Transkript
Elternratgeber
Interview: Verbrennungen und Verbrühungen
«Bei einem Notfall als Erstes die verletzte Haut kühlen!»
Was brennt, funkt oder dampft, weckt die kindliche Neugier. Was können Eltern tun, um den Nachwuchs vor Verbrennungen und Unfällen mit heissen Flüssigkeiten zu bewahren? Und wie sieht richtiges Handeln im Notfall aus?
Dr. med. Christopher Gitzelmann ist Oberarzt der Chirurgischen Klinik und Teammitglied des Zentrums für brandverletzte Kinder am Kinderspital Zürich.
PÄDIATRIE: Dr. Gitzelmann, jedes Jahr erleiden in der Schweiz etwa 7000 Kinder leichte bis schwere Verbrennungen. Welches sind typische Situationen, die zu Verbrennungen oder Verbrühungen bei Kindern führen?
Christopher Gitzelmann: Die häufigsten Verbrennungen und Verbrühungen, die im Zentrum für brandverletzten Kinder gesehen werden, sind Haushaltsunfälle. Dazu gehören Verbrühungen mit heissem Wasser, Tee, Kaffee, durch Inhalationsgeräte und Luftbefeuchter. Typische Verbrennungen sind Grillunfälle, Unfälle mit Rechauds, Feuerwerkskörper und offenen Flammen.
Gibt es auch saisonale Unterschiede in der Art der Unfälle? Saisonale Unterschiede beobachten wir seit dem Bestehen des Zentrums für brandverletzte Kinder:
Typische Verletzungen in den Wintermonaten sind Verbrühungen durch Inhalationsgeräte, kochendes Wasser sowie durch Luftbefeuchter. Verbrennungen ergeben sich durch unsachgemässes Hantieren mit Rechauds (Grillöfen, Fondue). In den Sommermonaten beobachten wir saisonal bedingt Verbrennungen durch Grillieren und offenes Feuer.
In welchem Alter sind Kinder besonders geneigt, unvorsichtig mit feuergefährlichen Dingen oder heissen Flüssigkeiten zu hantieren? Prinzipiell sind Kinder gefährdet, die schon nach Gegenständen greifen können und dabei sind, «die Welt zu erobern». Selbstverständlich gibt es hierzu altersbedingte Variationen.
Was versteht man medizinisch gesehen unter Verbrennungen oder Verbrühungen der Haut? Verbrennungen sind Hautverletzungen,
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Elternratgeber
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verursacht durch Feuer oder direkten Hautkontakt mit heissen Gegenständen. Unter Verbrühungen versteht man Verletzungen der Haut, die durch den Kontakt mit heissen Flüssigkeiten entstanden sind.
Wie breit ist das Spektrum der Schweregrade, und was für Behandlungen sind je nachdem nötig? Schweregrade von Verbrennungen und Verbrühungen werden in Grade eingeteilt:
Eine Grad-I-Verletzung entspricht einem Sonnenbrand und äussert sich durch Rötung der Haut ohne Blasenbildung. Sie wird anfänglich gekühlt, und wenn nötig kommen Schmerzmittel zum Einsatz. Eine chirurgische Intervention ist nicht nötig. Eine Grad-II-Verletzung äussert sich durch gerötete Haut und Blasenbildung. Grad-II-Verletzungen werden je nach Ausmass der betroffenen Fläche durch ein chirurgisches Débridement (Säuberung der Haut von Blasen und abgestorbenen Hautzellen) unter Narkose mit Anlegen von Verbänden behandelt. Diese Verbände werden zunächst täglich und anschliessend zweimal täglich gewechselt. Sofern die Haut spontan innert zwei bis drei Wochen verheilt ist, sind keine weiteren chirurgischen Eingriffe notwendig, und die Heilung findet in der Regel ohne Narbenbildung statt. Ist jedoch die verletzte Fläche nach dieser Zeitspanne nicht spontan verheilt, muss eine Hauttransplantation vorgenommen werden. Bei einer Grad-III-Verletzung wird die Haut typischerweise vollständig zerstört. Handelt es sich dabei um eine Verbrühung, ist das Kennzeichen weisse, ledrige, nicht durchblutete Haut. Bei einer Verbrennung dieser Schwere ist die Haut hingegen verkohlt. Bei Verbrennungen dritten Grades müssen die betroffenen Hautbezirke chirurgisch entfernt und anschliessend mit transplantierter Haut ersetzt werden, da die gesamte Dicke der Haut bei diesem Schweregrad zerstört ist.
In manchen Fällen muss Haut auf die verletzten Stellen verpflanzt werden.
Wie geht eine solche Transplantation vor sich? Die Kinder erhalten eine Narkose, die verletzte, nicht heilende Haut wird chirurgisch entfernt, und bei der gleichen Operation werden Hauttransplantate von nicht verletzten Körperregionen in einer Dicke von 0,1 bis 0,3 mm auf die verletzte Region verpflanzt.
Schwere Verbrennungen lassen Narben zurück. Bleiben diese das Leben lang bestehen? Schwere Verbrennungen und Verbrühungen hinterlassen dauerhafte Narben. Ausmass und Erscheinungsbild der Narbenbildung sind jedoch stark individuell geprägt.
Bleiben auch bei leichteren Verbrennungen oder Verbrühungen der Haut bleibende Schäden zurück? Oberflächliche Verbrennungen und Verbrühungen (Grad-I-Verletzungen sowie gewisse Grad-II-Verletzungen) heilen in der Regel ohne Narbenbildung. Es ist durchaus möglich, dass eine Pigmentverschiebung über längere Zeit bestehen bleiben kann.
Bei Unfällen ist sofortiges und richtiges Handeln gefragt: Wie können Anwesende im Notfall einem Kind helfen, das sich eben verbrannt oder verbrüht hat? Die wichtigste Notfallmassnahme bei Verbrühungen und Verbrennungen ist das sofortige Kühlen der Haut unter fliessend kaltem Wasser über eine Dauer von 20 Minuten – dies reduziert die Tiefenwirkung der Hitze und damit den darauf folgenden Hautschaden. Bei Kleinkindern muss allerdings mit Vorsicht gekühlt werden, damit sie keine Unterkühlung erleiden. Bei Verbrennungen durch offene Flamme sind das Entfernen des Kindes aus der Gefahrenzone, das Ersticken des Feuers am Kind und die darauf folgende Kühlung essenziell.
Wie lässt sich erkennen, ob es sich um einen kleinen Bagatellunfall handelt, der nicht ärztlich behandelt werden muss? In der Regel sollten Verletzungen, die zu Blasenbildung führen, ärztlich beurteilt
Service
Zentrum für brandverletzte Kinder (ZBK) Kinderspital Zürich, Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich, Tel. 01-266 71 11 Internet: www.kinderspital-zuerich.ch, www.paediatricburns.com
Beratungsstelle für Brandverhütung Bundesgasse 20, 3001 Bern Tel. 031-320 22 20, E-Mail: mail@bfb-cipi.ch, Internet: www.bfb-cipi.ch
werden. Es ist sicher sinnvoll, den Arzt einmal zu oft aufzusuchen, sofern Unklarheiten bezüglich der Verletzung bestehen.
Manche Salben werden zur Wundheilung bei Verbrennungen angepriesen. Gibt es tatsächlich Mittel, die im Notfall eingesetzt werden können und in jede Hausapotheke gehören? Für den Notfall gibt es tatsächlich keine Mittel oder Salben, die nützlich sind. Im Gegenteil, Hausmittel sollten vermieden werden. Das Wichtigste und Sinnvollste, was man machen kann, ist kühlen, was das Ausmass der Verletzung eindeutig reduzieren kann. Für den Transport zum Arzt oder ins Spital genügt es, die verletzte Körperpartie in feuchte, kalte Tücher einzuwickeln.
Und bevor ein Unfall passiert: Wie können Eltern und andere Betreuende Kinder am besten vor gefährlichen Situationen mit heissen Flüssigkeiten und brennbaren Materialien schützen? Im Prinzip gilt es, gefährliche Situation im Voraus zu erkennen und Kinder daran zu hindern, in solche Situationen hineinzugeraten. Für den Haushalt sind präventive Massnahmen, beispielsweise Herdabdeckungen, Sicherheitswasserhähne oder Sicherheitssteckdosen, sinnvolle Ergänzungen zur altersgerechten Aufklärung der Kinder über Verbrennungen und Verbrühungen.
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