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Schwerpunkt
Kopfweh – auch Kinder werden davon geplagt
Kopfweh bei Kindern gibt
von Dr. med. Regula Schmid
den Eltern häufig zu Sorgen
Anlass. Dass praktisch jeder
Erwachsene ab und zu
Kopfweh hat, gilt als normal.
Bei Kindern jedoch stellt sich
bald die Frage, was denn
dahinter stecke und ob «etwas
im Kopf» nicht gut sei.
E ine neue schwedische Studie hat bei 10 Prozent der Kinder während einem Jahr ein Spannungskopfweh gezeigt und bei 11 Prozent eine Migräne. Wurden frühere Episoden mitgezählt, steigen die Zahlen auf 23 beziehungsweise 17 Prozent der Kinder. Dies entspricht anderen Studien, die bei Jugendlichen von einer Lebenszeit-Prävalenz um 18 Prozent für Migräne sprechen. Vor der Pubertät ist die Geschlechterverteilung ausgeglichen, anschliessend überwiegen die Mädchen/Frauen, auch beim Spannungskopfweh. Epidemiologisch gesehen ist also Kopfweh bei Kindern nichts Seltenes.
Kopfweh: Formen und Definitionen
Die Internationale Kopfweh-Klassifikation (IHS) – obwohl «erwachsenenlastig» – erwähnt auch Eigenheiten kindlichen Kopfwehs und ist eine im Alltag gut anwendbare Grundlage. Unterschieden werden primäre und sekundäre Kopfschmerzen. Für diese Unterscheidung werden Kinder auch häufig zugewiesen, womit die Grundangst vieler Eltern aufgenommen wird. Primäre
Kopfschmerzen werden in vier Formen eingeteilt: Migräne, Spannungskopfweh, Cluster, Trigeminus-Neuralgie sowie «Andere». Die letzten zwei sind bei Kindern so selten, dass ich sie nicht gesondert erwähne. Die genauen Definitionen können am einfachsten im Internet unter www.i-h-s.org nachgelesen werden.
Migräne Zu erwähnen ist, dass die Dauer der Migräne bei Kindern mit 1 bis 72 Stunden kürzer sein kann, und die bei Erwachsenen typische Einseitigkeit des Schmerzes oft nicht vorhanden ist. Die häufigste Lokalisation ist frontal. Die Lärm- und Lichtempfindlichkeit kann teilweise aus dem Verhalten abgelesen werden. Folgende periodischen Syndrome bei Kindern gelten als mögliche Vorläufer einer Migräne:
Zyklisches Erbrechen (neu in die IHS aufgenommen): Fünf oder mehr beim Kind stereotyp ablaufende Episoden mit heftigem Erbrechen und Übelkeit. Dauer 1–5 Tage, wobei mindestens während einer Stunde viermal erbrochen wird. Zwischen den Episoden ist das Kind symptomfrei, und das Erbrechen hat keinen anderen Grund. Abdominelle Migräne ist definiert als Schmerz in der Mitte des Bauches, der 1 bis 72 Stunden dauert und mit den Alltagsaktivitäten interferiert. Die Qualität ist dumpf, und zusätzlich treten Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder Blässe auf (mind. 2 von 4 Kriterien). Insbesondere gastrointestinale und renale Grundkrankheiten müssen ausgeschlossen sein. Nach fünf Episoden kann die Diagnose gestellt werden.
Benigne paroxysmale Vertigo des Kindes Dieser häufig bei Kleinkindern vorkommende episodische und heftige Schwindel zeigt sich zum Teil lediglich durch plötzliches Blasswerden, eventuell durch Kopfneigung und Erbrechen und dauert Minuten bis Stunden. Etwas grössere Kinder können allenfalls einen einseitigen, klopfenden Schmerz schildern.
Bei allen drei Formen ist die Wahrscheinlichkeit einer späteren Migräne deutlich erhöht. Genaue Zahlen sind nicht vorhanden, wohl auch, weil es sich um seltene Krankheitsbilder handelt.
Spannungskopfweh Beim Spannungskopfweh gelten dieselben Definitionen wie bei den Erwachsenen (Dauer 30 min bis 7 Tage, schwacher bis mittlerer Schmerz, bilateral lokalisiert, der in der Regel nicht mit dem Alltag interferiert und durch körperliche Aktivität nicht verstärkt wird, höchstens Appetitlosigkeit und Licht- oder Lärmempfindlichkeit). Unterteilt wird dann in episodisches Kopfweh, welches neu in selten und häufig weiter unterteilt wird, und chronisches Spannungskopfweh. Ebenso fliesst die Druckdolenz der perikranialen Muskeln in die Klassifikation ein.
Sekundäre Kopfschmerzen Bei den sekundären Kopfschmerzen sind posttraumatisch bedingte bei Kindern wohl die häufigsten. Diese treten spätestens sieben Tage nach dem Unfall auf und persistieren mehr als drei Monate. Die Charakteristik kann unterschiedlich sein, Spannungskopfweh ist am häufigsten. Häufig ist im Nachhinein die zeitli-
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che Korrelation nicht mehr genau rekonstruierbar.
Diagnostik
Die detaillierte Anamnese ist das wichtigste Instrument, sie braucht genügend Zeit und manchmal auch hartnäckiges Nachfragen. Die zehn Schlüsselfragen für den Hausarzt der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft (SKG) sind durchaus auch bei Kindern sinnvoll. 1. Wo tut es weh? Wie ist der Schmerz:
drückend, stechend, klopfend? Kommen Übelkeit, Licht-/Lärmempfindlichkeit dazu?
2. Wie oft kommen die Schmerzen pro Monat oder pro Woche wieder?
3. Wie lange bleiben die Schmerzen? 4. Seit wann hast du Schmerzen? 5. Haben sich die Schmerzen verändert? 6. Was wurde schon unternommen,
und was wurde abgeklärt? 7. Was tust du gegen deine Schmerzen? 8. Wie viele Tabletten nimmst du im
Tag/in der Woche/im Monat?) 9. Wie geht es dir sonst? Schule?
Kontakt mit Gleichaltrigen? Stellung in der Familie? 10. Was erwartest du von mir? (Ziel: Was können wir miteinander erreichen?)
Wichtig ist es, nach Veränderungen des Gleichgewichts, den Schulleistungen, der Gemütslage und des Verhaltens, sowie des Appetits und des Schlafs zu fragen. Ebenso ist die Familienanamnese manchmal aufschlussreich. Gerade die Migräne hat eine genetische Komponente. Ein Genlocus konnte aber bis jetzt nur für die seltene familiäre hemiplegische Migräne gefunden werden. Eine genaue neurologische Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf die Koordinations- und zerebellären Prüfungen, sowie eine Funduskopie dienen unter anderem dazu, die Entscheidung der weiteren Bildgebung mit der Frage
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Abbildungen aus «Pediatrics» 2002; 109: 460–472.
nach Raumforderung zu fällen. Da die meisten Tumoren bei Kindern in der hinteren Schädelgrube liegen, kommt es früher oder später zu Gleichgewichtsstörungen und zu Hirndruckzeichen. Das klassische Nüchtern-Erbrechen kann erst spät auftreten. Kurz erwähnt sei, dass bei heftigen posttraumatischen Kopfschmerzen ein Subduralhämatom etwas verzögert auftreten kann und keine (!) neurologischen Ausfälle macht. Weiter sollte die Wirbelsäule und der Nacken untersucht werden und die ganze perikranielle Muskulatur palpiert werden. Es ist manchmal erstaunlich, wie Schulkinder bereits verspannt sein können und druckdolente Muskeln haben. Da liegt auch ein möglicher Therapieansatz. Ebenso gehört die Blutdruckmessung und Auskultation des Herzens und der kranialen Gefässe dazu. Eine Bildgebung ist bei auffälligen Zusatzsymptomen wie Stürzen, Störungen des Gleichgewichts, Nüchtern-Erbrechen oder neurologischen Ausfällen indiziert. Ebenso bei heftigen posttraumatischen Kopfschmerzen. Ein CT kann bei kleineren Kindern häufig auch ohne Sedation durchgeführt werden, was ein grosser Vorteil im Vergleich zum MRI ist. Im EEG gibt es keine spezifischen Veränderungen, mit denen eine Migräne diagnostiziert werden könnte. Manchmal ist die Abgrenzung einer hemiplegischen oder Basilaris-Migräne (viele verwenden bei Ausfällen den Begriff «Migraine accompagnée») zu einem komplex-partiellen Anfall nicht ganz eindeutig. Da solche Ausfälle meist ohnehin zu weiteren Abklärungen führen, wird häufig auch ein EEG durchgeführt. Unter dem Be-
griff «Migralepsie» wird ein von einer Migräne getriggerter Anfall verstanden. Dieser Begriff zeigt, wie nahe diese beiden paroxysmalen kortikalen Erkrankungen sein können. Der Umgang mit drängenden Eltern, die finden, dass etwas getan werden müsse und die Angst haben, ist anspruchsvoll. Manchmal gelingt es, die Ängste an- und auszusprechen, was beruhigender sein kann als ein «Bild des Kopfes» zu haben. Auch das Überweisen an eine Spezialistin oder einen Spezialisten kann hier eine sinnvolle Strategie sein. Bei primären Kopfschmerzen ist die Unterscheidung Migräne/Spannungskopfweh manchmal schwierig. Hier hat sich für mich die Frage, ob die Kopfschmerzen von aussen erkannt werden (Blässe, veränderter Gesichtsausdruck), als brauchbares Unterscheidungsmerkmal erwiesen. Ein weiterer spannender Ansatz ist, die Kinder ihr Kopfweh zeichnen zu lassen. Dazu gibt es eine interessante Arbeit, bei der die Kinder vor der Anamneseerhebung ihr Kopfweh zeichneten. Anschliessend wurde das Bild von einer aussenstehenden Neuropädiaterin als Migräne oder Nicht-Migräne beurteilt. Der positive prädiktive Wert betrug 87 Prozent. (Stafstrom et al., Pediatrics 02). Die Zeichnung zusammen anzuschauen und sich vom Kind erklären zu lassen, hat diagnostischen, aber auch bereits therapeutischen Wert. Das Betrachten von aussen kann helfen, das Kopfweh besser einzuordnen und ihm weniger ausgeliefert zu sein. Dasselbe gilt für das Führen eines Kopfwehkalenders. Dafür können bei Grösseren die Kopfwehkalender der SKG benutzt werden. Eine Vorlage kann von der Homepage aus (www.headache.ch)
unter «Rat und Tat/Kalender» ausgedruckt werden. Es gibt verschiedene Kalender für Kinder. Ich selbst benutze denjenigen aus dem Buch «KopfschmerzTherapie mit Kindern und Jugendlichen» (siehe Service), der allerdings relativ aufwändig gestaltet ist. Auch bei Kindern kann Spannungskopfweh Ausdruck einer Depression oder Angststörung sein. Unter Umständen ist eine psychiatrische Beurteilung nötig.
Therapie
Medikation Eine möglichst genaue Diagnose hilft natürlich zu einer gezielteren Therapie. Bei der Migräne wird die Anfalls- von der Basistherapie oder Prophylaxe unterschieden. Zur Anfallsbehandlung eignet sich insbesondere bei kleineren Kindern Paracetamol in genügender Dosierung (20–25 mg/kg/Dosis). Alternativ kann ein Salicylat oder ein NSAR eingesetzt werden. Vorteilhaft sind auflösbare Darreichungsformen in Form eines Granulats, von denen es mehrere gibt. Hier beträgt die Dosis 10 bis 15 mg/kg/Dosis. Dies kann mit einem Antiemetikum in Form eines Suppositoriums kombiniert werden (z.B. Domperidon). Triptane sind mangels Studien für Kinder nicht zugelassen, mit Ausnahme des Imigran® Nasensprays ab 12 Jahren. Ob diese wirksamer wären als ein passendes Schmerzmittel, muss offen gelassen werden. Die Basistherapie steht in der Regel ab einer Häufigkeit von > 1 x/Woche oder bei häufigen Schulausfällen zur Diskussion. Auch hier gibt es kaum Studien bei Kindern. In Frage kommen Magnesium, welches genügend hoch dosiert werden
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Service
Weitere Informationen und Adressen für ÄrtzInnen, Betroffene und Eltern:
Schweizerische Kopfwehgesellschaft c/o IMK Institut für Medizin und Kommunikation AG Münsterberg 1, 4001 Basel Tel. 061-271 35 51, E-Mail: kopfweh@imk.ch Internet: www.headache.ch
«nomig»: Aktion gegen Kopfschmerzen Internet: www.nomig.ch
«Kopfschmerz-Therapie mit Kindern und Jugendlichen. Ein Trainingsprogramm.» Heide Denecke, Birgit Kröner-Herwig. Verlag Hogrefe. 2000. Fr. 47.–. ISBN: 3-8017-1313-X.
muss (10–30 mmol/Tag), Betablocker oder Kalzium-Antagonisten. Die letzteren zwei sind zum Teil mit einschränkenden Neben-
wirkungen wie Müdigkeit und Gewichtszunahme verbunden. Im englischsprachigen Raum werden Cyproheptadin (Anitallergikum) und Amitryptiline häufig als Erstes eingesetzt, mit guter Wirksamkeit. Ein begrenzter Einsatz von Dihydroergotamin über zwei bis drei Monate kann auch erwogen werden.
Entspannen Auch bei Kindern sollten bei Spannungskopfweh möglichst wenig Schmerzmittel eingesetzt werden, obwohl die Gefahr des Abusus und damit schmerzmittelinduzierten Kopfwehs viel kleiner ist. Häufig sind sie aber auch gar nicht wirksam. Wie der Name andeutet, ist Entspannung gefragt. Bestehen schmerzhafte und verspannte Muskeln, die häufig mit einer Haltungsinsuffizienz vergesellschaftet sind, ist es wichtig, die Sitz- und Bewegungsgewohnheiten anzuschauen,
und zu überlegen, mit welchem Sport eine Aktivierung gelingen kann. In einer englischen Studie sprachen 43 Prozent der Kinder mit episodischem Spannungskopfweh gut auf Ruhe und Massage an. Eine gezielte Physiotherapie ist zu erwägen, am besten kombiniert mit dem Erlernen von Entspannungsübungen, am ehesten progressiver Muskelrelaxation.
Literatur bei der Verfasserin.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Regula Schmid Kinderärztin FMH, spez. Neurologie
Wartstrasse 60 8400 Winterthur E-Mail: regsch@smile.ch
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