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Zöliakiediagnostik
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Biopsien werden nicht mehr immer empfohlen
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Eine neue diagnostische Guideline für die Zöliakie wurde 2012 von der ESPGHAN (European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition) publiziert. Bei bestimmten, ausgewählten serologischen Befunden reicht die Diagnose Zöliakie sicher aus, um auf Biopsien zu verzichten. Im Folgenden wird diese Guideline zusammengefasst, danach folgt ein Kommentar über die Konsequenzen für die Praxis.
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Zöliakiediagnostik
Biopsien werden nicht mehr immer empfohlen

SCHWERPUNKT

Eine neue diagnostische Guideline für die Zöliakie wurde 2012 von der ESPGHAN (European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition) publiziert. Bei bestimmten, ausgewählten serologischen Befunden reicht die Diagnose Zöliakie sicher aus, um auf Biopsien zu verzichten. Im Folgenden wird diese Guideline zusammengefasst, danach folgt ein Kommentar über die Konsequenzen für die Praxis.

Zusammenfassung der Diagnostikguideline Zöliakie der ESPGHAN

D a viele Symptome der Zöliakie recht unspezifisch sind, empfiehlt die ESPGHAN eine entsprechende Abklärung nicht nur für Kinder mit typischen gastrointestinalen Symptomen, sondern auch bei weniger klaren Beschwerden. Mittlerweile gibt es gut etablierte serologische Tests, die eine Zöliakiediagnose erlauben. Hierzu zählt der Nachweis der zöliakiespezifischen Antikörper: • anti-TG2: Antikörper gegen Gewebstransglutaminase Typ 2 • EMA: Antikörper gegen Endomysium • anti-DGP: Antikörper gegen deaminierte Formen von Gliadinpeptiden. Gemessen werden sollte jeweils der IgA-Typ der genannten Immunglobuline. Voraussetzung ist, dass der Patient einen normalen Gesamt-IgA-Spiegel aufweist. Ist dies nicht der Fall (gesamtes Serum-IgA < 0,2 g/l), gibt es auch Tests für die IgG-Varianten. Ausserdem ist zu berücksichtigen, ob der Patient zum Zeitpunkt der Blutentnahme tatsächlich einer normalen Dosis Gluten in der Nahrung ausgesetzt war, um falschnegative Befunde auszuschliessen. Ebenfalls von Bedeutung sind die genetischen Gewebemarker HLA-DQ2 und HLA-DQ8. Sind diese beiden Marker negativ, ist eine Zöliakie bei asymptomatischen Patienten oder solchen mit negativem Antikörperbefund unwahrscheinlich. Die Genotypisierung wird unter folgenden Voraussetzungen empfohlen: • zur Absicherung der Zöliakiediagnose ohne Biopsie bei Kindern mit klaren Symptomen und hohen zöliakiespezifischen Antikörperspiegeln; • als Vorabtest bei asymptomatischen Kindern mit hohem Risiko für eine Zöliakie (weitere Tests nur, wenn HLA-DQ2 und/oder HLA-DQ8 positiv ist). Wer sollte getestet werden? Es gibt zwei Gruppen von Kindern, die getestet werden sollten: Kinder mit Symptomen einer Zöliakie und asymptomatische Kinder mit bestimmten Risikofaktoren. Die Interpretation der Befunde und die weiteren Schritte sind bei diese beiden Gruppen unterschiedlich. Wann kann man auf eine Biopsie verzichten? Auf eine Biopsie kann man bei Kindern über 2 Jahre verzichten, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: • klare Symptome, die für eine Zöliakie sprechen • anti-TG2-Spiegel mindestens 10-fach über oberem Normwert • EMA positiv • HLA-DQ2/DQ8 positiv Die Details der Abklärung werden in den folgenden Abschnitten erläutert. Symptomatische Patienten Kinder und Jugendliche die unter den in Tabelle 1 aufgeführten, anderweitig nicht erklärbaren Symptomen leiden, sollten auf Zöliakie abgeklärt werden. Als Erstes wird anti-TG2-IgA getestet werden, wobei immer das Gesamt-Serum-IgA gleichzeitig zu bestimmen ist, um eine IgA-Defizienz und dadurch bedingte falschnegative Resultate zu vermeiden. Alternativ ist der Test auf anti-DGP-IgG (bzw. anti-DGP-IgA) möglich. Die Empfehlung, anti-TG2-IgA und nicht EMA als Erstes zu testen, obgleich EMA als besonders zöliakiespezifisch gilt, wird mit der guten Sensitivität und Spezifität der anti-TG2-IgA-Tests, ihrer breiten Verfügbarkeit und den gegenüber EMA niedrigeren Kosten begründet. Es ist bei symptomatischen Patienten aus Kostengründen nicht sinnvoll, initial mehr als antiTG2-IgA plus Gesamt-IgA zu bestimmen. 5/12 Es müssen mehrere Kriterien gleichzeitig erfüllt sein, damit man auf Biopsien verzichten kann. 23 SCHWERPUNKT Tabelle 1: Potenzielle Zöliakiesymptome TG2-IgA-Antikörper negativ Falls anti-TG2-IgA nicht nachweisbar ist (bei normalem Gesamt-Serum-IgA), • chronische oder intermittierende Diarrhö • Gedeihstörung • Gewichtsverlust • gehemmtes Wachstum • verzögerter Eintritt der Pubertät • Amenorrhö • Eisenmangelanämie • Übelkeit und Erbrechen • chronische Bauchschmerzen, Blähungen oder Krämpfe • chronische Obstipation • chronische Müdigkeit • rezidivierende Aphthen • Dermatitis herpetiformis • inadäquates Trauma nach Frakturen, Osteope- nie, Osteoporose • abnorme Leberwerte müssen potenzielle Gründe für einen falschnegativen Befund ausgeschlossen werden. Diese sind: glutenarme Ernährung, Enteropathie mit Proteinverlust, Einnahme von Immunsuppressiva und ein Alter unter 2 Jahren. Wenn eine Kuhmilchunverträglichkeit ausgeschlossen werden kann (versuchsweise kuhmilchfreie Ernährung), sollte bei Kindern unter 2 Jahren intensiv nach Zöliakie-spezifischen Antikörpern, sowohl IgA als auch IgG, gesucht werden, Falls trotz negativem Antikörperbefund schwere Symptome bestehen, ist eine Biopsie indiziert. TG2-IgA-Antikörper positiv Falls anti-TG2-IgA nachweisbar ist, sollte das Kind an einen pädiatrischen Gastroenterolo- gen überwiesen wird. Die weiteren Abklärungs- schritte orientieren sich am Antikörperspiegel. Liegt das anti-TG2-IgA weniger als 10-fach über der Norm (ULN: upper limit of normal; ein Vergleich der gängigen anti-TG2-Tests wurde mit der Guideline pu- bliziert), sollte eine Biopsie durchgeführt werden. Ist das anti-TG2-IgA jedoch hoch, das heisst minde- stens 10-fach oder mehr über der Norm, kann auf eine Biopsie verzichtet werden. In diesem Fall wird mit ei- ner neuen Blutprobe (!) auf EMA und die HLA- DQ2/DQ8 getestet. Die neue Blutprobe ist wichtig, um allfällige präanalytische Fehlerquellen sicher aus- zuschliessen (Verwechslungen, falsche Etiketten usw.). Da die immunhistochemische Bestimmung der Tabelle 2: Punktesystem für die Zöliakiediagnose Eine Summe von 4 Punkte spricht für Zöliakie. Parameter Symptome Malabsorptionssyndrom Punkte 2 andere zöliakierelevanten Symptome oder Typ-1-Diabetes oder Verwandter 1. Grades mit Zöliakie 1 asymptomatisch 0 Serumantikörper EMA-positiv und/oder hoch positiv (>10 ULN) für anti-TG2

2

schwach positiv für anti-TG2 oder nur positiv für anti-DGP

1

Serologie wurde nicht durchgeführt

0

Serologie wurde durchgeführt, aber alle* zöliakiespezifischen

Antikörper negativ

-1

HLA vollständige HLA-DQ2 (cis oder trans) oder HLA-DQ8 Heterodimere

vorhanden

1

kein HLA-Test durchgeführt oder halbe HLA-DQ2 (nur HLA-DQB1*0202)

vorhanden

0

HLA ist weder DQ2 noch DQ8

-1

Histologie

Marsh 3b oder 3c

2

Marsh 2 oder 3a

1

Marsh 0 bis 1 oder keine Biopsie

0

*Bei IgA-defizienten Personen sind hier die EMA, TG2- und DGP-Antikörper der IgG-Klasse gemeint.

EMA sehr hohe Anforderungen an die Qualität des Labors stellt, sollte der Arzt diese Bestimmung nur in erfahrenen Labors machen lassen. Falls EMA sowie DQ2 und DQ8 positiv sind, bestätigt dies die Diagnose; eine Biopsie ist nicht nötig. Eine glutenfreie Ernährung sollte begonnen und der Rückgang der Symptome sowie der Rückgang zöliakiespezifischen Antikörper sollten verfolgt werden. Eine spätere Glutenexposition zur weiteren Absicherung der Diagnose ist nicht nötig. In seltenen Fällen sind EMA und HLA-DQ2/DQ8 trotz hoher anti-TG2-IgA-Spiegel negativ. Dann sind weitere Abklärungen nötig mit wiederholten serologischen Tests und Biopsien.
Abkürzen des Diagnoseprozesses Bei Kindern, die anti-TG2-IgA-positiv sind, typische Symptome aufweisen und in einem schlechten klinischen Allgemeinzustand sind, kann die oben skizzierte stufenweise Abklärung insofern abgekürzt werden, als dass sofort eine glutenfreie Ernährung begonnen wird, auch wenn die EMA- und HLADQ2/DQ8-Befunde noch ausstehen. Dass es keine Zöliakie ist, ist bei einem anti-TG2-IgA ≥ 10-fach ULN sehr unwahrscheinlich, und bei Kindern mit schlechtem Allgemeinzustand wäre die für die Biopsie notwendige Anästhesie mit höheren Risiken verbunden. Sollten EMA- und HLA-DQ2/DQ8 dann wider Erwarten doch negativ ausfallen, sind auch bei diesen Kindern weitere Abklärungen inklusive Biopsie nötig sowie eventuell später ein Glutenexpositionsversuch.
Asymptomatische Kinder und Jugendliche mit Risikofaktoren für eine Zöliakie
Zu dieser Gruppe gehören Typ-1-Diabetiker, Menschen mit Down-, Turner- oder Williams-Syndrom, Patienten mit autoimmuner Schilddrüsenerkrankung, selektivem IgA-Mangel, autoimmuner Lebererkrankung sowie Personen mit Verwandten ersten Grades, die eine Zöliakie haben. Für dieses Kollektiv empfiehlt die ESPGHAN bei erhöhtem anti-TG2-IgA die Biopsie trotz fehlender Symptome. Als Erstes wird jedoch die HLA-DQ2/DQ8Typisierung empfohlen, da Personen, die hier negativ sind, nicht weiter abgeklärt werden müssen. Sollte keine Möglichkeit zur HLA-Typisierung bestehen, kann man auch gleich mit der Antikörpertestung auf anti-TG2-IgA plus Gesamt-Serum-IgA beginnen.
TG2-IgA-Antikörper negativ Ist das anti-TG2-IgA negativ, ist eine Zöliakie unwahrscheinlich, aber der Test sollte alle 2 bis 3 Jahre zur Kontrolle wiederholt werden.
TG2-IgA-Antikörper positiv Ist das anti-TG2-IgA positiv, ist zu überprüfen, ob nicht doch Symptome einer Zöliakie bestehen, die bis anhin übersehen wurden. Liegen diese vor, geht es mit der Abklärung weiter wie oben im Abschnitt «Symptomatische Patienten» beschrieben. Ist das anti-TG2-IgA trotz Beschwerdefreiheit mehr als 3-fach erhöht, sollte eine Biopsie erfolgen.

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SCHWERPUNKT

Ist das anti-TG2-IgA bei Beschwerdefreiheit weniger als 3-fach erhöht, könnte es ein falschpositiver Befund sein. Man sollte erneut testen, auch auf EMA. Falls EMA positiv ist, spricht dies stark für eine Zöliakie und eine Biopsie wird empfohlen, obwohl das antiTG2-IgA niedrig ist. Wenn die EMA negativ sind, sollte anti-TG2-IgA alle 3 bis 6 Monate überprüft werden, bis anti-TG2-IgA entweder vollständig verschwindet oder doch ansteigt, was wiederum eine Indikation für die Biopsie wäre. Zeigen sich in der Biopsie keine Anhaltspunkte für eine Zöliakie, obwohl es sich um eine seropositive Risikoperson handelt, sollte man die Ernährung weiterhin normal gestalten, nicht auf glutenfrei umstellen und den weiteren Verlauf beobachten. Man spricht dann von einer latenten Zöliakie.

Punktesystem für die Zöliakiediagnose
Im Anhang der ESPGHAN-Guideline wird ein Punktesystem vorgestellt, welches als Richtschnur für die Diagnose der Zöliakie gedacht ist (siehe Tabelle 2). Ziele dieses Punktesytems sind: • Zöliakie zu diagnostizieren, • eine bestehende Zöliakiediagnose zu bestätigen
und zu akzeptieren, • die Diagnose bei Patienten mit offensichtlichen
Symptomen zu vereinfachen, • den Patienten vor überflüssigen Abklärungen zu
schützen, wenn nur unspezifische Befunde vorliegen.
Die Zusammenfassung dieser ESPGHAN-Guideline erfolgte durch die Redaktion der Zeitschrift PÄDIATRIE.

Quelle und Downloadlink: Husby S et al.: European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition Guidelines for the Diagnosis of Coeliac Disease. JPGN 2012; 54: 136–160. http://journals.lww.com/jpgn/Fulltext/2012/01000/European_Society_for_Pediatric_Gastroenterology,.28.asp

Praxiskommentar
Entscheidung liegt beim Spezialisten

Relativ knapp war das Resümee der Praktikerrunde mit Dr. med. Katharina WyssSenn, Dr. med. Mercedes Ogal, Dr. med. Kilian Imahorn und Dr. med. Stephan Rupp zur neuen Richtlinie in der Zöliakiediagnostik, wonach Biopsien nicht mehr immer empfohlen werden.

Im Grunde seien für die Zöliakie nur drei Punkte in der Kinderarztpraxis wichtig, sagte Katharina WyssSenn: «Mein Job ist, daran zu denken, und wenn ich eine positive Serologie habe, schicke ich die Patienten immer zum Spezialisten. Neu ist nun, dass es nicht immer eine Biopsie geben muss, aber das formuliere ich ganz vorsichtig, denn je nach Gastroenterologe wird es dann eben doch gemacht.» Zöliakie ist möglicherweise seltener, als viele glauben. «Bei auffälliger Anamnese und unklaren Bauchschmerzen teste ich die Antikörper. Aber in acht Praxisjahren habe ich nur vier oder fünf Zöliakiekinder entdeckt, obwohl ich darauf achte», sagte Mercedes Ogal.

Welche Antikörper nun zu bestimmen sind, wird durch die neue Guideline klar geregelt. Die genetische Untersuchung ist in der Praxis noch nicht weitverbreitet. Für die Praxis wichtig sind die versicherungstechnischen Fragen. Bis anhin zählte die Zöliakie als Geburtsgebrechen, und die IV verlangte die Biopsie. Dies könnte sich künftig ändern, wenn die IV die Empfehlungen der ESPGHAN übernimmt. Ein offizieller Bescheid der IV lag zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Ausgabe noch nicht vor.
Renate Bonifer

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