Transkript
Elternratgeber
Der plötzliche Kindstod
Schwerpunkt
Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt, man merkt es kaum, denn eines ist ja keines.
Doch dieses eine Blatt allein war Teil von unsrem Leben.
Drum wird dieses eine Blatt allein uns immer wieder fehlen.
*Elternvereinigung SIDS Schweiz Postfach 1969 8021 Zürich oder Elternvereinigung SIDS Schweiz Sekretariat und Präsidium Janine Müller Turmweg 2 3360 Herzogenbuchsee
Postkonto 80-18715-7 Internet: www.sids.ch E-Mail: info@sids.ch
Elternvereinigung SIDS Schweiz*
D er plötzliche und unerwartete Tod eines scheinbar gesunden Kindes (SIDS = Sudden Infant Death Syndrome) ist eines der schrecklichsten Ereignisse, die in einer Familie auftreten können, und eines der heikelsten Probleme, mit denen Ärzte konfrontiert werden. Wegen der gesunkenen Gesamtsterblichkeit der Säuglinge ist der plötzliche Kindstod zur häufigsten Todesursache zwischen dem 14. Lebenstag und dem Ende des ersten Lebensjahres geworden. Ein scheinbar gesundes Kind wird zum Schlafen ins Bett oder in den Kinderwagen gelegt. Wenn man das nächste Mal nach ihm sieht, ist das Kind tot. Die meisten dieser Kinder sterben im Schlaf. Selbst wenn sie nicht schlafen, werden sie zunächst bewusstlos und sterben dann sehr
schnell. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass ihr Tod qualvoll war. Wenn ein scheinbar gesundes Kind stirbt, ist dieser Tod ein schrecklicher Schock. Eltern verlieren einen Teil von sich selbst, verlieren den Glauben an die Zukunft. Die Eltern fühlen sich oft schuldig und überlegen, ob sie irgendetwas getan oder unterlassen haben, was zu dieser Tragödie geführt hat. Manchmal beschuldigen sich die Eltern gegenseitig, oder sie legen dem Haus- oder Kinderarzt, der das Kind vielleicht noch vor Kurzem gesehen hat, ein Versagen zur Last. Schuldgefühle sind eine ganz natürliche Reaktion, aber sie sind völlig unbegründet. Je mehr das Phänomen des plötzlichen Kindstods in der Öffentlichkeit bekannt ist, desto weniger falsche
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Anschuldigungen wird es geben. Da es sich um einen unnatürlichen Todesfall handelt, hat die Polizei die Aufgabe, im Auftrag des Amtsgerichts die Obduktion des Kindes zu veranlassen. Dies kann für die Eltern zum Zeitpunkt des Abschieds sehr schwer und auch sehr belastend sein.
Die Elternvereinigung SIDS Schweiz
Viele Fragen beschäftigen die Eltern, Fragen, auf die es kaum eine Antwort gibt. Die Eltern wollen immer wieder über diesen plötzlichen Verlust sprechen, um das Ganze irgendwie verarbeiten zu können. Aus diesem Grund wurde im Jahre 1989 von betroffenen Eltern die Elternvereinigung SIDS Schweiz gegründet. In jenen Jahren war die SIDSRate sehr hoch, über 100 Kinder starben pro Jahr an SIDS. Die verzweifelten Eltern fühlten sich allein und unverstanden. Es wurden Selbsthilfegruppen in der ganzen Schweiz gegründet, damit betroffene Eltern immer und immer wieder über ihren Verlust und ihre quälenden Fragen reden können: Heute, morgen und auch in Zukunft, wenn schon lange niemand mehr hinhören will. In der Selbsthilfegruppe hat es Platz für diese Fragen, für diese Geschichten. Heute, beinahe zwanzig Jahre später, gibt es den Verein immer noch. Die SIDS-Rate konnte durch eine immer besser werdende Prävention deutlich und erfolgreich auf maximal 15 Todesfälle pro Jahr gesenkt werden. Der Verein SIDS ist politisch und konfessionell unabhängig. Er bezweckt auch heute noch den Zusammenschluss betroffener Eltern. Selbsthilfegruppen gibt es nur noch wenige, hingegen einen Eltern-/Familientreff, der ein- bis zweimal
pro Jahr stattfindet. Den Eltern in der Trauer zu helfen und die Erforschung des SIDS zu fördern, gehört zu unserer Arbeit. Die Präventionsarbeit nimmt sehr viel Platz in der Vereinsarbeit ein, da wir überzeugt sind, mit einer guten Prävention die SIDS-Rate sehr tief halten und so viel Leid in den Familien verhindern zu können. Unsere Arbeit umfasst auch die Zusammenarbeit mit Spitälern, Kinderkrippen, Mütter-/Väterberatungsstellen, Hebammen, Ärzten und Care-Teamgruppen. Ein sehr wichtiger Partner in unserer Vereinigung, der uns immer mit Rat und Tat beisteht, uns informiert und uns hilft, ist der Kinderarzt Dr. Martin Sutter, Präsident der SIDS-Kommission der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie.
Vielfältige Präventionsarbeit
Gegen einen kleinen Unkostenbeitrag kann in unserem Sekretariat die Broschüre «Reduzieren Sie das Risiko eines plötzlichen Kindstodes» in den drei Landessprachen bestellt werden. Diese Informationen gibt es auch als Faltblatt in den Sprachen Serbisch, Kroatisch, Spanisch, Portugiesisch und Englisch. Inhalte der Broschüre «Empfehlungen für den Säugling im ersten Lebensjahr»:
Vermeiden Sie das Rauchen und achten Sie auf eine rauchfreie Umgebung. Legen Sie das Baby zum Schlafen immer auf den Rücken. Tagsüber im Wachzustand soll das Baby immer wieder auf den Bauch gelegt werden. Schützen Sie ihr Kind vor Überwärmung. Versuchen Sie, Ihr Baby zu stillen. Gehen Sie mit Ihrem Baby regelmässig zu Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Lassen Sie Ihr Kind impfen.
All diese Punkte werden in der Broschüre noch genauer definiert. Eine weitere Broschüre «Der plötzliche Kindstod: Fragen und Antworten» ist vor allem für betroffene Eltern und/oder Verwandte gedacht. Neu haben wir auch kleine und grosse Plakate im Angebot: «Plötzlicher Kindstod. Das Risiko senken». Darauf wird auf die folgenden Punkte verwiesen: Das Baby schläft am sichersten:
in Rückenlage im Schlafsack im eigenen Babybett bei Zimmertemperatur von 18°C in rauchfreier Umgebung. Zudem nehmen wir sofort mit betroffenen Familien Kontakt auf, wenn dies gewünscht wird. Oft bleiben betroffene Eltern über Jahre in Kontakt mit uns. Wir geben auch Auskunft über Betreuung und Monitoring bei Nachfolgekindern. Der Verein ist auf Sponsoring und Spenden angewiesen, denn allein durch die Mitgliederbeiträge der 117 Mitglieder könnten wir diese Präventionsarbeit nicht bestreiten. Es arbeiten selbst betroffene Eltern ohne Entlöhnung in der Vereinigung SIDS Schweiz. Uns ist es ein Anliegen, dass offen über den plötzlichen Kindstod gesprochen wird. Wir sind uns bewusst, dass unsere Präventionsarbeit immer wieder zu Diskussionen anregt. Die Präventionsempfehlungen können leider den plötzlichen Kindstod nicht immer verhindern, dennoch sind wir überzeugt, dass sich damit die für das Baby bestmögliche Schlafumgebung schaffen lässt und sich so ohne grossen Aufwand das Risiko des SIDS minimieren lässt. Wir haben ein offenes Ohr und ein weites Herz für die Anliegen rund um den plötzlichen Kindstod.
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