makroskopisch eine mehrfache Mischkultur, dann ist es meist eine Verunreinigung, makroskopische Monokulturen meist HWI. Die Therapie dauert, bis der Urin sauber ist in StixTest, Sediment und Uricult. Ein Nierenultraschall ist bei den Knaben schon nach dem ersten HWI beim Kleinkind sinnvoll, bei den Mädchen nach dem zweiten oder, wenn der Abstand zwischen erstem und zweitem sehr gross war, nach dem dritten HWI. Eine MCUG wird im Kinderspital entsprechend Nierenultraschall und Alter, in Absprache mit Radiologe und Nephrologe, durchgeführt. Eine allfällige Dauertherapie erfolgt nach Absprache mit dem Nephrologen. Bei grossem Widerstand der Eltern ging es mehrfach auch ohne diese Dauertherapie, doch regelmässige zuerst engmaschige Urinkontrollen, besonders beim kleinsten Verdacht (Geruch, Fieber, Unwohlsein), waren unumgänglich. Die Sphinkter-Detrusor-Dyssynergie ist mir in den letzten 35 Jahren in der Praxis nie begegnet, diese gehört sicher nicht in die Guideline.

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