Transkript
JOURNAL CLUB
HR-positiver, HER2-negativer Brustkrebs
Genexpressionstest auch bei nodalpositivem Mammakarzinom von Nutzen
Bei einem grossen Teil der Frauen mit neu diagnostiziertem Brustkrebs sind bereits Lymphknoten beteiligt; die Frage ist dann, ob eine Chemotherapie sinnvoll ist. Jetzt ergab die Studie RxPONDER, dass postmenopausale Frauen mit HR-positiven, HER2-negativen Tumoren sowie 1 bis 3 positiven Lymphknoten und einem Oncotype-DX-Recurrence-Score zwischen 0 und 25 nicht von einer Chemotherapie profitieren. Bei den prämenopausalen Teilnehmerinnen war die Chemotherapie dagegen mit einem signifikanten Nutzen im Hinblick auf das invasive krankheitsfreie Überleben verbunden.
Die Ausgangslage
Der auf dem 21-Gen-Expressionstest Oncotype DX basierende RecurrenceScore (Skala 0–100) hatte sich in der Studie TAYLORx als nützliches Instrument zur Identifizierung von Frauen mit Hormonrezeptor-(HR-)positivem, HER2negativem, nodal negativem Brustkrebs erwiesen, die von einer Chemotherapie profitieren. Bei etwa einem Drittel aller Frauen mit diesem neu diagnostizierten Brustkrebstyp sind jedoch bereits Lymphknoten beteiligt. In der RxPONDERStudie (a clinical trial RX for positive node, endocrine responsive breast cancer») evaluierten Kevin Kalinsky, Atlanta/USA, und sein Team jetzt die prognostische Aussagekraft des Recurrence-Scores bezüglich des Chemotherapienutzens bei Patientinnen mit nodal positivem Brustkrebs.
pie im Hinblick auf das invasive krankheitsfreie Überleben. Des Weiteren prüften sie die Hypothese, dass der relative Chemotherapienutzen mit steigendem Recurrence-Score zunimmt. Zu den sekundären Endpunkten gehörte das fernrezidivfreie Überleben. Im Rahmen der Studie wurden zunächst 5083 Frauen randomisiert. Davon befanden sich 33,2% Prozent in der Prämenopause und 66,8% in der Postmenopause. Von den randomisierten Patientinnen nahmen 5018 an der Studie teil. Der mediane Beobachtungszeitraum betrug 5,3 Jahre.
Menopausenstatus bestimmt Nutzen der Chemotherapie
In der dritten vordefinierten Zwischenauswertung unterschied sich der Nut-
zen der Chemotherapie im Hinblick auf das invasive krankheitsfreie Überleben entsprechend dem menopausalen Status der Patientinnen (p = 0,008): Bei postmenopausalen Frauen betrug das invasive krankheitsfreie 5-JahresÜberleben unter ausschliesslich endokriner Therapie 91,9% und unter chemo-endokriner Behandlung 91,3%. Hier zeigte sich somit kein Benefit der Chemotherapie (Hazard Ratio [HR]: 1,02; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,82– 1,26; p = 0,89). Auch im Hinblick auf das fernrezidivfreie Überleben fanden die Wissenschaftler bei postmenopausalen Frauen keinen Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen (HR: 1,05; 95%-KI: 0,81–1,37; p = 0,70). Bei den prämenopausalen Frauen lag das invasive krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren unter endokriner Therapie bei 89,0% und unter chemoendokriner Behandlung bei 93,9% (HR: 0,60; 95%-KI: 0,43–0,83; p = 0,002). Im Hinblick auf das fernrezidivfreie Überleben wurden ähnliche Unterschiede zwischen beiden Behandlungsarmen beobachtet (HR: 0,58; 95%-KI: 0,39– 0,87; p = 0,009). Es zeigte sich somit eine relative Verbesserung des invasiven krankheitsfreien Überlebens um 40% und des fernrezidivfreien Überlebens um 42%. Der relative Nutzen der
RxPONDER: Wann bringt die Chemotherapie Nutzen?
In die prospektive RxPONDER- Studie wurden Patientinnen mit HRpositivem, HER2-negativem, nicht inflammatorischem Brustkrebs ohne Fernmetastasen und 1 bis 3 positiven Achsellymphknoten (Nodalstatus 1) sowie einem Recurrence-Score von 0 bis 25 eingeschlossen. Die Teilnehmerinnen erhielten randomisiert eine endokrine oder eine chemoendokrine Therapie. Als primären Endpunkt definierten die Forscher den Nutzen der Chemothera-
Ergänzende Post-hoc-Analysen
Die Ergebnisse der Studie RxPonder wurden auch im Rahmen des SABCS 2021 vorgestellt (1). Ergänzend präsentierte Dr. med. Kevin Kalinsky, Direktor des Emory University Winship Cancer Instituts Glenn Family Breast Center, explorative Post-hoc-Analysen bei prämenopausalen Frauen, und wies darauf hin, dass diese nur auf kleineren Teilmengen basieren. So wurde beispielsweise bei einer Gruppe von 206 postmenopausalen Frauen mit Mikrometastasen von 0,2 bis 2 mm untersucht, in welchem Ausmass sie von einer Chemotherapie profitieren. In dieser Gruppe brachte die Chemotherapie einen absoluten Vorteil von 7,3% hinsichtlich des invasiven krankheitsfreien Überlebens (HR: 0,44; 95%-KI: 0,18–1,08). Bei den 1403 Patientinnen mit einer pN1-Erkrankung (> 2 mm) konnte der absolute Nutzen auf 4,8% beziffert werden (HR: 0,64; 95%-KI: 0,46–0,90). Diese Zahlen könnten darauf hindeuten, dass prämenopausale Frauen mit Mikrometastasen den grössten Nutzen von einer Chemotherapie haben. Allerdings, so der Experte einschränkend, war die Zahl der Ereignisse sehr gering (n = 22) und das Konfidenzintervall sehr gross. Mü
Quellen: 1. Kalinsky KM et al: Distant-disease free interval in participants with 1-3 positive lymph nodes, hormone receptor- positive and her2-negative breast cancer with recurrence score < or = 25 randomized to endocrine therapy +/chemotherapy: SWOG S1007 (RxPONDER). Abstract GS2-07. 2021 SABCS, 8. Präsentiert am 8.12.2021.
38 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2022
Chemotherapie nahm jedoch nicht mit steigendem Recurrence-Score zu.
Diskussion
Die Studie bestätigt die prognostische Bedeutung des Recurrence-Scores bei Werten zwischen 0 und 25 bei prä- und postmenopausalen Brustkrebspatientinnen mit Nodalstatus 1. Die Hypothese, dass der relative Nutzen der Chemotherapie mit steigendem Recurrence-Score zunimmt, bestätigte sich dagegen nicht. Inwieweit der Nutzen der Chemotherapie bei prämenopausalen Frauen auf unmittelbare zytozide Effekte und/oder die behandlungsinduzierte Menopause zurückzuführen ist, konnte nicht geklärt werden. Möglicherweise variiert der Beitrag beider Mechanismen mit dem Alter der Patientinnen in der prämenopausalen Gruppe. In der Studie RxPONDER wurde nicht untersucht, ob die Chemotherapie durch eine Ovarialsuppression ersetzt werden kann. Diese Frage könnte in zukünftigen randomisierten Studien geklärt werden, meinen die Autoren.
Fazit
Insgesamt kommen Kalinsky und sein
Team zu dem Schluss, dass postmeno-
pausale Frauen mit 1 bis 3 positiven
Achsellymphknoten und Recurrence-
Score-Werten von 0 bis 25 ohne Beein-
trächtigung ihres invasiven krankheits-
freien und fernrezidivfreien Überlebens
auf eine Chemotherapie verzichten
können, während prämenopausale
Patientinnen von der Chemotherapie
profitieren – auch bei sehr niedrigem
Recurrence-Score.
I
Petra Stölting
Quelle: 1. Kalinsky K et al.: 21-gene assay to inform chemother-
apy benefit in node-positive breast cancer. N Engl J Med 2021; 385(25): 2336-2347. 2. DOI: 10.1056/NEJMoa2108873
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2022