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SCHWERPUNKT
Respiratorische Notfälle bei Kindern in der Primärversorgung
Sie erhalten nachts, kurz vor Mitternacht, einen Telefonanruf: Der dreijährige Luca sei bis heute Abend ganz gesund gewesen, abgesehen von einer leichten Erkältung. Seit er ins Bett gegangen ist, kann er nicht mehr richtig atmen, es wird immer schlimmer. Atemprobleme bei Kindern jeglichen Alters sind häufig – sehr häufig in der Praxis und auch auf der Notfallstation. In diesem Artikel werden die häufigsten mit einer erschwerten Atmung einhergehenden Krankheitsbilder besprochen, mit Hinweisen auf die eine oder andere Falle, die in der täglichen Arbeit möglich ist.
Von Michael Hitzler
R espiratorische Notfälle betreffen Kinder in allen Alterskategorien. Die Probleme reichen vom vermeintlich banalen Schnupfen des jungen Säuglings bis hin zum Spannungspneumothorax des Adoleszenten mit zystischer Fibrose. Gerade die Häufigkeit des Leitsymptoms der «erschwerten Atmung» lässt uns rasch eine Diagnose stellen, vielleicht in gewissen Situationen zu rasch!
Der sogenannte banale Luftweginfekt …
… stellt häufig keine grossen Anforderungen an die Behandelnden dar: einfache Diagnose, weniger einfache Behandlung mit dem Einsatz von vielen Hausmittelchen. Weniger ist hier sicherlich mehr: Eine gute Nasentoilette, eine ausreichende Hydrierung und wenn notwendig eine Antipyrese reichen vollends aus. Antipyretika müssen dem Gewicht angepasst werden, nicht selten führen sonst zu tief dosierte Medikamente zu nächtlichen Ruhestörungen, da das Fieber so einfach nicht zu senken ist. Von Vorteil ist der Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika (Tabelle 1). Wichtig bei der Beurteilung eines Säuglings mit oberem Luftweginfekt sind sicherlich das Alter, der Allgemeinzustand sowie auch die aktuelle Infektsituation. Denken Sie an die RSV-Infektion des Säuglings (respiratory syncytial virus, Tabelle 2). Messen sie die transkutane Sauerstoffsättigung (> 92%)! Ist das Kind gut hydriert, oder besteht eine Trinkschwäche? Wie ist sein Allgemeinzustand? Säuglinge mit Verdacht auf RSV-Infekt in den ersten beiden Lebensmonaten gehören überwacht, sie können plötzliche Apnoen erleiden! Leider stehen uns bei der Behandlung der Bronchiolitis nur wenig wirksame Massnahmen zur Verfügung. Bei Kindern mit leichter Symptomatik empfiehlt sich eine gute analgetische Behandlung, abschwellende
Nasentropfen sowie eine ausreichende Hydrierung. Ein Inhalationsversuch mit Betamimetika via Vorschaltkammer mit Maske (2 Hübe Salbutamol) oder gegebenenfalls auch via Nassinhalation (Kompressionsvernebler, 5 bis 10 Tropfen Salbutamol mit 2 ml NaCl 0,9%) ist statthaft, befinden sich unter den Säuglingen mit einer Bronchiolitis doch auch solche, die gleichzeitig unter einer obstruktiven Bronchitis leiden (viral wheeze). Vorteilhaft scheint auch die Inhalation mit 3-prozentiger NaCl-Lösung zu sein. Dies ist aber im ambulanten Rahmen wenig erprobt und kann durch eine mögliche Bronchokonstriktion die Beschwerden noch verstärken. Im stationären Setting laufen diesbezüglich Evaluationen auch bei uns in der Schweiz.
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE
1. Die Mehrzahl der respiratorischen Infekte im Kindesalter sind viralen Ursprungs und benötigen keine Antibiose.
2. Säuglinge können schwere Verlaufsformen eines unteren Atemweginfektes erleiden (Bronchiolitis) und benötigen zur Therapie Flüssigkeit und Sauerstoff.
3. Bei Verdacht auf ein allergisches Angioödem der Luftwege ist die rasche Gabe von Adrenalin auch bei einem Kind ohne Verzögerung notwendig.
4. Keine blinden enoralen Manipulationen bei Fremdkörperaspiration! Die Manöver müssen entsprechend dem Alter des Kindes geübt werden.
5. Inhalative Betamimetika sollen hoch dosiert bei einem Kind mit Wheezing eingesetzt werden, wenn immer möglich über eine Vorschaltkammer.
6. Systemische Steroide bei einem Wheezing verhindern nur selten die Hospitalisation.
7. Ein Kind mit Fieber, Tachypnoe sowie Einziehungen leidet bis zum Beweis des Gegenteils an einer Pneumonie. Die Auskultation ist selten hilfreich.
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SCHWERPUNKT
Abbildung 1: Fremdkörperaspiration bei Babys. 1. Versuch: Kopftieflage, dann fünf Schläge mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter, dann Kontrolle der Mundhöhle (Foto: M. Hitzler).
Die wichtigste Frage gilt dem Impfstatus, da sich bei ungeimpften Kindern eine Haemophilus-influenzaeEpiglottitis dahinter verbergen kann. Diese Kinder sind im Gegensatz zum klassischen Pseudokrupp sehr ruhig, krank, mit nach vorne gestrecktem Hals und Speichelfluss. Im Zweifelsfall sind diese Kinder zu hospitalisieren, ohne enorale Manipulationen! Für die Behandlung bei Pseudokrupp werden evidenzbasiert lediglich der Einsatz von peroralen Steroiden (z.B. Betamethason) sowie die Inhalation von Adrenalin empfohlen. Bei geringen Beschwerden erscheinen die Beruhigung der Eltern, die Verabreichung von warmem Dampf sowie ein Behandlungsversuch mit einem NSAR gerechtfertigt. Die Abgabe von wasserlöslichen Betamethasontabletten (0,2 mg/kg Körpergewicht als Einmaldosis genügt wegen der langen Halbwertszeit meistens) kann grosszügig erfolgen. Die Inhalation von Adrenalin sollte nicht vergessen werden. In den meisten Praxen finden sich Feuchtinhalationsgeräte sowie Adrenalinampullen. Diese können je nach Beschwerden in einer Dosis von 2 bis 5 Ampullen (2–5 mg) eingesetzt werden – häufig mit gutem Erfolg. Die kurze Wirksamkeit des Adrenalins mit möglichem Rückfall nach zirka 4 Stunden erfordert die zusätzliche Verabreichung von Betamethason sowie die Überwachung der Kinder für 4 bis 8 Stunden.
Abbildung 2: Fremdkörperaspiration bei Babys. 2. Versuch: Kopftieflage, fünf ruckartige Kompressionen auf Höhe des Sternums, dann Kontrolle der Mundhöhle (Foto: M. Hitzler).
Häufige respiratorische Notfälle bei Kindern
Obere Atemwege Pseudokrupp Angioödem Fremdkörper Epiglottitis
Untere Atemwege Pneumonie Bronchiolitis Asthmaexazerbation
Der Pseudokrupp
Ein häufiges Krankheitsbild, das meistens im Zusammenhang mit einem oberen Atemweginfekt anzutreffen ist, manchmal auch spasmodisch ohne Infekt. Die Leitsymptome mit inspiratorischem Stridor und Heiserkeit lassen an einen Pseudokrupp denken. Manchmal besteht das Problem, die Symptome von einer obstruktiven Bronchitis abzugrenzen, insbesondere, wenn auch ein exspiratorisches Wheezing (pfeifendes exspiratorisches Atemgeräusch) besteht. Die Heiserkeit leitet dann in Richtung Pseudokrupp. Trotz eindrücklicher Atemnot erscheinen die Kinder nicht sehr krank.
Angioödem der Atemwege
Häufige Ursache ist eine systemische allergische Reaktion, sei es auf Nahrungsmittel, Insektengifte oder seltener auch Medikamente. Eine rasche Intervention ist erforderlich. Die intramuskuläre Gabe von Adrenalin soll nicht verzögert werden. Adrenalinautoinjektoren (150 μg) sind ab einem Gewicht von 10 kg Körpergewicht problemlos einsetzbar. Ab einem Körpergewicht von 25 kg kann der Erwachsenen-Adrenalin-Pen (300 μg) eingesetzt werden. Wichtig, wie bei allen respiratorischen Notfällen, ist die rasche Versorgung mit zusätzlichem Sauerstoff. Bestehen auch kutane und/oder gastrointestinale Symptome, so müssen intravenös Antihistaminika und Kortikosteroide, Letztere zur Eindämmung einer allergischen Spätreaktion, verabreicht werden. Bei vorbestehendem Asthma mit Exazerbation im Rahmen eines allergologischen Notfalls benötigen die Patienten zusätzlich hoch dosierte inhalative Betamimetika. Ein Larynxödem soll aber primär mit Adrenalin, nicht mit inhalativen Betamimetika behandelt werden (Medikamentendosierungen, Tabelle 1).
Fremdkörperaspiration
Atemnot bei einem Kleinkind ohne Infektanamnese soll unsere Aufmerksamkeit auf eine mögliche Fremdkörperaspiration lenken. Leider kann uns der Patient selten bei der Anamnese helfen, die Frage nach den Erdnüssen, den kleinen Legosteinen oder Murmeln des Bruders muss vom Arzt gestellt werden. Ein asymmetrischer Auskultationsbefund wäre wünschenswert, hilft aber bei Abwesenheit auch nicht weiter. Kinder mit akuter Aspiration, suffizienter Atmung und Hustenreflex sollen ohne Manipulation auf eine Kindernotfallstation überführt werden. Bei Kin-
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SCHWERPUNKT
Tabelle 1: Respiratorische Notfälle bei Kindern – Medikamente und ihre Dosierung
Substanz
Dosis
Medikamente*
Anmerkungen
Pseudokrupp Diclofenac Mefenaminsäure Ibuprofen Betamethason Adrenalin
1 mg/kg KG max. 8-stündlich ab 12 Monaten
12 mg/kg KG, max. 8-stündlich ab 6 Monaten
5–10 mg/kg KG, max. 6-stündlich ab 6 Monaten
0,2 mg/kg KG, Tabletten in wenig Flüssigkeit aufschwemmen
Ampullen à 1 mg 1–5 Ampullen ohne Verdünnung Dosis via Kompressionsvernebler (z.B. Pari-Gerät) inhalieren.
Voltaren® oder Inflamac® Supp. 12,5 mg/25 mg oder Voltaren®-Tropfen Mefenacid® oder Ponstan® 125 mg Supp.
Algifor® junior Suspension
Betnesol®
Adrenalin-Ampullen
Bei einer Halbwertszeit gegen 48 Stunden genügt meist eine Dosis.
Cave! Rebound nach 4–6 Stunden, Überwachung
Allergische Reaktion Dimetinden Cetirizin Levocetirizin Clemastin Betamethason
Prednisolon
Methylprednisolon Adrenalin Adrenalin Autoinjektor
20–40 Tropfen 10 mg 5 mg i.v. 0,025 mg–0,05 mg/kg KG 0,5 mg (1 Tbl.) pro kg KG in wenig Flüssigkeit aufschwemmen oral 50 mg oral 2 x 50 mg i.v. 2 mg/kg KG 0,01 mg/kg KG i.m. 150 μg i.m. 300 μg i.m.
Feniallerg®-Tropfen Cetallerg ® Tropfen oder Filmtabletten Xyzal® Tropfen oder Filmtablettten Tavegyl® Betnesol®
Spiricort® Spiricort® Solumedrol® Adrenalinampullen Jext® 150 μg, EpiPen® Junior, Anapen® junior Jext® 300 μg, EpiPen®, Anapen®
Kinder bis 6 Jahre Kinder von 6 bis 18 Jahren Kinder von 6 bis 18 Jahren
Kinder bis 6 Jahre
Kinder von 6 bis 12 Jahren Kinder ab 12 Jahre und Erwachsene
Kleinkinder bis 10 kg KG ab 10 kg KG ab 25 kg KG
Wheezing Salbutamol Dosieraerosol Kinder bis 6 Jahre: bis 6 Hübe
Kinder ab 6 Jahre: bis 12 Hübe
Betamethason
oral 0,2 mg/kg in wenig Flüssigkeit aufschwemmen
Prednisolon
oral 1–2 mg/kg KG
Ventolin® DA Betnesol® Spiricort®
via Vorschaltkammer 6- bis 12-stündlich 6- bis 12-stündlich
Pneumonie Amoxicillin
Amoxicillin/Clavulanat
Clarithromycin
oral 50–100 mg/kg KG pro Tag in 3 Dosen
verschiedene Generika als Suspension erhältlich
Thereapiedauer 7 Tage bei problemlosem Verlauf
oral 50–100 mg/kg KG pro Tag in 2 Dosen
diverse Suspensionen mit vermindertem Clavulanatanteil erhältlich
Therapiedauer: 7 Tage bei problemlosem Verlauf
oral 15 mg/kg KG
diverse Suspensionen erhältlich
Therapiedauer: 10 Tage bei atypischen
pro Tag in 2 Dosen
Pneumonien
Intravenöse Antibiotikatherapie: Gleiche Medikamente und Dosierungen wie bei oraler Gabe. Auf eine orale Gabe soll bei Ansprechen auf die
Therapie und möglicher peroraler Einnahme gewechselt werden.
*Die Aufzählung der Medikamente erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; in vielen Fällen sind mehrere Präparate mit der gleichen Substanz verfügbar.
dern mit schwerer akuter Aspiration, kompromittierter Atmung und fehlendem Hustenreflex muss versucht werden, den Fremdkörper zu entfernen (Abbildung 1 und 2). Die Manipulationen unterscheiden sich gemäss PBLS (paediatric basic life support) je nach Alter des Kindes. Verliert ein Kind das Bewusstsein, werden die Manöver unterbrochen und die kardiopulmonale Reanimation begonnen. Nach 30 Thoraxkompressionen sollen die Atemwege geöffnet und ein sichtbarer Fremdkör-
per wenn möglich entfernt werden. Wichtig hierbei ist das Unterlassen von blinden enoralen Manipulationen, die einen oropharyngealen Fremdkörper noch weiter nach distal verschieben könnten! Es wird dann versucht, dem Patienten 2 Atemstösse zu verabreichen, dem folgen weitere 30 Thoraxkompressionen. Akute Aspirationen mit schwerer Atemnot werden durch fünf Schläge auf den Rücken in Bauch- und Kopftieflage oder bei Kindern > 12 Monate mit zu-
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Abbildung 3: Heimlich-Manöver bei Fremdkörperaspiration (ab 12 Monaten). Kind von hinten umfassen, Faust unterhalb Sternum, mit anderer Hand Faust umfassen und ruckartig nach dorsal kranial ziehen, fünf Wiederholungen (Foto M. Hitzler).
sätzlich fünf Schlägen in Rücken- und Kopftieflage zu beheben versucht. Der allen bekannte Heimlich-Handgriff wird bei Kindern unter 12 Monaten wegen einer möglichen Verletzung der Bauchorgane nicht empfohlen (Abbildung 3). Nicht selten wird das akute Ereignis nicht beobachtet oder nicht rapportiert. Nach einer vorübergehenden Beschwerdefreiheit treten erneute respiratorische Symptome wie chronischer Husten, wiederkehrendes Wheezing oder Fieber im Rahmen einer poststenotischen Pneumonie auf. Spätestens dann muss an eine mögliche Aspiration gedacht werden! Eine radiologisch partiell überblähte Lunge kann Hinweis für einen Ventilmechanismus bei Bronchialobstruktion sein. Die Fremdkörper selbst sind häufig nicht röntgendicht. Thoraxröntgenaufnahmen in Inspirations- und Exspirationslage oder auch eine Durchleuchtung mit Verschiebung des Mediastinums auf die Seite des Fremdkörpers in Inspiration sind zusätzliche diagnostische Hinweise. Bei verdächtiger Anamnese bleibt trotz negativem radiologischem Befund häufig nur die Bronchoskopie.
Wheezing
Unabhängig vom Alter des Kindes stellt ein von den Eltern als auffällig beschriebenes Atemmuster immer eine Indikation zur Notfallkonsultation dar. In der pädiatrischen Sprechstunde, durch Studien auch unterstützt, ist die Beschreibung der Atembeschwerden durch die Eltern nicht sehr zuverlässig. Gerade Säuglinge mit einem klassischen Wheezing, einem pfeifenden exspiratorischen Atemgeräusch, werden teilweise nicht erkannt, das Kind wird eher wegen eines anderen Symptoms vorgestellt. Bei einem durch den Arzt beschriebenen Wheezing ist an der Diagnose wenig zu zweifeln. Weitere Symptome wie Tachypnoe, Einziehungen interkostal/jugulär oder eine forcierte Bauchatmung sind nicht selten ebenfalls vorhanden. Wie bereits erwähnt, gehört neben der klinischen Beurteilung auch die Messung der transku-
Tabelle 2:
Klinische Einteilung der RSV-Infektion
Schweregrad Atemfrequenz O2-Sättigung (bei Raumluft) Einziehungen (sternal/thorakal) Ernährung Hospitalisation
leicht < 40 pro min > 92% fehlend problemlos keine
RSV: Respiratory Syncytial Virus
mittel 40–70 pro min 88–92% + schwierig notwendig
schwer > 70 pro min < 88% ++ unmöglich notwendig
tanen Sauerstoffsättigung heute zum Standard (Norm > 92%). Auslöser akuter Wheezingepisoden im Vorschulalter sind meist virale Luftweginfekte (episodic viral wheeze phenotype). Daneben ist bei Kindern mit zusätzlich rhinokonjunktivalen Beschwerden während der Pollenflugzeit auch an einen Etagenwechsel im Sinne eines pollenassoziierten Asthmas zu denken. Die Ursache des Wheezings hat auf die Therapie im Akutfall keinen grossen Einfluss. Die inhalative Therapie mit einem kurz wirksamen Betamimetikum stellt immer die erste Therapieoption dar, hoch dosiert, wenn notwendig mit zusätzlicher Sauerstoffgabe. Der beliebte Betamimetikasirup sollte wegen der Nebenwirkungen nur noch zurückhaltend im Falle einer schlechten Inhalationscompliance bei Kleinkindern mit wenig Symptomatik verabreicht werden. Die Inhalation über den Kompressionsvernebler wird nicht mehr favorisiert. Die heutigen Vorschaltkammern ermöglichen eine gute Applikation des Wirkstoffes in Form eines Dosieraerosols. Wichtig ist, die Kinder altersgerecht inhalieren zu lassen. Hierzu gehört die Überprüfung der Maskengrösse und der Umstieg auf das Mundstück, sobald dies zuverlässig möglich ist (ab 3–4 Jahren). Die Inhalation via Dosieraerosol und Vorschaltkammer ist in der Akutphase der Trockenpulverinhalation überlegen, da Kinder bei Exazerbationen oft keinen genügenden inspiratorischen Flow erzeugen können. Die Dosis inhalativer Betamimetika richtet sich nach dem Alter gemäss Richtlinien der Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (Tabelle 1). Die Erfahrung zeigt, dass immer noch Hemmungen bestehen, genügend hohe Dosen an Betamimetika zu verabreichen. Der zusätzliche Einsatz peroraler Steroide (Betamethason, Prednisolon) ist dafür immer noch populär, obschon in Studien gezeigt werden konnte, dass in der Akutphase in vielen Fällen kein Nutzen bezüglich Hospitalisationsrate oder kürzeren Hospitalisationszeit erzielt werden kann. Fazit für die Notfallsprechstunde: mehr Betamimetika, weniger Steroide! Perorale Steroide sind hingegen in der Akutphase vor allem bei Kindern mit zugrunde liegender Atopie und eosinophiler Entzündung wirksam.
Pneumonie
Die Abgrenzung eines viralen unteren Luftweginfektes und einer Pneumonie ist mitunter gerade bei jungen Kindern ein Problem. Häufig ist die Auskultation bei sich wehrenden Kindern erschwert. Auch bei ruhigen Kindern kann die klinische Untersuchung den Arzt in die falsche Richtung lenken. Ein asymmetrischer Auskultationsbefund muss nicht mit einer Pneumonie einhergehen, und eine Pneumonie bleibt unseren Ohren nicht selten verborgen. Uns hilft die Beurteilung des Allgemeinzustandes, da sich Kinder mit einer Pneumonie häufig in reduziertem Allgemeinzustand präsentieren. Wichtig ist die Beurteilung des Atemmusters, von Vorteil ist, wenn das Kind bei den Eltern sitzt. Manchmal kann eine «Blickdiagnose» gestellt werden: reduzierter Allgemeinzustand, Tachypnoe, erschwerte Atmung mit zusätzlichen thorakalen Einziehungen.
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SCHWERPUNKT
Generell ist die Angabe atemabhängiger Schmerzen bei älteren Kindern bis zum Beweis des Gegenteils als Hinweis auf eine Pleurapneumonie zu werten. Auch Bauchschmerzen werden bei basalen Pneumonien empfunden. Wie bereits bei den oberen Luftweginfekten erwähnt, müssen nebst dem Allgemeinzustand der Hydrierungsgrad sowie die Sauerstoffsättigung beurteilt werden (O2-Sättigung > 92%). Säuglinge mit einer Pneumonie sollen intravenös antibiotisch behandelt werden. Ältere Kinder mit nur leicht reduziertem Allgemeinzustand können antibiotisch mit Amoxicillin peroral behandelt werden. Spricht der Patient innerhalb von 24 bis 48 Stunden nicht auf die Behandlung an, muss an Komplikationen gedacht werden, wie zum Beispiel einen Pleuraerguss. Eine weiterführende Abklärung mittels Pleurasonografie oder Thoraxröntgenbild ist notwendig. Ist ein Pleuraerguss ausgeschlossen, so kann in jedem Alter eine atpyische Pneumonie vorliegen, weshalb die Antibiose auf ein Makrolidantibiotikum gewechselt oder dieses zusätzlich verabreicht werden muss (Medikamentendosierungen, Tabelle 1). Auf den Notfallstationen zeigen sich immer wieder schwere Verläufe von Pneumonien, zum Beispiel aufgrund einer fulminant verlaufenden Pneumokokkenpneumonie mit Sepsis. Dabei ist es immer wieder erstaunlich, wie diese Patienten sich über Tage oligosymptomatisch präsentieren. Es ist deshalb immer wichtig, den Eltern die Grenzen der aktuellen Beurtei-
lung aufzuzeigen. Die Möglichkeit einer Komplikation soll gerade bei einer Pneumonie klar geäussert werden. Vereinbaren Sie bereits bei der ersten Konsultation klar, in welchem Fall Sie das Kind wieder sehen müssen!
Korrespondenzadresse: Dr. med. Michael Hitzler Pädiatrie FMH Kinderpneumologie- und Allergologiesprechstunde Kinderspital, 6000 Luzern 16 E-Mail: michael. hitzler@luks.ch
Ich danke Herrn Dr. med. Peter Eng für die kritische Durchsicht dieses Manuskriptes.
Empfohlene Literatur: Helbling A et. al. Notfallbehandlung beim allergischen Schock, Schweiz Med Forum 2011; 11 (12): 206–212. Muraro A et al. The management of anaphylaxis in childhood: position paper of the European academy of allergology and clinical immunology. Allergy 2007; 62: 857–871. Roth S et al. Empfehlungen zur Behandlung der obstruktiven Atemwegserkrankungen im Kindesalter (SGPP/PIA-CH 2009). Paediatrica 2009; 20 (3): 44–51. Berg MD et al. 2010 American Heart Association Guidelines for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science. Part 13: Pediatric Basic Life Support. Circulation 2010; 122: S862–S875. Kabra SK, Lodha R, Pandey RM. Antibiotics for community-acquired pneumonia in children. Cochrane Database Syst Rev 2010; 17 (3): CD004874. Harris M et al. British Thoracic Society guidelines for the management of community acquired pneumonia in children: Update 2011. Thorax 2011; 66: ii1–eii23. Schuh S. Update on management of bronchiolitis. Curr Opin Pediatr 2011; 23 (1): 110–114.
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