Transkript
Im Fokus: Hämatologische Tumoren
Therapien für Patienten mit mehrfach vorbehandeltem rezidiviertem Multiplen Myelom
CAR-T-Zellen als neue Therapieoption
Nach Einsatz von hochwirksamen Kombinationstherapien als Ersttherapie und als erste oder zweite Rezidivtherapie führen weitere konventionelle Therapien bei Patienten mit rezidiviertem Multiplem Myelom nur noch selten zu einem Therapieansprechen und nur ausnahmsweise zu länger anhaltenden Remissionen. Eine Therapie mit CAR-T-Zellen zeigte in dieser Situation ein deutlich häufigeres Therapieansprechen, oft sogar mit Erreichen von erneuten kompletten Remissionen. Die Dauer des Ansprechens nach e iner CAR-T-Zell-Therapie wie auch das Gesamtüberleben der damit behandelten Patienten erscheinen länger als mit konventionellen Therapien erwartet.
MICHAEL GREGOR
SZO 2022; 2: 23–28
Michael Gregor
Die Behandlung des Multiplen Myeloms (MM) hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verän dert. Vor der Jahrtausendwende waren noch Zyto statika in Kombination mit Kortikosteroiden die Grundlage der Therapie. Mit einer Hochdosis chemotherapie mit Melphalan und einer darauffol genden autologen Stammzelltransplantation konn ten bei einem kleinen Teil von fitten jüngeren Patienten erste Langzeitremissionen erzielt wer den. Das mediane ereignisfreie Überleben (EFS) betrug etwa 2,5 Jahre, das mediane Gesamtüber leben (OS) 4–5 Jahre, das OS nach 10 Jahren im Bereich 15–20% (1, 2).
ABSTRACT
Therapeutic options for patients with multiple times relapsed multiple myeloma
The introduction of immunomodulatory drugs, proteosome inhibitors and monoclonal antibodies has changed the treatment of multiple myeloma. Today patients with multiple myeloma can receive highly effective combinations as initial treatment or in first or second relapse. Thereafter further conventional treatments rarely lead to a meaningful response and only exceptionally to longer-lasting remissions. In this situation, CAR-T-cell-therapy has shown a considerably higher activity, even with achievement of complete remissions. In phase-II-trials the duration of response as well as the overall survival after CAR-T cell therapy appear longer than expected with conventional treatments.
Keywords: Multiple myeloma, relapsed, refractory, CAR-T cell therapy
Von Imiden bis zu monoklonalen Antikörpern
Durch die Einführung von immunmodulatorisch wirkenden Substanzen («Imiden»), initial Thalido mid, anschliessend Lenalidomid, und von Protea som-Inhibitoren (PI) wie Bortezomib (später Carfilzomib und Ixazomib) konnten die Behand lungsergebnisse beim MM in den vergangenen 20 Jahren wesentlich verbessert werden. Insbeson dere mit der Kombination eines PI, eines Imids und Kortikosteroiden konnten sowohl bei jünge ren als auch bei älteren Patienten häufiger kom plette Remissionen und eine erheblich längere Ansprechdauer erzielt werden. Bei jüngeren fitten Patienten sah man nach einer Induktionstherapie mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (VRd), worauf eine Hochdosis therapie und eine Erhaltungstherapie mit Lenalido mid folgten, in 59% der Fälle komplette Remissio nen, bei medianem progressionsfreiem Überleben (PFS) von 50 Monaten und einem 4-Jahres-OS von 81% (3). Dieselbe Kombination in einer etwas redu zierten Dosierung (VRd lite) führte bei älteren, nicht für eine Hochdosistherapie geeigneten Patienten bei akzeptabler Toxizität zu einem medianen PFS von 35 Monaten und einem 3-Jahres-Gesamtüber leben von etwa 65% (4).
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Im Fokus: Hämatologische Tumoren
Ein nächster Fortschritt war die Einführung von monoklonalen Antikörpern gegen das auf der Zell oberfläche von Plasmazellen vorkommende Antigen CD38 wie Daratumumab (Dara) und Isatuximab. Durch Zugabe dieser Antikörper zur Standardthera pie mit einem Imid, einem PI oder der Kombination von beiden konnten die Therapieergebnisse noch mals verbessert werden, zunächst in der Rezidivthe rapie, kürzlich auch in der Erstlinienbehandlung. Bei älteren, nicht für eine Hochdosistherapie geeigneten Patienten sah man mit der Kombina tion von Dara mit Lenalidomid und Dexamethason ein deutlich verlängertes medianes PFS von knapp über 5 Jahren im Vergleich zur bisherigen Stan dardtherapie mit Lenalidomid und Dexamethason (PFS: 34 Monate). Die Zugabe von Dara führte auch zu einer Verlängerung des 5-Jahres-OS von geschätzt 53 auf 66% (Hazard Ratio: 0,68; p = 0,0013) (5). Auch in Kombination mit Bortezomib, Melphalan und Prednison (VMP) führte Dara zu einer deutlichen Verbesserung der Therapieergeb nisse. Patienten mit Dara-VMP zeigten ein media nes PFS von 36 vs. 19 Monate mit VMP. Das 3-Jah res-OS mit Dara-VMP war 78%, mit VMP 68% (6). Pomalidomid, ein neueres Imid, und Carfilzomib, ein neuerer PI, können auch bei Resistenz auf Lenalido mid und/oder Bortezomib wirksam sein. Kombinati onstherapien mit Carfilzomib oder Pomalidomid werden heute oft im 1. oder 2. Rezidiv eingesetzt. Sofern CD38-Antikörper nicht vorgängig verab reicht wurden, verbessert deren zusätzliche Gabe das Ansprechen auf Pomalidomid oder Carfilzomib.
Langzeitremissionen in späteren Therapielinien seltener
Die Mehrzahl der Patienten mit MM rezidiviert trotz Einsatz von modernen Kombinationsthera pien gemäss aktuellen Therapieempfehlungen
mehrfach im Verlauf. Wenn eine moderne Erstli nientherapie und Rezidivtherapie verabreicht wurde, sind Langzeitremissionen in späteren The rapielinien mit konventionellen Substanzen zuneh mend seltener. Die retrospektive US-Beobachtungsstudie MaM Moth zeigte, dass Patienten mit rezidiviertem MM, welche auf Imide, PI und CD38-Antikörper refrak tär sind, nur in etwa 30% auf die nächste Therapie ansprechen. Die mediane Ansprechdauer betrug 3 Monate, das mediane OS knapp 9 Monate (7). Die internationale prospektive LocoMMotion-Stu die bestätigte die ungünstige Prognose dieser Triple-Class-refraktären (TCR) Patienten mit einer Ansprechrate von 30%, einem medianen PFS von 4,6 Monaten bei einem medianen OS von 12 Monaten. Die in dieser Beobachtungsstudie ver abreichten Therapien waren sehr unterschiedlich, womit keine Standardtherapie für TCR-Patienten definiert werden konnte (8).
Im klinischen Alltag begegnen einem 2 Gruppen von Patienten mit TCR-MM. Einerseits sieht man wenige primär refraktäre Erkrankungen und Früh rezidive bei Patienten, welche bereits eine Thera pie gemäss aktuellen Therapieempfehlungen erhalten haben, andererseits häufiger auch 2., 3. oder spätere Rezidive bei Patienten, welche vor Jahren eine Behandlung nach den damaligen Leitlinien erhielten und erst im Verlauf im Rezidiv eine «modernere Behandlung» erhalten konnten, da z. B. eine Gabe von CD38-Antikörpern erst in späteren Therapielinien verfügbar war (Abbil dung 1). Neue Therapiestrategien sind für diese Patienten gruppen dringend erforderlich. Mehrere Substan zen wurden bei Patienten mit TCR-MM in klinischen Studien geprüft.
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Abb. 1: Aktuelle Therapiesequenzen zur Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom. Abkürzungen: aSZT: autologe Stammzelltransplantation, d: Dexamethason, Dara: Daratumumab, Elo: Elotuzumab, HDT: Hochdosistherapie, I: Ixazomib, K: Carfilzomib, P: Pomalidomid, PI: Proteasom-Inhibitoren, R: Lenalidomid, V: Bortezomib, VMP: Bortezomob, Melphalan, Prednison. *: sofern Patient geeignet und nicht in erster Linie durchgeführt oder als 2. HDT nach langer Remission.
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Mehrfach refraktäre Patienten bedürfen neuer Therapiestrategien
Selinexor, ein selektiver Inhibitor von XPO1 (nuclear export compound that blocks exportin 1), wurde in einer Phase-II-Studie bei Patienten mit TCR-MM untersucht. Ein Ansprechen wurde bei 26% beob achtet. Das mediane Ansprechen lag bei 3,7 Mona ten, das mediane OS bei 8,6 Monaten. Häufigste Nebenwirkungen waren gastrointestinale Beschwer den, meist Grad 1–2 und Thrombozytopenien (9). Eine Subgruppe von pentarefraktären Patienten (d. h. TCR und refraktär auf Carfilzomib und Pomal idomid) wurde mit gematchten Patienten aus der MaMMoth-Studie verglichen. In diesem indirekten Vergleich schien Selinexor das Gesamtüberleben im Vergleich zu einer Therapie nach Wahl etwas zu ver längern (OS: 10,4 vs. 6,9 Monate; p = 0,043) (10).
Melflufen (Melphalan Flufenamide) ist ein Peptidkonjugiertes Alkylans, welches eine schnellere und gezieltere Freisetzung von Melphalan in die Tumor zellen ermöglicht. Melflufen kombiniert mit Dexa methason wurde in einer Phase-II-Studie bei Pati enten mit refraktärem MM untersucht, darunter 119 Patienten mit einer TCR-Erkrankung. Die Ansprech rate in dieser Subgruppe betrug 26%, das mediane PFS knapp 4 Monate, das mediane OS 11 Monate (11).
Venetoclax zeigte ausschliesslich bei Myelompati enten mit einer t(11;14)-Translokation eine relevante klinische Aktivität mit akzeptablem Toxizitätsprofil (Zytopenien, gastrointestinale Beschwerden, Infek tionen). In einer Phase-I/II-Studie bei Patienten mit MM und Nachweis einer t(11;14)-Translokation mit mehreren Vortherapien (100% nach Imid und PI, 80% nach CD38-Antikörpern, somit TCR-Erkran kung) sah man mit der Kombination von Venetoclax und Dexamethason eine Ansprechrate von 48%, allerdings nur wenige komplette Remissionen. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug etwa 12 Monate. Von den Patienten mit Therapieanspre chen lebten noch 77% nach einem Jahr (12).
Belantamab-Mafodotin ist ein Antikörperkonjugat, welches aus einem gegen BCMA gerichteten Anti körper und dem Zytostatikum Auristatin F besteht. BCMA (B-Cell-Maturation-Antigen) ist ein Oberflä chen-Antigen, welches auf der Zellmembran von reifen B-Zellen, Plasmazellen wie auch von MM-Zel len exprimiert wird. Belantamab-Mafodotin wurde in einer grösseren Phase-II-Studie bei 196 Patien ten mit TCR-MM untersucht. Etwa der Patienten zeigten ein Ansprechen. Das mediane PFS betrug 5 Monate, das mediane OS 15 Monate. Hauptneben wirkung war das häufige Auftreten einer Keratopat hie (71%) mit entsprechenden Sehstörungen. Diese
war mehrheitlich nur Grad 1–2 und reversibel. Die Keratopathie führte jedoch zu Dosisreduktionen und Therapieunterbrüchen (13, 14).
Heute erhalten Patienten mit MM in den ersten Therapielinien nur wenige klassische Zytostatika. Daher wird in späteren Rezidiven deren Einsatz oft erwogen, insbesondere bei Patienten mit TCRErkrankung. Mit intensiven Kombinationsthera pien wie PACE (Cisplatin, Adriamycin, Cyclophos phamid, Etoposid), teils kombiniert mit Imiden und/oder PI oder Hyper-CVAD (Cyclophosphamid, Vincristin, Adriamycin, Dexamethason), beobach tete man eine relativ hohe Ansprechrate von 50 bis 70% bei allerdings kurzer Ansprechdauer (median 4 Monate) und einem medianen Gesamtüberleben von 8 Monaten. Intensive Kombinationstherapien eignen sich wegen der hohen Ansprechrate bei rezidiviertem aggressivem MM zur kurzfristigen Krankheitskontrolle und zur Überbrückung, bis eine andere Therapie zur Verfügung steht (15, 16).
Die oben diskutierten neuen Substanzen zeigten bei Patienten mit TCR-MM somit eine teils etwas höhere Ansprechrate, aber eine weiterhin relativ kurze Ansprechdauer und ein medianes OS von teils weniger, teils etwas mehr als 1 Jahr. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass Einzelsubstanzen oder Kombinationen in dieser fortgeschrittenen Krank heitsphase eine anhaltende Aktivität bei einem grösseren Anteil Patienten zeigen werden. Sie kön nen jedoch bei geeigneten Patienten den späteren Einsatz einer wirksameren Therapie ermöglichen.
Anforderungen an eine effektive Therapie bei TCR-MM
Eine effektive Therapie bei Patienten mit TCRMM sollte möglichst gezielt und unabhängig von Resistenzmechanismen gegen frühere Therapien wirken. Sie sollte ein Nebenwirkungsprofil haben, welches die Gabe bei mehrfach vorbehandelten Patienten auch bei Komorbidität ermöglicht. The rapiemodalitäten mit diesen Eigenschaften sind Immuntherapien mit modifizierten patienten eigenen T-Zellen oder mit bispezifischen Antikör pern.
CAR-T-Zell-Therapie Bei der Behandlung von Patienten mit rezidivier tem oder refraktärem diffus grosszelligem B-ZellLymphom (DLBCL) oder einer akuten B-lympho blastischen Leukämie (B-ALL) werden sowohl Therapien mit modifizierten patienteneigenen T-Zellen wie auch mit bispezifischen Antikörpern (nur bei B-ALL) eingesetzt. Beide Therapien richten sich gegen das CD19-Antigen, das auf den meisten B-Zellen, B-Zell-Lymphomen und bei B-ALL expri
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miert wird. Beim MM sind die Tumorzellen oft negativ für CD19. Daher musste für eine Behand lung mit modifizierten T-Zellen wie auch mit bispe zifischen Antikörpern eine andere Zielstruktur gewählt werden. BCMA als Oberflächenprotein auf reifen B-Zellen, Plasmazellen wie auch von MM-Zel len scheint gut geeignet für eine gezielte Therapie bei Patienten mit MM.
Für die Herstellung von modifizierten T-Zellen wer den den Patienten zunächst eigene T-Zellen mit tels Apherese entnommen. Anschliessend werden diese im Labor der Herstellerfirma gentechnisch verändert, mit einem neuen T-Zell-Rezeptorpro tein versehen, dem sogenannten chimären Anti genrezeptor (CAR), und in vitro expandiert (ver mehrt), damit eine ausreichende Zellzahl für die Behandlung zur Verfügung steht. Nach einer vor bereitenden Chemotherapie zur Lymphodeple tion, welche die Proliferation der CAR-T-Zellen in vivo begünstigt, erhalten die Patienten das für sie individuell hergestellte CAR-T-Zell-Produkt als Infusion.
In der KarMMa-Studie konnten Patienten mit rezi diviertem MM nach mindestens 3 Vortherapien eingeschlossen werden. Median hatten die behan delten Studienpatienten 6 Vortherapien und waren mehrheitlich (84%) auf Lenalidomid, Bortezomib und CD38-Antikörper refraktär. Die Patienten erhielten das gegen BCMA gerichtete CAR-T-ZellProdukt Idecabtagen Vicleucel nach einer Lympho depletion mit Fludarabin und Cyclophosphamid. Nach einem Follow-up von median 2 Jahren erreichten 73% der Patienten mindestens eine sehr gute partielle Response (VGPR), 33% sogar eine stringente komplette Remission Response (sCR), teils sogar ohne nachweisbare messbare Rest erkrankung (MRD-Negativität). Ein beginnendes Ansprechen war bereits nach median 1 Monat erkennbar, eine CR wurde nach median 3 Monaten erreicht. Das mediane PFS lag bei 8,6 Monaten, das mediane Gesamtüberleben bei 24,8 Monaten. Sowohl das PFS wie auch das OS lagen somit deut lich über den Erwartungen in dieser Patienten gruppe. Als therapiebedingte Toxizität wurden ein ZytokinRelease-Syndrom (CRS) bei 84% beschrieben, jedoch nur in 5% > Grad 3. Bei 18% der Patienten kam es zu einer Neurotoxizität, in 3% > Grad 3. Infektionen traten bei 69% der Patienten auf, davon waren 22% > Grad 3, bei 16% kam es zu einer febri len Neutropenie. Das CAR-T-Zell-Produkt war nach 6 Monaten noch bei 59% der Patienten nachweis bar, nach 12 Monaten bei 36% (17). In der Cartitude-1-Studie wurde Ciltacabtagen Autoleucel, ein gegen 2 unterschiedliche Domä
nen von BCMA gerichtetes CAR-T-Zell-Produkt, bei einer ähnlichen Population von Patienten mit MM nach mindestens 3 Vortherapien eingesetzt. Die Studienpopulation hatte effektiv ebenfalls median 6 Vortherapien erhalten und war zu 88% TCR. Nach der Therapie mit CAR-T-Zellen beobachtete man bei 98% der Patienten ein Ansprechen. 80% erreichten eine sCR. Bei 58% der Patienten war mit tels Next Generation Sequencing keine MRD nach weisbar. Ein Ansprechen war bereits nach median 1 Monat feststellbar, eine CR wurde nach median 2 Monaten erreicht. Nach 18 Monaten lag das PFS bei 66% und das OS bei 81%. Ein CRS trat bei 95% der Patienten auf, jedoch nur bei 4% > Grad 3. Eine CAR-T-Zell-bedingte Neuro toxizität wurde bei 21% der Patienten beobachtet, davon 9% > Grad 3. Infektionen traten bei 58% der Patienten auf, davon 20% > Grad 3 (inkl. febrile Neutropenien). Nach 6 Monaten war das CAR-TZell-Produkt bei den meisten Patienten nur noch unterhalb des Schwellenwertes für die Quantifizier barkeit detektierbar (18). Beide Phase-II-Studien zeigen, dass bei Patienten mit TCR-MM mit einer gegen BCMA gerichteten CAR-T-Zell-Therapie deutlich häufiger als erwartet ein Ansprechen beobachtet werden kann. Die Ansprechqualität ist mit dem Erreichen einer sCR oder MRD-Negativität besser als mit konventio nellen Therapien in dieser Situation erwartet. In Subgruppenanalysen zeigt die CAR-T-Zell-Thera pie in allen klassischen Risikogruppen (wie Alter, Stadium, Vortherapien, Refraktärität und Zytoge netik) ein vergleichbar gutes Ansprechen. Die Ansprechdauer und das Gesamtüberleben sind länger als mit konventionellen Therapien. Die Toxizität entspricht den Erfahrungen mit gegen CD19 gerichteten CAR-T-Zell-Therapien beim rezi divierten diffus grosszelligen B-Zell-Lymphom oder der B-ALL. Die therapiebedingten Neben wirkungen wie CRS, Neurotoxizität und Infektio nen können bei entsprechender Fachkenntnis frühzeitig diagnostiziert und mit Tocilizumab und Steroiden bzw. Antibiotika meist gut kontrolliert werden.
Herausforderungen der CAR-T-ZellTherapie
Auch nach einer CAR-T-Zell-Therapie wurden im späteren Verlauf leider regelmässig Rezidive beobachtet. Diese können durch eine mit der Zeit abnehmende Aktivität des CAR-T-Zell-Produktes nach initialer Expansion bedingt sein. Sowohl Idecabtagen Vicleucel wie auch Ciltacabtagen Autoleucel waren nach 1 Jahr bei der Mehrzahl der Patienten nicht mehr nachweisbar. Neuere CAR-T-Zell-Produkte mit besserer Proliferations kapazität und Langzeitpersistenz sind derzeit in
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Entwicklung, z. B. mittels Selektion bestimmter T-Zell-Subpopulationen für die Herstellung z. B. des Memory-T-Zell-Typs. Auch die Tumorzellen können sich nach CAR-T-Zell-Therapie verändern, u. a. das BCMA-Zielantigen verlieren und resis tent gegen die Behandlung werden. Ein Versuch, dies zu umgehen, sind sogenannte multispezi fische CAR-T-Zell-Produkte, die sich gleichzeitig gegen mehrere Antigene auf Myelomzellen rich ten (ausser BCMA z. B. gegen CD38, SLAMF7, GPRC5D).
Neben den hohen Kosten sind die limitierte Ver fügbarkeit und die Zeitdauer bis zur Verabrei chung ein wesentliches Problem der Therapie mit CAR-T-Zellen. Die Herstellung eines individuellen CAR-T-Produkts für jeden Einzelpatienten erfor dert eine koordinierte Zusammenarbeit der zerti fizierten Zentren für zelluläre Therapien mit Phar mafirmen. Es vergehen mehrere Wochen, bis das CAR-T-Produkt zur Verfügung steht und einge setzt werden kann. Bei einem aggressiven Rezidiv kann in der Zwischenzeit eine Myelomtherapie erforderlich werden, um die Erkrankung bis zur Rückgabe der CAR-T-Zellen zu stabilisieren («Bridging»). Wie vorgängig erwähnt, zeigen die dazu verfügbaren Therapien bei unterschiedli chem Nebenwirkungsprofil eine niedrige Ansprechrate (Abbildung 2). Daher werden als Alternative zu individuell für ein zelne Patienten hergestellten CAR-T-Produkten auch zelluläre Produkte (T- oder NK-Zellen) von gesunden allogenen Spendern entwickelt, welche bei Therapiebedarf schneller zur Verfügung ste hen.
Bispezifische Antikörper Eine weitere neue Medikamentengruppe zur The rapie des TCR-MM sind bispezifische Antikörper, welche ein Oberflächen-Antigen, auf der Tumor zelle mit einem Antigen auf Effektorzellen verbin den. Als Oberflächen-Antigen für eine Therapie beim Multiplem Myelom wird oft BCMA verwendet
CAR-T-Zell-Therapie bei Multiplem Myelom in der Schweiz (Stand 1.6.2022)
In der Schweiz ist die CAR-T-Zell-Therapie mit Idecabtagen Vicleucel (Abecma®) von Swissmedic zugelassen «… für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom …, die zuvor mindestens drei Therapien erhalten haben, inklusive einem immunmodulatorischen Wirkstoff, einem Proteasom-Inhibitor und einem Anti-CD38-Antikörper, und welche eine Progredienz zur letzten Therapie gezeigt haben». Idecabtagen Vicleucel ist derzeit (01.06.2022) noch nicht auf der Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Daher erfolgt die Vergütung dieser Therapie durch die Krankenkasse gemäss der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) Art. 71.
Swiss Blood Stem Cell Transplantation and Cellular Therapy (SBST) ist die Organisation für zelluläre Therapien innerhalb des Schweizer Blutspendedienstes SRK. SBST hat ein CAR-TMyelom-Board konstituiert, in welchem alle für zelluläre Therapien akkreditierten Zentren vertreten sind. Das SBST-Board überprüft für jeden Patienten die Qualifikation zur CAR-TZell-Therapie gemäss Zulassung von Swissmedic. Die Vertrauensärzte der meisten Krankenversicherer bzw. deren Zusammenschlüsse geben darauf basierend Empfehlungen zur Kostenübernahme der Therapie im Einzelfall entsprechend KVV Art. 71. Die CAR-T-Zell-Therapie mit Ciltacabtagen Autoleucel ist in der Schweiz nicht zugelassen.
wie bei CAR-T-Zell-Produkten. Die meisten bispezi fischen Antikörper aktivieren die T-Zellen über den CD3/T-Zell-Rezeptor-Komplex.
Der bispezifische Antikörper Teclistamab wurde im Rahmen einer Phase-I/II-Studie (MajesTEC-1) bei 165 Patienten mit TCR-MM untersucht. Die Gesamtansprechrate betrug 62%. 58% der Patien ten erreichten eine VGPR, 21% eine sCR. Das PFS nach 9 Monaten betrug 59%, das OS konnte bei noch kurzem Follow-up noch nicht beurteilt wer den. Ein CRS trat bei 72% auf (fast alle Grad 1/2), eine Neurotoxizität bei 3% (alle Grad 1/2) (19). Die Ansprechrate ist höher als mit konventionellen Therapien bei Patienten mit TCR-MM erwartet. Die Nachbeobachtungszeit nach Therapie mit Teclistamab und anderen bispezifischen Antikör pern ist aber noch sehr kurz. Ein Vergleich der Wirksamkeit von bispezifischen Antikörpern mit CAR-T-Zell-Therapien ist daher noch nicht sinnvoll. Bispezifische Antikörper haben im Vergleich zur CAR-T-Zell-Therapie den Vorteil einer schnellen Verfügbarkeit und der Möglichkeit einer Kombina tion mit anderen Therapien. Teclistamab (und andere bispezifische Antikörper) sind derzeit noch nicht zugelassen.
Transport zumTPrraondsupzoernt ten
Herstellung des CAR-T-Zell-Produkts LieferungTraannssZpeonrtrum
Rezidiv Staging
Vorstellung an Zentrum für CART-Zell-Therapie
Kostengutsprache Therapieentscheid Terminfindung
Apherese Bridgingtherapie
Chemotherapie zur Lymphodepletion
CAR-T-ZellInfusion
Abb. 2: Der Prozess von Rezidivdiagnose über Therapieentscheid und Produktherstellung bis zur Behandlung mit CAR-T-Zellen dauert mehrere Wochen. Oft benötigen Patienten nach der Apherese zur Entnahme der T-Zellen eine überbrückende Therapie zur Krankheitskontrolle.
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Im Fokus: Hämatologische Tumoren
Merkpunkte
■ Immunmodulatorisch wirkende Substanzen, Proteasom-Inhibitoren und monoklonalen Antikörpern haben die Behandlungsergebnisse beim Multiplen Myelom in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert.
■ Aktuelle Kombinationstherapien führen in der Erstlinie zu einem medianen progressionsfreien Überleben von rund 5 Jahren.
■ Bei Patienten mit einem Rezidiv, welches auf immunmodulatorisch wirkende Substanzen, Proteasom-Inhibitoren und monoklonale Antikörper refraktär ist, führen weitere konventionelle Therapien nur sehr selten zu einem anhaltenden Ansprechen.
■ Eine Therapie mit CAR-T-Zellen zeigte in dieser Situation ein deutlich häufigeres Therapieansprechen, oft sogar mit Erreichen von erneuten kompletten Remissionen, teils von mehrjähriger Dauer.
Fazit
Auch bei Fehlen von randomisierten Studien kön nen CARTZellen als eine neue hochwirksame The rapieoption für mehrfach vorbehandelte Patienten mit TCRMM betrachtet werden. Sie zeigen eine hohe Ansprechrate und bei einem relevanten Teil der Patienten sehr tiefe und kurz bis mittelfristig anhaltende stabile Remissionen. Ein Einsatz sollte bei geeigneten Patienten daher frühzeitig evaluiert werden, sobald die Kriterien gemäss aktueller Zulassung erfüllt sind, und nicht erst bei Versagen sämtlicher verfügbarer, kaum mehr wirksamer Therapien bei unkontrollierter, rasch progressiver Erkrankung. In Zukunft ist ein früherer Einsatz von CARTZellTherapien bereits im ersten oder zwei ten Rezidiv zu erwarten, sofern entsprechende Stu dien eine Überlegenheit zu heutigen Standardthe rapien zeigen können. Für eine frühere Indikationsstellung muss allerdings auch ein günstiges KostenNutzenVerhältnis aufgezeigt werden. Dieses hängt im Wesentlichen davon ab, wie hoch der Anteil von Patienten sein wird, welche nach einer CARTZellTherapie eine Langzeitremission erreichen und somit keine weitere Myelomtherapie benötigen.
Dr. med. Michael Gregor Hämatologie Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16 E-Mail: michael.gregor@luks.ch
Interessenkonflikte: keine
Referenzen: 1. Attal M et al.: A prospective, randomized trial of autologous bone marrow
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Ausschreibung: Ellermann Nachwuchspreis in Hämatologie
Die Ellermann-Stiftung Bern hat einen Nachwuchspreis in Höhe von CHF 5000 für bedeutende klinische oder experimentelle Arbeiten auf dem gesamten Gebiet der Hämatologie sowie deren Grenzgebieten ausgeschrieben. Bewerbungen von Hämatologen oder Hämatologinnen in Weiterbildung sind bis spätestens 31. August zusammen mit CV, Publikationsliste, 1 bis 3 publizierten Originalarbeiten und einer vom Leiter bzw. von der Leiterin der Weiterbildungsstätte unterzeichneten Bestätigung der laufenden Weiterbildung einzureichen. Der Preisträger ist eingeladen im Rahmen des nächsten Swiss Oncology & Hematology Congress (SOHC) seine Arbeit in einem kurzen Referat vorzustellen. Mü
Anmeldungen: Einreichungen bis 31.8. 2022 unter folgender Mailadresse: info@sgh-ssh.ch
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