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KONGRESSHEFT
Pneumonien im Kindesalter
Neue Richtlinien der amerikanischen und britischen Fachgesellschaften
Pneumonien sind bei Kindern weltweit die Haupttodesursache. Während bei Säuglingen und Kleinkindern vor allem Virusinfektionen verantwortlich sind, machen den älteren Kindern eher Bakterien in den Lungen zu schaffen. Als First-line-Therapie empfehlen sowohl die kürzlich aktualisierten amerikanischen wie die britischen Richtlinien die Behandlung mit Amoxicillin.
Prof. Dr. David Greenberg, Ben Gurion University, Beer Sheva
Alle Kinder mit der klaren klinischen Diagnose Pneumonie sollten mit Antibiotika behandelt werden.
Man schätzt, dass alleine bei den unter 5-jährigen jährlich rund 156 Millionen Lungenentzündungen auftreten, die weltweit knapp 2 Millionen Todesopfer fordern. Das sind 28 Prozent aller Sterbefälle in dieser Altersgruppe. Hauptverantwortlich für eine ambulant erworbene Pneumonie (CAP) sind Infektionen mit Bakterien oder Viren, seltener mit Pilzen oder Parasiten. Als die wichtigsten Erreger unter den Viren gelten das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV), das Influenza- und das Adenovirus. Auch in der noch nicht abgeschlossenen internationalen CAP-PRI-Studie waren bei 365 untersuchten Kindern unter 5 Jahren mit Lungenentzündung in 72 Prozent der Fälle Virusinfektionen nachzuweisen, erklärte Prof. David Greenberg von der Ben Gurion University in Beer Sheva, Israel. Von ihnen waren 22 Prozent mit mehr als einer Virusart infiziert. Das mit Abstand häufigste pathogene Virus war hier das Rhinovirus, danach folgten RSV, Boca-, Influenza- und Adenovirus. Bei rund einem Drittel der unter Fünfjährigen waren zudem Koinfektionen von Viren und Bakterien festzustellen.
Virusinfektionen bei den Jüngsten
Das Alter der kleinen Patienten kann ein guter Hinweis auf den möglichen Erreger der Pneumonie sein. Obwohl Streptococcus pneumoniae auch bei den unter 2-jährigen eine nicht unbedeutende Rolle spielen kann, sind bei den unter 1-jährigen (30–67% der Fälle) vor allem Viren und weniger Bakterien für die Lungenentzündung verantwortlich. Das ändert sich bei den über 3-jährigen: Hier sind Bakterieninfektionen wahrscheinlicher, allen voran Streptococcus pneumoniae, Mycoplasma und Chlamydia.
Amoxicillin als First-line-Therapie
Die Autoren der amerikanischen IDSA-Guidelines (Infectious Disease Society of America) empfehlen für Kinder zwischen 3 Monaten und 5 Jahren bei bakteriellen Pneumonien als erste Wahl oral Amoxicillin beziehungsweise alternativ bei atypischen Pneumonien oral Azithromyzin (oder oral Clarithromycin bzw. Erythromycin).
Auch für die über 5-jährigen lautet die Empfehlung bei bakteriell verursachten Lungenentzündungen Amoxicillin beziehungsweise bei atypischen Pneumonien Azithromyzin, Clarithromycin oder Erythromycin. Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei Infektion mit speziellen Bakterienarten, beim Auftreten lokaler Resistenzen u.a.) können in dieser Altersgruppe auch Makrolide oder andere Medikamente zur Anwendung kommen. Intravenös verabreichte Antibiotika (Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure, Cefuroxim, Cefotaxim und Ceftriaxon) sollten bei pädiatrischen Pneumonien nur dann eingesetzt werden, wenn die oralen Medikamente nicht toleriert werden, wenn eine Sepsis droht oder wenn komplizierte Pneumonien vorliegen. Auch Medikamente gegen Influenza (Oseltamivir oder ab 7 Jahren Zanamivir beziehungsweise Peramivir) können bei entsprechenden Infektionen laut IDSA empfohlen werden. Besteht eine vollständige Vakzinierung gegenüber Haemophilus influenzae, wird für hospitalisierte Kinder eine Ampicillinbehandlung empfohlen. Besteht jedoch ein nur unvollständiger H.-influenzae-Impfschutz, ist Ceftriaxon gemäss den amerikanischen Richtlinien die erste Wahl. Gemäss den britischen Richtlinien sollte an eine bakterielle Pneumonie gedacht werden, wenn ein persistierendes oder wiederkehrendes Fieber von über 38,5 °C sowie Brustbeschwerden und erhöhte Atemfrequenzen vorliegen. Alle Kinder mit der klaren klinischen Diagnose Lungenentzündung sollten mit Antibiotika behandelt werden, da bakterielle und virale Formen nicht zweifelsfrei voneinander unterschieden werden können. Allerdings hätten Kinder von unter 2 Jahren mit milden Symptomen einer Infektion der unteren Atemwege normalerweise keine Pneumonie, sagte David Greenberg. Sie müssten daher nicht antibiotisch behandelt, aber aufmerksam beobachtet werden, vor allem wenn die Symptome persistieren.
Klaus Duffner
Quelle: Referat von David Greenberg am Kongress «Excellence in Paediatrics» in Istanbul, 30. November bis 3. Dezember 2011; Foto: Klaus Duffner.
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