Transkript
Gastroenterologie
Zöliakie-Diagnostik
Durchführung einer Dünndarmbiopsie unentbehrlich
Z wei Beiträge von und mit Professor Dr. med. Faruk Hadziselimovic und Frau Dr. Annemarie Bürgin-Wolff zur Zöliakie-Diagnostik, erschienen 2007 im «The Medical Journal» (TMJ 1/2007 und 4/2007), schlugen hohe Wellen, nachdem der Spezialist von der Kindertagesklinik Liestal postulierte, dass die nach wie vor geforderten Dünndarmbiopsien heute grösstenteils überflüssig seien, da Antikörpertests in vielen Fällen zur Diagnosestellung ausreichten. Die Folge waren zahlreiche kontroverse Leserbriefe sowie eine Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie SGG, die bei (oder trotz) positivem serologischem Testergebnis eine endoskopische Diagnose fordert, um eine ausreichende diagnostische Sicherheit zu gewährleisten. Auch die SGPGE (Schweiz. Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung) unterstützt diese Forderung, die den derzeit gültigen Leitlinien der europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften entspricht.
Was sagen die Guidelines? Die Prävalenz der Zöliakie in der Schweizer Bevölkerung wird auf 0,25 bis 1 Prozent geschätzt. Gemäss den derzeit gültigen offiziellen Guidelines der Nordamerikanischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (NASPGHAN) wird der Nachweis von IgA-Antikörpern gegen humane Gewebstransglutaminase (IgA-tTG; Spezifität 97–98%) als initialer Screeningtest bei Kindern und Erwachsenen mit Zöliakie-Symptomen empfohlen (1). Nicht erwähnt werden hier der Nachweis von IgA-Endomysium (EMA)- beziehungsweise von Antigliadin-Antikörpern. Bei erhöhtem IgA-tTG – aber auch bei IgA-Defizienz und einem dadurch be-
dingten negativen Testergebnis – wird die Durchführung einer Dünndarmbiopsie durch einen pädiatrischen Gastroenterologen empfohlen, um die Diagnose einer Zöliakie abzusichern. Patienten mit nachgewiesener Zöliakie sollten sich lebenslang strikt glutenfrei ernähren.
Überflüssige Biopsien? In einem Interview mit der Zeitschrift TMJ im März 2007 sowie in einer zweiten im TMJ erschienenen Stellungnahme im Januar 2008 erläutert Prof. Hadziselimovic seine Ansicht, dass ein Teil der Biopsien durch die kombinierte Messung mehrerer Antikörper (IgAtTG, IgA Endomysium (EMA), IgA- und IgG-Gliadin) ganz zu vermeiden wäre: Sind nämlich alle drei Antikörpertests positiv, liegt nach seiner Erfahrung in 99,8 Prozent der Fälle eine Zöliakie vor. Hadziselimovic stützt sich in seinem diagnostischen Prozedere ausdrücklich auf alle drei Antikörpertests ab, da eine extrem hohe Spezifität erst durch die Kombination der beiden Gliadin-Antikörper zusammen mit den tTG- und EndomysiumAntikörpern erreicht wird. Statt in diesen Fällen eine weitere Bestätigung der Erkrankung durch eine Biopsieentnahme zu fordern, wäre diese Massnahme eher bei Patienten angezeigt, die zwar typische Symptome, aber keinen dreifach positiven Antikörpertest aufweisen. Der Kliniker ist überzeugt, dass sich der Wert der Antikörperdiagnostik früher oder später auch in den diagnostischen Guidelines der Zöliakie niederschlägt.
Die Stellungnahme der pädiatrischen Gastroenterologen In einer von der Zeitschrift «Pädiatrie» erbetenen Stellungnahme zur Frage der Zöliakie-Diagnostik anerkennt die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatri-
sche Gastroenterologie und Ernährung SGPGE in ihrem Schreiben, dass «die Zöliakie-Serologie heute ein wesentlicher Bestandteil der Zöliakie-Diagnostik ist». Allerdings erachtet sie «die Durchführung der Dünndarmbiopsie weiter als wichtigen Bestandteil bei der ZöliakieDiagnostik und unterstützt die Gültigkeit der derzeitigen Empfehlungen der europäischen und nordamerikanischen Fachgesellschaften (ESPGHAN, NASPGHAN, AGA)». Da der von Prof. Hadziselimovic und Frau Dr. Bürgin-Wolff vertretene Entscheidungs-Algorithmus für die Diagnose der Zöliakie im Kindesalter nicht diesen Empfehlungen entspräche, könne er von der SGPGE nicht vorbehaltlos unterstützt werden. Darüber hinaus legt die SGPGE noch Wert auf die Feststellung, dass «die Diagnose, Beratung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Zöliakie in die Hand des Kindergastroenterologen und einer pädiatrisch geschulten Ernährungsberaterin gehört».
Claudia Reinke
1. Hill ID et al., Guideline for the diagnosis and treatment of celiac disease in children: recommendations of the North American Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2005; 40 (1): 1–19.
Pädiatrie 1/08 • 32