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Sport und Asthma bronchiale
Angaben zur Prävalenz von Asthma bronchiale im Kindesund Jugendalter sind abhängig von der zugrunde gelegten Definition. Für Deutschland wird angenommen, dass etwa 10 Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Laufe eines Jahres mehrfach Asthmasymptome zeigen. Damit ist das Asthma bronchiale die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter.
Von Prof. Dr. med. Helge Hebestreit
Risiken von körperlicher Aktivität und Sport bei Asthma bronchiale
Bei Asthma bronchiale entsteht im Zusammenhang mit körperlicher Belastung nicht selten eine Bronchokonstriktion (5). Typisch ist dabei ein Einsetzen von Symptomen wie Husten, Engegefühl in der Brust, Giemen und Thorax- beziehungsweise Bauchschmerzen einige Minuten nach Ende einer Belastung. Seltener treten die Symptome einige Minuten nach Beginn einer Ausdauerbelastung auf und können dann bei weiterer Belastung auch wieder verschwinden (sogenanntes «running through»-Phänomen). Besonders asthmogen sind Ausdauerbelastungen mit hoher Intensität beziehungsweise hohem Atemminutenvolumen, die über 4 bis 10 Minuten durchgehalten werden. Das Risiko für einen Asthmaanfall bei Belastung wird zusätzlich durch die individuelle Reagibilität der Luftwege beeinflusst, die sich bei Exposition gegenüber Allergenen, Schadstoffen oder bei Infektionen erhöht und bei antiinflammatorischer Asthmatherapie reduziert. Ein weiterer Risikofaktor für das Auftreten eines Asthmaanfalls bei Sport ist die Inhalation kalter, trockener Luft. Während die meisten belastungsinduzierten Asthmaanfälle relativ harmlos verlaufen und gut zu beherrschen sind, gibt es auch Einzelberichte über Todesfälle. Die Abbildung zeigt beispielhaft die Entwicklung einer Bronchokonstriktion bei einem Patienten mit Asthma bronchiale nach körperlicher Belastung. Typischerweise bleiben die Luftwege während der Belastung offen oder erweitern sich so-
gar etwas. In den ersten 3 bis 15 Minuten im Anschluss an die Belastung kommt es dann zu einer zunehmenden Enge der Luftwege. Anschliessend erweitern sich die Luftwege wieder, bis sich die Lungenfunktion nach etwa 30 bis 120 Minuten normalisiert. Die Ursache der belastungsinduzierten Bronchokonstriktion ist letztlich noch nicht vollständig verstanden. Die bisher durchgeführten Untersuchungen deuten an, dass ein Flüssigkeits- oder Wärmeverlust der Bronchien während der körperlichen Anstrengung oder ein Wiedererwärmen nach Belastung zur Bronchokonstriktion führt (4). Bei einer nicht unerheblichen Zahl von Kindern und Jugendlichen besteht ein unerkanntes Asthma bronchiale (16) und damit auch das Risiko für belastungsinduzierte Bronchialkonstriktionen. Selbst bei aktiven Sportlern, die auf hohem Niveau an Wettkämpfen teilnehmen, wird ein Belastungsasthma oft nicht erkannt (12).
Nutzen von Bewegung und Sport bei Asthma
Aufgrund des Risikos, bei körperlicher Belastung einen Asthmaanfall zu erleiden, verzichten Betroffene oft auf Sport. Anderen wird körperliche Aktivität von Eltern, Lehrern oder auch Ärzten untersagt. Insbesondere bei Patienten mit schwerem Asthma bronchiale, aber auch bei Patienten mit leichterem Verlauf, kommt es dadurch zu einer Einschränkung im Bewegungsverhalten. Aus der geringeren körperlichen Aktivität resultiert eine Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit (5). Sportliche Aktivität führt bei Betroffenen
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Tabelle 1:
Ratschläge zum Management von Belastungsasthma an Betroffene
Abbildung: Die forcierte Einsekundenkapazität (FEV1) vor und nach 7-minütiger hochintensiver Fahrradbelastung (schraffierter Balken) bei einem Kind mit Asthma bronchiale. Durch die Belastung kommt es zu einem Abfall der FEV1 um mehr als 25 Prozent des Ausgangswertes, es liegt eine signifikante belastungsinduzierte Bronchialkonstruktion vor (diagnostisch signifikant wäre ein Abfall über 15% [4, 9]).
• Strebe eine gute Asthmakontrolle an, wenn nötig durch Einnahme von Leukotrienantagonisten oder Inhalation von antientzündlichen Wirkstoffen wie Steroiden.
• Inhaliere kurz wirksame Betamimetika (z.B. Salbutamol) ca. 10 bis 20 Minuten vor der Belastung.
• Informiere Freunde, Trainer und Lehrer über deine Erkrankung und wie sie dir bei Problemen helfen können.
• Höre auf deine Lunge bzw. bestimme den Peak-Flow vor der Belastung. Verzichte auf Sport, wenn du eine Enge der Atemwege spürst oder der Peak-Flow unterhalb von 80% deines persönlichen Normalwertes liegt.
• Vorsicht bei Belastungen in kalter Luft, bei hohen Ozonkonzentrationen oder Pollenflug.
• Trage eine Gesichtsmaske beim Wintersport.
mit Asthma meist schon in wenigen Wochen zu einer verbesserten körperlichen Leistungsfähigkeit und einer verbesserten Koordination von Bewegungen (1, 7). Gerade auch im psychologischen Bereich hat ein körperliches Training von Asthmapatienten positive Auswirkungen, vor allem auf das Selbstwertgefühl, die Sozialentwicklung, das eigene Körperbild und die Konzentrationsfähigkeit (2). Besonders wichtig erscheint, dass körperliche Trainingsprogramme nicht nur die sekundären Folgen eines Asthma bronchiale lindern können. Tierexperimentell gibt es Hinweise, dass ein moderates Ausdauertraining die allergische Inflammation in den Bronchien nach endobronchialer Ovalbulmin-Exposition reduzieren kann (10). Einzelne Untersuchungen zeigten bei Kindern mit Asthma auch eine Reduktion von Symptomen, Krankenhausaufenthalten und Fehltagen in der Schule unter körperlichem Training (6, 13).
Empfohlene Untersuchungen zur Feststellung der Sporttauglichkeit bei Asthma
tauglichkeitsuntersuchung (3). Bei Patienten mit häufigen oder schweren Asthmaanfällen ist zur Beurteilung der Sporttauglichkeit zusätzlich ein Kalender mit Peak-Flow-Werten hilfreich. Bei Patienten, die bisher nicht als asthmakrank diagnostiziert wurden, bei denen aber aufgrund belastungsinduzierter Symptome wie Husten, Atemnot, Thoraxschmerzen und Ähnlichem ein Belastungsasthma vermutet werden kann, sollte zur Abklärung eine Lungenfunktionsuntersuchung und gegebenenfalls eine bronchiale Provokation mit einem physiologischen Stimulus (z.B. Kaltluftprovokation, körperliche Belastung – siehe auch Abbildung, Inhalation hypertoner Kochsalzlösung) erfolgen (9).
Prävention und Management der belastungsinduzierten Bronchokonstriktion
Prävention und Management einer belastungsinduzierten Bronchokonstriktion bestehen sowohl in einer medikamentösen Therapie als auch in nichtmedikamentösen Massnahmen (Tabelle 1).
gebender Bedeutung, da durch eine gute Kontrolle des Asthmas das Risiko eines Anfalls unter Belastung erheblich minimiert wird (4, 8, 11). Zur kurzfristigen Prophylaxe eines Asthmaanfalls während oder nach körperlicher Belastung haben sich vor allem die kurz wirksamen Beta-2-Mimetika wie Salbutamol bewährt, die rund 10 bis 20 Minuten vor der Belastung inhaliert werden sollten. Auch das länger wirksame Formoterol (cave: nicht Salmeterol) kann in diesem Sinne eingesetzt werden. Zur Behandlung eines Asthmaanfalls hat sich die Inhalation kurz wirksamer Beta-2Mimetika bewährt. Sollte damit der Anfall nicht zu durchbrechen sein, muss ein Arzt hinzugezogen werden. Da der betroffene Asthmakranke all diese Massnahmen möglicherweise im Anfall nicht selbst initiieren kann, sollten Sportlehrer, Übungsleiter, Sportkameraden und Freunde über die Erkrankung und die eventuellen Notfallmassnahmen unterrichtet werden. Besonders wichtig ist es auch, immer ein Beta-2-Mimetikum zum Sport mitzunehmen und anderen zu zeigen, wo es aufbewahrt wird und wie man es benutzt.
Die Sporttauglichkeitsuntersuchung der meisten Patienten mit Asthma gründet sich auf die Anamnese und körperliche Untersuchung und unterscheidet sich somit nicht von der allgemeinen Sport-
Medikamentöse Therapie Die ausreichende medikamentöse Therapie entsprechend den aktuellen Leitlinien ist bei der Prävention und Behandlung eines Belastungsasthmas von ausschlag-
Nichtmedikamentöse Massnahmen zur Risikominimierung Es gibt eine ganze Reihe von Massnahmen, die das Risiko eines Belastungsasthmaanfalls reduzieren helfen (4). Einen
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Tabelle 2:
Medikamente, die von der World Anti Doping Agency (Wada) zur Behandlung von asthmakranken Sportlern zugelassen sind (15) (Medikamente, die nur mit einer sogenannten Therapeutic Use Exception auf Antrag benutzt werden dürfen, sind durch ein §-Zeichen gekennzeichnet): • Beta-2-Mimetika inhalativ § • Glukokortikoide inhalativ § • Leukotrien-Antagonisten • Anticholinergika • Cromoglycinsäure • Xanthine
Einfluss hat bereits die Wahl des auszuübenden Sports. So kommt es beim Schwimmen deutlich seltener zum Asthmaanfall als beim intensiven Rennen oder Fahrradfahren. Daher wird Schwimmen häufig in der Rehabilitation von Asthmakranken eingesetzt. Die Ursache für die unterschiedlichen Risiken der einzelnen Sportarten liegt wohl darin, dass die Einatemluft beim Schwimmen feuchter ist. Besonders gefährlich sind Sportarten, die starke Anstrengungen über einige Minuten bei kalter, trockener Atemluft erfordern, wie zum Beispiel beim Eishockey. Bei Wintersportarten kann das Tragen einer Gesichtsmaske die Atemluft anfeuchten und erwärmen helfen, sodass das Risiko für einen Asthmaanfall gesenkt wird. Bei starker Luftverschmutzung, hoher Ozonkonzentration und starker Allergenbelastung der Atemluft (Pollenflug) ist das Risiko für Asthmaanfälle während körperlicher Belastung erhöht. Unter diesen Bedingungen sollte Sport also nur mit besonderer Vorsicht erfolgen. Auch sollten Asthmakranke für zwei bis drei Wochen nach einer Allergenexposition bei Sport besonders aufmerksam sein. Da bei vorbestehender Bronchokonstriktion das Risiko für einen belastungsinduzierten Asthmaanfall steigt, sollte bei Peak-Flow-Werten unter 80 Prozent der persönlichen Normalwerte des Patienten auf Sport verzichtet werden. Der Patient kann auch, nach längerem Üben, die Enge der Bronchien fühlen und daraufhin das Risiko einer körperlichen Belastung abschätzen. Verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass ein Aufwärmprogramm, das zirka 30 bis 90 Minuten vor hochintensi-
ven Belastungen durchgeführt wird, bei etwa der Hälfte aller Patienten einen Asthmaanfall abschwächen oder verhindern kann. Anhand der durchgeführten Studien lassen sich jedoch keine eindeutigen Richtlinien bezüglich des optimalen Programms geben. Sowohl kurze Sprints als auch Dauerbelastungen mit niedriger Intensität können effektiv sein. Die Patienten, die ein Aufwärmprogramm gezielt auch zur Vorbeugung gegen Asthmaanfälle einsetzen wollen, sollten daher in Rücksprache mit ihrem Arzt oder Betreuer ihr persönliches Protokoll erarbeiten.
Asthma und Leistungssport
Bei suffizienter Therapie stellt ein Asthma bronchiale keinen Grund dar, der daran hindert, Leistungssport zu treiben. Patienten mit Asthma sind genauso trainierbar wie «Gesunde» und können dieselben Leistungen erreichen. So gewannen 38 von 67 US-Athleten mit nachgewiesenem Belastungsasthma während der Olympischen Spiele 1984 eine Medaille (14). Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass einige in der Asthmatherapie eingesetzte Medikamente offiziell vom Internationalen Olympischen Komitee zu den Dopingmitteln gezählt werden. Tabelle 2 zeigt die Medikamente, die zurzeit bei der Behandlung von asthmakranken Sportlern eingesetzt werden können. Für einige Medikamente muss eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden (15).
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. H. Hebestreit, Ltd. Oberarzt Universitäts-Kinderklinik Josef-Schneider-Strasse 2 D-97080 Würzburg
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