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Public Health
Karies – Rückkehr eines alten Übels
Wieder mehr Kinder, besonders im Vorschulalter, weisen einen Kariesbefall auf. Einer der Gründe ist die Folge eines fast schon paradoxen Verhaltens: Weil viele der heutigen Erwachsenen aufgrund einer erfolgreichen Prävention selbst nur wenig von Karies betroffen sind, hat die Vorsicht gegenüber Karies in Schule und Familie an Bedeutung verloren. Die Aktion «Mund-
D ie Schulzahnpflege und zuckerfreie Süssigkeiten trugen in den letzten 40 Jahren deutlich dazu bei, dass der Kariesbefall bei Kindern und Jugendlichen hierzulande zurückging. Es gibt wohl keine erwachsene Person, die sich nicht daran erinnern könnte, als Kind stets an die Notwendigkeit täglich mehrmaligen Zähneputzens und an die Schädlichkeit von Schleckzeug vom Kiosk gemahnt worden zu sein. Doch die Statistiken zeigen, dass die Kariesprävention bei Kindern in den letzten Jahren an Wirksamkeit verloren hat. In Städten wie Basel, Genf, St. Gallen, Bern, Winterthur und Zürich zeigen die Indizes seit 1995 eine Zunahme von Karies. Besonders ausgeprägt kommt dies bei
Kleinkindern (bis fünf Jahre) zum Ausdruck. Eine kürzlich in Winterthur durchgeführte Studie stellt fest, dass 45 Prozent – also fast die Hälfte – der fünfjährigen Kinder Karies aufweisen.
Fatal: «Das Problem der Karies ist gelöst!»
Über die Ursache für diese Trendwende gibt es zurzeit nur Spekulationen. Mehrere Faktoren dürften dabei eine Rolle spielen:
Immigration: In den Statistiken haben vermehrt Kohorten ausländischer Kinder mit starker Karies Eingang gefunden. Beispiel Winterthur: 90 Prozent der Kinder aus Immigrantenkreisen sind von Karies betroffen, bei den
gesundheit» hat kürzlich in Bern
darüber orientiert, wie sie dem
Kampf gegen Karies neue
Impulse geben will.
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gleichaltrigen einheimischen Kinder sind es 38 Prozent. «Allerdings ist zu beachten», betonte der Genfer Zahnarzt Bernard Ciucchi, «dass auch der Anteil von 38 Prozent bei einheimischen Kindern im Vergleich zu früheren Zahlen einem hohen Wert entspricht». «Das Problem der Karies ist ein für alle Mal gelöst»: Dieser – nicht unbedingt explizit ausgesprochene – Glaubenssatz hat sich im Zuge der jahrelang sinkenden Kariesraten entwickelt und sich im Bewusstsein von Behörden, Lehrern, Eltern, aber auch von Zahnärzten festgesetzt, die Karies kaum mehr am eigenen Leib erlebt haben. In der Folge verschwanden präventive Massnahmen und gute Vorsätze mehr und mehr. Ernährungsgewohnheiten: Zwischenverpflegungen und Snacks, meist mit hohem Zuckeranteil, ersetzen zusehends die Mahlzeiten am Familientisch, die bislang in gewissem Sinn als Garant für ausgewogene und gesunde Ernährung gegolten haben. Sozialer Status: Studien belegen, dass Karies vorwiegend arme oder fast arme soziale Schichten betrifft. In Industrieländern tritt 80 Prozent des gesamten Kariesbefalls bei 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung auf.
beiden Primarschulstufen auf die Gefahr von Karies und ihre Gegenmassnahmen (Zähneputzen, keine süssen Zwischenmahlzeiten, jährliche Kontrolle beim Zahnarzt) aufmerksam macht. Dazu dient allem voran eine Broschüre, die Kinder informiert und mittels didaktisch gestalteter Spiele zur Verhaltensänderung anregen will. «Wir sprechen Kinder in einem Alter an, in dem Motivation und Verhaltensänderungen noch relativ leicht möglich sind», sagte die Thurgauer Zahnärztin Martha Kuster. Auch die Notwendigkeit der Schulzahnpflege war an der Medienkonferenz ein Thema. Der Zürcher Zahnarzt Hubert von Waes wies darauf hin, dass durch die verschärfte finanzielle Situation in verschiedenen Gemeinden bei der Schulzahnpflege und bei Prophylaxemassnahmen
gespart werde. «Kurzfristige Einsparungen haben für die Patienten immer längerfristige finanzielle Mehrbelastungen zur Folge», stellte er fest. Ein zukünftiges Ziel sei es unter anderem, in den Schulen eine ganzheitliche Ernährungsberatung zu bieten, die Probleme wie Karies, ungesunde Ernährung und Übergewicht zusammenhängend betrachtet.
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Kostenlose Informations-Broschüre für Kinder und Eltern: «Gib Karies bei Kids keine Chance».
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Ernährung, Übergewicht und Karies
Die Aktion «Mundgesundheit Schweiz» unter der Führung der schweizerischen Zahnärztegesellschaft SSO hat nun eine Kampagne lanciert, die in einem ersten Schritt in Kindergärten und den ersten
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