Transkript
Im Fokus: Gastroenterologische Tumoren
Totale neoadjuvante Radiochemotherapie (TNT) ermöglicht Organerhalt
Neues Konzept bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen
Die kombinierte Radiochemotherapie ist bei der Behandlung des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms weiterhin integraler Therapiebestandteil. Nachdem in der letzten Dekade die neoadjuvante Radio-/ Radiochemotherapie gegenüber der adjuvanten Radiochemotherapie eine Verbesserung des Nebenwirkungsprofils und der Lokalrezidivrate erbrachte, zeigt die Intensivierung der neoadjuvanten Chemo therapie in Kombination mit einer Radio-/Radiochemotherapie (TNT = totale neoadjuvante Therapie) neue Optionen bezüglich des Organgerhalts und eine Verbesserung des Überlebens.
BRANKA ASADPOUR, WOLFGANG HARMS
SZO 2021; 5: 12–16.
Branka Asadpour Wolfgang Harms
Umweltbedingte Faktoren (Übergewicht, mangelnde Bewegung, Rauchen, balaststoffarme Ernährung) und genetische Faktoren können die Wahrscheinlichkeit, an einem Rektumkarzinom zu erkranken, erhöhen (1, 2). Obwohl die vererbte Anfälligkeit (familiäre adenomatöse Polyposis Coli [FAP], Lynch-Syndrom [HNPCC], MUTYH-assozierte Polyposis [MAP]) zu den auffälligsten Risiken gehört, ist die Mehrheit der Tumoren eher sporadisch als familiär bedingt (3, 4). Eine Colitis ulcerosa führt im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Entsprechende Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie liegen in der aktuellen S3-Leitlinie vor (5). Die Darmkrebsvorsorgeuntersuchung wird generell ab dem 50. Lebensjahr empfohlen;
ABSTRACT
New concept for locally advanced rectal cancer: total neoadjuvant therapy a llows organ preservation
The combined radiochemotherapy is still part of the treatment of locally advanced rectal cancer. In the last decade neoadjuvant radio/radiochemotherapies led to an improvement of the side-effect profile and the rates of local recurrencies compared to adjuvant radiochemotherapy. Today the intensification of neoadjuvant chemotherapy combined with radio/ radiochemotherapy (TNT = total neoadjuvant therapy) offers new possibilities of organ preservation and improves survival.
Keywords: locally advanced rectal cancer, total neoadjuvant therapy, organ preservation
klare Altersbegrenzungen nach oben gibt es nicht (6, 7). Bei Risikofaktoren ist eine Vorsorgeuntersuchung bereits ab dem 40. Lebensjahr sinnvoll.
Diagnostik und Therapiekonzepte
Die Stadieneinteilung des Rektumkarzinoms hat sich in den letzten Jahren nicht geändert: Tumoren, die mit dem starren Endoskop gemessen 16 cm oder weniger ab Anocutanlinie lokalisiert sind, zählt man zu den Rektumkarzinomen. Man unterteilt in unteres Drittel: 0–6 cm, mittleres Drittel: 6–12 cm und oberes Drittel: 12–16 cm. Zur Beurteilung der initialen Ausdehnung und Lokalisation sowie der Lagebeziehung zur mesorektalen Faszie (Subklassifikation: cT3a–d) dienen das MRT sowie die Endosonograhie. Ein prinzipielles Problem ist das potenzielle «Overstaging», aber auch das «Understaging» in der präoperativen Diagnostik, insbesondere beim Beurteilen des Nodalstatus: Hier werden bis zu 22% Fehleinschätzungen des Nodalstatus berichtet (8). Die histologische Sicherung erfolgt durch eine Biopsie im Rahmen der Rektoskopie. Superfizielle invasive Karzinome sind noch lokalen operativen Massnahmen zugänglich, wohingegen die Mehrzahl der neu diagnostizierten Rektumkarzinome lokal fortgeschritten sind. Hier erfolgt eine multimodale Therapie interdisziplinär.
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Im Fokus: Gastroenterologische Tumoren
Operation
Wenn möglich, wird eine kontinenzerhaltende Operation angestrebt mit dem Erhalt autonomer Nerven als wichtigem Faktor bezüglich der posttherapeutischen Lebensqualität. Es stehen mehrere Verfahren in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation und -ausdehnung zur Verfügung: 1. (Tiefe) anteriore Rektumresektion als TME (5,
9, 10) 2. Transsphinktäre Resektion mit koloanaler
Anastomose 3. Abdomino-perineale Rektumexstirpation,
ggf. mit plastischer Deckung 4. Lokale operative Verfahren (transanale endo-
skopische Mikroresektion [TEM]) bei streng selektionierten Patienten (11–13) Im Gegensatz zur holländischen TME-Studie werden in einigen Studien Tumoren im oberen Rektumdrittel mittels partieller mesorektaler Exzision (PME) behandelt (14). Dieses Verfahren ist möglicherweise mit einer höheren Lokalrezidivrate verbunden. Die Studie GAST-05 (unter Federführung von Prof. Becker/Dr. Liersch) wird die Frage prüfen, ob Tumoren im oberen Rektumdrittel eine TME benötigen.
Einfluss der Tumorlage
Tumoren des mittleren und unteren Drittels werden weitgehend gleich behandelt (5). Die Therapie des Rektumkarzinoms im oberen Drittel erfolgt entweder wie die des Rektumkarzinoms im mittleren und unteren Drittel oder auch analog zum Kolonkarzinom, unterstützt durch die Ergebnisse der TME-Studie, die keinen signifikanten Benefit durch die Radiotherapie im oberen Drittel (10– 15 cm ab anokutan) im Vergleich zur alleinigen OP gezeigt hatte (15, 16). In der deutschen Studie CAO/ARO/AIO-94 wurden hingegen keine Unterschiede in Bezug auf die Lokalrezidivrate in den jeweiligen Dritteln beobachtet, sodass analog hierzu die Behandlung aller Rektumkarzinome gleich wäre (17).
Neoadjuvante Radio-/ Radiochemotherapie
Der grösste Vorteil einer neoadjuvanten Therapie liegt in der Chance, bei distalen Karzinomen einen Sphinktererhalt zu ermöglichen durch «Down sizing» und «Downstaging» (18). Bisherige Empfehlungen einer neoadjuvanten Therapie gehen ab einem Stadium uT3 oder ab jedem N+-Stadium aus (UICC-Stadium II und III). Eine 2011 veröffentliche Cochrane-Analyse, welche 12 randomisierte Studien einschliesst, zeigt eine Reduktion des relativen Lokalrezidivrisikos von 50% durch eine neoadjuvante Behandlung im Vergleich zur alleinigen TME im Stadium II und III nach UICC (19). Die neoadjuvante Therapie kann als Radiochemotherapie
oder als alleinige Kurzzeitbestrahlung erfolgen (5). Neuere Überlegungen berücksichtigen die Invasionstiefe von > 5 mm extramuraler Tumorinvasion über die M. Propria hinaus (ESMO-Guidelines 2017), da bei geringerer Invasionstiefe das Lokalrezidivrisiko und auch die lymphogene Metastasierung deutlich geringer sind (20). In den USA ist dies kein Standard. Um ein «Downstaging» zu erreichen, kann ein Abstand zur Operation bis zu 12 Wochen nach Therapieabschluss sinnvoll sein, auch nach Kurzzeitbestrahlung (5, 21–23).
Kurzzeit- vs. Langzeitbestrahlung
Die Langzeit-Radiochemotherapie ist ein etablierter Standard in den USA bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen. Sie erfolgt über einen Zeitraum von 6 Wochen (25–28 Bestrahlungstage mit ED von 1,8 Gy). Die Operation wird dann frühestens 6 Wochen nach Therapieabschluss durchgeführt (s. NCCN-Guidelines). Längere Intervalle zur Operation haben den Vorteil eines besseren «Tumorshrinkings»; die perioperativen Komplikationen sind nicht erhöht (24, 25). In Europa findet das Kurzzeitschema mit 5 x 5 Gy als alleinige präoperative Therapie weite Verbreitung, insbesondere bei grenzwertigem/eingeschränktem Performance-Status der Patienten. Die lokale Spättoxizität ist eher erhöht gegenüber einer alleinigen Operation oder einer Langzeitbehandlung. Die Operation kann nach Kurzzeit-Strahlentherapie bereits 1 Woche (ggf. bis nach 12 Wochen bei intendiertem «Downsizing»: s. oben) nach Abschluss der Strahlentherapie erfolgen (21–23). Diese Behandlungsoption verkürzt somit das Behandlungsintervall. Bei geplanter intensiver Chemotherapie, z. B. beim Vorliegen von ausgedehnten Lymphknoten- oder Fernmetastasen, kann dieses Konzept erwogen werden, insbesondere wenn leberchirurgische Massnahmen notwendig sind (5). Die Kurzzeit-Strahlentherapie kommt auch in Frage, wenn kein «Downstaging» erwünscht oder notwendig ist, z. B. bei gut opera blen T3-N0-Tumoren (5, 15, 26, 27). «In Situationen, in denen ein ‹Downsizing› angestrebt wird (T4-Tumoren, nicht ausreichender Sicherheitsabstand im Dünnschicht-MRT zur mesorektalen Faszie – Abstand 1 mm oder weniger – oder erwünschter Sphinktererhalt bei Tumoren im unteren Drittel), soll der präoperativen Radiochemotherapie der Vorzug vor einer Kurzzeit-Radiotherapie gegeben werden» (5).
TNT (totale neoadjuvante Therapie)
Nachdem zahlreiche Studien die Langzeit-Radiochemotherapie beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom (cT4 oder cN+) untersucht haben (48),
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des lokalen oder eines Fernrezidivs (35, 36). In der Studie RAPIDO hingegen zeigten die Kurzzeit-Strahlentherapie und die «konsolidierende» Chemotherapie sowohl höhere pCR-Raten (28 vs. 14%) als auch eine Verbesserung des 3J-DFSÜberlebens (69,6 vs. 75,3% [TNT] im RAPIDOTrial) im Vergleich zur Langzeit-Radiochemotherapie, anschliessender TME, gefolgt von einer Oxaliplatin-basierten adjuvanten CHT. Das Gesamtüberleben differierte jedoch nicht in den beiden Gruppen (37, 38).
Abb. 1: Neue ACO/ARO/AIO-18.1-Studie
zeigen die modernen TNT-Studien mit einer Intensivierung der neoadjuvanten Oxaliplatinbasierten Chemotherapie in Kombination mit einer Radiochemotherapie bessere Ansprechraten und zunehmende pCR-Raten (TNT 28 vs. 12%) bei den Resektionen sowie einen zunehmenden Überlebensvorteil: 3J-DFS: 68,5 vs. 75,7% (TNT) in der Studie PRODIGE 23 (5, 18, 19, 27–32). Ob die weitere Intensivierung der Chemotherapie mit einer Kombination von Oxaliplatin und Irinotecan (FOLFIRINOX, PRODIGE-23-Trial) in der Neoadjuvanz mit einer möglichen höheren pCR-Rate bevorzugt werden sollte, bleibt noch offen (32). In einer Metaanalyse werden pCR-Raten von 30 versus 15% zugunsten der TNT im Vergleich zur RT/ RCHT und anschliessender TME gefolgt von einer adjuvanten CHT berichtet, die bisher noch keine Unterschiede in Bezug auf den Sphinktererhalt oder das Gesamtüberleben aufweisen (33). Ein Behandlungszeitraum von 4 Monaten Chemotherapie wird empfohlen.
Es bleibt weiterhin abzuwägen, ob nun eine Induktionschemotherapie gefolgt von einer Radiochemotherapie oder die «konsolidierende» Chemotherapie nach Radiochemotherapie bevorzugt werden sollte. Letzteres Konzept zeigt eine bessere Durchführbarkeit aufgrund einer geringeren Toxizität im Vergleich zur umgekehrten Durchführung. Ein längeres Intervall nach erfolgter Strahlentherapie, insbesondere nach Radiochemotherapie bis zur Operation, verbessert wahrscheinlich entscheidend die lokale Tumoransprechrate, wie in der Studie OPRA gesehen (34).
Auch bei der TNT wurde die Kurzzeit-Strahlentherapie evaluiert. In der Polish-II-Studie wurde im langjährigen Follow-up nach 7 Jahren kein Unterschied zwischen den beiden Armen beobachtet: Langzeit-Radiochemotherapie vs. Kurzzeit-Strahlentherapie gefolgt von einer «konsolidierenden» FOLFOX-Chemotherapie bezüglich
In den NCCN-Guidelines wird bei TNT die Oxaliplatin-haltige CHT für 12–16 Wochen gefolgt von der Langzeit-RCHT empfohlen. Die neue Studie ACO/ARO/AIO-18.1 soll weitere Ergebnisse zur Langzeit- und Kurzzeit-Strahlentherapie sowie auch zum Organerhalt (s. unten) erarbeiten (Abbildung 1).
Organerhalt
Die zunehmenden pCR-Raten, vor allem nach TNT beim Rektumkarzinom, ermutigten dann zu einem nicht operativen Vorgehen bei Vorliegen einer kompletten klinischen Remission (cCR) nach Vorbehandlung und somit zu einem möglichen Organerhalt. Die Untersuchungsgruppe des MSKCC (2009–2015: 320 Patienten) wies bei Oxaliplatin-basierter TNT eine höhere Rate an Organerhalt auf im Vergleich zur Gruppe mit einer präoperativen Radiochemotherapie gefolgt von einer adjuvanten Chemotherapie: TNT: 73 von 308 Patienten (27%) versus 24 von 320 Patienten (7,5%), obwohl diese Studie nicht den Organerhalt intendierte (39). Langzeitdaten fehlen noch. In der Studie OPRA, welche den Organerhalt prospektiv untersucht, zeigte eine zwischenzeitige Auswertung mit einem medianen Follow-up von 2,1 Jahren bisher keinen Unterschied bezüglich des 3J-DFS bei Organerhalt bei cCR vs. der TME-Gruppe.
Klare Empfehlungen bei einer cCR (digitale Untersuchung, MRT Becken und Endoskopie [s. Abbildung 4]) nach TNT bezüglich eines nicht operativen Vorgehens («watch and wait») fehlen bisher (28). Ein organerhaltendes Vorgehen sollte im interdisziplinären Tumorboard besprochen und gemeinsam entschieden werden, bevorzugt im Rahmen von Studien. Bei engmaschigen Kontrollen und erneutem Tumorprogress (2-Jahres-«Regrowth» bei ca. 15,7% in einer Meta-Analyse von 867 Patienten) führt dies noch zu einem Sphinktererhalt bei 49,8% der Patienten (40). Angaben bezüglich des Gesamtüberlebens und der Metastasierung im Vergleich zu den primär operierten Patienten nach TNT bleiben
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Abbildungen 2–4: St. Claraspital
abzuwarten. Einige neue Studien, die ein nicht operatives Vorgehen untersuchen, sind konzipiert worden (s. Abbildung 1 Studiendesign ACO/ARO/ AIO-18.1).
Adjuvante Radio-/Radiochemotherapie
Die postoperative Radiochemotherapie tritt immer mehr in den Hintergrund, da sie im Vergleich zu den neoadjuvanten Therapiemodalitäten eine höhere Toxizität und eine geringere Effektivität aufweist (41). Sie kommt in der Regel nur dann in Frage, wenn bei primärer Operation ein höheres Tumorstadium nachgewiesen wird mit der Indikation zur Strahlenchemotherapie oder bei R1-Resektion (5) (22). Eine alleinige postoperative Bestrahlung reduziert die Lokalrezidivrate, hat aber keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben (42).
Abb. 2: Beispiel für Zielvolumendefinition und Dosisverteilung: Adenokarzinom des Rektums, ca. 7 cm ab Anocutanlinie ED 4.9.18: uT3/cT3 cN1 cM0 CRM-(10 mm) G2
Auch die alleinige postoperative Chemotherapie, bei Kontraindikationen gegen eine Bestrahlung (z. B. vorangegangene Bestrahlung der Prostata oder bei Status nach Bestrahlung von gynäkologischen Tumoren), senkt das Rezidivrisiko (Überlebensbenefit von 6% absolut und 4% für das progressionsfreie Überleben), ist aber der postoperativen kombinierten Radiochemotherapie und vor allem der neoadjuvanten Chemotherapie unterlegen (41, 43, 44).
Zielvolumen
Die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) war im Vergleich zur bisherigen konventionellen 3D-Bestrahlungsplanung mit Vorteilen in Bezug auf Dünndarm- und Blasenschonung verbunden (45, 46). Eine gute Füllung der Blase kann Anteile des Dünndarmes nach cranial verlagern und bringt somit einen zusätzlichen Nutzen zur Dünndarmschonung.
Abb. 3: Bestrahlungsplan 3 Ebenen, Fusion mit PET-CT, Isodosen – Verlauf und Dosisvolumenhistogramm
Das Zielvolumen umfasst den gesamten Tumor inklusive des Mesorektums mit den präsakralen und iliakalen Lymphknoten (s. Bsp.: Zielvolumendefinition Abbildung 2). Bei Tumoren des oberen und mittleren Rektums soll der Sphinkter ausgespart werden, um posttherapeutische Insuffizienzen und Inkontinenz zu vermeiden (5). Bei tiefsitzenden Tumoren und bei Infiltration der Haut schliesst das Zielvolumen die inguinalen Lymphknoten ein.
Zur Bestrahlungsplanung dient die Computertomographie (CT). Anhand dieser erfolgen die Dosisberechnungen sowie das Festlegen des zu bestrahlenden Bereiches: «Zielvolumendefinition» (Abbildungen 3, 4). Die Dosis bei der Langzeitbestrahlung beträgt 45–50,4 Gy mit Einzeldosen von 1,8 Gy, postoperativ ebenfalls 45–50,4 Gy, in man-
Abb. 4: Tumor des mittleren Drittels: cT3cN1. Vor (oben) und nach (unten) Radiochemotherapie. MRT und PET-CT: klinische komplette Remission. In folgendem Beispiel operativ bestätigt: ypT0ypN0. Follow-up nach 3 Jahren: ohne Rezidiv
chen TNT-Studien 54 Gy. Ein «Boost-Konzept» und die Aussparung von Risikostrukturen nach 45 Gy bieten die Möglichkeit, die Toxizität zu verringern. Dieser «Boost» kann auch als integriertes Konzept in Form einer simultan integrierten Dosis bei der
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Auf einen Blick
Empfehlungen analog zur S3-Leitlinie der DKG 2019 (5) Stadium I:
■ Lokale operative Verfahren (transanale endoskopische Mikroresektion, TEM) bei selektionierten Patienten oder alleinige TME
Stadium II und III: ■ Die präoperative Radio-/Chemotherapie ist Standard in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms. Diese Therapie halbiert die Lokalrezidivrate, unabhängig vom Operationsverfahren. ■ Die intensivierte Chemotherapie in Kombination mit einer Langzeit-Radiochemo therapie oder auch Kurzzeitbestrahlung (TNT = totale neoadjuvante Therapie) führen zu einem verbesserten «Downsizing» und «Downstaging». ■ Bei klinischer Komplettremission nach neoadjuvanter Radiochemotherapie (TNT) kann ein organerhaltendes Konzept erwogen werden, primär jedoch in Studien.
IMRT (SIB: simultan integrierter Boost) umgesetzt werden.
Nebenwirkungen
Das Nebenwirkungsspektrum basiert auf der Kombination der unterschiedlichen Therapiemodalitäten. Nach tiefer anteriorer Rektumresektion ist das LARS (LARS: low anterior rectal resection syndrome: beinhaltet Inkontinenz, erhöhte Stuhlfrequenz, schmerzhafte und fraktionierte Stuhlentleerungen und imperativen Stuhldrang) eine mögliche Nebenwirkung (47).
Die Strahlentherapie verursacht wechselnde Durchfälle, Obstipationen, proktitische Beschwerden bei Dosen ab 20–30 Gy, Dysurie, Blutungen und Schleim-/Schleimhautabgänge sowie zusätzlich bei tief liegenden Tumoren Epitheliolysen im Dammbereich. Diese heilen unter supportiven pflegerischen Massnahmen zum grössten Teil in den ersten Wochen nach der Strahlentherapie aus. Selten verbleiben auf Dauer: Inkontinenz, Impotenz, Unfruchtbarkeit neben Verwachsungen und Fibrosen benachbarter Organe sowie Beeinträchtigung des Hormonhaushaltes (insbesondere des Östrogens bei Frauen). Die Risikorate für > GradIII-Toxizitäten (CTC) liegt bei der Verwendung moderner Radiotherapietechniken bei 3 bis 11%. Durch die Kombination mit einer Chemotherapie werden lokale Reaktionen intensiviert. Zusätzlich kommen noch systemische Nebenwirkungen wie Blutbildveränderungen und Erhöhung der Infektionsrate, allergische Reaktionen, Übelkeit und Erbrechen hinzu. Auch hier bieten medikamentöse und supportive Massnahmen eine gute Linderung der Symptome.
Dr. med. Branka Asadpour Leitende Ärztin Radioonokologie E-Mail: branka.asadpour@claraspital.ch
Prof. Dr. med. Wolfgang Harms Chefarzt Radioonkologie
St. Claraspital Kleinriehenstrasse 30 4058 Basel E-Mail: radioonkologie@claraspital.ch
Interessenkonflikte: Keine
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