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KONGRESSBERICHT
European Society for Medical Oncology (ESMO) Congress 2021, Paris und virtuell, 16.–21. September 2021
Ausgewählte Highlights
Wichtige Studienergebnisse vom Europäischen Krebskongress
Die Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) bot auch in diesem Jahr eine Plattform für regen Informationsaustausch. In drei Präsidentensitzungen wurden ausgewählte wichtige Studien präsentiert, deren Ergebnisse hier zusammengefasst werden.
T-DXd wird Zweitlinienstandard beim HER2-positiven Mammakarzinom
In einem Head-to-head-Vergleich der HER2-gerichteten Antikörper-WirkstoffKonjugate Trastuzumab deruxtecan (TDXd) und Trastuzumab emtansine (T-DM1) zeigte sich bei vorbehandelten Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs ein klinisch relevanter Überlebensvorteil für die T-DXd-Therapie (1). Die multizentrische, offene Phase-IIIStudie DESTINY-Breast03 schloss 524 Patientinnen ein, die Trastuzumab und Taxane in der fortgeschrittenen oder metastasierten Situation erhalten hatten. Das Risiko für einen Progress war unter T-DXd gegenüber T-DM1 um 72% reduziert (Hazard Ratio [HR]: 0,28; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,22–0,37; p < 0,0001). Nach 12 Monaten lebten 75,8 versus 34,1% der Patientinnen ohne Progress. Der signifikante Vorteil unter T-DXd wurde für alle untersuchten Subgruppen beobachtet. Es sprachen 79,7 versus 34,2% der Patientinnen auf die Studienmedikationen an. Die Krankheitskontrollrate lag bei 96,6 versus 76,8%. Die Ergebnisse der DESTINY-Breast03-Studie deuten darauf hin, dass T-DXd der zukünftige Zweitlinienstandard beim HER2positiven Brustkrebs sein wird.
Immuntherapie und Chemotherapie beim metastasierten Zervixkarzinom
Die doppelblinde Phase-III-Studie KEYNOTE-826 untersuchte plazebokontrolliert die Kombination von Pembrolizumab mit Paclitaxel und Cis- oder Carboplatin bei 617 Patientinnen mit persistierendem, rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom (2). Die zusätzliche Gabe von Bevacizumab war erlaubt. Das Risiko für einen Progress innerhalb der CPS ≥ 1-Po-
pulation wurde durch die zusätzliche Immuntherapie um 38% reduziert (HR: 0,62; 95%-KI: 0,50–0,77; p < 0,001). Nach 12 Monaten waren 45,5% der Patientinnen im Pembrolizumab-haltigen Studienarm versus 34,1% im Plazebo-haltigen Arm ohne Progress, das mediane PFS betrug 10,4 versus 8,2 Monate (HR: 0,61 bzw. 0,74). Auch bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) wurde in allen PD-L1-exprimierenden Subgruppen sowie in der gesamten Studienpopulation eine Verlängerung durch die zusätzliche PembrolizumabGabe erreicht. Die Hazard Ratio betrug für die CPS ≥ 1-Population 0,64 (95%-KI: 0,50–0,81; p < 0,001), nach 12 Monaten lebten 75,3 versus 63,1% und nach 24 Monaten 53,0 versus 41,7% der Patienten im Pembrolizumab- bzw. Plazebo-Arm. Ein Wirksamkeitsvorteil wurde sowohl bei einer Therapie mit als auch ohne Bevacizumab beobachtet. Es sprachen 68,1 versus 50,2% der Patienten mit CPS ≥ 1 auf die Studienmedikation an. Die Dauer des Ansprechens betrug 18,0 versus 10,4 Monate. Auch die Zeit bis zur Verschlechterung der Lebensqualität laut EQ-5D-5L VAS wurde durch die PembrolizumabGabe verlängert: Nach 12 Monaten war bei 58,2 versus 44,8% der Patienten noch keine klinisch relevante Verschlechterung (≥ 10 Punkte) eingetreten (HR: 0,75; 95%KI: 0,58–0,97). Die Therapie des persistierenden, rezidivierten oder metastasierten Zervixkarzinoms mit Pembrolizumab plus Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab stellt laut den Ergebnissen der Studie KEYNOTE-826 einen potenziellen neuen Standard dar.
Adjuvante Therapie mit Pembrolizumab beim Melanom
In der Phase-III-Studie KEYNOTE-716 wurde randomisiert, doppelblind und
plazebokontrolliert die Immuntherapie mit Pembrolizumab bei Patienten mit reseziertem Melanom im Stadium IIB und IIC geprüft (3). In die Studie wurden insgesamt 976 Patienten mit neu diagnostiziertem Melanom eingeschlossen. Es wurde eine signifikante Verlängerung des rezidivfreien Überlebens (RFS, primärer Studienendpunkt) beobachtet (HR: 0,65; 95%-KI: 0,46–0,92; p = 0,00658). Nach 12 Monaten waren 90,5 versus 83,1% der Patienten rezidivfrei. Bei 15,3 versus 2,5% der Patienten führten therapieassoziierte Nebenwirkungen zum Abbruch der Studienmedikation. Es wurde zu keinem Zeitpunkt ein signifikanter Unterschied in der Lebensqualität zwischen den Patienten beider Studienarme beobachtet. Die adjuvante Therapie mit Pembrolizumab ist somit eine effektive Therapieoption mit gutem Nutzen-Risiko-Profil für Patienten mit einem Hochrisiko-Stadium-II-Melanom.
Abirateron plus ADT wirksam beim nicht metastasierten Prostatakarzinom
Die Androgendeprivationstherapie (ADT) ist seit langem der Therapiestandard beim neu diagnostizierten Prostatakarzinom. Die mehrarmige laufende STAMPEDE-Studie prüfte in zwei unabhängigen Vergleichen die 2-jährige zusätzliche Therapie mit Abirateronacetat plus Prednisolon sowie die zusätzliche 2-jährige Gabe von Abirateron und Enzalutamid, jeweils im Vergleich zur alleinigen ADT und zu möglicher lokaler Bestrahlung (4). Primärer Endpunkt war das metastasenfreie Überleben (MFS). Insgesamt wurden 1974 Patienten in die Analyse eingeschlossen. 914 Patienten hatten von November 2011 bis Januar 2014 eine ADT mit oder ohne Abirateron erhalten und 1060 Patienten waren von Juli 2014 bis März 2016 mit einer ADT mit oder ohne Abirateron und Enzalutamid behandelt worden. Die 6-Jahres-MFS-Rate wurde durch die Zugabe von Abirateron mit oder ohne Enzalutamid von 69 auf 82% erhöht (HR: 0,53; 95%-KI: 0,44–0,64; p < 0,0001), die
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6-Jahres-OS-Rate wurde von 77 auf 86% gesteigert (HR: 0,60; 95%-KI: 0,48–0,73; p < 0,0001). Auch die Rate an prostatakarzinomspezifischem Überleben verbesserte sich durch die zusätzliche Therapie mit Abirateron von 85 auf 93%. Zusammenfassend erklärten die Autoren, dass die 2-jährige Abirateron-basierte Therapie ein neuer Standard in der Behandlung von Patienten mit nicht metastasiertem Prostatakarzinom mit hohem Progressionsrisiko sein sollte. Die zusätzliche Gabe von Enzalutamid zu Abirateron erhöhe die Toxizität ohne einen erkennbaren Effekt auf die Wirk samkeit.
Abirateron beim kastrationssensitiven metastasierten Prostatakarzinom
Die PEACE-1-Studie randomisierte im 2x2-faktoriellen Design 1173 Patienten in 4 Studienarme mit Standardtherapie (ADT mit oder ohne Docetaxel), Standardtherapie plus Abirateron, Standardtherapie plus Radiotherapie und Standardtherapie plus Abirateron plus Radiotherapie (5). Im Ergebnis konnte für die Studienarme mit Abirateron zur Standardtherapie eine Verlängerung des radiologischen progressionsfreien Überlebens (rPFS) von median 2,0 auf 4,5 Jahre erreicht werden (HR: 0,50; 95%-KI: 0,40–0,62; p < 0,0001). Patienten mit hoher Tumorlast zeigten eine Verlängerung des medianen rPFS von 1,6 auf 4,1 Jahre bei einer Risikoreduktion von 53% (HR: 0,47; 95%-KI: 0,36–0,60; p < 0,0001). Bei Patienten mit niedriger Tumorlast war der Median unter Abirateron-haltiger Therapie noch nicht erreicht und betrug 2,7 Jahre im Standardtherapiearm. Das Risiko für einen radiologischen Progress wurde um 42% reduziert (HR: 0,58; 95%KI: 0,39–0,87; p = 0,006). In der Analyse zum Gesamtüberleben konnte mit medianen Nachbeobachtungszeiten von 3,8 bis 5,7 Jahren kein Unterschied zwischen den Abirateron-haltigen Therapien und unterschiedlichen Kontrollpopulationen beobachtet werden. In der gesamten Studienpopulation wurde für die Standardtherapie ein medianes OS von 4,7 Jahren und für die Standardtherapie plus Abirateron von 5,7 Jahren beobachtet (HR: 0,82; 95%-KI: 0,69–0,98; p = 0,030). Ein zusätzlicher Effekt von
Abirateron innerhalb der Docetaxel-Population wurde insbesondere für Patienten mit hoher Tumorlast gesehen: Das mediane OS wurde für diese Patienten durch Abirateron von 3,5 auf 5,1 Jahre verlängert und das Risiko zu versterben um 28% reduziert (HR: 0,72; 95%-KI: 0,55–0,95; p = 0,019).
Zielgerichtete Therapie für das KRASG12C-mutierte Kolorektalkarzinom
An neuen zielgerichteten Substanzen wurde Adagasib entwickelt, ein irreversibler, selektiver Inhibitor des KRASG12CGens. KRASG12C-Mutationen sind als onkologische Treiber und negative Prädiktoren für die Wirksamkeit von Cetuximab bekannt. Etwa 3 bis 4% der Patienten mit Kolorektalkarzinom (CRC) weisen KRASG12C-Mutationen auf. Das Potenzial von Adagasib wurde in der Phase-II-Studie KRYSTAL-1 untersucht, die Patienten mit diversen soliden Tumoren und KRASG12C-Mutation einschloss, darunter 78 CRC-Patienten (6). Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um Patienten, für die keine weiteren Therapiemöglichkeiten bestanden. Die Patienten erhielten Adagrasib (n = 46) oder Adagrasib in Kombination mit Cetuximab (n = 32). Mit der Adagrasib-Monotherapie wurde ein Ansprechen bei 22% der Patienten und zudem eine Stabilisierung der Erkrankung bei 64% der Patienten erreicht. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 1,4 Monate und die mediane Dauer des Ansprechens 4,2 Monate. Zur Zeit der präsentierten Analyse befanden sich noch 40% der Patienten unter Therapie. Der Median bezüglich des PFS lag bei 5,6 Monaten mit einer 6-MonatsPFS-Rate von 42%. Die häufigsten therapieassoziierten Nebenwirkungen aller Grade waren Diarrhö (63%), Übelkeit (57%), Fatigue (46%) und Erbrechen (46%). Grad-3–4-Nebenwirkungen wurden bei 30% der Patienten berichtet. Es traten keine therapieassoziierten Nebenwirkungen Grad 5 auf und keine der therapieassoziierten Nebenwirkungen führte zum Therapieabbruch. Die Ansprechrate für die Kombination von Adagrasib mit Cetuximab betrug 43% und ausserdem erreichten 57% der Patienten eine stabile Erkrankung. Die
mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 1,3 Monate. Zur Zeit der präsentierten Auswertung waren noch 71% der Patienten unter Therapie. Es verstarb kein Patient an therapieassoziierten Nebenwirkungen, aber 6% der Patienten brachen die Therapie aufgrund therapieassoziierter Nebenwirkungen ab. In der Phase-III-Studie KRYSTAL-10 wird nun Adagrasib plus Cetuximab im Vergleich mit einer Chemotherapie als Zweitlinientherapie beim KRASG12C-mutierten metastasierten CRC untersucht.
Wirksame Nivolumab- Chemo-Kombination beim Magenkarzinom
Die 3-armige CheckMate-649-Studie untersuchte den Nutzen der zusätzlichen Gabe von Nivolumab zu einer Chemotherapie (XELOX oder FOLFOX) (n = 789) gegenüber der alleinigen Chemotherapie (n = 833) und der immuntherapeutischen Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab (n = 409) in der ersten Therapielinie beim HER2-negativen Magenkarzinom (7). Für Patienten mit einem PD-L1 CPS ≥ 5 wurde eine OS-Verlängerung durch die zusätzliche Gabe von Nivolumab zur Chemotherapie von median 11,1 auf 14,4 Monate beobachtet (HR: 0,70; 95%-KI: 0,61–0,81). Die 12- und 24-Monats-OS-Raten lagen bei 57 versus 46% bzw. 31 versus 19%. Für alle zu Nivolumab plus Chemotherapie bzw. Chemotherapie randomisierten Patienten betrug das mediane OS 13,8 versus 11,6 Monate (HR: 0,79; 95%-KI: 0,71–0,88). Mit der längeren Nachbeobachtungszeit wurde auch der signifikante Unterschied bezüglich des PFS bestätigt. Ein Ansprechen wurde bei 60 versus 45% der Patienten mit PD-L1 CPS ≥ 5 sowie 58 versus 46% bei allen randomisierten Patienten unter Nivolumab plus Chemotherapie bzw. alleiniger Chemotherapie gesehen. Wenn auch zum Teil numerisch verschieden, konnte kein statistisch signifikanter Vorteil von Nivolumab plus Ipilimumab versus Chemotherapie bezüglich des OS oder des PFS beobachtet werden. Nur in der Subgruppe der Patienten mit Mikrosatelliteninstabilität war das OS unter Nivolumab plus Ipilimumab signifikant länger als unter Chemotherapie (HR: 0,28; 95%-KI: 0,08–0,92) und es wurde zudem eine höhere Ansprechrate festgestellt (70 vs. 57%).
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NSCLC-Rückfallmuster nach adjuvanter AtezolizumabTherapie
In der IMpower010-Studie wurde mit der adjuvanten Atezolizumab-Gabe eine Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) erreicht. Studienauswer tungen zur Rezidivlokalisation nach Atezolizumab-Therapie und zu Nachfolgetherapien nach der Studienmedikation wurden nun beim ESMO präsentiert (8). IMpower010 ist eine Phase-III-Studie, in der insgesamt 1005 NSCLC-Patienten im Stadium IB-IIIA nach kompletter Resektion und 1 bis 4 Zyklen platinbasierter Chemotherapie mit Atezolizumab oder bester supportiver Therapie (BSC) behandelt wurden. Im Ergebnis wurde für Patienten mit PD-L1 TC ≥ 1% im Stadium II-IIIA (HR: 0,66; 95%-KI: 0,50–0,88) sowie für alle randomisierten Patienten im Stadium II-IIIA (HR: 0,79; 95%-KI: 0,64–0,96; p = 0,02) eine signifikante Reduktion des Rückfallrisikos beobachtet. Bei Patienten der ITT-Population (Stadium IB-IIIA) wurde die vordefinierte Signifikanzgrenze bisher nicht erreicht (HR: 0,81; 95%-KI: 0,67–0,99; p = 0,04). In einer Subgruppenanalyse bezüglich des PD-L1Status zeigte sich, dass signifikante Ergebnisse von Patienten mit einer PD-L1-Expression TC ≥ 50% (HR: 0,43; 95%-KI: 0,27–0,68) getriggert wurden. Ein Rückfall erfolgte am häufigsten nur lokal (ITT-Population: 37,8 vs. 36,9%) oder nur fernmetastasiert (42,9 vs. 40,4%), seltener lokal und distal (17,3 vs. 18,7%). Sehr selten entwickelten Patienten einen sekundären Primarius in der Lunge (1,9 vs.
3,4%). Alleinige Fernmetastasen wurden am häufigsten im Hirn (10,3 vs. 14,3%), in Knochen (9,0 vs. 6,9%), im kontralateralen Lungenflügel (6,4 vs. 7,9%) und in der Leber (6,4 vs. 3,9%) identifiziert. Die Zeit bis zum ersten Rückfall in den angeführten Lokalitäten lag für die ITT-Population konsistent zwischen median 8,2 und 13,5 Monaten mit einem Median bis zum Auftreten von irgendeinem Rezidiv von 12,3 Monaten für Atezolizumab und 12,0 Monaten für BSC. In der Subpopulation der Patienten mit PD-L1 TC ≥ 1% im Stadium II-IIIA waren die Ergebnisse heterogener: Lokale Rezidive traten nach median 16,8 versus 12,0 Monaten auf, Metastasen nach median 17,3 versus 10,4 Monaten, lokale sowie distale Läsionen nach median 24,0 versus 5,3 Monaten und alleinige Hirnmetastasen nach median 18,2 versus 10,6 Monaten. Die mediane Zeit bis zu irgendeinem Rückfall betrug in dieser Subgruppe 17,6 versus 10,9 Monate. Die Analyse der nachfolgenden Therapie zeigte, dass etwa 65 bis 70% der Patienten der ITT- und aller Subpopulationen im Atezolizumab- und BSC-Arm eine weitere Therapie erhielten, welche in beiden Studienarmen am häufigsten eine Chemotherapie war (45–55%).
SARS-CoV-2 und COVID-19 bei Krebspatienten
Auf dem ESMO war auch die Impfung gegen SARS-CoV-2 ein wichtiges Thema. Krebspatienten wurden in die Zulassungsstudien der Impfungen selten eingeschlossen und Patienten unter einer aktiven systemischen Therapie waren
Auf einen Blick
■ Bei den gynäkologischen Tumoren zeigten sich T-DXd beim metastasierten HER2-positiven Mammakarzinom und die Pembrolizumab-Chemotherapie-Kombination beim metastasierten Zervixkarzinom als vielversprechende Therapieoptionen.
■ Das gute Nutzen-Risiko-Profil spricht für den adjuvanten Einsatz von Pembrolizumab bei Patienten mit Hochrisiko-Stadium-II-Melanom.
■ Abirateron ist wirksam beim kastrationssensitiven Prostatakarzinom. Die 2-jährige Abirateron- basierte Therapie ist ein neuer Standard in der Behandlung von Patienten mit nicht metastasiertem Prostatakarzinom und hohem Progressionsrisiko. In der metastasierten Situation profitieren insbesondere Patienten mit hoher Tumorlast von Docetaxel und zusätzlicher Abirateron-Therapie.
■ Kombinierte Therapien optimieren die Behandlung gastrointestinaler Tumoren. Patienten profitieren von der Zweitlinientherapie mit Adagrasib plus Cetuximab beim KRASG12C-mutierten metastasierten Kolorektalkarzinom. Mit der zusätzlichen Gabe von Nivolumab zu einer Chemotherapie wurden in der ersten Therapielinie beim HER2-negativen Magenkarzinom vielversprechende Ergebnisse gesehen.
■ Die COVID-19-Impfung ist für Krebspatienten mit soliden Tumoren wirksam und sicher. Bei hämatologischen Erkrankungen beeinflusst die Therapie mit Anti-CD20-Antikörpern das Ergebnis negativ.
von den Studien sogar ausgeschlossen. Dabei haben Krebspatienten ein höheres Risiko für Komplikationen und einen schlechten Verlauf von COVID-19. Eine Impfung wird unabhängig von der Therapie empfohlen. In der prospektiven VOICE-Studie wurde die Impfung mit dem Moderna-Impfstoff mRNA-1273 nun in 4 Kohorten mit 240 krebsfreien Partnern von Krebspatienten, 131 Krebspatienten unter Immuntherapie, 229 Patienten unter Chemotherapie und 143 Patienten unter Chemoimmuntherapie untersucht (9). Zu den Einschlusskriterien gehörten eine Lebenserwartung > 12 Monate und eine Anti-Krebstherapie bei soliden Tumoren. Ausgeschlossen waren u. a. Personen mit Immundefizienz ohne Bezug zu einer Krebserkrankung und eine immunsuppressive Therapie innerhalb von 14 Tagen vor der ersten Impfdosis. Primärer Endpunkt war ein Antikörper-Ansprechen 28 Tage nach der zweiten Impfung. Ein adäquates Ansprechen auf die erste Impfung wurde bei 66,0% der Kontrollpersonen versus 37,1, 32,5 und 33,3% der Patienten unter Immuntherapie, Chemotherapie und Chemoimmuntherapie beobachtet. 28 Tage nach der zweiten Impfung zeigten 99,6% der Patienten in der Kontrollgruppe sowie 93,1, 83,8 und 88,8% der Krebspatienten unter den diversen Antikrebstherapien ein adäquates Ansprechen. Im Umkehrschluss verblieben somit 6,9% der Patienten unter Immuntherapie, 16,2% unter Chemotherapie und 11,2% unter Chemoimmuntherapie ohne adäquates Ansprechen, im Vergleich mit 0,4% der Kontrollpersonen ohne Krebserkrankung. Bei den Patienten ohne Ansprechen konnte dennoch eine Spike-spezifische T-Zell-Antwort in 42,9% der Fälle beobachtet werden. Patienten mit suboptimalem Ansprechen hatten in 47,3% der Fälle ein T-Zell-Ansprechen und Patienten mit adäquatem Ansprechen in 70,5% der Fälle. Die Impfung mit mRNA-1273 war für Patienten mit soliden Tumoren unter Immunthe rapie, Chemotherapie oder Chemoimmuntherapie sicher. In der prospektiven CAPTURE-Studie wurde die funktionale Immunantwort gegenüber der Infektion und der Impfung bei Krebspatienten untersucht, denn die humorale oder zelluläre Immu-
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nität gegen die derzeit dominierende Delta-Variante (B.1.167.2) und andere Varianten «of concern» (VOC) wurde bisher nicht ausreichend charakterisiert (10). In die Infektionskohorte wurden 118 und in die Impfkohorte 585 Krebspatienten eingeschlossen. Die Infektion mit SARS-CoV-2 führte zu einer dauerhaften neutralisierenden Antikörper-Antwort bei Patienten mit soliden Tumoren, aber zu einer reduzierten Immunantwort bei Patienten mit hämatologischen Malignomen. Neutralisierende Antikörper gegen die Beta- und die Delta-Variante waren reduziert verglichen mit der Wildtyp-SARS-CoV-2-Infektion. Die meisten Krebspatienten hatten eine nachweisbare zelluläre Antwort auf die Infektion, welche bei Patienten mit hämatologischen Malignomen verringert war. Es zeigte sich, dass die Anti-Tumortherapien die Immunantwort gegen SARS-CoV-2 im Wesentlichen nicht beeinflussten, mit Ausnahme der humoralen Antwort auf CD20gerichtete Antikörper und der zellulären Antwort auf Checkpoint-Inhibitoren. Auch für die Impfkohorte zeigte sich eine reduzierte oder fehlende neutralisierende Immunantwort bei hämatologischen Pati-
enten gegen VOC, wohingegen Patienten
mit soliden Tumoren eine vergleichbare
Immunantwort aufwiesen wie Kontrollper-
sonen ohne Krebserkrankung. Eine zuvor
erfolgte SARS-CoV-2-Infektion wirkte als
Booster für die Impfung, was für eine
dritte Impfdosis spricht. Mit Ausnahme
der CD20-gerichteten Therapie wurde
kein Effekt der Anti-Tumortherapie auf die
neutralisierende Immunantwort beobach-
tet. Eine SARS-CoV-2-spezifische T-Zell-
Antwort wurde bei den meisten Krebspa-
tienten gesehen. Nicht geklärt wurden
Möglichkeiten für einen Schutz vor Durch-
bruchsinfektionen.
n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Cortés J et al.: Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) vs
trastuzumab emtansine (T-DM1) in patients with HER2+ metastatic breast cancer: Results of the randomized, phase 3 study DESTINY-Breast03. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA1. 2. Colombo N et al.: Pembrolizumab plus chemo therapy versus placebo plus chemotherapy for persistent, recurrent, or metastatic cervical cancer: Randomized, double-blind, phase 3 KEYNOTE-826 study. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA2 3. Luke JJ et al.: Pembrolizumab versus placebo after complete resection of high-risk stage II melanoma: Efficacy and safety results from the KEYNOTE-716
double-blind phase 3 trial. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA3. 4. Attard G et al.: Abiraterone acetate plus prednisolone with or without enzalutamide added to androgen deprivation therapy (ADT) compared to ADT alone for men with high-risk non-metastatic (M0) prostate cancer: Combined analysis from two comparisons in the STAMPEDE platform protocol. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA4_PR. 5. Fizazi K et al.: A phase III trial with a 2x2 factorial desing in men with de novo metastatic castration-sensitive prostate cancer: Overall survival with abiraterone acetate plus prednisone in PEACE-1. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA5_PR. 6. Weiss J et al.: KRYSTAL-1: Adagrasib (MRTX849) as monotherapy or combined with cetuximab in pa tients with colorectal cancer harboring a KRASG12C mutation. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA6. 7. Janjigian Y et al.: Nivolumab plus chemotherapy or ipilimumab vs chemo as first-line treatment for advanced gastric cancer/gastroesophageal junction cancer/esophageal adenocarcinoma (GC/GEJC/ EAC): CheckMate 649 study. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA7..
8. Felip E et al.: IMpower010: Sites of relapse and subsequent therapy from a phase 3 study of atezolizumab vs best supportive care after adjuvant chemo therapy in resected stage IB-IIIA NSCLC. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA9.
9. Oosting SF et al.: Vaccination against SARS-CoV-2 in patients receiving chemotherapy immunotherapy, or chemo-immunotherapy for solid tumors. ESMO 2021, Abstr. #LBA8.
10. Shepherd STC et al.: Adaptive immunity to SARSCoV-2 infection and vaccination in cancer patients: The CAPTURE study. ESMO Congress 2021, Abstr. #1557O.
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