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EHA 2024
EHA 2024 Congress, 13. bis 16. Juni 2024, Madrid und virtuell
Diffus-grosszelliges B-Zell-Lymphom
Bispezifischer Antikörper bewirkt Überlebensvorteil im rezidivierten/refraktären Setting
Für Patienten mit einem rezidivierten/refraktären diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphom besteht nach wie vor Bedarf an neuen Therapieoptionen. Am EHA-Kongress wurden dazu die sehr guten Resultate der STARGLO-Studie mit dem bispezifischen Antikörper Glofitamab präsentiert. Im Bereich der Erstlinientherapie gab es zudem positive Resultate zur Konsolidierung mit Atezolizumab zu hören.
Für Menschen mit einem rezidivierten/ refraktären (r/r) diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) stellt eine Hochdosischemotherapie gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation (ASCT) die Standard-Zweitlinientherapie dar. Da viele Betroffene aufgrund von Alter, Performancestatus oder Begleiterkrankungen nicht für diese Therapie geeignet sind, besteht hier nach wie vor ein grosser Bedarf an neuen Optionen. Der bispezifische CD20:CD3-Antikörper Glofitamab (Columvi®) hat als Monotherapie bei Personen mit r/r DLBCL nach ≥ 2 vorherigen Therapielinien in einer Phase-I/II-Studie ein dauerhaftes Ansprechen gezeigt (1). In der globalen, randomisierten Phase-III-Studie STARGLO
Auf einen Blick
n Glofitamab hat als erster bispezifischer Antikörper (CD20:CD3) in einer randomisierten Phase-III-Studie einen Überlebensvorteil beim r/r DLBCL erreicht. In Kombination mit Gemcitabin und Oxaliplatin führte Glofitamab in der STARGLO-Studie zu einer Reduktion des Sterberisikos um 38% (vs. Gemcitabin und Oxaliplatin) (2).
n Eine einjährige Konsolidierung mit Atezolizumab bei Hochrisiko-DLBCL-Betroffenen mit einem kompletten metabolischen Ansprechen nach R-CHOP führte in der HOVON 151-Studie mit einem 2-Jahres-OS von 96,3% zu einer der bisher höchsten beobachteten Überlebensraten in dieser Population (3).
n Bei älteren, vulnerablen DLBCL-Patienten (medianes Alter in der Studie: 79 Jahre) erwies sich eine «Chemotherapie-Light», bestehend aus Rituximab, Polatuzumab vedotin und Glofitamab, als machbar und zeigte ein gut handhabbares Nebenwirkungsprofil (4).
wurde nun die Wirksamkeit und Sicherheit von Glofitamab in Kombination mit Gemcitabin und Oxaliplatin (GlofitGemOx) im Vergleich zu Rituximab(R)GemOx bei Patienten untersucht, die nach ≥ 1 vorherigen Therapielinie einen Rückfall erlitten hatten oder refraktär waren und für eine ASCT nicht in Frage kamen (2).
Sterberisiko um 38% gesenkt
Insgesamt nahmen 274 Patienten mit r/r DLBCL an der Studie teil, von denen 183 Glofit-GemOx und 91 R-GemOx erhielten (8 Zyklen Glofit-GemOx plus 4 Zyklen Glofitamab-Monotherapie oder 8 Zyklen R-GemOx). Der primäre Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben (OS). Zu den sekundären Hauptendpunkten gehörte das progressionsfreie Überleben (PFS), die Rate und die Dauer eines kompletten Ansprechens (CR bzw. DoCR). Dr. Jeremy Abramson, Boston, USA, präsentierte in Madrid die neusten Resultate bei einem medianen Follow-up von 20,7 Monaten (Daten Cut-off: 16. Februar 2024). Unter Glofit-GemOx zeigte sich ein um 38% geringeres Sterberisiko als unter R-GemOx (Hazard Ratio [HR]: 0,62; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI]: 0,43–0,88; p < 0,006) (siehe Abbildung). Das mediane OS wurde durch Glofit-GemOx im Vergleich zu R-GemOx verdoppelt (25,5 Monate vs. 12,9). Auch bezüglich PFS zeigte sich ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Vorteil für Glofit-GemOx, das Risiko für Progress oder Tod konnte um 60% Prozent reduziert werden (HR: 0,40; p < 0,0001). Das mediane PFS lag bei 13,8 Monaten für Glofit-GemOx und bei 3,6 Monaten für R-GemOx. Insgesamt erreichten unter Glofit-GemOx 58,5% der Studienteil-
nehmer eine CR (vs. 25,3% im Vergleichsarm). Die Gesamtansprechrate (ORR = CR plus partielles Ansprechen) betrug 68,3 beziehungsweise 40,7% (p < 0,0001). Das Sicherheitsprofil von Glofit-GemOx entsprach den bekannten Risiken seiner Komponenten. Die Raten unerwünschter Ereignisse waren unter der Therapie mit der Glofit-GemOx-Kombination höher, insbesondere die Rate eines Zytokinfreisetzungssyndroms (CRS) sowie die Rate an Infektionen und Zytopenien. CRS traten hauptsächlich im ersten Zyklus auf und waren meist mild und reversible. Abramson erklärte in seiner Präsentation, dass ein Teil der Studienteilnehmer zu Beginn der COVID-19-Pandemie rekrutiert wurde, was die hohe Infektionsrate und auch 7 Todesfälle während der Studie erkläre. Die Studie sei schliesslich so angepasst worden, dass nur noch Personen mit einem negativen COVID-Test eingeschlossen wurden. Fiel der Test während der Studie einmal positiv aus, führte das zum Ausschluss aus der Studie. Glofitamab ist damit der erste CD20:CD3 bispezifische Antikörper, der in einer randomisierten Phase-III-Studie einen Überlebensvorteil bei r/r DLBCL gezeigt hat. Abramson betonte denn auch: «Unsere Resultate unterstützen den Einsatz von Glofit-GemOx zur Behandlung von Personen mit einem rezidivierten oder refraktären diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphom.» Dieses Behandlungsschema sei auch im Zeitalter von CAR-T-Zell-Therapien relevant. «Denn die zellulären Therapien sind nicht überall zugänglich und sie erfordern zudem eine für manche Betroffene möglicherweise nicht tolerierbare lymphodepletierende Chemotherapie.»
Konsolidierung bewirkt bemerkenswertes 2-Jahres-OS
Zur Erstlinientherapie des DLBCL wurde am EHA-Kongress unter anderem die finale Analyse der einarmigen, offenen Phase-II-Studie HOVON 151 präsentiert (3). Wie Dr. Marcel Nijland (Groningen/
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NL) einleitend darlegte, liegt das krankheitsfreie Überleben (DFS) nach 2 Jahren bei Hochrisiko-DLBCL-Betroffenen mit einem kompletten metabolischen Ansprechen (CMR) nach einer Behandlung mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon (R-CHOP) bei 78%. Während Checkpointinhibitoren beim r/r DLBCL nur zu bescheidenen Ergebnissen geführt hätten, seien unter dem PD-L1-Antikörper Atezolizumab (Tecentriq®) in Kombination mit R-CHOP in der Erstlinienbehandlung ermutigende Resultate erreicht worden. Basierend auf der Hypothese, dass eine Konsolidierungstherapie die minimale Resterkrankung zu eliminieren vermag, erhielten in HOVON 151 109 Patienten mit Hochrisiko-DLBCL (medianes Alter: 64 Jahre) und einer CMR nach R-CHOP ein Jahr lang Atezolizumab (1200 mg i.v., alle 21 Tage, für 18 Zyklen oder bis zur Krankheitsprogression). Bei einem medianen Follow-up von 36,4 Monaten zeigte die Studie ein 2-Jahres-DFS von 87,9% und ein 2-Jahres-OS von 96,3%. Dies stellt eine der höchsten bisher beobachteten OS-Raten bei Hochrisiko-DLBCL dar. Im Falle eines Rezidivs wiesen die meisten Patienten eine chemosensitive Erkrankung auf. Insgesamt trat bei 86 Patienten (79%) mindestens eine Nebenwirkung auf. Am häufigsten handelte es sich um Infektionen (n = 65; 25%), um Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems und des Bindegewebes (n = 24; 9%) sowie um Erkrankungen des Nervensystems (n = 22; 9%).
Chemotherapie-Light bei vulnerabler Population
Da aufgrund des Alters oder der Komorbiditäten nicht alle DLBCL-Patienten
OS (%)
GGeessaammttüüberleben beeii ddeerraakkttuuaalliissiertteenn AAnnaallyyssee
100 Glofit-GemOx (n=183) R-GemOx (n=91)
80 Zensiert
60
40
20 Glofit-GemOx vs. R-GemOx: Deskriptiver p = G0,l0o0f6it-GemOx vs. R-GemOx: p = 0,006 (deskriptiv)
0 HRaz:0a,r6d2R; a9t5i%o:-0K,o6n2f;id9e5n%zi-nKteornvfaidll:e0n,z4i3n–te0r,v8a8ll: 0,43–0,88
0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 Zeit (Monate)
Abbildung: Bei Personen mit einem rezidivierten/refraktären diffus-grosszelligen B-ZellLymphom reduzierte die Kombination Glofitamab-Gemcitabin-Oxaliplatin (Glofit-GemOx) im Vergleich zu Rituximab-Gemcitabin-Oxaliplatin (R-GemOx) das Sterberisiko um 38%. Quelle: adaptiert nach (2).
eine voll dosierte R-CHOP-Erstlinientherapie tolerieren, haben Wurm-Kuczera et al. eine «Chemotherapie-Light» Kombination entwickelt, bestehend aus Rituximab, Polatuzumab vedotin und Glofitamab (R-Pola-Glo). Diese setzten sie nun bei entsprechend vulnerablen Erkrankten über 60 Jahren sowie bei Patienten über 80 Jahren ein (4). Am Kongress wurden die aktualisierten Sicherheitsdaten der ersten 10 eingeschlossenen Studienteilnehmer präsentiert, auch im Vergleich zu entsprechenden Daten des etablierten Rituximab/Bendamustin-Regimes (B-R-ENDA) (5). Das mittlere Alter der Eingeschlossenen lag bei 79 Jahren. Die Chemotherapie-Light-Kombination zeigte das erwartete und gut handhabbare Nebenwirkungsprofil (v.a. Blutbildveränderungen, Infektionen, erhöhte Labor-
werte, gastrointestinale Störungen). Das
Sicherheitsprofil von R-Pola-Glo erwies
sich zudem als ähnlich dem einer alters-
und risikoadäquaten Patientenkohorte
der B-R-ENDA-Studie.
n
Therese Schwender
Referenzen: 1. Dickinson MJ et al.: Glofitamab for Relapsed or Refractory Diffuse Large B-Cell Lymphoma. N Engl J Med. 2022;387:222022. 2. Abramson J et al.: Glofitamab plus Gemcitabine and Oxaliplatin (Glofit-Gemox) for relapsed/refractory diffuse large B-cell lymphoma: results of a global randomized phase III trial (STARGLO). EHA 2024, Abstract LB3438. 3. Nijland M et al.: Feasibility and clinical efficacy of Atezolizumab consolidation in high risk diffuse large B-cell lymphoma: final analysis of the HOVON 151. EHA 2024, Abstract S236. 4. Wurm-Kuczera R et al. : Feasability and safety data of the chemotherapy-light combination of Rituximab, Polatuzumab vedotin and Glofitamab in aggressive B-cell lymphoma patients ineligible for fully dosed R-CHOP. EHA 2024, Abstract P1173. 5. Braulke F et al. First-line treatment with Bendamustine and Rituximab for old and frail patients with aggressive lymphoma: Results of the B-R-ENDA trial. Hemasphere 2022;6(12):e808.
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