Transkript
Schweizerische Arbeitsgruppe für Kinder- und Jugendgynäkologie Groupement Suisse de Gynécologie de l’Enfant et de l’Adolescente (GYNEA)
Frühe Pubertätsentwicklung –
unter Berücksichtigung der säkulären Akzeleration
von Dr. med. Dagmar L’Allemand
Die Adipositas verlegt den Pubertätsbeginn bei
Mädchen vor, der altersgemässe Ablauf der
Pubertät ist gestört, jedoch nicht beschleunigt.
Die Pubertas praecox hingegen läuft beschleu-
nigt ab, ist nicht allein mit einer Adipositas
zu erklären und erfordert weitergehende
Diagnostik, um pathologische Ursachen nicht
zu übersehen.
Bereits seit langem ist bekannt, dass Ernährungsstatus und Pubertätsentwicklung eng miteinander verknüpft sind, ein Phänomen, welches als Somatostat-Hypothese beschrieben wurde. Sowohl ein Mangel an Fettmasse – beispielsweise bei Leistungssportlerinnen – als auch die Adipositas können die Pubertätsentwicklung und/oder die Fertilität bei Frauen beeinträchtigen. Offensichtlich ist eine bestimmte Fettmasse für eine ungestörte Sekretion und Wirkung von Pubertätshormonen vorausgesetzt. Daher führt die Zunahme der Fettmasse nicht nur beim Individuum bereits frühzeitig zu Veränderungen der Geschlechtshormone, die hohe Adipositas-
Tabelle: Endokrine Folgen des Übergewichts im Kindesalter
I. Fettzell-Aktivität und ihre Folgen 1. Frühe Pubertätsentwicklung bei Mädchen mit Adipositas 2. Brustdrüsenschwellung bei Jungen (Gynäkomastie) 3. Verzögerte Pubertät bei Jungen (Pubertas tarda) 4. Leptin-Erhöhung als Stimulus der TSH-Sekretion
II. Insulinresistenz und Hyperinsulinismus 1. Präpubertäre leichte Wachstumsbeschleunigung
(Adiposogigantismus) 2. Vorzeitige Schambehaarung bei Jungen und Mädchen
(prämature Adrenarche) 3. Verstärkte Bildung männlicher Hormone in den Eierstöcken
(polyzystisches Ovar-Syndrom)
prävalenz im Kindes- und Jugendalter hat sich auch bereits in einer epidemiologisch bedeutsamen Vorverlegung des Pubertätsbeginns bemerkbar gemacht. In den USA wurde kürzlich gezeigt, dass zeitgleich mit der Zunahme der Adipositas der Pubertätsbeginn in jüngerem Alter als noch vor 30 Jahren eintritt. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorverlegung des Pubertätsbeginns bei der Adipositas durch folgende endokrine Veränderungen bedingt ist: Zum einen fungiert das Fettgewebe als endokrines Organ, zum Beispiel durch die Bildung von Leptin und Östrogenen, und zusätzlich verändert sich die Wirksamkeit von Hormonen durch die Vermehrung des Fettgewebes, was am Beispiel der Insulinresistenz und des daraus resultierenden polyzystischen OvarSyndroms (PCOS) zu erkennen ist.
Normaler Pubertätsverlauf
In Europa werden häufig die Daten der Zürcher Longitudinalstudie (1954 –1980) als Normalwerte zu Grunde gelegt, die aber schon über 20 Jahre alt sind. Danach setzt die Pubertät bei Mädchen frühestens mit 8 bis 9 Jahren ein und spätestens mit 14 Jahren. Die Pubertätsentwicklung dauert etwa 3,2 ± 1,5 Jahre. In der Schweizer Studie beginnt die Pubertät meist mit der Schambehaarung und in 18 Prozent mit der alleinigen Brustentwicklung Stadium B2, entsprechend einer Brustdrüsen-Vergrösserung unterhalb des etwas vergrösserten Warzenhofs. Oft werden die ersten Schamhaare nicht bemerkt, weil sie an den grossen Labien wachsen und der oberflächlichen Inspektion entgehen können.
Frühe Pubertätsentwicklung bei adipösen Mädchen
Die Fettzelle besitzt die Eigenschaft, Steroidhormone zu metabolisieren, ja sogar zu aktivieren. Infolge der Fettgewebshypertrophie ist auch die Aromatase-Aktivität erhöht und bildet aus männlichen Hormonen (z.B. Testosteron) weibliche Hormone (z.B. Östradiol). Dies führt zur Brustdrüsenvergrösserung und hat bei Mädchen natürlich andere Folgen als bei Jungen. Ende der Neunzigerjahre wurde von mehreren Autoren in den USA beschrieben, dass die Pubertät in immer jüngerem Alter beginnt: Während das Bruststadium 2 1969 und 1980 im Alter von 11,2 Jahren eintrat, war dies 1992/3 bereits mit
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10 Jahren der Fall. Damit sind 5 Prozent der weissen amerikanischen Mädchen bereits mit 7 Jahren in der Pubertät und hätten nach alten Kriterien eine verfrühte Brustentwicklung. Das Genitalstadium 2 stellt bei Jungen mit der leichten Rötung und Fältelung des Skrotums sowie Hodenvergrösserung auf 3 ml den Beginn der Pubertät dar. Das Genitalstadium 2 hatten Jungen 1970 und 1983 im mittleren Alter von 11,7 Jahren erreicht, 1988–1993 bereits im Alter von 11,2 Jahren. Allerdings beruhen die amerikanischen Untersuchungen nur auf visueller Inspektion. Diese Ergebnisse haben die amerikanischen Kinderärzte veranlasst, den Beginn der verfrühten Pubertätsentwicklung für weisse Mädchen neu zu definieren: Brust- oder Pubesentwicklung vor dem 7. Geburtstag. Allerdings werden damit bei zirka 12 Prozent der Mädchen endokrinologische Erkrankungen als Ursache der frühen Pubertätsentwicklung übersehen. Daher ist man in Europa bei der alten Definition geblieben:
Definition Pubertas praecox:
bei Mädchen = B2 oder P2 vor dem 8. Geburtstag bei Jungen = G2 oder P2 vor dem 9. Geburtstag und Wachstums- oder Skelettreifungsbeschleunigung bei beiden Geschlechtern. Das Menarchealter ist im Übrigen in allen Ländern in den letzten 50 Jahren konstant geblieben: in Deutschland bei 12,9 Jahren (9,8–16,6), bei 12,6 Jahren in der französischen Schweiz. Weitere Einflussfaktoren auf die Pubertätsentwicklung sind:
genetische Disposition (Menarchealter der Mutter, 1. Rasur des Vaters) ethnische Zugehörigkeit (Bruststadium 2 bei Schwarzen früher, mit 8,9 Jahren im Mittel, Menarchealter im Mittelmeerraum jünger, bei ca. 12,5 Jahren) Geburtsgewicht: Mädchen mit geringerem Geburtsgewicht zeigen eine beschleunigte Pubertätsentwicklung mit früher Menarche (11,9 Jahre) und geringerer Endgrösse (160,1 cm im Mittel) Übergewicht bzw. Body Mass Index (BMI). Die Zunahme des BMI bei amerikanischen Kindern, vor allem bei Mädchen, hat zu einer Vorverlegung der Pubertätsentwicklung, aber nicht zu ihrer Beschleunigung geführt: In mehreren Studien ist ein hoher BMI mit einem jungen Alter bei Pubertätsbeginn assoziiert, dies kann in allen ethnischen Gruppen beobachtet werden. Da aber die Pubertät umso langsamer verläuft, je früher sie beginnt, jedenfalls nach dem 9. Lebensjahr, ist die Endgrösse bei früh-normaler Pubertät nicht reduziert, im Gegensatz zur echten Pubertas praecox. Anders ist es bei Jungen: Wenn sie viel Fettmasse haben, tritt bei ihnen das fortgeschrittene Genitalstadium 3 erst später ein. Leptin signalisiert die Menge der Fettmasse und gibt die Bahn frei für die Pubertätsentwicklung. Übergewichtige Kinder haben einen hohen Leptinspiegel, daher kann die Pubertät bei ihnen früher beginnen. Dies beeinflusst aber bei beiden Geschlechtern vorwiegend die Reifung der NebennierenAndrogen-Sekretion (Adrenarche) und demzufolge die se-
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kundäre Geschlechtsbehaarung. Nur bei Mädchen mit Übergewicht ist auch die gonadale Entwicklung stimuliert. Bei Mädchen steigern rasch ansteigende Östrogene die LHSekretion. Damit kommt es zwar zu einer Stimulation der ovariellen Steroidsynthese, aber gleichzeitig zu einem Ungleichgewicht der Ovarfunktion mit Überstimulation der Thekazellen (Hyperthekose). Schliesslich werden daher oft zu viel ovarielle Androgene gebildet (z.B. Androstendion). Daher kann die Pubertät zwar früh beginnen, aber der altersgemässe Pubertätsablauf ist oft gestört. Gleichwohl ist die Brustentwicklung von Mädchen deutlich vor dem 8. Lebensjahr und die Menarche vor dem 10. Lebensjahr nicht durch Adipositas allein erklärt. Der Verdacht auf eine Pubertas praecox erfordert rasche weitergehende Diagnostik durch einen pädiatrischen Endokrinologen.
Prämature Thelarche
Abbildung: a: Patientin mit Pubertas praecox (B4) bei McCune-Albright-Syndrom, b: typische Café-au-lait-Flecke
Rechts: Fibrodysplasie
Definiert als ein ausschliessliches, oft asymmetrisches Brustwachstum vor dem 8. Geburtstag ohne weitere Pubertätszeichen, stellt die prämature Thelarche eine gutartige Teilform der frühen Pubertätsentwicklung dar. Sie spiegelt die Östrogenkonzentrationen wider, Östradiol liegt typischerweise um 8,4 pmol/l (Streubreite 0 –15) = 2,3 pg/ml (0–4). Im 1. Lebensjahr ist die Stimulation der Ovarien ein physiologischer Vorgang. Mittels Kontrolluntersuchungen während sechs bis zwölf Wochen müssen eine Progredienz der Brustentwicklung und eine Wachstumsbeschleunigung sowie das Auftreten weiterer Pubertätszeichen ausgeschlossen werden. Eine Therapie ist nicht erforderlich. Prämature Adrenarche
Wenn eine prämature Pubarche, also eine isolierte Schamund/oder Axillarbehaarung sowie Schweissgeruch bei Mädchen vor dem 8. Geburtstag, bei Jungen vor dem 9. Geburtstag auftreten, und zusätzlich die Nebennierenrinden-Androgene erhöht sind, so spricht man von einer prämaturen Adrenarche. Typisch ist die Erhöhung des DHEAS, jedoch nur in einem Rahmen, der zum Pubertätsstadium und der Skelettreife passt. Bei sehr hohen Androgenen oder bei Progredienz der Skelettreifung und des Wachstums sowie bei Virilisierung, wie einer Klitorishypertrophie über 0,5 cm, muss an einen androgenbildenden NNR-Tumor oder ein adrenogenitales Syndrom gedacht werden. Bei idiopathischer prämaturer Adrenarche ist eine Therapie zwar nicht erforderlich, aber eine Kontrolle bis ins Erwachsenenalter ist angezeigt, weil die Hyperandrogenämie als Hirsutismus oder PCOS weiter bestehen kann. Aufgrund verschiedener endokriner Regulationsvorgänge ist bei der Adipositas die Sekretion der NNR-Androgene häufig erhöht und der Wachstumsfaktor IGF-I verstärkt wirksam. Dadurch wird zum einen vor der Pubertät das Längenwachstum beschleunigt, Kinder mit nichtsyndromaler Adipositas sind überdurchschnittlich gross, und zum anderen lässt sich bei übergewichtigen Mädchen und Jungen oft eine prämature Adrenarche beobachten.
Ursachen der zentralen Pubertas praecox Bei Mädchen lässt sich für die Pubertas praecox hypothalamischer Genese meist keine pathologische Ursache finden, das heisst, sie ist idiopathisch. Dabei lässt sich fast immer eine genetische Disposition mittels Familienanamnese feststellen. Andernfalls muss nach einer pathologischen Ursache gesucht werden (z.B. Hirntumor). Bei zirka 13 Prozent der aus der Dritten Welt adoptierten beziehungsweise eingewanderten Mädchen lässt sich ebenfalls eine Pubertas praecox finden, auch im Vergleich zu entsprechenden ethnischen Normalwerten. Adipositas oder Aufholwachstum nach Hypotrophie bei Geburt lassen sich nicht als Erklärungen heranziehen. Es gibt Hinweise darauf, dass hohe Spiegel von Pestiziden (z. B. p,p’DDE) als «endokrine Disrupturen» wirken und durch ihre Östrogen-Effekte oder deren Entzug den Pubertätsbeginn vorverlegen. Bei Jungen hat die Pubertas praecox fast immer eine pathologische Ursache, weitere Abklärungen sind daher nötig.
Sonderfall: Pseudo-Pubertas praecox Pseudo-Pubertas praecox wird die verfrühte Pubertät genannt, wenn sie nicht hypothalamisch-hypophysär gesteuert wird. Die Pubertätshormone stammen dann aus der Peripherie (z.B. gonadale Tumoren) oder werden extern zugeführt. Die einzelnen Pubertätszeichen können besonders stark ausgeprägt sein oder in ungewöhnlicher Reihenfolge auftreten. Bei Mädchen, besonders im Säuglingsalter, sind Ovarialzysten eine häufige Ursache der Pseudo-Pubertas praecox. Klinische Zeichen wie rasch zunehmende Brustdrüsenkörper, Fluor vaginalis und Genitalstimulation sowie vaginale Blutungen sind begleitet von hohen Östradiolspiegeln. Da die
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Zysten meist spontan regredieren, kann unter regelmässiger Kontrolle einige Wochen abgewartet werden. Sehr selten muss medikamentös oder operativ durch Ovar-Teilresektion eingegriffen werden.
Spontanverlauf und Folgen Unbehandelt führt die Pubertas praecox aufgrund der Reifungsbeschleunigung zu einer verfrühten Menarche und Geschlechtsreife sowie zu Kleinwuchs (im Mittel 151 cm) im Erwachsenenalter. Als Spätfolge ist bekannt, dass die frühe Pubertät das Risiko für Mamma- und Endometrium-Karzinome und für das polyzystische Ovar-Syndrom erhöht. Für die betroffenen Mädchen stehen die psychosozialen Folgen im Vordergrund: Belastend wirken Aussehen und körperliche Entwicklung, welche von der Peer-Gruppe abweichen. Daher sind die Betroffenen unsicher und zurückgezogen. Zudem sind sie durch nicht altersgemässe sexuelle Kontakte gefährdet. 15 Prozent der früh entwickelten Mädchen sind mit 16 Jahren schwanger – dreimal häufiger als normal reifende Mädchen. Langfristig treten Depressionen oder emotionale Instabilität auf. Gehäuft treten auch Verhaltens- und Schulprobleme auf, was zu verminderter Schulbildung und tieferem Sozialstatus führen kann.
Therapie Indikation für die Behandlung sind Erkrankungsbeginn deutlich vor dem sechsten Geburtstag, progrediente Reifung und Verschlechterung der Endgrössenprognose sowie psychologische Probleme. Die Therapie zielt darauf ab, die Reifung aufzuhalten, um ein altersgemässes Aussehen zu erreichen und die Erwachsenengrösse zu verbessern. Zur Behandlung der zentralen PP sind LHRH-Analoga reversibel und sehr wirksam. Die für die Besserung der Pseudo-Pubertas praecox notwendige Hemmung der Steroidsynthese oder/und -wirkung ist unbefriedigend, eine normale Reifung und Endgrösse kann meist nicht medikamentös erzielt werden.
Literatur sowie Angaben zur Diagnostik der Pubertas praecox sind bei der Verfasserin erhätlich.
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Dagmar L’Allemand Abteilung Endokrinologie Ostschweizer Kinderspital St.Gallen E-Mail: dagmar.lallemand@gd-kispi.sg.ch
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Die Aktivhefe
Gekürzte Fachinformation Perenterol® (Saccharomyces boulardii). Indikationen: Durchfallerkrankungen, Vorbeugung und Therapie von antibiotikabedingten Diarrhöen. Dosierung: Am 1. Tag 2 Kapseln oder 2 Beutel. An den folgenden Tagen 1 Kapsel oder 1 Beutel täglich. Für Säuglinge, Kinder und Erwachsene gilt die gleiche Dosierung. Anwendungseinschränkungen: Lactose Intoleranz, Schwangerschaftskategorie C. Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt. Packungen: Kapseln: 6, 10* (L), 20, Beutel: 10* (L), Lagerung bei Raumtemperatur, Verkaufskategorie D. Ausführliche Angaben siehe Arzneimittel-Kompendium der Schweiz. Kassenzulässig* (L) für Erwachsene und Kinder
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