Transkript
ASH 2021
63rd ASH Annual Meeting and Exposition, 11.–14. Dezember 2021, Atlanta, virtuell
Klonale myeloische Störungen
Neue Therapieoptionen für hämatologische Erkrankungen
Myelodysplastisches Syndrom (MDS) und myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind klonale myeloische Störungen, die mit einer ineffektiven bzw. übereffektiven Entwicklung von Blutzellen einhergehen. Bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) wurden vielversprechende Ergebnisse zu neuen Therapiestrategien bei hämatologischen Erkrankungen der Myelopoese präsentiert.
Fixe Kombination für MDS- Patienten mit niedrigem Risiko
Hypomethylierende Substanzen (HMA) sind in der Behandlung der HochrisikoMDS etabliert. Bei Patienten mit niedrigerem Risiko ist der Wert der HMA unklar. Bei einer Subgruppenanalyse der ASCERTAIN-Studie wurden nun die Machbarkeit und Wirksamkeit einer hypomethylierenden Behandlung für dieses Patientenklientel festgestellt (1). Die Phase-III-Zulassungsstudie ASCERTAIN untersuchte die fixe, orale Kombination aus 35 mg Decitabin und 100 mg Cedazuridin (ASTX727) bei 118 MDSPatienten. Die Patienten erhielten randomisiert einen Zyklus orales ASTX727 gefolgt von einem Zyklus intravenösem Decitabin, oder umgekehrt im ersten Zyklus Decitabin i.v. und im zweiten Zyklus ASTX727. Nach beiden Sequenzen wurde ab Zyklus 3 ASTX727 verabreicht. In die Studie eingeschlossen waren 69 Patienten mit einem mittleren (Int-1: 93%) bzw. niedrigem Risiko (low risk: 7%) laut IPSS-Klassifikation. Das mediane Alter dieser Patientenkohorte lag bei 70 Jahren. Das Sicherheitsprofil von ASTX727 erwies sich als konsistent mit dem von Decitabin. Es wurden keine Todesfälle in den ersten 56 Tagen unter ASTX727Therapie beobachtet. Ein Patient mit Decitabin in Zyklus 1 verstarb an Tag 28, ohne ASTX727 erhalten zu haben. Ein Ansprechen konnte bei 56,5% der Patienten beobachtet werden. Ein komplettes Ansprechen (CR) erreichten 23,2% der Patienten, ein Komplettansprechen im Knochenmark (BM-CR) 26,1%. Es wurde kein partielles Ansprechen (PR) beobachtet, aber eine hämatologische Verbesserung (HI) bei 7,2% der Patienten. Im Median dauerten die Komplett-
remissionen 15,3 Monate an. 18 Patienten (26%) wurden zwischen 4,3 und 16 Monaten nach Therapiebeginn einer Stammzelltransplantation zugeführt. Es wurde kein Unterschied bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) mit oder ohne Transplantation festgestellt. 27 Patienten waren bei Therapiebeginn erythrozytentransfusionsabhängig. Von diesen erreichten nach 56 Tagen 48,1% und nach 84 Tagen 40,7% die Transfusionsunabhängigkeit. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von nahezu 32 Monaten waren der Median für das leukämiefreie Überleben und das OS für diese Patientenkohorte mit mittlerem und niedrigem Risiko noch nicht erreicht.
Neue Substanzklasse für die Therapie der Myelofibrose
Pelabresib (CPI-0610) ist ein selektiver BET(bromodomain and extraterminal domain)-Inhibitor, der die Expression von Genen, die bei Patienten mit Myelofibrose in den NF-κB-Signalweg integriert sind, hemmt. In der Phase-II-Studie MANIFEST wurden mit dieser neuartigen Substanzklasse vielversprechende Remissionen erreicht (2). Arm 1 der MANIFEST-Studie untersuchte Pelabresib als Monotherapie bei MyelofibrosePatienten in der zweiten Therapielinie. 36 Patienten waren transfusionsabhängig und 50 Patienten nicht transfusionsabhängig. Der primäre Endpunkt für die beiden Patientenkohorten war das Erlangen der Transfusionsunabhängigkeit bzw. eine mindestens 35%ige Reduktion des Milzvolumens (SVR35) in Woche 24. Zum Zeitpunkt der beim ASH präsentierten Auswertung betrug die mediane Nachbeobachtungszeit 22 Monate. 16% der Patienten waren für die Therapie mit einem JAK-Inhibitor nicht geeig-
net, 24% der Patienten wurden mit mindestens einem JAK-Inhibitor behandelt und brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab und 56% der Patienten waren JAK-Inhibitor-refraktär oder -resistent. Mit der Gabe von Pelabresib kam es bei 16% der transfusionsabhängigen Patientengruppe zu einer Konversion in die median 41 Wochen anhaltende Transfusionsunabhängigkeit. In der nicht transfusionsabhängigen Patientenkohorte wurde bei 38,3% der Patienten ein Hämoglobin-Ansprechen beobachtet, am häufigsten in der JAK-Inhibitor-ungeeigneten Gruppe. Insgesamt nahm das Milzvolumen über alle auswertbaren Studienteilnehmer um median 24% ab, 11% der Patienten erreichten eine 35%ige und 31% eine 25%ige Reduktion des Milzvolumens. Bei den nicht transfusionsabhängigen Patienten erreichten 18% den primären Endpunkt, also eine Abnahme des Milzvolumens um ≥ 35%. Der TSS (total symptom score) nahm bei 28% aller Studienteilnehmer um ≥ 50% ab. Eine explorative Analyse konnte mit Pelabresib bei einigen Patienten eine Verbesserung der Knochenmarkfibrose sowie eine Reduktion von Plasmazytokinen, die in die Pathogenese der Myelofibrose involviert sind, zeigen. In der randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studie MANIFEST-2 wird Pelabresib nun in Kombination mit Ruxolitinib versus Plazebo plus Ruxolitinib untersucht. Der primäre Endpunkt ist die Milzgrössenreduktion um ≥ 35% in Woche 24. Die Studie ist bereits gestartet und rekrutiert JAK-Inhibitor-naive Myelofibrose-Patienten. n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Garcia-Manero G et al.: Oral decitabine/cedazuri-
dine in patients with lower risk myelodysplastic syndrome: A longer-term follow-up from the ASCERTAIN study. ASH 2021, Abstr. #66. 2. Kremyanskaya M et al.: Pelabresib (CPI-0610) mono therapy in patients with myelofibrosis – Update of clinical and translational data from the ongoing MANIFEST trial. ASH 2021, Abstr. #141.
24 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2022